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Anna

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Anna

Beitrag von Philadelphia in der Kategorie: Wordwin > Literarisches > Kurzgeschichten

Freigegeben am 18.3.2001 15:55 Uhr.
Beendet am 15.4.2001 16:55 Uhr.

Anna *gut [Note: 1,85]*

Anna

Anna war ein lustiges, lautes Mädchen. Anna war als Kind sehr oft krank. Sie wurde dann liebevoll von ihrer Mutter gepflegt. Sie trug sie ins Badezimmer wenn sie nicht mehr laufen konnte. Sie wusch sie und brachte ihr Leckereien. Aber Anna hatte Angst davor krank zu sein. Anna dachte oft ans Sterben. Wenn Anna sehr krank war, dann musste sie im Ehebett bei ihrem Papa schlafen. Sie hatte Angst vor ihrem Papa. Der war so gewaltig und stark, und manchmal im Schlaf schlug er nach ihr oder drehte sich um, dass sie Angst davor hatte, er könnte sie erdrücken.

Der Vater von Anna erdrückte die ungebändigte Lebensfreude immer mehr. Wenn sie lachte, wurde sie geschimpft. Wenn sie weinte, machte er sie hämisch nach. Wenn sie hustete, wurde sie aus dem Zimmer geschickt. Wenn ihr Vater Mittagsschlaf machte sass sie mit ihrer Schwester alleine in der Küche. Die Mutter war arbeiten und sie sassen dann 2 Stunden in der alleine da. Die Türe war zu und wenn Anna zur Toilette gehen wollte, dann machte sie die Türe im Zeitlupentempo auf. Jedes kleinste Knacken der alten Holztüre könnte ihn aufwecken. Und dann die nächste Tür zum Bad. Das gleiche Spiel. So leise sie konnte, jedes auch nur so kleinste Knacken machte ihr Herzpochen.

Und dann ging die Wohnzimmertüre auf und ihr Vater sagte zu ihr, dass sie die Brille abnehmen solle. Sie wusste warum. Die Brille sollte nicht kaputt gehen, wenn sie jetzt eine Ohrfeige bekam. Sie hasste den grossen Mann dafür, wie er sie schlug, sie hasste ihn, wollte nicht mehr leben, wollte keine Angst mehr haben vor dieser Macht. Warum mochte er sie nicht, warum liebte er nur ihre Schwester. Die war immer lieb und so fein.

Anna machte oft Dinge kaputt, und selbst wenn sie es nicht war, sie bekam die Schimpfe oder die Schläge. Anna redete sich ein, und wenn ich es nicht gewesen wäre, dann wäre ich es doch. Weil er mich nicht liebt, weil er mich hasst, er muss mich hassen, sonst würde er es nicht tun.

Anna wurde grösser und immer verschlossener. Das herzhafte Lachen kam nur noch selten . Anna hatte vor allem Angst, vor der Schule, vor den Lehrern, vor Kritik. Angst davor sich zu blamieren, Angst davor irgendwie aufzufallen. Angst davor Referate zu halten, Angst davor jemand könnte lachen und merken wie dumm sie eigentlich wirklich war. Anna weinte oft und Anna wollte oft sterben.

Als die Zeit anfing inder die anderen Mädchen ihre ersten Freunde fanden, stand sie als Mauerblümchen in der Ecke. Anna war immer gut für Spässe. Aber die Jungs mieden sie. Anna war nicht so schlank wie die anderen und irgendwann machten sich im Sportunterricht ein paar Mädchen lustig über sie. Da fing Anna an sich nach dem Essen den Finger in den Hals zu stecken und Anna wurde schlank. Sie wurde so schlank, dass ihre Tante ihr die Wahrheit sagte, du siehst zum Erbrechen aus. Die Mutter wollte das alles nicht wahrhaben. Anna wollte mit ihr reden. Aber es wurde nur abgetan. Als Hirngespenst abgetan.

7 Jahre lang litt Anna an ihrer Krankheit. 7 Jahre lang war sie im Herzen ganz allein und die Krankheit bestimmte ihr ganzes Leben. Einen Partner fand sie nicht. Sass allein in ihrer kleinen Wohnung. Tröstete sich mit ihrer Katze und weinte viele bittere Tränen. Dann auf einmal traf sie ihren Märchenprinzen auf den sie soviele Jahre lang gewartet hatte. Er liebte sie über alles und sie liebte ihn. Und mit dem Prinzen verliess sie auch ihre Krankheit unter der sie so viele Jahre gelitten hatte. Das würde sie dem Prinzen ihr ganzes Leben nicht vergessen. Seine Liebe hatte sie gerettet.

 

Sehr leserlich und mitfühlenswert geschriebene Geschichte mit jedoch fragwürdigem Happy End.

Ein Mädchen das ihr Leben lang trotz ihrer Benachteiligung Zuneigung sucht. Bei den Eltern erlebt sie zwei divergierende Seiten (Mutter und Vater) und verliert einen Bezug zur Lebensorientierung.

Die Geschichte ist ein Hinweis darauf, wie schwerwiegend vor allem ein psychischer Komplex sein kann. Dessen Ursachen und Wirkungen eigentlich in der Schule besprochen werden müssten. Lebensmotivation und Hoffnung sind auch der Nährboden für sinngebendes Lernen und Leben. Wieso wird das heute meist noch ignoriert? In jungen Jahren prägt doch besonders die Schule die Einschätzung des Lebens. Nun, ich bin kein Pädagoge oder Psychologe, aber wichtig ist vor allem das Verstehen lernen und nicht das Wissen lernen. <- Ich spreche aus Erfahrung.

Soll diese Geschichte vielleicht auch Aussagen, dass Probleme sich mit der Zeit lösen?

Dann auf einmal traf sie ihren Märchenprinzen auf den sie soviele Jahre lang gewartet hatte.
Der Schluss wirkt nämlich ziemlich unvermittelt und scharf. Ich würde das Märchen vom Aschenputtel oder des hässlichen Entleins nicht gerne als Analogie hierfür betachten.

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Jemand der alles weiß denkt zu wenig!

 

Sehr naiv und schön erzählt, die Geschichte...
Was mich auch ein bißchen gestört hat, das ist ebenfalls der Schluß. Ich hab eher mit Selbstmord gerechnet --- das wäre naheliegender gewesen, glaube ich... Aber ich bin auch so ein "Gegen-Happy-Ends"-Leser... :rolleyes: ;)

Griasle
stephy

 

Ich hatte vergessen, das anzuhängen. Die Geschichte geht noch weiter, und findet ein sehr trauriges Ende mit ein wenig Hoffung für die Zukunft. Anna wird mit 40 Jahren endlich erwachsen.

 

Zuerst mal Hallo und Willkommen!

Wenn die Geschichte noch weitergeht, warum stellst Du sie dann so rein?
Dadurch, das sie so kurz ist, bleiben bei mir die Fragen, wie z.B. die Schwester auf die Verhaltensweise des Vaters reagiert hat. Die Personen kommen einfach zu wenig ans Tageslicht, zeigen zu wenig von sich.
Ebenso wie das Ende finde ich auch den Anfang etwas hastig.
Zuerst erfährt man, daß sie lebenslustig, wenn auch oft krank ist. Manchmal kann sie gar nicht mehr laufen - da wäre es, glaube ich, sinnvoll, mehr von den Krankheiten zu berichten, weil dadurch immerhin auch ihre Psyche stark beeinflusst wird.
Dann schläft sie im Elternbett, wo der Dad sich im Schlaf viel dreht, wodurch man ja noch nicht auf seine Psyche schließen kann - und im nächsten Satz heißt es:

Der Vater von Anna erdrückte die ungebändigte Lebensfreude immer mehr

Das finde ich zu hastig auf das Problem hingelenkt.
Die einzelnen Wege zu ihrer psychischen Destabilität und der Krankheit hast Du ja alle erwähnt, und das Thema ist sicherlich auch kein Leichtes, aber ich finde die Geschichte verliert durch ihre Kürze und hastigen Wendungen ihre Energie.
Ist natürlich nur eine Meinung ;)

Ach ja, da fehlt noch ein Wort:

Die Mutter war arbeiten und sie sassen dann 2 Stunden in der alleine da

 

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