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Ananas

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08.09.2007
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Ananas

Als ich ein kleines Mädchen war, meine Eltern noch so häufig miteinander stritten, dass sich eine Trennung nicht gelohnt hätte, begleitete ich meine Mutter oft beim Einkaufen. Ich habe es heute noch deutlich vor Augen, wie ich hastig und mit dem breiten Grinsen einer schlampig gezeichneten Comicfigur durch den Supermarkt in unserem Neubaugebiet eilte, während sich meine Mami mit der Frau hinter der Fleischtheke unterhielt. „Wie läuft es mit Herbert?“ „Geht so. 150 g Lyoner.“
Ich flog… vorbei an gelben Kakaopulverstapeln, schwarzen Weinregalen und der in lila gehaltenen Asienabteilung. Mein langer brauner Zopf, den ich nur unter der Bedingung behalten durfte, dass ich meine Haare zweimal täglich kämmte, wurde beständig von meinem Rücken angeschubst und flatterte wild, als führe ich ohne Helm Motorrad. Dabei füllte sich mein Einkaufswagen mit Mungbohnensprossen, Chardonnay, gefüllten Paprikaschoten, Tomatenmark, zuckerfreier Cola, Sonnenblumenbrot, Herbes de Provence, Käse, Basmatireis und jede Menge Caramello Koalas. Letztere standen zwar nie auf der Einkaufsliste, doch versteckte ich sie einzeln jeweils unter einem anderen Artikel, sodass Mami den Braten meistens erst dann roch, wenn die Koalabären schon zu Hause irgendwo verstümmelt in der Ecke lagen. Das Beste am Einkaufen war jedoch nicht das Naschen, sondern die Obst- und Gemüseabteilung.
Hier betastete ich Pfirsiche, als suchte ich mir ein Hochzeitskleid. Ich prüfte Birnen, wie erfahrene Samurai ein neues Schwert, ließ die ein oder andere Cocktailtomate in meinem Mund verschwinden. Ich stolzierte zur Waage, als sei sie der König und meine Bananen eine ganz besondere Schriftrolle. Und ich kontrollierte Ananas. Hierzu nahm ich die einzelnen Stücke an mich, um behutsam am Hals zu drehen. Ich wusste: Je wackliger der Hals, desto reifer die Frucht. Je reifer die Frucht, desto süßer, saftiger, intensiver das Geschmackserlebnis. Die Ananas war zu dem Zeitpunkt mein Lieblingsobst. Nicht nur, weil ich mit meiner Ananas-Kontrolle stets die Aufmerksamkeit anderer Kunden auf mich zog und (so glaubte ich zumindest) neidische Blicke erntete. Wenn es Ananas gegeben hatte, wurde zu Hause wieder mehr gelacht. Mami schrie wieder so, wie damals, als ich ihr einen Plastikkrebs in die Salatschüssel gelegt hatte, und Papa machte uns Pfannkuchen mit ganz viel Ahornsirup. Und wenn es am Samstag Ananas gegeben hatte, setzte er sich am nächsten Morgen zu mir und wir schauten gemeinsam die Sonntag-Morgen-Cartoons an. Danach kitzelte er mich durch und spielte Tuba auf meinem Bauch.

„Wieso steht Ananas nicht mehr auf der Liste?“
„Ach, weißt du… Eigentlich mag ich das gar nicht so“, knurrte Mami und fuhr mit sanfter Stimme fort, „aber du kannst ja mal nach Mangos schauen, ja?“
„Ich will aber keine blöde Mango. Ich will Ananas!“, schrie ich vergebens. Denn Mami ließ nicht locker. Sie unterhielt sich auch nicht mehr mit der Frau hinter der Fleischtheke, sondern warf lieblos irgendwelche quietschbunten Packungen in den Einkaufswagen: Fertigpizza, abgepackter Gouda, Cornflakes mit peinlichen Extras, Nudeln in Form von Jiminy Grille. Meine Versuche, mir den Einkauf mit Mu-Err-Pilzen oder Weißweinessig zu versüßen, schlugen fehl. Und in der Obst- und Gemüseabteilung konnte ich es sowieso nicht mehr ausstehen, jetzt, wo sich die euphorische Hektik in eine…äh… hektische Hektik verwandelt hatte. Sogar die Caramello Koalas machten irgendwie keinen Spaß. Mami warf sie, ohne dass ich gebettelt hatte, gleichgültig zu dem ganzen anderen Kram.
Am Abend fragte ich Papa, wieso Mami nicht mehr Ananas kaufen wolle. Papa saß auf dem dunkelblauen Sofa in unserem Wohnzimmer, das viel sauberer war als sonst, und trank aus einer goldenen Dose mit weißen Verzierungen, die mich an ein Portal aus meinem Fantasybuch erinnerte. „Ach, weißt du…“, sagte er gähnend. Im Fernseher wurde ein Jäger von zwei Veloziraptoren zerfleischt. „Mami macht zurzeit doch eh nur, was sie will.“
Auch in der Schule fand ich wenig Anklang. Wir standen in einem Kreis auf dem geteerten Hof, der mich manchmal an einen riesigen Elefantenrücken erinnerte. Stefan trug einen kleinen gelben Plastikhelm und Sandalen, Markus eine Latzhose aus Jeans mit einer Lasche an der Seite, in die man einen Hammer stecken konnte. Meine beste Freundin Kiki behauptete, man könne auch ohne Ananas glücklich sein. Ihre Mutter kaufe nie welche, weil man davon so eine pelzige Zunge bekäme. Trotzdem hätten sie zu Hause eine Menge Spaß. Stefan und Markus nickten zustimmend. Die beiden sagten nie wirklich viel. Ich kaufte ihr das nicht ab. Erstens spielte sie die ganze Zeit nur am Computer und zweitens brachte sich ihre Mutter noch am selben Tag um. „Kein Wunder“, kommentierte Mami später trocken, „so viel, wie die immer gelacht hat.“

Einige Tage danach lag ich abends noch wach im Bett. Mami war unterwegs, aber das störte mich nicht wirklich. Mit ihr konnte ich sowieso nicht mehr reden. Mein Zimmer war kreisrund mit einem Schlauchboot-großen Balkon an der einen Seite und einer knallroten Tür an der anderen. Die Decke hatte ich mit vielen kleinen Planeten, hauptsächlich Saturns und Marse, ausgestattet, die sich tagsüber mit Sonne aufluden und dann in der Nacht zu leuchten anfingen. Mein Bett war ebenfalls kreisrund und befand sich in der Mitte, direkt unter einer großen weißen Papierlampe. An der Wand hing ein Dumbo-Poster.
Irgendwann - wie lange ich still dagelegen war, weiß ich nicht mehr - hörte ich Papa die Treppe heraufkommen. Seinen Gang erkenne ich sofort. Er öffnete leise die Tür. Ein kurzer Windstoß strich mir sanft über die Wange und ließ mich für den Bruchteil eines Augenblicks frösteln. Ich streckte meine kleinen Arme und setzte mich umständlich an die Bettkante. Draußen war es schon dunkel. Papa ging langsam auf mich zu und ließ sich an meiner Seite nieder. Wir schwiegen eine Weile. Er atmete tief und sehr gründlich.
„Ich werde bald nicht mehr hier wohnen.“ Papa starrte gegen die Wand. Er sah irgendwie gelangweilt aus. Oder traurig, so genau konnte man das ja nie wissen. Doch dann begannen sich seine Augen mit Wasser zu füllen und es kullerte ihm eine einzige Träne über die mir zugewandte Backe.
„Und wo wohnst du dann?“, fragte ich aufgeregt.
„Ich weiß es noch nicht, jedenfalls nicht mehr in diesem Haus.“ Papa umarmte mich nur. Er war sehr warm und zitterte am ganzen Körper. Ich bekam kaum Luft und ruderte mit den Armen, als müsse ich mich aus den Fängen einer ausgewachsenen Anakonda befreien. Papa fiel trotz seiner offensichtlichen Zerstreuung auf, wie ich verzweifelt kämpfte. Er ließ mich langsam los, sein Zittern wurde stärker. Die Zähne klapperten fröhlich wie viele kleine Kastagnetten. „Du kannst mich jederzeit besuchen kommen. Wir kochen und schauen uns Dumbo an. Es wird nicht so groß sein, wie hier und sicherlich nicht so hell…“
Ich wurde skeptisch. Nicht nur, weil ich wusste, dass Papa Dumbo nicht mochte und sich viel lieber Indiana Jones anschaute. „Wohin ziehst du denn? In einen Sarg, so wie Dracula?“

Natürlich zog er nicht in einen Sarg. Dafür bekam ich ein großes Eis. Seine neue Wohnung gefiel mir. Sie lag mitten in der Stadt, in der Nähe des Bahnhofs und hatte ein Wohnzimmer, ein Büro, einen dunklen Flur mit Einbauküche und ein kleines Klo. Ich schleckte immer noch an meinem Eis (mittlerweile war ich bei Maracuja angekommen und dementsprechend vergnügt), als ich mich auf sein Sofa fallen ließ, während er in den Flur ging, um Getränke zu holen. Auf der Fensterbank stand der Kaktus, den ich ihm heute geschenkt hatte. Er war kaum größer als ein Tamagotchi und passte meiner Meinung nach gut zu der Basilikumpflanze in dem gelben Tontopf daneben. Über mir hing ein großes Schwarz-weiß-Foto von Audrey Hepburn, auf der anderen Seite des Zimmers stand ein roter Plastikesel, eine elegante titanfarbene Stehlampe und ein Flachbildschirm, der so riesig war, dass er wahrscheinlich nicht in einem Stück auf meinen Balkon gepasst hätte.
Papa kam mit zwei lustigen Gläsern und einem Tetrapack aus dem dunklen Flur zurück. Er trällerte leise vor sich hin, was sehr ungewöhnlich für ihn war. Generell hatte er sich seit unserem Gespräch in meinem Zimmer stark verändert. Er sprach von deiner Mutter nicht mehr so, wie Bettler von einem Feinschmecker sprechen, und als das Telefon klingelte, weil er eigentlich eine wichtige Präsentation vorbereiten musste, beendete er das Gespräch mit seinem Geschäftspartner singend mit den Worten: „Grau, treuer Freund, ist alle Theorie und grün des Lebens goldner Baum.“

Mein Vater schenkte uns ein.
„Was für ein Saft ist das denn?“, fragte ich kritisch.
„Ananas“, antworte er und zwinkerte mir lächelnd zu.
Ich konnte es kaum glauben. Meine Haut begann zu kribbeln, der Blick erstarrte. Die grelle Abendsonne wärmte meine Stirn, die Stimmen der draußen laufenden Passanten drangen klar in mein Ohr. Ich schloss die Augen. Meine Beine falteten sich zu einem zierlichen Schneidersitz, der Kopf knickte so stark ab, dass mein Kinn beinahe die linke Brustwarze berührte. Mein Vater beobachtete mich stumm. Ich hob meine Hände, um mit ihnen das Gesicht zu verdecken. „Jetzt wird alles wieder gut“, dachte ich und fing an zu weinen.

 
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Hi, Edward.

Als ich ein kleines Mädchen war, meine Eltern noch so häufig miteinander stritten, dass sich eine Trennung nicht gelohnt hätte, begleitete ich meine Mutter oft beim Einkaufen.
Der Übergang beim ersten Komma klingt etwas seltsam. Passt da vielleicht ein 'und' besser? Außerdem verstehe ich das nicht ganz: Die Eltern wollen sich nicht trennen, weil sie so oft streiten? Ich könnte mir eher vorstellen, dass sie sich wegen ihrer Tochter noch nicht trennen wollten.

Hier betastete ich Pfirsiche, als suche ich mir ein Hochzeitskleid.
als suchte -> Vergangenheit

prüfte Birnen, wie erfahrene Samurai ein neues Schwert, ließ die ein oder andere Cocktailtomate in meinem Mund verschwinden. Ich stolzierte zur Waage, als sei sie der König und meine Bananen eine ganz besondere Schriftrolle.
Die Bilder sind sehr einfallsreich, aber ich finde, dass sie nicht ganz passen. Für die Birnen fällt mir nichts anderes ein, aber da du nicht so viele Bilder verwenden musst, könntest du auch die Art und Weise genauer beschreiben, z.B. drehte sie in den Händen und besah sie von allen Seiten, suchte nach kleinsten Flecken, die Hinweise auf ein fauliges Inneres gaben, oder so ähnlich. Das mit der Waage finde ich auch nicht stimmig, denn man legt ja auch keine Schriftrollen auf den König. Wie wär's mit: Ich schritt zur Waage, als wäre sie ein Altar und die Bananen meine Opfergaben.

abgepackter Gauda,
Der Käse schreibt sich Gouda.

und zweitens brachte sich ihre Mutter noch am selben Tag um.
Ist das ernst gemeint?? Das kommt so knapp und trocken rüber. Außerdem standen sie gerade noch auf dem Schulhof und erzählten, als die Prot. ihrer Freundin Kiki nicht glaubte, den zweiten Grund dafür erfährt sie doch aber viel später.

„Ananas.“, antworte er
Da kommt kein Punkt vor den schließenden Anführungszeichen, wenn dahinter ein Komma folgt.
„Jetzt wird alles wieder gut.“, dachte ich
Hier genauso.

Also, so wie ich das sehe, ist die Ananas in dieser Geschichte ein Symbol und steht mMn für die Liebe der Eltern zu ihrer Tochter oder auch allgemein zueinander, denn anfangs wurde auch gesagt, dass nach einer Portion Ananas der Haussegen wieder gerade hing. Das ist vielleicht auch ein Grund, weswegen das Mädchen gerne die beste raussuchte. Später wollte die Mutter keine mehr kaufen, und ab da war auch die Rede davon, dass der Vater ausziehen wollte. Am Ende bekommt das Mädchen Ananassaft vom Vater, zerstörte Ananas sozusagen, und damit ist auch die Familie bildhaft zerstört. (Ich weiß nicht, ob ich interpretieren kann und habe es einfach mal versucht.)

An deinem Schreibstil solltest du noch arbeiten. Nehmen wir zum Beispiel diese Sätze aus dem letzten Absatz:

Ich konnte es kaum glauben. Meine Haut begann zu kribbeln, der Blick erstarrte. Die grelle Abendsonne wärmte meine Stirn, die Stimmen der draußen laufenden Passanten drangen klar in mein Ohr. Ich schloss die Augen.
Die Sätze sind: Gedanke, Empfindung auf der Haut+Reaktion, dann Umgebungsbeschreibung in Form der Abendsonne, wieder Empfindung auf der Haut, dann Wahrnehmung der Ohren und wieder eine Handlung der Prot. Das ist alles viel zu durcheinander, das kann der Leser gar nicht so schnell verarbeiten. Du könntest z.B. mehr Gedanken einfließen lassen, die scheinbar von der Situation ablenken sollen. Ich versuche es selbst mal:
-Mein Blick erstarrte. Aus den Augenwinkeln sah ich die Abendsonne, die so grell schien, als wollte sie mich auslachen. Das war mir unangenehm und ich drehte den Kopf etwas weiter weg, damit ich ihr nicht mehr ins spottende Angesicht sehen musste.
oder mit mehr Gedanken:
-Die grelle Abendsonne wärmte meine Stirn. Ich stellte mir vor, wie es wäre, so weit über allem zu stehen, so fern von allem, was mich hier bedrückte. Wenn ich die Sonne wäre, würde ich keine Schatten mehr kennen.

Es gibt so viele Möglichkeiten! Schau dir den Text nochmal an (wenn du willst) und versuche, alles nicht so schnell dahinplätschern zu lassen.
Keine Sorge, mit etwas Übung kommt das von alleine.

Frohes Schaffen wünscht Jellyfish

Nachtrag:
Keine Ahnung, aber für mich ist das eine Alltags-Geschichte. Da ist nichts Romantisches dran. Vielleicht so etwas wie Anti-Romantik, doch bei anderen Romantik-Geschichten kommen doch ganz andere Gefühle auf.

 

Hallo Edward!

Ich hab deine Geschichte gelesen und werde nix dran herummekeln. Allerdings hatte ich das gefühl als wenn ein Mädchen erzählt. Frag mich nicht wieso?
Ansonsten finde ich die Geschichte sehr unter die Haut gehend. So hart das klingt, aber Scheidungen sind eine Katastrophe egal wie viel man sich steitet.

Aber egal, deine Geschichte brachte mich zum Nachdenken. Wird man nach diesem Kindheitstrauma plötzlich in eine andere Person verwandelt, die man sonst nicht geworden wäre?

Gruss Tschwinel

 
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Zu Jellyfish:

Vielen vielen Dank für Deine ausführliche Kritik! Die Rechtschreibfehler habe ich sofort verbessert...

Zum Verständnis... Meiner Meinung nach ist es gerade bei Kurzgeschichten wichtig, dass jeder Leser etwas anderes sieht. Vor allem, wenn es um so ein mittlerweile ja fast jeden betreffendes und, wie Tschwinel meint, katastrophales Thema wie "Trennung der Eltern" geht. Allerdings vertrete ich auch die Meinung, dass Kunst ein Handwerk ist, wie jedes andere, zu dem man als "Erzeuger" durchaus etwas sagen kann... Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen.

Die Geschichte "Ananas" funktioniert auf zwei Ebenen. Die erste Ebene ist das, was tatsächlich um das Mädchen herum geschieht: Ihre Eltern trennen sich, der Vater zieht aus und beginnt eine neue Liebesbeziehung. Dabei geht es eigentlich nur um Sex... und ziemlich animalischer noch dazu. Bestes Beispiel ist vielleicht das Sofa, welches zur Zeit der Trennung "viel sauberer" ist als sonst. Farbe und Form der Sofaflecken, an die sich das Mädchen in ihrer Kindheit gewöhnt hat und welche später in der Wohnung des Vaters ja wieder auftauchen, seien der Fantasie des Lesers überlassen. Auch der Ananassaft hat neben der symbolischen Bedeutung im Bezug auf Sex eine sehr praktische Funktion, über welche ich hier nicht näher informieren will (ist auch eigentlich nicht weiter wichtig). Diese Ebene des tatsächlichen Geschehens ist der Grund dafür, wieso "Ananas" meiner Meinung nach am besten in die "Romantik/Erotik"-Ecke passt (wobei mir "Liebe/Sex" ehrlich gesagt lieber wäre) und dass, obwohl kein einziges Mal in der Geschichte Küsse oder gar der Geschlechtsakt direkt als solche beschrieben werden.
Die zweite Ebene ist die des Erzählens... Und hier habe ich mich wirklich um Authenzität bemüht, an manchen Stellen sprunghaft und "hastig" erzählt, wie das Kinder manchmal so tun, oder mit Bezügen zu optischen Medien geradezu um mich geworfen. Auch das "... äh..." hätte ich sicher nicht verwendet, erzählte die Geschichte ein steinalter Mann. Der Stil hat in der Tat etwas "Anti-Romantisches". Doch so naiv er auch zunächst wirken mag, soviel sagt er doch bei genauerer Betrachtung über die Familie aus. Zum Beispiel nennt das Mädchen ihre Mutter liebevoll Mami, ihren Vater jedoch "nur" Papa (gegen Ende sogar Vater).
Ich habe versucht, mit diesen beiden Ebenen zu spielen. So endet die Geschichte einerseits "schlecht" für das Mädchen, da beide Elternteile neue Partner zu haben scheinen (ob das nun wirklich immer schlecht sein muss, sei dahingestellt... will sagen: die gegen Ende des ersten Abschnitts beschriebene Familienidylle wird es wohl so nicht mehr geben). Andererseits bekommt das Mädchen ihr Happy End, weil es der Ananas eine so große Bedeutung zuschreibt (Jetzt wird alles wieder gut). Die Frage, wieso sie dann trotzdem anfängt zu weinen, will und kann ich jedoch nicht beantworten...

Mit freundlichen Grüßen
Edward

 

Hallo nochmal, Edward.

Mit deiner ausführlichen Erklärung verstehe ich die Geschichte etwas mehr. (Obwohl es natürlich auch gut ist, wenn der Autor nicht erklären muss.) Das mit dem Sofa hatte ich einfach überlesen, da es wirklich etwas kurz angeschnitten wurde (worauf ich etwas allgemeiner schon oben eingegangen bin).
Da du aus der Sicht eines Kindes schreibst, ist die Knappheit auch verständlicher, wie du erklärtest. (Hm, wie soll ich das sagen?)
Andererseits ist die Geschichte nicht 'wirklich' von einem Kind geschrieben. Das Mädchen selbst hätte (z.B.) das Sofa wirklich nur als sauberer beschrieben, aber wenn du dich als Autor in seine Lage versetzt, siehst du trotzdem noch mehr. Dass das Sofa eine bestimmte Farbe hat, eine bestimmte Form, Schrammen an einer bestimmten Stelle, Schmierflecken, die nicht gründlich entfernt wurden...
In Wirklichkeit würde auch nie ein Mensch in Gedanken ständig Vergleiche anstellen (die meisten nicht) und diese auch noch in Worte fassen, und Menschen können auch noch in Bildern oder Tönen denken. Als Autor hast du aber nur den einen Weg, um das darzustellen.
In Wirklichkeit würde einem Mädchen nur auffallen, dass das Sofa sauberer ist, da die Wahrnehmung der Einzelheiten unbewusst abläuft, aber in einer Geschichte kannst du das trotzdem schreiben, um den Leser auch mit den Augen des Mädchens schauen zu lassen.

Ist ja 'ne lange Erklärung geworden... Hab mich bemüht, dir meine Ansicht darzulegen und hoffe, du verstehst, um was es mir geht.
(Ansonsten hab ich Pech gehabt...)

Noch einmal Grüße von Jellyfish

P.S. Hab mich im Internet über die Bedeutung der Ananas informiert und versuche nicht mir vorzustellen, wo du auf die Idee gekommen bist, das in eine Geschichte einzubauen.(Auf das Letzte brauchst du nicht antworten)

 

Hallo nochmal, Jellyfish.

"In Wirklichkeit würde auch nie ein Mensch in Gedanken ständig Vergleiche anstellen (die meisten nicht) und diese auch noch in Worte fassen, und Menschen können auch noch in Bildern oder Tönen denken. Als Autor hast du aber nur den einen Weg, um das darzustellen.
In Wirklichkeit würde einem Mädchen nur auffallen, dass das Sofa sauberer ist, da die Wahrnehmung der Einzelheiten unbewusst abläuft, aber in einer Geschichte kannst du das trotzdem schreiben, um den Leser auch mit den Augen des Mädchens schauen zu lassen."
...ist ein interessanter Punkt. Allerdings muss das jeder Künstler für sich entscheiden, wo die Kunst für ihn aufhört bzw. wie "realistisch" er sein Werk hält (Was ist schon die Wirklichkeit?). Mir sind Cartoon-hafte Vergleiche halt wichtig, penible Beschreibungen hingegen gehen mir oft - soll heißen: Wenn sie nicht zufällig von Thomas Mann stammen - tierisch auf die Nerven.

"Obwohl es natürlich auch gut ist, wenn der Autor nicht erklären muss."
...das war gemein, schließlich ist es wirklich nicht schwer zu erkennen, dass das Mädchen die Geschehnisse nicht so sieht, wie sie wirklich sind. (Auch wenn vielleicht nicht jeder Leser die zwei "Ebenen" so streng voneinander trennt.)

Noch einmal Grüße von Edward

P.S. Das mit dem Ananassaft weiß ich aus Jenna Jamesons Autobiografie "How to make love like a Porn Star" - ist nebenbei bemerkt ein sehr...äh..."lehrreiches" Buch.

 

Tag, Edward.

Allerdings muss das jeder Künstler für sich entscheiden, wo die Kunst für ihn aufhört bzw. wie "realistisch" er sein Werk hält
Das ist natürlich wahr, obwohl das nicht immer Sinn macht. Du könntest auch aus der Sicht eines Zweitklässlers mit Lese-Rechtschreib-Schwäche schreiben und absichtlich viele Fehler einbauen. Die Geschichte wäre so authentisch, dass dich jeder für diesen Grundschüler hält, nur würde dann die Geschichte im Korrektur-Center landen. Ebenso würdest du auch nicht Texte in einer unverständlichen Lautsprache verfassen, wenn sie aus der Sicht eines Tieres geschrieben wurden.
Bei den sprachlichen Bildern ist das was anderes: Im Nachhinein betrachtet kannst du die so stehen lassen, da sie zu den Gedanken eines Kindes besser passen als vielleicht meine Vorschläge.
Und wenn du detaillierte Umgebungsbeschreibungen nicht magst, gibt es auch die Möglichkeit, auf fantasievolle Assoziationen oder Erinnerungen auszuweichen. Ich würde einige Sachen trotzdem nicht so knapp stehen lassen, da dann die Gefahr größer ist, dass man sie überliest oder schnell wieder vergisst. Etwas ausformulierter haften sie besser im Gedächtnis des Lesers.
Aber am Ende bleibt die Entscheidung ganz bei dir, wie du was machen willst, das hier ist nur meine Meinung.

Es grüßt Jellyfish

 

Du hast mich überzeugt, ich werde die Geschichte an einigen Ecken und Enden (Sofa) wenn sich die Zeit am Wochenende findet überarbeiten.

Gruß Edward

 

Hallo Edward,

zunächst: Ich fand deine Geschichte interessant, sie hat mich angesprochen.

Interessant war für mich auch deine Erklärung - dass es in der Geschichte in einer zweiten Ebene um Sex geht, ist für mich eigentlich nicht angekommen. Zwar gingen meine Gedanken bei der Ananas kurz in diese Richtung - aber durchgesetzt hat sich diese Erkenntnis bei mir nicht.
So könnte zum Beispiel das "nicht so saubere" Sofa auch daher resultieren, dass früher die ganze Familie ihre Abende auf dem Sofo gebracht hat, was freilich nicht immer ganz ohne irgendwelche Kleckereien abgegangen ist.
Das ist jetzt nur als Feedback für dich gedacht, damit du weißt, dass auch andere Leser mit dieser Ebene Schwierigkeiten haben.

Das Symbol der Ananas fand ich sehr gut gewählt - und jetzt, nachdem ich auch von der zweiten Ebene weiß, finde ich es noch besser.
Für das Kind ist diese Ananas auf jeden Fall ein Symbol für die besseren Zeiten. Sie sind für sie ein Zeichen dafür, dass alles gut ist/wird - als die Ananas ausbleibt, geht es mir der Ehe ihrer Eltern bergab - das deckt sich natürlich damit, dass auch das Sexleben der Eltern nicht mehr stattfindet.

Diese sehr sprunghafte Erzählweise hat mich auch etwas gestört. Zwar verstehe ich dein Anliegen - dass du aus der Sicht eines Kindes erzählen wolltest und die ja auch oft eine sehr sprunghafte Erzählweise zu eigen haben - allerdings lenkt das wirklich sehr stark ab. Meine Gedanken wurden ständig irgendwoanders hingelenkt und dadurch passiert es leicht, dass wichtige Dinge in dem ganzen Wortwust untergehen und überlesen werden. Du kannst ja nochmal darüber nachdenken, ob du das vielleicht ein bisschen mehr strukturieren möchtest.

Textdetails:

Als ich ein kleines Mädchen war, meine Eltern noch so häufig miteinander stritten, dass sich eine Trennung nicht gelohnt hätte, begleitete ich meine Mutter oft beim Einkaufen.

Sehr interessanter Einstiegssatz, finde ich.

Dabei füllte sich mein Einkaufswagen mit Mungbohnensprossen, Chardonnay, gefüllten Paprikaschoten, Tomatenmark, zuckerfreier Cola, Sonnenblumenbrot, Herbes de Provence, Käse, Basmatireis und jede Menge Caramello Koalas.

Es ist etwas kleinlich - aber kann die Prota wirklich schon so differenziert wahrnehmen, was in dem Einkaufswagen liegt. Ist es für sie nicht einfach Wein statt Chardonnay oder Reis statt Basmatireis?

Letztere standen zwar nie auf der Einkaufsliste, doch versteckte ich sie einzeln jeweils unter einem anderen Artikel, sodass Mami den Braten meistens erst dann roch, wenn die Koalabären schon zu Hause irgendwo verstümmelt in der Ecke lagen.

so dass (auseinander)

Irgendwann - wie lange ich still dagelegen war, weiß ich nicht mehr - hörte ich Papa die Treppe heraufkommen.

Als Bayerin habe ich eine hatte/war-Schwäche - glaube aber doch, dass es hier "hatte" heißen muss.

Lieben Gruß, Bella

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Bella

Danke für dein Feedback und die Korrekturen. Rechtschreibung war irgendwie noch nie so meins... (auch wenn "dagelegen war" meiner Meinung nach besser klingt als "dagelegen hatte"... schließlich heißt es ja auch "ich bin dagelegen"; "so dass" ist in dem Zusammenhang falsch)

Sowohl "Ananas" als auch die "Liebeserfahrung in der Entwicklung"-Fortsetzung "Durch die Blume" sind Geschenke an meine Geschwister, welche die Kurzgeschichten mehrmals gründlich durchlesen und dann auch dementsprechend die "Clous" entdecken. Mit meinem nächsten Text werde ich eine ganz neue Richtung einschlagen und versuchen, wirklich jeden anzusprechen. Dann muss ich mir vielleicht auch nicht mehr den (meiner Meinung nach wirklich lächerlichen) Vorwurf gefallen lassen, meine Geschichten würden nicht ohne die nachträglichen Erklärungen des Autors funktionieren...

Gruß Edward

 

Hallo Edward,

ich habe dir nicht den Vorwurf gemacht, dass deine Geschichte nur mit deiner Erklärung funktioniert.
So etwas finde ich - sofern die Geschichte nicht total kryptisch ist - sowieso bei keiner Geschichte zutreffend - also, dass eine Geschichte nur funktioniert, wenn der Autor sie erklärt.
Deine Geschichte hat bei mir auch ohne deine Erklärung funktioniert - allerdings habe ich die zweite Bedeutungsebene nicht erfasst.
Das ist zwar schade, passiert aber wohl so oder so ählich allen Autoren auf der Welt. Eine Garantie, dass das Geschriebene wirklich so verstanden wird wie es dasteht, hat der Autor wohl nie.

Jetzt sind wir aber hier auf einem Lernforum - und da ist es nicht schlecht, die Intention des Autoren zu kennen - weil man anhand der nochmal anders an den Text herangehen kann. Und eventuell - aber nur eventuell - kann es für den Autoren auch ein Zeichen sein, dass die Geschichte vielleicht nicht ganz so aussagekräftig ist wie er sich das gerne wünscht, wenn kein Leser sich der Intention annähern kann.

Lieben Gruß, Bella

 

wie kann denn der kopf so weit einsinken, dass dass Kinn fast die linke brustwarze berührt?
tzzz
die muss aber einen langen hals, oder eine spitze brust haben :-D
Grüßchen
Prinzessin

 

Hallo Edward,

tut mir leid, dass es so lange gedauert hat mit der Kritik, bin aber derzeit sehr im Stress und lese nur noch ganz selten hier auf KG.de.

Als ich ein kleines Mädchen war, meine Eltern noch so häufig miteinander stritten, dass sich eine Trennung nicht gelohnt hätte, begleitete ich meine Mutter oft beim Einkaufen. Ich habe es heute noch deutlich vor Augen, wie ich hastig und mit dem breiten Grinsen einer schlampig gezeichneten Comicfigur durch den Supermarkt in unserem Neubaugebiet eilte, während sich meine Mami mit der Frau hinter der Fleischtheke unterhielt.

Der erste Satz hat mich etwas verwirrt. „meine Eltern noch so häufig miteinander stritten, dass sich eine Trennung nicht gelohnt hätte“ müsste meiner Ansicht eher „noch nicht so häufig ...“ lauten, oder ich überlese immer wieder irgendwas.
Aus diesem Abschnitt entnehme ich, dass die Erzählerin schon älter ist und sich – wie ja auch geschrieben – noch heute genau daran erinnert. Daher ist mir das Wort „Mami“ besonders aufgefallen. Als kleines Mädchen nennt man seine Mutter vielleicht so, aber wenn man dann älter ist und jemandem etwas über sie erzählt, nennt man sie doch eher „meine Mutter“, denke ich. Daher dachte ich an dieser Stelle, dass es eine Bewandtnis haben müsste, dass mit der schon ältere Ich-Erzählerin, also Deiner Protagonistin, irgendwas Seltsames ist (zurückgeblieben in der Entwicklung o.ä.). Wenn es aus der Perspektive des kleinen Mädchens geschrieben sein sollte, führt mich diese Formulierung „heute noch deutlich vor Augen“ in die Irre. Auch der Vergleich „mit dem breiten Grinsen einer schlampig gezeichneten Comicfigur“ klingt mir eher nach jemand älterem als Vergleichzieher, also der Erzählerin.

Den nächsten Abschnitt fand ich sehr plastisch, ich kann mir gut vorstellen, dass Kinder sehr auf die vielen Farben achten, wie es ihnen Spaß macht, die Sachen auszuwählen, die Naschereien zu verstecken. Warum die Mutter das Kind den Einkauf anscheinend allein bewältigen lässt (vermutlich ist sie noch an der Fleischtheke und redet?), weiß man als Leser nicht, die Andeutung mit Herbert könnte ein Hinweis sein. Zumindest ist jetzt schon zweimal auf die nicht wirklich intakte Beziehung zwischen Mutter und Vater hingewiesen worden.
Den Hinweis auf die Haare fand ich auch gut, das klingt echt, macht die Geschichte lebendig.
Die Mutter scheint auch nicht mal beim Bezahlen aufzupassen bzw. dem Kind zu helfen, das Zeug aufs Band zu legen, weil sie anscheinend erst zu Hause bemerkt, wieviel Süßigkeiten das Kind mit eingepackt hat – somit kommt sie mir sehr gleichgültig vor. Es könnte auch sein, dass sie flunkert, aber da findet sich kein Hinweis darauf. Sie wirkt auf mich bis jetzt einfach nur gleichgültig.

Das Beste am Einkaufen war jedoch nicht das Naschen, sondern die Obst- und Gemüseabteilung.
Hier betastete ich Pfirsiche, als suchte ich mir ein Hochzeitskleid. Ich prüfte Birnen, wie erfahrene Samurai ein neues Schwert, ließ die ein oder andere Cocktailtomate in meinem Mund verschwinden. Ich stolzierte zur Waage, als sei sie der König und meine Bananen eine ganz besondere Schriftrolle.

Den Abschnitt fand ich richtig gut, insbesondere den letzten Satz. Da kann man richtig die Kindperspektive miterleben. Mir erscheint das Mädchen jetzt ein bisschen so, als nehme sie mir Freuden die Rolle der passiven Mutter auf, also dieses Gern-schon-erwachsen-sein, Verantwortung zu bekommen, etwas schaffen zu können, wie die „Großen“.

Und ich kontrollierte Ananas. Hierzu nahm ich die einzelnen Stücke an mich, um behutsam am Hals zu drehen. Ich wusste: Je wackliger der Hals, desto reifer die Frucht. Je reifer die Frucht, desto süßer, saftiger, intensiver das Geschmackserlebnis. Die Ananas war zu dem Zeitpunkt mein Lieblingsobst. Nicht nur, weil ich mit meiner Ananas-Kontrolle stets die Aufmerksamkeit anderer Kunden auf mich zog und (so glaubte ich zumindest) neidische Blicke erntete. Wenn es Ananas gegeben hatte, wurde zu Hause wieder mehr gelacht. Mami schrie wieder so, wie damals, als ich ihr einen Plastikkrebs in die Salatschüssel gelegt hatte, und Papa machte uns Pfannkuchen mit ganz viel Ahornsirup. Und wenn es am Samstag Ananas gegeben hatte, setzte er sich am nächsten Morgen zu mir und wir schauten gemeinsam die Sonntag-Morgen-Cartoons an. Danach kitzelte er mich durch und spielte Tuba auf meinem Bauch.

Da der Titel „Ananas“ lautet, ist dies hier ein entscheidender Abschnitt der Geschichte, denke ich mir als Leser. Auch hier könnte man gut die Kindperspektive lesen, ich bin mir aber nicht sicher, ob das Wort „Geschmackserlebnis“ da so passt. Die anderen Formulierungen find ich da schon eher passend, zum Beispiel, dass die anderen Kunden da wohl neidisch geguckt hatten (würde man das in einem Supermarkt machen, könnte man durchaus gefragt werden, wie der Test funktioniert, ebenso, wenn man auf Melonen klopft oder Kokosnüsse schüttelt). Aber Du schreibst dann „(so glaubte ich zumindest)“, und das ist für mich wieder der Hinweis, dass hier jemand älteres erzählt.
Die Sache mit dem Plastikkrebs finde ich lustig.

„Wieso steht Ananas nicht mehr auf der Liste?“
„Ach, weißt du… Eigentlich mag ich das gar nicht so“, knurrte Mami und fuhr mit sanfter Stimme fort, „aber du kannst ja mal nach Mangos schauen, ja?“
„Ich will aber keine blöde Mango. Ich will Ananas!“, schrie ich vergebens. Denn Mami ließ nicht locker. Sie unterhielt sich auch nicht mehr mit der Frau hinter der Fleischtheke, sondern warf lieblos irgendwelche quietschbunten Packungen in den Einkaufswagen: Fertigpizza, abgepackter Gouda, Cornflakes mit peinlichen Extras, Nudeln in Form von Jiminy Grille. Meine Versuche, mir den Einkauf mit Mu-Err-Pilzen oder Weißweinessig zu versüßen, schlugen fehl.

Hier kommt der Eindruck auf, dass ein bisschen Zeit zwischen diesem und dem anderen Abschnitt liegt. Ich nehme an, dass der obige Teil eher das „damals“ war und jetzt kommt das „heute“. Daher vermutlich auch diese Formulierung „ich habe es heute noch deutlich vor Augen“. Die Erzählerin ist also noch gar nicht so viel älter? Vielleicht wäre es dann besser, noch einen kleinen Hinweis einzuflechten, wie alt die Erzählerin jetzt ist und nicht Worte wie „Geschmackserlebnis“ zu verwenden (klingt auch irgendwie nach Werbung). Ich meine jetzt nicht, so ganz plump, sondern etwas aus der kindlichen Perspektive. Weil sie ja immer noch ihre Mutter „Mami“ nennt, ist es schwierig, herauszufinden, wie alt sie nun ist. Aber ich denke, das ist wichtig, weil es zumindest mich beim Lesen verwirrt hat.
Die Mutter scheint auch nicht mehr zu kochen. Das ist ein starkes Bild, weil es ihr Desinteresse zeigt. (Ansonsten müssten sich ja Hinweise auf eine Berufstätigkeit z.B. finden lassen oder sonst etwas, warum sie nun keine Zeit mehr zum Kochen hat.)
Der letzte Satz klingt wieder etwas „älter“.

Und in der Obst- und Gemüseabteilung konnte ich es sowieso nicht mehr ausstehen, jetzt, wo sich die euphorische Hektik in eine…äh… hektische Hektik verwandelt hatte. Sogar die Caramello Koalas machten irgendwie keinen Spaß. Mami warf sie, ohne dass ich gebettelt hatte, gleichgültig zu dem ganzen anderen Kram.

Dass es vorher eine euphorische Hektik war, kann ich mir für das Kind gut vorstellen. Aber in dem ersten Satz dieses Abschnitts reflektiert die Erzählerin darüber, das klingt für mich dann wieder so, als wäre sie nun erwachsen. Dazu passt dann aber in meinen Augen das Wort „Mami“ nicht. Und auch nicht, dass sie immer noch Caramello Koalas bekommt.
Das „äh“ finde ich nicht gut. Dadurch hat das für mich sowas Ironisches, Lockeres. Den Unterton finde ich unpassend. Bisher hatte ich den Eindruck, da kommt was Melancholisches, jetzt scheint sie es mir so plaudernd und emotional eher distanziert zu erzählen.

Am Abend fragte ich Papa, wieso Mami nicht mehr Ananas kaufen wolle. Papa saß auf dem dunkelblauen Sofa in unserem Wohnzimmer, das viel sauberer war als sonst, und trank aus einer goldenen Dose mit weißen Verzierungen, die mich an ein Portal aus meinem Fantasybuch erinnerte. „Ach, weißt du…“, sagte er gähnend. Im Fernseher wurde ein Jäger von zwei Veloziraptoren zerfleischt. „Mami macht zurzeit doch eh nur, was sie will.“

Die Frage des Kindes erscheint mir plausibel, auch die Antwort des Vaters, er kann was nicht erklären oder es ist ihm egal, immerhin gähnt er beim Antworten und scheint auch sonst ziemlich müde, wenn er sich einen solchen Film ansieht und dabei so gleichgültig drauf ist. (Jeder Satz des Autors soll ja im Grunde dem Leser etwas mitteilen, also vermutet man hier, dem Vater ist auch alles egal oder er ist sehr müde).
Auch der Satz mit dem sauberen Sofa ist sicher ein Hinweis, den ich aber hier noch nicht verstanden habe.

Auch in der Schule fand ich wenig Anklang.

Das ist auch wieder so ein Satz, dass man meint, die Erzählerin ist schon erwachsen. Vielleicht liegt es daran, dass ich mich nicht erinnern kann, als Kind so geredet zu haben bzw. kein Kind so je reden hörte. Es gibt ja regionale Unterschiede (z.B. sagt man im Berliner Raum „man kostet etwas“, und wenn man das am Niederrhein sagt, wirkt man gestelzt, weil es hier „probieren“ heißt in der Umgangssprache. ) Kann also auch an mir liegen.

Auch in der Schule fand ich wenig Anklang. Wir standen in einem Kreis auf dem geteerten Hof, der mich manchmal an einen riesigen Elefantenrücken erinnerte. Stefan trug einen kleinen gelben Plastikhelm und Sandalen, Markus eine Latzhose aus Jeans mit einer Lasche an der Seite, in die man einen Hammer stecken konnte. Meine beste Freundin Kiki behauptete, man könne auch ohne Ananas glücklich sein. Ihre Mutter kaufe nie welche, weil man davon so eine pelzige Zunge bekäme. Trotzdem hätten sie zu Hause eine Menge Spaß. Stefan und Markus nickten zustimmend. Die beiden sagten nie wirklich viel. Ich kaufte ihr das nicht ab. Erstens spielte sie die ganze Zeit nur am Computer und zweitens brachte sich ihre Mutter noch am selben Tag um. „Kein Wunder“, kommentierte Mami später trocken, „so viel, wie die immer gelacht hat.“

Dieser Abschnitt ließ mich verwirrt zurück. Die Erinnerung an den Elefantenrücken kann ich nachvollziehen, wenn ich mir den Boden so vorstelle. Die Schilderung der Kleidung der Kinder deutet wieder auf jüngere Kinder hin. Ich frage mich, warum mir erzählt wird, dass man in die Lasche der Hose einen Hammer stecken könne. Es scheint einfach nur so erzählt zu sein, um ein Bild zu erzeugen. Vielleicht wäre es besser, einen Gegenstand zu nehmen, der mehr zu der Erzählerin passt (irgendwas aus der Küche oder keine Ahnung, aus ihrem Fanatasybuch), um die Perspektive besser zu gestalten. Die Bemerkung mit der pelzigen Zunge und dass man auch ohne Ananas glücklich sein könne, finde ich wieder gut aus der kindlichen Perspektive.
Der Satz „Die beiden sagten nie wirklich viel“ erscheint mir überflüssig, da es im weiteren gar nicht um die beiden geht und weil sie ja nur nicken, wie Du schon geschrieben hast.
Wenn man eine Geschichte schreibt, in der Details wichtig sind für das Verstehen des Textes durch den Leser, dann ist es meiner Ansicht nach wichtig, die unwesentlichen Dinge auch so zu gestalten, dass der Leser nicht an ihnen hängenbleibt in Gedanken.
Ist nur meine Meinung, so habe ich das empfunden. Man denkt gerade noch darüber nach, warum dieser Satz mit dem sauberen Sofa dort steht. Nun kommt eine weitere detailreiche Schilderung, und man denkt „warum ein Hammer?“ Das ist jetzt überspitzt dargestellt, es geht mir nur darum zu zeigen, dass es schwierig ist, dem Leser die Informationen zu geben, die ihn auf den Weg zur Deutung des Textes bringen sollen und die Dinge nur anklingen zu lassen, die Atmosphäre und Bilder vor Augen des Lesers schaffen sollen, ihn aber nicht verwirren sollen.
Mit dem Selbstmord der anderen Mutter wirfst Du eine ganz andere Sache auf. Hier scheint also ein Kind – Kiki – zu sein, das sich die Welt schön redet, dass anderen Kindern erzählt, wie glücklich es zu Hause ist und dabei muss es völlig unglücklich sein. Entweder ist das ein weiterer Hinweis auf die eigentliche Geschichte, aber das habe ich beim Weiterlesen nicht so empfunden, oder Du wolltest es nur einbringen, um irgendwas in Richtung Fassade der anderen Familie zu zeigen. Ich finde das aber zu heftig, weil man als Leser denkt, dass dieser Abschnitt nun eine ganz besondere Bedeutung hat und nicht, dass es darum geht zu zeigen, man könne ohne Ananas eben doch nicht glücklich sein. Oder ich habe Dich nicht richtig verstanden und den Abschnitt nicht deuten können.
Auch die Reaktion der Mutter ist mir sehr unverständlich. Was willst Du mir damit sagen, frage ich mich. Das einzige, was ich mir so vorstellen kann, ist, dass die Mutter der Erzählerin depressiv ist bzw. völlig gleichgültig. Sonst würde sie so nicht reagieren. Und warum sagt sie „soviel, wie die immer gelacht hat“, was meint sie mit dieser Bemerkung? Ich frage mich, warum sie sich nun wirklich umgebracht hat, ob die Mutter nur sarkastisch ist. Und ob Kiki nicht doch recht hatte, dass es recht lustig zu Hause war, obwohl sie immer am Computer saß.

Die Formulierung „kommentierte Mami später trocken“ klingt wieder nach einem Erwachsenen und sehr distanziert. Immerhin ist es die beste Freundin der Erzählerin, sie wird die Mutter gekannt haben. Da finde ich es auch sehr unsensibel von der Mutter, dass sie ihrem Kind eine solche gefühllose Antwort gibt. Die Mutter kommt bis jetzt nirgends sympathisch herüber für mich.

Einige Tage danach lag ich abends noch wach im Bett. Mami war unterwegs, aber das störte mich nicht wirklich. Mit ihr konnte ich sowieso nicht mehr reden.

Also scheint die Mutter fremdzugehen, oder sie hat eine Arbeit. Aber das kursive „unterwegs“ scheint schon auf Fremdgehen hinzudeuten. Dieses kursive Hervorheben aber deutet wieder auf eine erwachsene Erzählerin hin, denn als Kind würde sie sich wohl einfach nur wundern, warum die Mutter auf einmal zu dieser Zeit weg ist. Oder sie spürt schon etwas. Dann würde es sie aber meines Erachtens schon sehr stören, denn ein Kind reagiert wohl eher mit Angst, wenn es merkt, dass sich das Zuhause aufzulösen beginnt und die Eltern sich nicht mehr umeinander kümmern, denke ich.

Ich streckte meine kleinen Arme und setzte mich umständlich an die Bettkante.

Hier würde ich die Adjektive weglassen. Es klingt sehr beschreibend und aus Sicht eines dritten, wenn von den kleinen Armen die Rede ist. Ich denke, sie wird ihre Arme einfach als „Arme“ bezeichnen und nicht noch erklären, dass sie klein sind. Viel wichtiger ist, was sie fühlt.

„Ich werde bald nicht mehr hier wohnen.“ Papa starrte gegen die Wand. Er sah irgendwie gelangweilt aus. Oder traurig, so genau konnte man das ja nie wissen. Doch dann begannen sich seine Augen mit Wasser zu füllen und es kullerte ihm eine einzige Träne über die mir zugewandte Backe.

Dass das Kind nicht spürt oder erkennt, dass sein Vater traurig ist, ist ein bedeutender Hinweis. Anscheinend war es dem Vater und dann auch der Vater ihm schon immer völlig gleichgültig. Wenn die Mutter so gleichgültig ist und der Vater auch, dann muss das Kind – die Erzählerin – auch gleichgültig sein, also kann ich mir jetzt auch erklären, dass sie der Tod der Mutter ihrer besten Freundin und deren Leid auch nicht sonderlich rühren wird. Eine emotionslose Familie also, bei dem einer von den Empfindungen des anderen keine Ahnung zu haben scheint. Den Eindruck hatte ich jedoch anfangs nicht, wo es lustige Streiche gab mit Taschenkrebsen und der Vater mit dem Kind die Cartoons sah und Pfannkuchen machte. Das sieht für mich als Leser eher nach einer Bindung aus, während jetzt der Eindruck aufkommt, die sind alle gleichgültig miteinander. Und wenn die Eltern erst nicht gleichgültig zu sich und dem Kind waren – so wäre das Kind nicht plötzlich auch gleichgültig, sondern hätte schwer zu kämpfen mit der abgekühlten Atmosphäre. Es hat das Leben und die Eltern anders kennengelernt und müsste, denke ich, zutiefst verzweifelt sein und in der Situation, in der der Vater weint, völlig verstört reagieren, weil die ganze schöne sichere Welt, in der das Kind gelebt hat bisher, nun zusammenbricht.

„Und wo wohnst du dann?“, fragte ich aufgeregt.
„Ich weiß es noch nicht, jedenfalls nicht mehr in diesem Haus.“ Papa umarmte mich nur. Er war sehr warm und zitterte am ganzen Körper. Ich bekam kaum Luft und ruderte mit den Armen, als müsse ich mich aus den Fängen einer ausgewachsenen Anakonda befreien. Papa fiel trotz seiner offensichtlichen Zerstreuung auf, wie ich verzweifelt kämpfte. Er ließ mich langsam los, sein Zittern wurde stärker. Die Zähne klapperten fröhlich wie viele kleine Kastagnetten. „Du kannst mich jederzeit besuchen kommen. Wir kochen und schauen uns Dumbo an. Es wird nicht so groß sein, wie hier und sicherlich nicht so hell…“
Ich wurde skeptisch. Nicht nur, weil ich wusste, dass Papa Dumbo nicht mochte und sich viel lieber Indiana Jones anschaute. „Wohin ziehst du denn? In einen Sarg, so wie Dracula?“

Auch dieser Abschnitt zeugt davon, dass keinerlei Emotionen zwischen den beiden besteht.
Warum fragt sie ihn „Wo wohnst du dann“ aufgeregt ?
Aus Angst, er könne ihrem Leben verloren gehen, weil er so weit weg zieht oder weil sie es spannend findet, dass er ganz woanders hingehen kann? Das wäre dann aber sehr unemotional. Immerhin hat sie gute Erinnerungen an ihn und das Zusammenleben mit ihm.
Auch das Zähneklappern als fröhlich zu bezeichnen, finde ich sehr unemotional. Seine Familie geht kaputt, er weint, und das Kind ist völlig ungerührt davon. Ich kritisiere nicht die Reaktion der Erzählerin, ich entnehme nur ihr Verhältnis zu ihrem Vater aus dem Geschilderten und bin etwas verwirrt, weil ich zu Anfang einen anderen Eindruck hatte.
Die Frage nach Dracula ist ebenso ein Hinweis darauf, dass das Kind völlig unemotional ist. Sonst würde es bestürzt sein, warum der Vater weint (macht er sicher nicht oft, denke ich mal) und Angst haben, weil er ja weggehen muss.

Natürlich zog er nicht in einen Sarg.
Den Satz finde ich wieder so locker ironisch lustig. Ich dachte immer noch, dass es sich um ein kleines Mädchen handelt, aber in dem nächsten Abschnitt erzählt sie ja von ihrem Balkon, also hat sie eine eigene Wohnung und zwischen diesem und dem vorigen Abschnitt liegen Jahre oder Jahrzehnte?
Andererseits schleckt sie an einem Eis und freut sich über Maracuja, wie es vermutlich nur Kinder tun, ergo ist sie doch ein kleines Mädchen?
Dem Vater scheint es jetzt gut zu gehen. (Kein Wunder, die Mutter hat ihn betrogen, er war die ganze Zeit wohl unglücklich, sicherlich war sie auch zu ihm so schrecklich gleichgültig?) Er ist in der Geschichte der einzige, der emotional für mich klar und verständlich rüberkommt. Warum er allerdings diesen Satz zu seinem Kollegen ins Telefon singt, habe ich nicht herausfinden können, denn dass er ein Theoretiker war, der nicht zu leben verstanden hätte und nun entdeckt hat, wie man sein Leben genießen kann, habe ich dem Text nicht entnehmen können. Der Vater wirkte eher zunächst fröhlich (Pfannkuchen, Cartoons), dann verzweifelt (weint am Bett seines Kindes, muss ihm beibringen, dass er weggeht, weil die Mutter einen anderen hat).

Mein Vater schenkte uns ein.
„Was für ein Saft ist das denn?“, fragte ich kritisch.
„Ananas“, antworte er und zwinkerte mir lächelnd zu.
Ich konnte es kaum glauben. Meine Haut begann zu kribbeln, der Blick erstarrte. Die grelle Abendsonne wärmte meine Stirn, die Stimmen der draußen laufenden Passanten drangen klar in mein Ohr. Ich schloss die Augen. Meine Beine falteten sich zu einem zierlichen Schneidersitz, der Kopf knickte so stark ab, dass mein Kinn beinahe die linke Brustwarze berührte. Mein Vater beobachtete mich stumm. Ich hob meine Hände, um mit ihnen das Gesicht zu verdecken. „Jetzt wird alles wieder gut“, dachte ich und fing bitterlich an zu weinen.

Die Erzählerin scheint also das Geheimnis des Ananassafts bzw. der Frucht zu kennen. Es findet sich hier aber kein Hinweis darauf, seit wann sie es kennt. Wie alt ist sie denn nun, frage ich mich. Ein Kind kann es dann nicht mehr sein. Die Perspektive in der ganzen Geschichte ist nicht eindeutig für mich. Der Vater scheint kein Problem zu haben damit, dass seine Tochter offenbar Bescheid weiß, wenn er ihr zuzwinkert. Seine minderjährige oder seine erwachsene Tochter, die sich immer noch freut, wenn sie an die Maracujaeiskugel kommt und entsprechend fröhlich wird?
Die Erzählerin scheint emotional nun völlig aus der Fassung zu geraten. Sie starrt, hört alles ganz genau, spürt die Wärme, die Welt steht still. „Meine Beine falteten sich zu einem zierlichen Schneidersitz“ klingt so, als täten es die Beine von selbst, was gut sein kann, wenn man geschockt ist. Aber das „zierlich“ finde ich sehr unpassend, weil es so klingt, als würde sie über ihre Art zu sitzen in diesem Augenblick nachdenken und zu dem Entschluss kommen, dass es nett, hübsch, zierlich aussieht. Passt nicht zu dem Schockzustand meiner Ansicht nach.
„der Kopf“ klingt wie ein entfernter, unbeteiligter Beobachter. Dass es fast die linke Brustwarze berührte, finde ich auch nicht gut. Ich denke, Du möchtest den emotionalen Zustand der Protagonistin zeigen, als Leser fragt man sich aber an dieser Stelle, wie das wohl aussehen mag und ob es für einen normalen Menschen machbar ist, was sehr ablenkt von den Gefühlen, die man als Leser nachempfinden soll, wenn man mit der Erzählerin leiden, lachen, Angst haben soll. Ich denke auch, diese entfernte Perspektive insgesamt in diesem Abschnitt ist diesem Nachempfinden durch den Leser nicht dienlich. „Der Blick erstarrte“ – warum nicht „ich starrte auf ...“? Was empfindet man in so einem Zustand, wenn man plötzlich etwas erfährt, das einen umhaut?
Den letzten Satz fände ich mit mehr Emotionen auch besser. Dieses „bitterlich“ klingt für mich nach Märchen, nach einem distanzierten Erzähler, nicht nach einer Ich-Erzählerin, die gerade was erfahren hat, das ihr den Boden unter den Füßen wegzieht.
Jetzt ist natürlich die Frage, warum sie NUN weint. Als der Vater wegging, wollte sie aus seiner Umarmung, weil sie ihr die Luft fast abdrückte, fragte gespannt, ob er wie Dracula in einem Sarg wohnen würde, reagierte völlig ohne Emotionen (könnte also ein sehr kleines Kind gewesen sein, das noch gar nichts begriff, aber die anderen Bemerkungen deuteten auf ein anderes Alter hin). Weint sie, weil der Vater jemand anderes gefunden hat (deshalb ist er vielleicht so glücklich, fröhlich) und nun mit dieser Frau sein Ananasgeheimnis hat (das die Tochter zu kennen scheint, also ist sie älter?) oder war da Missbrauch im Spiel, worauf ich aber eigentlich gar keine Hinweise fand.
So richtig schlau werde ich aus der Geschichte nicht. Sie hat für mich eher einen gesellschaftlichen als erotischen Vordergrund. Das kann natürlich an mir liegen, keine Frage. Du hast ja schon ein paar andere Meinungen bekommen, die ich mir absichtlich nicht durchgelesen habe. Wenn ich Zeit hab, guck ich sie mir noch einmal an, vielleicht erklärt sich dann die Absicht, die hinter dem Text steckt.


vio

 

Hey Vio

vielen Dank für diese extrem... äh... "opulente" Kritik. Du hast Dir offensichtlich wirklich Gedanken dazu gemacht und auch die ein oder andere Rafinesse entdeckt. Allerdings musst Du Dich nicht bei jedem zweiten Satz fragen, wie alt die Erzählerin zum Zeitpunkt des Erzählens nun ist, ob ihre Haltung ironisch distanziert ist oder sie immer noch "mitfiebert". Ich bin der Meinung, dass Geschichten manchmal gerade dadurch lebendig werden, dass man es mit der Konsequenz des Erzählstils nicht übertreibt. Deshalb breche ich das ganze hier und da ein wenig auf... wie z.B. mit der (so glaubt ich zumindest)-Klammer.

Über das bitterlich hab ich mir - unabhängig von Deiner Kritik - lange Gedanken gemacht und mich dann doch dagegen entschieden.

Gruß Edward

 

Hallo Edward


Allerdings musst Du Dich nicht bei jedem zweiten Satz fragen, wie alt die Erzählerin zum Zeitpunkt des Erzählens nun ist, ob ihre Haltung ironisch distanziert ist oder sie immer noch "mitfiebert".

Naja, ich hab die Geschichte sehr gründlich gelesen und Dir nur aufgeschrieben, womit ich dabei verwirrt wurde. Als Leser will man sich ja in die Figur einfühlen, sich ein Bild von ihr machen. Das war mir schlecht möglich, weil ich einfach keine Vorstellung davon bekam, wie alt die Figur denn nun ist. Daher dieses ständige Aufzeigen der Dinge, die für mich widersprüchlich waren.

Ich bin der Meinung, dass Geschichten manchmal gerade dadurch lebendig werden, dass man es mit der Konsequenz des Erzählstils nicht übertreibt.

Hmm ... ich denke, ich bin da anderer Meinung. Wenn ich mich auf etwas einlasse und mich dann sicher fühle „in der Geschichte“, möchte ich nicht, dass der Autor auf einmal sagt „so Ernst ist mir das hier nicht“. Falls Du mal „Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch“ lesen solltest, könnte Dir so eine Verwirrung auch passieren. Erst denkst Du, Du liest ein locker fröhliches Buch, dann haut die Autorin Dir Sachverhalte um die Ohren, die mehr als tragisch sind, aber sie will Dich damit immer noch zum Schmunzeln bringen. Als ob sie selbst nicht begriffen hat, worum es geht in ihrer Geschichte. Eine Autorin, die über so schreckliche Dinge zu witzeln scheint, dass man meint, sie begriffe nicht die Gefühllosigkeit, die sie gerade offenbart. (Sicher nur ungeschickt geschrieben, aber ich fühlte mich als Leser dann verunsichert und konnte ihre witzigen Stellen nicht mehr genießen, weil ich nicht wusste, was sie eigentlich hatte schreiben wollen)

Deshalb breche ich das ganze hier und da ein wenig auf... wie z.B. mit der (so glaubt ich zumindest)-Klammer.

Manche Autoren lieben Klammern, dagegen ist auch nichts einzuwenden (auch wenn ich sie selber in einer Geschichte wohl nicht setzen würde).

Ich denke aber, lebendig werden Geschichten nicht durch solche Elemente, sondern dadurch, dass ich als Leser die Figur vor Augen habe, mit ihr fühlen kann, mir vorstellen kann, was sie gerade durchmacht. Dann ist sie und ihre Geschichte für mich lebendig.

Mal eine Frage ... wie alt ist sie denn nun, Deine Ich-Erzählerin?

Grüße,

Vio

 

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