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Am Kanal

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29.06.2018
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Am Kanal

Am zwölften oder dreizehnten Tag - wer zählt so etwas schon genau - konnte man den Eindruck gewinnen, die Stadt habe sich an die Hitze gewöhnt. Meine Hunde krochen morgens schon sehr früh unter die hintere Veranda und erst, wenn die Schatten sich mittags auflösten, kamen sie hervor und wechselten nach vorn unter die Bäume, wo sie aus dem Teich trinken konnten. Nachdem Clarissa gegangen war, hatte ich Frau Vendt gebeten, den Gärtner zu entlassen - einen Naturgarten fand ich schon immer schöner, Mama hatte das damals wenigstens für unser Ferienhaus in Nizza so durchgesetzt.

Ich ging barfuß über die Holzdielen in der Küche auf und ab, der Kaffeeautomat brummte alle paar Minuten und verlangte eine Reinigung. Die wenigen noch lebenden Wespen und Fliegen versuchten träge, sich auf den Rotweinrändern niederzulassen, die auf der weißen Marmorfläche ein Muster bildeten. Die Vorhänge hingen schlaff herunter, ich hatte sie zugezogen, aber sie ließen das grelle Licht weitgehend ungehindert herein. Den Tag verbrachte ich meist auf den Sofas, die vergilbten Zeitungen lagen davor und die Bücher stapelten sich im gesamten Zimmer zu kleinen Türmen: Erstausgaben auf dem Flügel, die russischen Klassiker und die Novellensammlung die Fensterbänke entlang und meine geliebten Kunstbücher aufgeschlagen auf dem Boden verteilt, leicht bewegt von dem Deckenventilator auf niedrigster Stufe. Den Fernseher hatte ich bei unserem Streit im Frühling umgestoßen, und die Vase mit den Callas in die Plasmascheibe geworfen. Richtig gegessen hatte ich schon länger nicht mehr, meine fleckige Leinenhose wurde von einem Strick gehalten, das gefiel mir, als Mama sie mir in Marbella im Yachtshop kaufte. Ein frisches Hemd ziehe ich jeden Tag an, das wird noch längere Zeit möglich sein, gestern erst stand ich im Ankleidezimmer und staunte über die vielen Anzüge, mein Schneider hatte mehrmals im Jahr gut an mir verdient.

Ich brach immer erst auf, wenn die Sonne nur noch knapp über dem Horizont zu sehen war, meist mit dem Jaguar, die anderen Wagen waren mir zu auffällig. Mein Ziel stand fest, auch wenn ich mir jeden Tag einredete, mich treiben zu lassen, spätestens nach einer Stunde parkte ich, obwohl es noch zu hell war, auf dem verdeckten Parkplatz am toten Arm des Kanals. Die üblichen Stricher wussten, dass ich nicht zu ihnen wollte und hielten sich zurück. Wenn ich kam, lagen Frederiq und Massimo meist schon auf unserem Platz, zwei Linien für jeden bereiteten sie immer vor. Wir sprachen wenig, sie wussten was ich wollte und wie ich es wollte, das Geld gab ich ihnen immer hinterher. Frau Vendt überwies regelmäßig vom Firmenkonto, die Rücklagen der letzten Jahre würden wohl länger reichen als der Hemdenvorrat.

Heute war es beim Abschied etwas anders, ich merkte, wie sie sich ansahen, als ich aufstand. Massimo ging neben mir zum Auto und redete mit seinem angenehmen, italienischen Akzent auf mich ein, Frederiq hielt seine Hand. Ich hörte mehr darauf, wie er es sagte, als was er sagte, und nahm sie mit, wir fuhren mit offenem Verdeck, die Nacht war angenehm warm. Als ich das Tor mit dem Sender öffnete und die Lampen in der Einfahrt aufleuchteten, kam mein Nachbar vorbei und grüßte wie früher, aber ich wollte mit ihm nichts mehr zu tun haben. Meine Hunde waren zu träge, um herbeizulaufen, die kleinen Steine spritzten gegen das Tor, als ich die Räder durchdrehen ließ.
Massimo mixte Daiquiris, Frederiq stieg über den Fernseher ohne etwas zu sagen und wählte Rachmaninov aus, die Platte lag immer griffbereit oben auf dem Stapel. Die Türen zur Veranda ließen wir offen, wir konnten die Musik gut hören, als wir hinten im Pavillon saßen, die Beleuchtung der Teiche zog die Mücken an, die von den Kois gejagt wurden. Die beiden Ecstasys spülte ich mit dem Daiquiri herunter, einige Flaschen standen noch im Weinkühlschrank direkt neben mir, die einzig gute Idee der Landschaftsarchitekten. Offenbar ging es um eine Transaktion, die nicht illegal war aber etwas ungewöhnlich und daher Diskretion erforderte. Die beiden hatten einen größeren Geldeingang zu erwarten, ein Freund hatte sich kurzfristig bereiterklärt, zwei Millionen Euro zu schenken und anschließend monatlich 30.000 Euro zu zahlen, sie benötigten ein Konto. Ich wollte ihnen den Gefallen gern tun, für Frau Vendt wäre das sicher kein Problem, und für die beiden war es eine große Erleichterung. Wir stießen an und Massimo küsste mich auf den Mund, Frederiq zeigte sich noch dankbarer, ich musste nicht einmal bezahlen, und freute mich über unser stilles Einverständnis.
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Als der Haftrichter einige Wochen später die Untersuchungshaft verlängerte, war ich mir im Klaren, dass sie nicht kommen konnten, aber der Haifisch auf meinen linken Unterarm erinnerte mich an unsere Freundschaft und gab mir Kraft.

 

Nun, da ist noch viel Arbeit, aber ich denk, es wird was draus. Handke wurd anfangs auch mit Beschreibungsliteratur verwechselt.
schrieb ich am Ende unserer ersten Begegnung,
und nunja,

lieber MarcCaesar,

viel getan hat sich nicht und die Zeichensetzung liegt eher auffälliger als vordem daneben, aber als Liebhaber vom Wolf und seinen Derivaten riech ich wahrscheinlich jeden Hundeartigen in Geschichten (was natürlich bei zweien entsprechend stärkeren Zug in der Nase ausmacht). Und dass Vorhänge schlaff herunterhängen wird nicht nur in Hitze vorkommen und dass das Insektensterben dank chemischer Keulen nicht nur der industrialisierten Landwirtschaft und Glyphosat mit dem

wenigen noch lebenden Wespen und Fliegen
angerissen wird deudet auf ein aktuelles Datum. Aber nix passiert so recht und ob einer sieben Hemden in der Woche braucht oder nur sechs oder gar acht regt auch keinen auf – zumindest beim Lesen, wer natürliche Hundegerüche übersteht, selbst wenn die Tiere sich in Scheiße gewälzt haben im stinkenden Wattenmeer bei diesen Temperaturen, der wird auch andere natürliche Gerüche aushalten.
Die einzige Überraschung: Es muss auch neben (Maria) Callas noch wen oder was anderes gleichnamiges geben, was aber eigentlich auch keine Rolle spielt.

Es plätschert halt für sich hin mit ein paar Informationen über diesen und jenen, dies und das – aber es geschieht halt nix so recht. Versuchen wir‘s also mit der Zeichensetzung ...

... und erst[,] wenn die Schatten sich mittags auflösten, kamen sie hervor und …
Ich sag mal pauschal, immer wenn die Konjunktion „wenn“ auftaucht, auf Komma prüfen, denn im Gegensatz zu und, oder usw. ersetzt es kein Komma. Selbes gilt für die Konjunktion „nachdem“
Nachdem Clarissa gegangen war[,] hatte ich Frau Vendt gebeten, den ...
... - Frederiq und Massimo lagen meist schon auf unserem Platz[,] wenn ich kam ...
Ich hörte mehr darauf, wie er es sagte, als was er sagte[,] und nahm sie mit, wir fuhren offen, die …
(Nebensatz zu Ende und "offen"? Offene Hemdkragen? Offenen Auges, Mundes, Ohres – offener Nase o. ä.

Als das Tor sich öffnete …
Ja, so sagt man wohl. Aber: Kann ein Tor/eine Tür "sich selbst" öffnen?

Meine Hunde waren zu träge[,] um herbeizulaufen, die kleinen Steine spritzten gegen das Tor[,] als ich die Räder durchdrehen ließ.
„um“ vorm Infinitivsatz erzwingt immer ein Komma und „als“ leitet einen vollständigen Satz ein, darum das Komma - usw. usf.

Wie dem auch sei, ich wünsch Dir ein schönes Wochenende (was aber auch mal einen anständigen Landregen bedeuten kann). Bis bald

Friedel

 

Hallo @Friedrichard,

schön, dass Du - auch wenn sie Dir nicht recht gefallen hat - Dir meine Geschichte angesehen hast. Es plätschert tatsächlich vor sich hin, das soll es auch in diesem Fall, leider sind nur auch zu viele Fehler hineingeplätschert, mache mich gleich dran und korrigiere ... und gelobe Besserung, aber das sagen ja alle und mal sehen, ob ich das einhalten kann.

Die Maria Callas hat tatsächlich meines Wissens nichts mit einer schönen Blume zu tun (so schön war sie ja auch nicht), wenn Du mal gucken magst: https://www.mein-schoener-garten.de/gartengestaltung/calla-schoenheit-fuer-topf-und-beet-3806.

Dank dir und auf bald - mit ebenfalls einem schönen Wochenende :-)

MarcCaesar

 

Herzlichen Dank für Deinen Kommentar, lieber @Manilo ...
Schön, dass es Dir gefallen hat, ungefähr so war es auch gedacht.

 

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