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An der alten Eiche

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28.11.2019
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Anmerkungen zum Text

Ich habe zwar immer mal wieder ein paar Kurzgeschichten geschrieben, doch zeichneten diese sich eher durch einen dümmlichen, spaßigen Inhalt aus. Mit dieser Geschichte habe ich nun zum ersten Mal versucht, auch ein ernstes Thema zu verarbeiten. Ich weiß jedoch nicht, ob es mir gelungen ist. Ich hoffe jedenfalls, dass der ein oder andere von euch ein paar nützliche Tipps für mich hat.

An der alten Eiche

Und wieder saß der alte Mann, umgeben von dem restlichen Grün eines ehemaligen hübschen Hains auf seiner halbmorschen Holzbank, während über ihm mächtig seine ihm lieb gewordene alte Stadteiche thronte und er nichts weiter tat, als besorgt das Treiben der Masse zu beobachten. Grausam produzierte diese den allnächtlich tobenden Lärm krachender Motoren, das Geschrei wildgewordener Kinder und die belanglosen Gesänge eines Sturzbetrunkenen. Doch genau hier, inmitten dieser von Menschenmassen überquellenden Asphaltwüste, saß der alte Mann an dem einzigen Ort dieser Stadt, welcher noch nicht vom Grau bedeckt die Belanglosigkeit des 21. Jahrhunderts überstanden hatte, und erinnerte sich an die Jahre seiner unbefangenen Kindheit. Er erinnerte sich an seinen ersten Schultag, an seinen ersten Staudamm, den er unten an dem Bächlein, das nun trockengelegt wurde, gebaut hatte. Er erinnerte sich auch an seine erste Liebe, an seinen ersten Kuss. Doch just in dem Augenblick, noch ehe er an die scheinbar seelische Heilung der Nostalgie glaubte, zwang er sich alle Erinnerungen an die vergangene Zeit zu unterdrücken:
"Was nutzt es dem Menschen in den Akten halb verblasster Erinnerungen zu wühlen, wenn mir doch keine Menschenseele je wieder das zurückgeben kann, was einmal war und nie wieder sein wird?"
In diesen Gedanken verhaftet, verweilte er schließlich noch eine Zeitlang, als plötzlich, ganz unerwartet, eine ihm unbekannte junge Frau entgegentrat und ihn mit einer so unbeschreiblich liebevollen Stimme danach fragte, ob es ihm denn gut ginge.
Der alte Mann war daraufhin so erstaunt, dass er ihr, obgleich er es nicht wollte, zunächst eine Antwort schuldig blieb.
„Ist es möglich, dass jemand mich, mich alten Mann, einfach so anspricht?“
Freundlich schaute sie in sein von tiefen Falten gezeichnetes Gesicht und fragte ihn abermals:
„Gibt es denn einen Grund, warum Sie hier sitzen? Ich meine, so ganz allein in dieser trüben, kalten Nacht?“
Nun war es nicht mehr die Verblüffung dieser eigentümlichen Begegnung, als vielmehr eine Frage, auf die er keine Antwort wusste:
„Was mache ich hier eigentlich? Habe ich denn kein Zuhause? Keine eigene Wohnung, kein warmes Bett? Warum zieht es mich immer wieder hier her?“
Ihm wurde zum ersten Mal klar, dass er sich diese Frage nie zuvor gestellt hatte. Und ganz gewiss hätte er sie sich auch nie gestellt, wenn nicht, aus heiterem Himmel, plötzlich diese junge, freundliche Frau aufgetaucht wäre und danach gefragt hätte.
„Ich will Ihnen wirklich nicht zu nahetreten“, sagte sie. „Noch ferner liegt es mir Sie zu belästigen. Es ist nur so, dass ich nun schon seit längerer Zeit, immer abends, wenn ich hier vorbeikomme, bemerke, dass Sie hier sitzen“. Mit einer Handbewegung deutete sie auf den freien Platz zu seiner Rechten und fragte:
„Darf ich?“
Schüchtern und noch immer erstaunt über das plötzliche Erscheinen der jungen Frau, schaffte er es schließlich doch ihre freundliche Bitte zu erwidern und sagte nur: „Sehr gerne. Setzen Sie sich!“
Noch während sie Platz nahm, beobachtete sie die Umgebung, ganz so, als suchte sie in dieser nach Antworten. Sie beobachtete die Menschen, die im Gleichschritt ihrer Wege marschierten, Autos, die krachend und hupend über die Straßen brausten, die grauen Fassaden der quadratischen Häuserwände, die grellen Laternen, die Tauben, die Einkaufsmeilen, die Helligkeit der Nacht. Und immer dann, wenn ihr Blick aus dem Sehfeld des alten Mannes verschwand, schaute dieser unbemerkt zu ihr herüber, als wollte er herausfinden, welches Empfinden sie dabei hatte. Dann, nach einem kurzen Augenblick der Stille, sagte sie:
„Es ist schon seltsam. Diese Stadt wirkt trotz ihrer Belebtheit so einsam, so verlassen. Hier tummeln sich so viele Menschen, dass ich das Gefühl habe hier gibt es keinen einzigen Menschen mehr. Und sie wirken alle so…“ noch während Sie überlegte welches Wort ihren Eindruck am Trefflichsten zu beschreiben vermochte, antwortete der alte Mann:
„…so traurig?“.
Ihr Blick schweifte nach oben und fand seinen Weg in die riesige Krone der alten Eiche.
„Ja, vielleicht ist es das. Vielleicht sind die Menschen wirklich traurig“, antwortete Sie.
„Vielleicht sind sie aber auch gar nicht traurig. Was ist, wenn das alles hier gar keine Menschen sind, vielmehr gut funktionierende Maschinen in einem morschen System? Und folgen wir nicht alle einem undefinierten, unhinterfragten Ziel? Kann es sein, dass sich dieses Ziel am Ende unseres Lebens als vollkommener Trugschluss erweist? Und spiegelt diese kalte Stadt, mit ihren grauen Fassaden und ihrer Anonymität nicht genau das wider, was uns alle in unserem tiefsten Inneren quält? Eine weite, unbeschreibliche Leere, von der wir nur nichts ahnen?“
Als er bemerkte, dass sie noch immer hinauf zu seiner Eiche schaute, folgte auch er ihrem Blick. Und auch, wenn er wusste, dass er sie bestens kannte und liebte und ihm dieses altbekannte Bild nichts Neues versprechen würde, konnte er seinen Blick nicht mehr von ihr wenden. Und dann, fast so, als hätte er nur darauf gewartet, sagte sie etwas, das ihn so würdevoll in seinem tiefsten Inneren bewegte und was ihm gleichsam als die beste, die passendste, ja die schönste Antwort auf all seine Fragen schien:
„Ich glaube“, sagte sie, “hier unter diesem Baum, auf dieser alten Holzbank, genau an diesem Ort hat man das Gefühl, noch Mensch zu sein.“
„Noch Mensch zu sein“, wiederholte er.
Und während er die Worte dieser jungen, geheimnisvollen Frau immer und immer wieder in seinen Gedanken abspielte, verstand er endlich, dass sie ihm womöglich das Geheimnis seiner unbegreiflichen Sehnsucht offenbart hatte. Es war eine Sehnsucht nach Orten der Erinnerung, des Rückzugs, der Bewusstwerdung des Lebendigseins in einer leblos gewordenen Welt. Und er verstand, dass er nun auch nicht mehr der Einzige mit diesem Gefühl zu sein schien. Das es noch mehr Menschen auf dieser Welt geben muss, die ganz ähnlich empfinden wie er. Dies erfüllte sein Herz mit solch einer Freude, dass er glaubte seine Augen für einen Momemt lang schließen zu müssen, nur um all das Schöne, das Gute in der Welt festzuhalten. Doch als er diese wieder zu öffnen begann und feststellte, wieder alleine zu sein, wurde ihm ganz kalt ums Herz. Ohne einen Ton zu sagen, ohne einen hörbaren Laut zu hinterlassen, musste die junge Frau einfach aufgestanden und fortgegangen sein. Vergebens versuchte er sie zwischen den Menschenmassen zu finden. Doch erwies sich dieses Vorhaben als schier unmöglich. Genauso unerwartet wie sie gekommen war, so unerwartet verschwand sie auch wieder.
Und so saß er dann noch einen Augenblick lang da, auf seiner halbmorschen Bank unter seiner alten Eiche, ehe er den Entschluss fasste sich von ihr zu erheben und den langen, tristen Nachhauseweg anzutreten. Dann blickte er noch ein letztes Mal hinauf zu seiner Eiche, streichelte sanft und liebevoll ihre Borke, wandte seinen Blick von ihr und verschwand in der Anonymität der Masse.

 

Hallo @Sören87,

herzlich Willkommen bei uns!

Zu Anfang nur ein paar kleine Tipps von mir zum Aufbau. Es wäre vom Schriftbild her noch angenehmer zu lesen, wenn du den Text ein bisschen besser gliederst, also öfter mal einen Absatz machst, damit die Szenen besser sichtbar sind und die Geschichte nicht so im Block daher kommt.

Auch auf Kommasetzung solltest du noch einmal schauen, da fehlt's manchmal, z.B. hier:

Doch genau hier, inmitten dieser von Menschenmassen überquellenden Asphaltwüste[KOMMA] saß der alte Mann an dem einzigen Ort dieser Stadt, welcher noch nicht vom Grau bedeckt die Belanglosigkeit des 21. Jahrhunderts überstanden hatte[KOMMA] und erinnerte sich an die Jahre seiner unbefangenen Kindheit.
Vielleicht könntest du dir auch überlegen, solche verschachtelten Sätze ein wenig zu entzerren, damit sie klarer werden.

Bei der wörtlichen Rede beginnt man am besten immer eine neue Zeile, wenn der Sprecher (oder wie in diesem Fall, der Denker) wechselt. Also z. B. so:

In diesen Gedanken verhaftet, verweilte er schließlich noch eine Zeit lang[KOMMA] als plötzlich, ganz unerwartet, eine ihm unbekannte junge Frau entgegentrat und ihn mit einer so unbeschreiblich liebevollen Stimme danach fragte, ob es ihm denn gut ginge. [ABSATZ]
Der alte Mann war daraufhin so erstaunt, dass er ihr, obgleich er es nicht wollte, zunächst eine Antwort schuldig blieb. „Ist es wirklich möglich, dass mich hier, unter diesem alten Baum, an dieser morschen Bank tatsächlich jemand anspricht?“[PUNKT WEG] [ABSATZ]
Freundlich schaute sie in sein von tiefen Falten gezeichnete Gesicht und fragte ihn erneut [DOPPELPUNKT]: „Gibt es denn einen Grund, warum Sie hier sitzen? Ich meine, so ganz allein auf dieser alten Bank und dann auch noch in dieser trüben, kalten Nacht?“[PUNKT WEG] [ABSATZ]
Nun war es nicht mehr die Verblüffung dieser eigentümlichen Begegnung, als vielmehr eine Frage, auf die er keine Antwort wusste. „Was mache ich hier eigentlich jeden Tag? Habe ich denn kein Zuhause? Keine eigene Wohnung, kein warmes Bett? Warum zieht es mich immer wieder hier her?“[PUNKT WEG] [ABSATZ]
Ihm schien zum ersten Mal klar zu werden, dass er sich darüber nie zuvor Gedanken gemacht hatte. Und ganz gewiss hätte er sich diese Frage auch niemals gestellt, wenn nicht, aus heiterem Himmel, plötzlich diese junge, freundliche Frau aufgetaucht wäre.
„Ich will Ihnen wirklich nicht zu nahetreten“, sagte [KLEINES S]sie. „Noch ferner liegt es mir Sie zu belästigen. Es ist nur so, dass ich nun schon seit längerer Zeit, immer abends, wenn ich hier vorbeikomme, bemerke, dass Sie hier sitzen“[PUNKT WEG] Mit einer Handbewegung deutete sie auf den freien Platz zu seiner Rechten und fragte ihn, „Darf ich?“[PUNKT WEG] [ABSATZ]
Schüchtern und noch immer erstaunt über das plötzliche Erscheinen der jungen Frau schaffte er es schließlich doch ihre freundliche Bitte zu erwidern und sagte nur[DOPPELPUNKT]: „Sehr gerne. Setzen Sie sich!“ [PUNKT WEG] [ABSATZ]
Noch während sie Platz nahm, beobachtete sie ihre Umgebung, ganz so, als wollte sie damit herausfinden ob hier womöglich die Erklärung für die täglichen Besuche des alten Mannes zu finden war.

Ich glaube, du siehst, was ich meine. Schau dir am besten die Regeln der wörtlichen Rede noch einmal an, hier scheint es noch ein bisschen zu haken, und gliedere deinen Text ganz bewusst, damit der Leser besser mitkommt.

Dann fällt das inhaltliche Feedback auch leichter, weil man nicht mehr so von dem Block erschlagen wird.

Dies mal als erste Rückmeldung, ich hoffe, das hilft dir weiter.
Viele Grüße
RinaWu

p.s.: Deinen Text editieren kannst du direkt hier, indem du unter deiner Geschichte auf "bearbeiten" klickst, deine Änderung vornimmst und das Ganze dann durch "speichern" sicherst.

 
Zuletzt bearbeitet:

@RinaWu,

Hey! vielen lieben Dank für das tolle Feedback. Ja ich hatte den Text in Word eigentlich etwas klarer formatiert, als ich ihn hier eingefügt hatte, habe ich dann wohl versäumt ihn auch hier noch mal zu formatieren. Die Regeln zur wörtlichen Rede sind mir eigentlich bewusst, ich habe seltsamerweise nur irgendwie beim Schreiben meines Textes nicht so einen Wert drauf gelegt dies anzupassen. Ich werde deine Vorschläge aber berücksichtigen und den Text noch mal überarbeiten.
Vielen Dank

 

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