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Anoushka hat mich velassen

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14.08.2008
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Anoushka hat mich velassen

Anoushka hat mich verlassen

Ich bin am Boden zerstört. Anoushka hat mich verlassen.
„Was heulst du so?“, fragt Rainer verständnislos. „Sie war ein falsches Biest, sie hat sich von dir aushalten lassen, und gleichzeitig zwei weitere warme Nester aufgeschlagen. Wirst schon sehen, bei einem von denen hockt sie jetzt."
Ich tackere ihn mit Blicken an die Wand.
"Ist doch wahr", verteidigt er sich, "schmeicheln dir und machen dir schöne Augen, solange sie sich um nichts kümmern müssen. Und kaum sind sie aus der Tür, schmeißen sie sich an den nächsten ran. Und wenn du ihnen auf die Schliche kommst, schauen sie dich unschuldig an, als könnten sie kein Wässerchen trüben ..."
Ich schicke ihn zum Teufel, dieser schwule Soziopath hat keine Ahnung.
„Wenn sie wenigstens hübsch gewesen wäre“, knurrt er noch, bevor er verständnislos die Tür hinter sich zuknallt.
Sie war schön. Sie war die Schönste, Anmutigste, die man sich vorstellen konnte, mit den schmalen zarten Schultern, wie sie elegant die Beine beim Gehen über Kreuz setzte und mir dabei einen scharfen Blick über die Schulter zuwarf, ob ich ihr auch folgte. Ihre kindlich hohe Stimme klang wie Musik in meinen Ohren. Klang. Denn seit einer Woche ist sie nicht mehr da.
Sie wollte nur eine Runde um den Block drehen, so wie sie es jeden Abend machte, während ich mich schon fürs Bett umkleidete. Meist kam sie zurück, wenn ich am wegdösen war, manchmal auch erst wenn ich schlief, doch stets wachte ich irgendwann in der Nacht davon auf, wie sie ihr Gesicht an meines presste, mit den Nägeln über meine Brust kratzte. Sie drückte sich so dicht an mich, dass mein Kopf kaum mehr Platz auf dem Kissen hatte, schlüpfte wärmesuchend unter meine Decke, oft hatte ich am Morgen einige ihrer weichen, grauen Haare im Mund, doch ich genoss es.
Seit wir uns kennen, waren wir keinen Tag getrennt. Und nun ist sie fort.

Vielleicht habe ich sie zu sehr eingeengt, sie liebt ihre Freiheit, sie habe ihren eigenen Kopf, hatte man mich auf dem Bauernhof gewarnt, wo ich sie das erste Mal sah.
Sie saß auf der Holzbank vor dem Hofladen, in dem ich regelmäßig Milch und Gemüse kaufte, und genoss die Sonne. Ich bezahlte Salat, Radieschen und Schlagrahm und setzte mich zu ihr. Sie beäugte mich misstrauisch, drehte dann den Kopf weg und nagte an den Nägeln. Ich zwinkerte ihr zu. Sie ignorierte mich. Ich rückte ein Stück an sie heran.
„Du bist schön, weißt du das?“, flüsterte ich.
Jetzt endlich beachtete sie mich, blinzelte ebenfalls, kam näher.
Dort, auf der Bank unter der Linde, streichelte ich sie zum ersten Mal. Sie legte den Kopf auf meine Oberschenkel und schnurrte wohlig.
Am selben Abend nahm ich sie mit nach Hause, und seither wohnte sie bei mir. Nicht lange, und ich konnte mir kein Leben mehr ohne sie vorstellen. Und das soll alles nicht mehr sein?

Was habe ich nicht getan, um sie zu finden: die Nachbarn befragt. Ihre Lieblingsplätze aufgesucht. Das Viertel mit Suchmeldungen gepflastert. Rufend, flehend, bettelnd bin ich durch den Park gelaufen, keine Reaktion, niemand, der ihr im Entferntesten ähnelte. Sogar auf ihrem alten Bauernhof war ich, ohne Erfolg.
"Weggloffa? Hanno, so send se halt. S Schwesterle von dr Anusch-ka hanne au no, des kennat se han, wennse wellet."
Irgendeine andere, x-beliebige, statt meiner süßen, kleinen, ... es hätte nicht viel gefehlt, und ich wäre der Landfrau mit gezückten Krallen ins Gesicht gesprungen. Oh, wie grausam die Menschen sind!
Was, wenn ihr etwas zugestoßen ist? Wenn sie von einem dieser gleichgültigen Ignoranten angefahren und einfach liegen gelassen wurde? Ich mag nicht daran denken.
„Ach Quatsch“, hatte der Mann gesagt, der sich bis vor kurzem noch für meinen besten Freund hielt. „Die vom Land sind gerissen und zäh. Ich sag dir, die macht sich einen schönen Lenz, und lacht dich aus dabei!“
Ich weiß nicht, welche Vorstellung schrecklicher ist.

Rainer ist kaum gegangen, als es an der Tür klingelt. Ich strecke den Kopf durchs Küchenfenster und sehe eine puterrote, kittelschürzige, fassleibige Matrone auf bohnendürren Beinchen durch den Vorgarten staksen.
„Isch des ihr Katz?“ keift sie, kaum dass sie meiner gewahr wird.
„Sui waret dees doch, ders ganze Vierdl mit de Blakaat bflaschtert hot, oddr?“
Mit der rechten hält sie ein kleines graues Fellknäuel hoch.
„Falls dui Katz eane gheert, dui isch vora Woch en onsern Kellar nei. D ganze Eier hot se vom Regaal nagschmissa ond uffgschleggd. Des, koschded, i sags eane!“
Ich zahle die Frau für ihre Eier aus, königlich, dafür hätte Anoushka einen Monat nichts als Eier fressen können. Zum Dank reicht sie die Katze am Nackenfell durchs Küchenfenster. Anoushka springt sofort auf meine Schulter und reibt ihren Kopf an meinem Gesicht. Sofort habe ich den Mund voller Haare.
„Ich bin so froh, dass du wieder da bist“, seufze ich mit tränenerstickter Stimme.
Heute bin ich der glücklichste Mensch der Welt.

 

Hallo Pardus,

ich habs auch gerne gelesen. Allerdings wurde mir schon bei den "behaarten Beinen" relativ klar, auf das das hinausläuft. :)

„Was heulst du so“, fragt Rainer verständnislos.

Fragezeichen nach "so".

während ich mich schon fürs Bett umkleidete. Meist kam sie zurück, während

Zweimal "während".

Vielleicht habe ich sie zu sehr eingeengt, sie liebt ihre Freiheit, sie hat ihren eigenen Kopf, hatte man mich auf dem Bauernhof gewarnt, wo ich sie das erste Mal gesehen hatte.

"sie hätte ihren eigenen Kopf ..." (wegen der indirekten Rede)

"... wo ich sie das erste Mal sah." (das ist ja abgeschlossen)

„Du bist schön, weißt du das?“; flüsterte ich.

","

„Isch des ihr Katz?!“

Hier solltest du dich entweder für ein "?" oder für ein "!" entscheiden.

Komma danach.

kaum dass sie meiner Gewahr wird.

"gewahr" klein.

und reibt ihren Kopf an Gesicht.

"am".

Anoushka springt sofort auf meine Schulter und reibt ihren Kopf an Gesicht. Sofort habe ich den Mund voller Haare.

Zweimal "sofort".

Schöne Grüße,

yours

 

Hallo Pardus

Deine kleine Alltagsgeschichte (Rubrik!) hat mir irgendwie gefallen, aber ...

Leider hast du versucht, sie mit einem etwas gekünstelten Versuch ("Damenbart, weinerliche Stimme") den Leser in die Irre zu leiten, zu einer Pointengeschichte in der Rubrik Humor zu machen.
Das funktioniert meiner Meinung nach nicht, denn spätestens bei den behaarten Beinen wusste ich, es kann sich in Zeiten der Ganzkörperenthaarung nur um eine Katze handeln. :)

Lokalkolorit, bzw Dialekt setzt zwar bei mir immer einen Schmunzler, reicht aber nicht aus, um als einzige Humorquelle eine Geschichte zu tragen. Ausserdem schrammt der letzte Teil haarscharf an der Rubrik Mundart vorbei.;)

Mein Vorschlag: Lass den ersten Teil so, dass man glaubt es handle sich um eine Frau. Streiche die Stelle mit den haarigen Beinen und dem Damenbart.
Ab der Runde um den Block, kannst du dann den Sprachstil bewusst auf die Katze lenken. Ich bin sicher, die Geschichte gewinnt dadurch an Qualität und ich muss nicht die ganze Zeit mit diesem "Nee, is klar, sie ist eine Katze!" - Gefühl lesen.

Und wenn doch Humor, dann lass zwischen seinem Freund (dem Katzenignoranten) und ihm (dem Katzenverehrer) die Fetzen fliegen.

Hei, oder schreib alles in Südallemannisch(-badisch, -schwäbisch?) und poste es in der Rubrik Mundart.

Noch etwas Textmex:

"kurzen haarigem Beinen"
kurzen, haarigen

"oft hatte ich am Morgen einige ihrer weichen, grauen Haare im Mund, doch ich genoss es."
Ok, wer's mag.:)

"Das Viertel mit Suchmeldungen gepflastert."
Alle Zettel auf den Boden getackert?


"Ich strecke den Kopf durchs Küchenfenster – ich wohne im Erdgeschoss – und sehe eine puterrote, ... "
Ich strecke den Kopf durchs Küchenfenster und sehe rechts von mir eine puterrote, ...

"eine puterrote, kittelschürzige Kastanie auf zwei Zahnstochern vor der Haustür stehen."
Wie? Ich weiss nicht, ob es nur mir so geht, aber ich habe dabei sofort das Bild eines Katzenmodells, zusammengesteckt aus Kastanien und Zahnstocher vor Augen.


Gruss.dot

 

So viel Lob für einen Text, an dem mir wenig liegt, und den ich eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen hingeschlonzt habe - was lerne ich daraus? In Zukunft werde ich mir eher weniger als mehr Mühe mit dem Schreiben geben ;).

Ich war mir selbst nicht sicher, ob ich es unter Humor posten soll, es schien mir aber die passendste Kategorie zu sein - für Alltag zu seicht, für Krimi nicht dramatisch genug, für Erotik - ich will nicht unter Sodomieverdacht geraten.


@Mr.Big
Schön, dass es Dir gefallen hat.

@yours truly
Ich bitte die zahlreichen Fehler zu entschuldigen :). Bei Grimm und Ickelsamer, ich gelobe Besserung!

@dotslash

denn spätestens bei den behaarten Beinen wusste ich, es kann sich in Zeiten der Ganzkörperenthaarung nur um eine Katze handeln

Ich beschreibe an dieser Stelle lieber nicht die Waden meiner ehemaligen Kunstprofessorin.

Hei, oder schreib alles in Südallemannisch(-badisch, -schwäbisch?)

Nordallemanisch. Gelbfüßler haben einen weicheren Dialekt.

"Das Viertel mit Suchmeldungen gepflastert."

Das ist meiner Meinung nach eine gängige Redewendung. Ich lasse mich aber gern eines besseren belehren. Vorerst bin ich faul, und es bleibt stehen.

eine puterrote, kittelschürzige Kastanie auf zwei Zahnstochern vor der Haustür stehen."
Wie? Ich weiss nicht, ob es nur mir so geht, aber ich habe dabei sofort das Bild eines Katzenmodells, zusammengesteckt aus Kastanien und Zahnstocher vor Augen.

Eine Frau, deren Gewichtigkeit sich in der Leibesmitte konzentriert, bei umso skelettöseren Beinen. Ich sag nur: metabolisches Syndrom.

Ansonsten besten Dank an alle für ausführliches Lesen und kritisieren, und bis demnächst in diesem Theater.

Pardus

 

Hallo Pardus!

Der Anfang ist vielversprechend. Ab hier:

Sie war die Schönste, Anmutigste, die man sich vorstellen konnte, mit den kurzen krummen Beinen, dem runden Rücken, mit ihren spitzen Ohren, sogar ihre weinerliche Stimme klang wie Musik in meinen Ohren. Klang.
war schon alles klar und ich hab nur noch der Auflösung entgegengelesen. An den Haaren herbeigezogene Pointen sind doof, aber solche, die man schon zu Beginn des Textes erahnt sind genauso doof. Die muss sitzen! Die hier sitzt nicht. Aber ich bin auch generell kein Fan solcher Geschichten, der Tonfall ist einfach immer gleich, der schreit ja regelrecht nach Pointe, und mich langweilt das dann meist. Du kannst gut schreiben, keine Frage, aber najaaa, die fand ich eher blöd, sorry.

Liebe Grüße,
strudel

 

Hallo Strudel,

im Moment steht es 3:1 gegen Dich. Damit kann ich ganz gut leben.

Nein im Ernst, ich schätze Deine Kritik, da ich sie, sowohl bei mir als auch bei anderen, stets als konstruktiv und begründet empfinde.

Du kannst gut schreiben, keine Frage, aber najaaa, die fand ich eher blöd, sorry.

Das Lob lasse ich mir in die Badewanne laufen, und für den zweiten Teil darf ich Dich hoffentlich bis zur nächsten Geschichte und auf bessere Zeiten vertrösten.

Schönen Abend noch,
Pardus

 

hi Pardus,

wenn ich jetzt kräftig stänkere, wird es 3:2, oder schaffe ich unentschieden, wenn ich zwei Beiträge draus mache?
Der Text hat genug humorvolle Elemente, die nicht ganz kommen, die Sorgen die Sehnsucht, die Dialoge - er hat es eigentlich nicht nötig, sich auf eine einzige Pointe zu konzentrieren/beschränken. Leider läßt Du diese Chancen zum Teil ungenutzt liegen, bis auf die nette Nachbarin - nimm mal die mit ihrer Einstellung und ihren barschen Griff als Gegenpol zu Deiner nächtlichen Kuschelei, das ergibt doch einen viel interessanteren Kontrast als der mit dem "Es war also nur die Katze". Den Soziopathen am Anfang könntest Du noch viel präziser in die übliche oberflächliche Beziehungsschluß-Trösterei eintauchen lassen.

"da mein Kater den Laptop unter Tee gesetzt hat, und ich auf dieser Arbeitsstelle eigentlich nicht ins Internet darf, wird es mit Antworten und Änderungen ein wenig dauern."

Das hast Du woanders geschrieben, aber eigentlich gehört der Satz direkt unter diese Geschichte.

Gruß Set

 
Zuletzt bearbeitet:

Salve Set,

eigentlich hatte ich nicht mehr vor, die Geschichte zu überarbeiten - war nur so ein launiges Hingeschlonze mitten in der Nacht, eigentlich müsst man mich vierteilen, dass ich damit allen Ernstes Leser belästige.

Und natürlich ging mir zu spät auf, dass guter Humor etwas vom schwierigsten ist, an das man sich schriftstellerisch wagen kann.

Wer weiß, vielleicht schreibe ich die KG eines Tages ganz neu. Als seelenrührendes Drama - das wird lustig!

Gruß und schönes Heilandswiegenfest,

der Leopard

PS: Ich meine, von lakita unter der Rubrik R/E eine richtig gute Geschichte zum Thema Geliebte = Katze gelesen zu haben. Hätt ich die vorher gekannt, hätte ich mich wohl in Sack und Asche gehült und meinen Erguss mitsammt ruiniertem Laptop zum Elektronikschrott gegeben.

 

Hallo Pardus,


auch, wenn ich finde, dass diese Geschichte irgendwie in der Abteilung Humor etwas zuviel an Erwartungen weckt, finde ich sie amüsant und gut gelungen.

Eine wunderbar kleine Story über die Tierliebe.

Im 1. Drittel hast du mich übrigens gut genarrt, da dachte ich noch harmlos an eine Frau, aber dann bei der Bettszene fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

Gut fand ich auch, dass du die Geschichte durch den Dialekt elegant aufgelockert hast. Passte.

Tja, unsere Pelzigen sind immer eine gute Story wert, nich wahr? :)

Gern gelesen!


ein büschen Textkram:

"Ist doch wahr", verteidigt er sich, "schmeicheln dir und machen dir schöne Augen, solange sie sich um nichts kümmern müssen. Und kaum ist sie aus der Tür, schmeißt sie sich an den nächsten ran.
schmeicheln und machen weist ja auf mehrere Personen hin, dann folgt aber im letzten Satzteil, dass es ja um Anoushka geht. Ich würde entweder den Satz allgemein halten, also so etwadie Weiber schmeicheln dir und machen dir schöne Augen, solange sie sich um nichts kümmern müssen. Und kaum sind sie aus der Tür, schmeißen sie sich an den nächsten ran. Oder eben alles nur auf eine Person bezogen.

mit gezücken Krallen ins Gesicht gesprungen.
gezückten

Lieben Gruß
lakita

 

Salve lakita,

Danke für Lesen und Lob! Fehlerchen habe ich natürlich ausgemerzt. An Humor als Kategorie werde ich mich wohl irgenwann noch einmal wagen, mal sehen, ob ich es dann besser mache ;).

LG und schönen Sonntag,
Pardus

 

Miau Pardus,

So viel Lob für einen Text, an dem mir wenig liegt, und den ich eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen hingeschlonzt habe - was lerne ich daraus? In Zukunft werde ich mir eher weniger als mehr Mühe mit dem Schreiben geben
Zum Glück scheinst du dieser Einsicht nicht nachgegangen zu sein. ;) Ein wahrlich lauwarmer Text, den du hier einst angeboten hast. Routiniert geschrieben, aber weit unter deinen Möglichkeiten. Dass es sich um Katze handelt, war ziemlich schnell klar. Und ansonsten, mjoa, kuschlig irgendwie, das Ganze, aber einfach zu zahm. *krallen zeig*

grüßlichst
weltenkatze

 

Salve hochverehrte weltenkatze,

dass humoristische Geschichten weitaus schwieriger zu schreiben sind, als große Dramen, hätte ich mir vor diesem Text auch nicht träumen lassen (wobei, demletzt habe ich mir noch einmal meinen Erstling vorgenommen, schau-der-haft!).
Danke, dass Du es mir noch einmal bestätigst ;), und vor allem, dass Du mir mehr Potential zutraust :gelb:.

Literarisch darfst Du mir gern die Krallen zeigen, in der freien Wildbahn sollte das Kätzchen dem Leoparden allerdings mehr Respekt zollen :D.

Kratzfuß, Pardus

 

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