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Serie Anweisungen für den Umgang mit sterblichen Überresten

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12.02.2004
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Anweisungen für den Umgang mit sterblichen Überresten

"Auf Dulzinea, das ist so eine landwirtschaftliche Kolonie in der Nähe von W 49, hat einer seine Frau abgestochen. Mit einem Fleischermesser aus Keramik. Einem von den Dingern aus dem Werbespot mit diesem Schauspieler. Wie hieß er noch?"
"Avinash Lipinski, oder so ähnlich."
"Der hat die regelrecht in der Mitte durchgesäbelt. Muss eine Menge Hass im Spiel gewesen sein...", sagte Kemal Bruckheimer, Redakteur von ELVIS, dem Nachrichten-Server bei dem ich seit meiner Rückkehr zur Erde meine Brötchen verdiente. Bruckheimer war ein ekelhafter Fettwanst und vertilgte gerade eine Pizza mit grüner Sauce, die ihm übers Kinn rann. Er merkte es gar nicht, und setzte seinen Monolog munter fort.
"Dann hat er sie in der Badewanne zerlegt und die Stücke eingefroren. Die sind dann nach und nach auf den Grill gewandert. Nur eben die Finger und Zehen und so hat er in den Müll geschmissen, der Idiot. Wo doch jeder weiß, wie genau die von der Abfallverwertung sind..."

Außer Bruckheimer und mir waren ein pickelgesichtiger Sportredakteur und die stellvertretende Chefredakteurin, eine gewisse Martha Jennings, in der Redaktion. Sie trug die Kleidung einer Aufsteigerin: weiße Bluse, edler Rock, teure Jacke, sogar eine Kette aus Weißgold. Sie nahm den Job sehr wichtig. Sie sagte: "Wir können unseren Privatdetektiv hinschicken, um mehr herauszufinden. Dann bekommt er wenigstens mal etwas zu tun."
Ich wollte diese Karriereschlampe darauf hinweisen, dass ich nicht auf einen miesen Job wie diesen angewiesen war, da flog die Tür auf und zwei Klatschkolumnistinnen stürzten an ihre Terminals (irgendein Skandal). Ich sagte: "Was für ein erbärmlicher Haufen ihr doch seid!"

Ich ging nach unten, um im Foyer eine Thalatta zu rauchen. Jennings schrie, ich sollte gefälligst zurückkommen...

***​

Reporter sind Trottel. Wenn du nicht aufpasst, macht dir die Arbeit die Nerven kaputt. Je höher du in der internen Hierarchie aufsteigst, desto mehr stumpfst du ab. Das liegt vermutlich am merkwürdigen Umgang mit der Realität in diesem Beruf. Für alle Arten von Ereignissen gibt es vorgefertigte Reaktionen:

Katastrophen, Verbrechen, Kriege ("Betroffenheit")
Kriege, Wissenschaft, Politik ("Sachliche Analyse")
Skandale, Ungerechtigkeit ("Empörung")
Komplizierte Entwicklungen ("Expertenmeinungen")
Themen im Gespräch ("Launige Kommentare")

Denken muss ein Reporter nie. Wer kluge Gedanken braucht, fragt Experten. Das sind Leute mit akademischen Titeln, die Anzüge oder weiße Kittel tragen, je nachdem, und an irgendeiner Universität unterrichten. Experten sind immer ernsthaft und bestärken den Kinderglauben der Leute, dass sie Zugang zu irgendeiner Wahrheit haben, die der Normalbürger nicht versteht. In kurzen aber hochtrabenden Wortmeldungen geben sie Ansichten von sich, die mit den in der jeweiligen Redaktion verbreiteten Vorurteilen soweit übereinstimmen, dass man sie bringen kann. Eigentlich könnten sich Reporter selbst ihre Gedanken machen - nur leider sind Chefredakteure der Ansicht, dass Reporter im allgemeinen und solche die bereit sind für sie zu arbeiten im besonderen, Trottel sind.

***​

Ich lief im Foyer auf und ab und blies Rauch in die abgestandene Luft. Der Portier beobachtete mich ängstlich. Ich murmelte: "Du machst das schon richtig: Immer schön den Kopf unten halten und keinem in die Quere kommen."

Draußen wälzte sich der Verkehr des späten Nachmittags durch Häuserschluchten, strömte unaufhörlich wie ein Wasserfall: Bodenwagen, Containerbusse, die Luftschiffe der Reichen und eine Menge Zweiräder, alles in wüstem Durcheinander. Irgendwo in diesem wirren Netz von Strömungen war ich angeschwemmt worden, in einem sogenannten verwandten Beruf.

Der Kommunikator in meiner Jackentasche vibrierte plötzlich. Ich schaltete ihn aus. Nach zwanzig Jahren als Privatdetektiv wusste ich, dass es nichts gibt, das nicht fünf Minuten warten kann.

***​

Als ich wieder in die Redaktion kam, standen alle über eine holographische Projektion gebeugt, und als hinter Tischen mit Resten von Fast Food das Bild eines Hörsaals im Miniaturformat immer weiter in mein Blickfeld rückte, wusste ich, dass gleich etwas geschehen würde, das mein ganzes neues Leben über den Haufen warf.

Natürlich hatte Professor Feldmann damit zu tun. Er kam in das verkleinerte Abbild des Hörsaals (unverkennbar Feldmann, mit Glatze, Hemd, Fliege, Aktentasche und mehreren Assistenten). Der Vortrag handelte von möglichen Strategien für den Umgang mit DENEN. Einer der Freien Mitarbeiter wollte etwas wissen. Bruckheimer zischte ihn an, das Maul zu halten und sagte: "Gleich. Gleich wird es passieren!"

Geübt in der Rolle des Super-Experten erzählte Feldmann, dass die Grundkonstellation unserer Beziehungen zu DENEN eine war, in der zwei interplanetare Zivilisationen aufeinander trafen, die völlig unabhängig voneinander entstanden waren und möglicherweise nach völlig verschiedenen internen Regeln funktionierten.

Der Hörsaal war voll. Eine Einstellung zeigte einen großgewachsenen Studenten, der seinen Stift von der Eingabefläche seines Kommunikators hob, als wollte er etwas fragen. Feldmann wollte ihm schon das Wort erteilen, und: Peng!

Man musste ein paarmal hinschauen, um es zu begreifen. Feldmann zuckte, stützte sich mühsam auf, öffnete den Mund, als wollte er nach Luft schnappen. Es ist schwer, sich vorzustellen, wie es einem Sterbenden geht und hinterher kann man keine Fragen mehr stellen - obwohl Jennings und Bruckheimer ohne zu zögern Leichen interviewt hätten, wenn sie nur gewusst hätten, wie man das verwerten konnte.

Ich musste lachen. Jemand faselte etwas von Pietät. Bruckheimer spielte die Szene sehr langsam nochmals ab, fast Bild für Bild. So sahen wir in allen Einzelheiten, wie Feldmann den Löffel abgab.

***​

Die Szene wiederholte sich etwa zwanzigmal in meiner Holo-Anlage zu Hause. Ich saß in meinem Polstersessel und mampfte Chips. Es hatte schon einen gewissen Reiz, Feldmann in verschiedenen Einstellungen beim Sterben zuzuschauen. Bequem zurückgelehnt sah ich mir die Szene immer wieder an und versuchte herauszubekommen, was zum Teufel das zu bedeuten hatte.

Und die Aufzeichnung ging ja noch weiter: Als Feldmanns Assistenten, die Sicherheitsleute und Journalisten noch blöd herumstanden, richtete der Mörder das Wort an die Menge. Am Anfang verstand man kaum etwas, wegen der hysterisch Kreischenden.

"...protestieren wir gegen die Aufrüstung und gegen die Intoleranz," schrie der Mörder.

In Großaufnahme sah er aus wie höchstens Anfang zwanzig. Neben ihm entrollte jemand ein Transparent mit der Aufschrift "Tod den Imperialisten!"

***​
Mir war der junge Mann herzlich egal. Sicher folterten sie ihn in der U-Haft, um alles über sein Motiv zu erfahren. Sollten sie! Ich schlurfte aufs Klo, um mich richtig auszupissen. Der Strahl machte ein Geräusch wie schnelle Klaviermusik. Irgendwas von Mozart.
Ich lehnte mich zurück und betrachtete meinen mächtigen Bauch. Der kam vom vielen Herumsitzen. Und plötzlich fiel mir ein, dass ich wieder eine Lizenz als Privatdetektiv beantragen konnte, weil ein toter Feldmann kaum etwas dagegen unternehmen würde.

Ich sah mir die künstliche rechte Hand an, die sich fast wie echt anfühlte. Die Stelle, wo sie in den Stumpf überging, war kaum noch zu sehen. Anschließend befühlte ich die große Narbe, die sich von der linken Brustwarze bis zum Bauch hinunterzog und überlegte, wie oft mir eifrige Gesetzeshüter und ertappte Ehemänner schon die Nase gebrochen haben. Prüfend sah ich mir das füllige und stoppelbärtige Gesicht im Badezimmerspiegel an und fragte es: "Hast du Angst?"

***​

Ein paar Tage später kam ein Paket ohne Absender. Der Postbote, ein Immigrant aus einem seltsamen Randgebiet, hielt mir einen Kommunikator hin und sagte: "Musse bitte unterschreibe." Das tat ich, und erhielt ein Paket von der Größe eines Ziegelsteins.
Um die Spannung eine Weile zu genießen, wollte ich es nicht sofort aufmachen.
Ich machte stattdessen einen Spaziergang durch den Nieselregen zum Fluss. Der Kai, die Alleen, die Parks voller Jogger und Hundescheiße waren gleich wie immer, der Lärm der Stadt und die Werbebotschaften auf animierten Plakaten kümmerten sich um nichts. Aber ich, ich musste mir Gedanken machen! Ich stellte mir vor, dass weit über meinem Kopf fremde Gehirne Invasionspläne machten und Milliarden von Soldaten mit weit überlegenen Waffensystemen ausrüsteten, um diese Ansammlung von von Vollidioten hinwegzufegen, die sich die Menschheit nannte. Mich eingeschlossen...

***​

So kam ich an den Hotdog-Stand am Fluss, sah den Verkäufer und wunderte mich wieder einmal, wie sehr er Feldmann ähnelte. Wir führten hin und wieder eine zwanglose Unterhaltung.

"Hallo Cripps, du elender Scheißhaufen," sagte er, "Willst du mich wieder anschnorren?"
Ich sagte: "Wie ich sehe sind die Würstchen noch die gleichen wie letzte Woche. Pack mir eines davon in ein künstliches Brot und gib deinen ekelhaften Senf und eine handvoll verdorbene Zwiebeln dazu. Musst es nicht extra einpacken. Ich bring es gleich zur Lebensmittelpolizei."

Als ich ging und kaum zehn Schritte weit weg war, sagte er seinen Gästen, was für ein Spinner ich seiner Meinung nach war. Ich drehte mich um und sah ihn und seine Hotdogs fressenden Besucher, alles vor dem glitzernden Fluss. Das Nieseln hatte aufgehört. Die Sonne kam wieder durch.

***​

In dem Paket war ein Datenträger, den ich sofort ins Abspielgerät steckte. Es war kein Hologramm, sondern ein zweidimensionales Bild in Graustufen mit Ton. Eine Botschaft von Feldmann. "Wie dramatisch," dachte ich.

Feldmann sagte: "Wenn Sie diese Botschaft bekommen, bin ich tot."
Dieser Umstand schien ihn nicht sonderlich traurig zu machen.
"Die Situation der Erde, ja der ganzen Menschheit ist sehr ernst. Wir müssen uns gegen einen übermächtigen Gegner behaupten. Wenn Sie sich genau an meine Anweisungen halten, haben wir vielleicht eine Chance."

Er sprach eine Viertelstunde lang von der Natur des Krieges, die zur äußersten Anstrengung der Kräfte strebt, oder so ähnlich; dass DIE uns nicht kennen und wir sie nicht, dass unsere interplanetare Föderation Angreifern nicht mehr entgegen zu setzen hatte als ein Campingplatz auf einer Lichtung einer Sturmtruppe, über den Wert von Informationen und die Notwendigkeit, eine kluge innere Führung zu schaffen und uns auf einen Guerillakrieg vorzubereiten.

Ich griff gerade nach meinen Kartoffelchips, da zählte er eine Liste von Dingen auf, die ich und nur ich allein tun konnte: "Ich habe Sie ausgesucht, weil Sie ein gerissener Bursche sind, der sich nicht fürchtet zu handeln. Ihnen ist egal, wenn sie vielleicht umgebracht werden, und der Geheimdienst kennt Sie nicht. Wir beide wissen, dass das Leben ein Spiel ist. Ich werde Ihnen jetzt eine Reihe von Anweisungen geben. Ich muss Sie bitten, sie schnell und gewissenhaft auszuführen. Sie sind der kleine Mann im Chinesischen Zimmer und alles was ich noch habe. Zeigen Sie, dass es gut war, Sie am Leben zu lassen, Cripps!"

Er hatte also mit dem Gedanken gespielt, mich zu ermorden, als ich herausfand, dass er nur so zum Spaß Leute umbrachte. Seine Wunschliste war lang und seltsam:
* Ein Dutzend Wissenschaftler besuchen
* Ihnen mitteilen, dass sie eine Gesellschaft gründen müssen um die Menschheit zu retten
* Feldmanns Leiche stehlen und der Gruppe übergeben
* Einen bestimmten Wissenschaftler zum Anführer ernennen
* Genau zwei Befehle von ihm ausführen, ohne Fragen zu stellen
* Die Außerirdische Drohung im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankern
* Eine Panik auslösen

Damit mir all das leichter fiel, würde einen Tag nach Eintreffen der Botschaft eine Summe mit dem Vermerk "Darlehen" auf mein Konto überwiesen und eine Person würde mich heute noch aufsuchen. Diese Person musste mir ohne Wenn und Aber zwei Wünsche erfüllen...

***​

Etwa um Mitternacht läutete es.
"Wer ist dort?"
"Ich bin es, Paul."

Natürlich Sheila. Das war genau Feldmanns Sinn für Humor, mir die Reporterin zu schicken, die sich auf seine Seite geschlagen hatte, als sie von meinem Plan erfuhr, ihn zu töten. Jetzt war er tot. Das Leben ist komisch.

Sie hatte einen Hauch von Nachtluft an sich, der durchs Zimmer wehte, als sie den Mantel ablegte. Ich schlurfte zurück ins Schlafzimmer. In mir arbeitete die Frage, wie ich die beiden Wünsche, die sie mir erfüllen musste, am besten einsetzen konnte.

"Es freut mich, dich wiederzusehen, Paul."
"Ich wünschte, ich könnte von mir dasselbe sagen."
"Sei nicht albern! Du weißt genauso gut wie ich, dass es das beste war, dass ich die Vermittlerin gespielt habe."

Das stimmte. Trotzdem hatte sie die Gesetze der Loyalität verletzt. Und schon begriff ich die Absicht hinter dem Besuch: Es ging um Loyalität. Ein Bruch, den wir kitten mussten, bevor wir einander vertrauen konnten. Feldmann hatte sicher keine idealisierte Vorstellung von uns. Wir waren keine Übermenschen. Wir waren einfach Paul und Sheila.

Ich sagte ihr meinen Wunsch. Sie sah erstaunt aus, vielleicht sogar beleidigt - oder geschmeichelt. Aber sie wusste, dass Feldmann sich bei einer so einfachen Vorbereitung nicht irren konnte.

Sie legte ihre Bluse ab und zog die Schuhe aus, wie jemand, der sich auf eine Mutprobe vorbereitet. Ihr Blick fixierte mich trotzig. Der BH fiel. Die Haut ihres Oberkörpers war leicht gebräunt und straff, der Bauch ebenfalls, ihre Brüste hingen und standen gleichzeitig prall wie volle Einkaufstüten. Sie waren spitz und einladend mit großen Warzenhöfen. Das Schamhaar hatte sie am Rand rasiert. Oh, sie war schön! Ich zog den Bademantel aus und legte mich aufs Bett. Mein Schwanz war groß und hart. Sie setzte sich drauf und begann, mich zu reiten.

***​

Meine nächsten Schritte in Feldmanns Auftrag verliefen nicht ganz so erfreulich. Ich musste ein Dutzend Angehörige eines Menschenschlags aufsuchen, an den ich kaum je einen Gedanken verschwendet hatte: Wissenschaftler. Die Leute, die an den Rändern unseres Wissens operierten und seine Grundlagen verstanden, die wussten, warum von in zwölf Tagen von Kes 67 nach Cassiopeia A fliegen kann, obwohl die spezielle Relativitätstheorie das ausschließt. Leute, die etwas so Komplexes wie unsere Gene verstehen und verändern und trotzdem nichts an so grundlegenden Dingen wie den Schwierigkeiten des Zusammenlebens oder der Unausweichlichkeit des Todes ändern konnten. Ob solche Leute sich genauso wie unsereiner über ein kühles Bier oder ein paar wohlgeformter Titten freuen konnten?

Manche auf Feldmanns Liste verhielten sich störrisch, besonders ein gewisser Ökonom mit weißem Haar und einem harten Zug um die Mundwinkel. Ich setzte ihm eine Nadelpistole an die Brust und erklärte, dass ich ihn sofort erschießen würde, wenn er nicht mit mir sprach. Wir gingen in sein Büro, wo ich ihn vollends überzeugte, indem ich ihm die Nase brach.

***​
Nur einer war nicht überrascht, als ich an die Tür seines Büros klopfte und auch nicht, als ich von Feldmanns Plan erzählte. Es handelte sich um einen Historiker namens Cesare Canavaro. Ich fand ihn in einer Stadt namens Padua in einer Region namens Italien.
Professor Canavaro gehörte zu den Leuten, die ihre Nische im Leben gefunden haben und sich mit Vergnügen mit Themen beschäftigen, die sie interessieren. Sein Büro war ein hoher und kühler Raum in einem Gebäude, das wohl einmal ein Palast gewesen war.
Der Mann selbst war schlank und unauffällig, mit wachen Augen; einer, der den nächsten Schritt, den man tun will, schon vorhersieht, ehe man ihn beschließt: "Ich stehe zu Ihrer Verfügung," sagte er.

"Sie wären ein guter Detektiv geworden."
"Und Sie sind auf Ihre Art ein guter Historiker. Es ist wichtig, herauszufinden, was in der Vergangenheit wirklich passiert ist, wenn man die Zukunft vorhersehen will."

Ich saß in einem schweren Ledersessel und rauchte eine Thalatta, da stellte ich eine Frage, die mich selbst überraschte: "Wie wird sich das entwickeln, zwischen uns und DENEN? Ich sehe beim besten Willen keinen Anhaltspunkt für DEREN Absichten, ihre Stärke oder was für eine Art von Kultur DIE haben, nicht mal, was für eine Spezies sie sein könnten."

Er lachte: "Sie wissen gar nicht, wie viele Möglichkeiten Ihre Sichtweise uns bietet und Sie liegen näher an der Wahrheit als Sie denken."

Das sagte er, ein Historiker, der zu diesem Zeitpunkt genauso wenig wusste wie ich. Viel später verstand ich, dass er die strategische Situation der Menschheit sofort richtig erfasst hatte.

***​

Zu Hause machte ich weiter mit Feldmanns Liste. Ich ging zum Hotdogstand und sagte: "Hallo Alter!"

Hinter mir zog ich einen großen Koffer auf Rollen her, der nur eine Flasche Brandbeschleuniger enthielt. Es war früher Morgen und der Hotdogmann bereitete alles für seine hungrige Kundschaft vor.

"Keine Zeit für dich, mieser Penner. Ich muss das Geschäft aufbauen."
"Willst du nicht sehen, was ich in dem Koffer habe?"

Es interessierte ihn tatsächlich. Im Laufe der Jahre hatte ich mich beinahe an ihn gewöhnt, aber was sein muss, muss nun mal sein: Ich zog einen Schuss-Stift und traf ihn genau ins Herz. Ein Blutfleck breitete sich kreisförmig auf seiner Schürze aus. Er wirkte sehr überrascht, während der starb. Ich machte den Koffer auf und legte ihn hinein.

Als weitere Vorsichtsmaßnahme erschoss ich einen Passanten, dessen Leiche ich in den Hotdogstand legte. Dann verspritzte ich den Brandbeschleuniger und machte die Tür zu. Ich rauchte noch eine Zigarre und beobachtete den Verkehr auf einer nahen Straße. Den Stummel warf ich auf den Hotdogstand, der sofort in Flammen aufging.

***​

Als ich nach Hause kam, war Sheila in der Küche. Wir frühstückten und gingen dann noch mal ins Schlafzimmer um zu ficken ("Nimm mich, Cripps! Nimm mich, ohne Rücksicht auf Verluste!" usw.)

Ich hatte gerade zwei Menschen ermordet und nichts dabei empfunden. Wenn die Welt zugrunde ging, galten herkömmliche Moralbegriffe nicht mehr. Vielleicht waren mir die Außerirdischen schon auf den Fersen? Es war übrigens der beste Sex meines Lebens.

***​

Dass meine Besorgungen eine mächtige Organisation mit eigenen Gesetzen schufen, merkte ich wenige Tage später, als ein ganz in schwarz gekleideter Fremder vor meiner Tür stand und sich als mein Gehilfe vorstellte. "Wenn Sie mein Gehilfe wären, müsste ich das wohl wissen. Aber kommen Sie erst mal herein!"

Ich setzte ihn ins Wohnzimmer und bat Sheila, ihn zu beschäftigen. Canavaro ging sofort an den Kommunikator. Er sagte, dass es in Ordnung war und dass er mir bei Gelegenheit einige Gläser mit eingelegtem Gemüse schicken wollte.

"In Ordnung, Assistent," sagte ich, "Wir müssen die Leiche in diesem Koffer so herrichten, dass sie wie Feldmann aussieht. Dann vertauschen wir sie mit Feldmanns Körper in der städtischen Aufbahrungshalle. Sollte kein Problem sein, oder?"

Er verzog keine Miene. Er sah aus wie ein von einer großen Idee besessener Leichenbestatter.

***​
Wenn man eine Leiche genauer ansieht, stellt man fest, dass sie im Prinzip nichts anderes ist als das schön abgepackte Fleisch im Supermarkt. Mit feinen Unterschieden: Wenn man vor dem Regal stehen bleibt, erzählt einem eine freundliche Stimme, woher das Fleisch kommt, welchen Nährwert es hat und so weiter. Der Hotdogmann war einfach nur tot. Anders als das Fleisch im Supermarkt wies seine Leiche aber eine Eigenheit der Lebenden auf: Sie konnte furzen. "Großer Gott," sagte ich, "Der Hundesohn verwandelt meine Wohnung in eine Gaskammer."

Meinen Assistenten störte es nicht weiter. Wir verrichteten unsere ekelhafte Arbeit, bis der Hotdogmann einen Anzug trug und recht passabel aussah.

***​
In die Nähe von Feldmanns Leiche, die aufgebahrt an einen toten Fisch am kalten Buffet erinnerte, kamen wir leicht. Wir trugen die Uniform eines großen Bestattungsunternehmens. Auf dem Koffer, in dem sich der Hotdogmann befand, hatten wir einen riesigen Kranz mit Schleifen befestigt ("Vielen Dank für alles! Ihr Freund P. C."). Wir schleppten den Koffer bis vor den Sarg und stellten ihn zu all den anderen Kränzen. Die Sicherheitsleute beachteten uns nicht einmal. Wir waren Teil der trauernden Herde.

Wir schafften es, uns bis zum nächsten Morgen in einem Nebenraum der Aufbahrungshalle zu verstecken. Als die ersten Sonnenstrahlen durch die bunten Glasfenster fielen, tauschten wir die Leichen aus. Es war recht anstrengend, den Koffer aus einem Haufen alberner Kränze herauszuziehen und hinterher alles schön herzurichten.

Etwa um sechs Uhr morgens bugsierten wir einen Leiterwagen voller Müll, unter dem Feldmann lag, ins Freie, wo ein Sicherheitsmann mit Sonnenbrille uns sofort sah.

"Na, Meister! Auch schon auf?" rief ich ihm zu.

"Habe die ganze Nacht Wache gehalten, wegen der Scheiß Beerdigung heute," gab er zurück.

Was sollten wir da erst sagen? Es ist aber erstaunlich, wie glatt solche Aktionen über die Bühne gehen: Er ließ uns in Ruhe.

***​

Bei allen Unwägbarkeiten gab es in der Organisation, die die neue Ordnung umsetzen sollte, eine eindeutige Befehlskette. An der Spitze stand Canavaro. Mir dämmerte allmählich, was für eine Macht die beiden Wünsche, die ich ihm noch erfüllen musste, ihm über mich gaben. Nicht einfach wegen der Befehle, sondern wegen der unausgesprochenen Drohung, was diese Befehle sein konnten. Dasselbe galt für mich und Sheila. Die Befehlskette sah also folgendermaßen aus: Oben Canavaro, darunter ich, darunter Sheila.

Die sozialen Netzwerke rundherum banden sehr schnell Politiker aller Mächte und Parteien ein. Es sah ganz so aus, als hätte die politische Kaste ein natürliches Bedürfnis nach Heimlichtuerei und Mitgliedschaft in Geheimbünden. Noch bereitwilliger ließen sich Journalisten von der Organisation vereinnahmen. Journalisten sind Idioten! Ich glaube, das habe ich schon erwähnt.

***​
Beim Treffen der Gruppe trugen wir Feldmanns Körper feierlich in den Raum und legten ihn auf den Tisch. Fünf Mitglieder waren anwesend, darunter Canavaro selbst. Ehrerbietig begannen sie mit einer Reihe von Untersuchungen an der Leiche. Die Leiterin war eine Neurologin aus Schweden. Canavaro kam zu mir, schüttelte mir die Hand und sagte: "Ich bin auch wegen Ihnen gekommen, Herr Cripps. Ich denke, dass Sie eine wichtigere Rolle spielen als Ihnen bewusst ist. Gehen wir ein Stück?"

Nach einer Weile kamen wir an der Stelle vorbei, wo der Hotdogstand inzwischen abgesperrt und bewacht war. Da sagte Canavaro freundlich: "Die kleinen Verbrechen lassen sich so viel leichter aufklären als die großen. Wenn es eines oder zwei Opfer gibt, findet die Polizei den Täter schnell und erkennt das Motiv. Wenn es aber eine Million Opfer gibt und keinen Tatort sondern ein verwüstetes Schlachtfeld..." Hier machte er eine vage italienische Geste "... wird das Motiv eine Frage der Interpretation."

"Das haben Sie schön gesagt. Ich hätte den Hotdogmann ermorden und anschließend die ganze Stadt in die Luft jagen sollen."

Wir lachten beide wie über einen harmlosen Scherz.

"Was wollen Sie von mir? Wenn ich eine Panik ausgelöst habe, bin ich mit Feldmanns Liste durch."
"Vergessen Sie nicht, dass Sie mir einen Gefallen erweisen müssen, wenn ich Sie darum bitte!"

In der Sonne, die der Fluss reflektierte, sah er aus wie ein freundlicher südländischer Fremdenführer.

"Feldmann hat mich benutzt, um eine Organisation zu gründen, die ich selbst nicht mehr verstehe. Immerhin begreife ich, dass ich in ihr keine aktive Rolle spiele."
Er lächelte. "Das ärgert Sie, obwohl Sie sich nichts mehr wünschen als ein ruhiges und unbehelligtes Leben."

Ich zündete mir eine Zigarre an und blies den grünlichen Rauch über das Geländer, das den Fluss von der Uferpromenade trennte.

"Sie sind mein Joker. Sie können schnell handeln und Sie haben keine Skrupel. Allerdings dürfen wir uns ab jetzt nicht mehr persönlich treffen. Ihre Sheila werde ich empfangen, wann immer Sie wollen. Aber Sie, mein lieber Cripps, werden exekutiert, wenn Sie nach diesem Treffen in meine Nähe kommen. Das ist vielleicht der Grund, warum es Exekutive heißt."

Er hatte den Humor eines Eierkopfs. Ich stand nur da und rauchte.

"Damit wäre alles gesagt. Ich will mal sehen, wie weit die Untersuchung fortgeschritten ist. Es hat mich aufrichtig gefreut, Sie kennenzulernen. Schöne Grüße an die Ehefrau!"
Was meinte er damit? Ich war nie verheiratet. Wir schüttelten uns feierlich die Hände und er ging. Ein Leibwächter der ihm in einiger Entfernung folgte, erinnerte mich daran, dass es keine gute Idee gewesen wäre, ihm nachzugehen.

***​

So blieb es also an mir hängen, die Panik auszulösen, die Feldmann sich wünschte. Man stellt sich das so einfach vor, aber ich habe in meinem Leben nichts Schwierigeres geschafft als die selbstzufriedenen und skeptischen Menschen unseres Zeitalters aufzurütteln und in eine Masse kriegslüsterner Patrioten zu verwandeln, indem ich ihnen einen gehörigen Schrecken einjagte...

Die Idee kam mir in der Bar "Da Draußen", als ich ab einem der langen Tresen saß und sah, was nicht ging. Es gab drei oder vier Barmixer. Konnte man sie in Panik versetzen? Ich machte einen halbherzigen Versuch und sagte zu dem, der mir Whiskey nachschenkte: "Ich werde jetzt meine Waffe ziehen und dich erschießen."
"Soviel ich weiß, ist Mord verboten," entgegnete er freundlich.

Da war das Verhalten eines Frachterpiloten, das ich auf dem Heimweg beobachtete, viel brauchbarer: Der Mann wankte sturzbetrunken über einen öffentlichen Platz. An einem Brunnen blieb er stehen, um hineinzupieseln. Da ging die Tür zu einem nahegelegenen Lokal auf und ein schwarzgekleideter dünner Mann warf einen Dartpfeil, der trotz der Entfernung von etwa fünfzehn Schritten im Arsch des Frachterpiloten landete.

Das Gesindel, das vor dem Lokal herumlungerte, applaudierte gröhlend. Der Besoffene drehte sich blitzartig um und rannte wie eine gesengte Sau zur Tür, die längst wieder zugeschwungen war. Dabei stolperte er, rappelte sich auf, erbrach sich heftig und stürmte trotzdem in das Lokal. Ich glaube, dass er sehr wütend war.

Weh musste es tun und einen wütend machen, ehe man noch Zeit zum Nachdenken hatte!

***​

Vier Tage später erreichte ein kleines Handelsschiff die Raumstation "Neue Ufer" im Kramman-System. Am Steuer saß mein Assistent, um seinen letzten Auftrag auszuführen. Es muss ihm recht mulmig zumute gewesen sein, aber ich denke, die Aufgabe war genau das richtige für ihn.

Unzählige Schiffe umschwirrten die Raumstation, die einen wichtigen Knotenpunkt zu den Welten des Systems bildete. Die Planeten hier durchliefen die dritte Phase ihres Terraformings. Viele Unternehmen hatten ihre Repräsentanten hier, um sich frühzeitig Land und Rohstoffe zu sichern. Auch ein Teil der Raumflotte lag hier und es gab Bars und Märkte und sogar eine Universität. Etwa 7.000 Menschen lebten ständig in "Neue Ufer". Riesige Hologramme verkündeten, dass hier gerade die VIVOTEX stattfand, die große Messe zu Bionik, Terraforming und Kybernetik. Berühmte Redner machten große Worte und viele Jugendliche, oft von weit her, hörten ihnen zu.

Die Raumstation war gebaut wie ein Wagenrad, ein wunderschönes Gebilde, das sich mit vielem selbst versorgte, ein Wunder der Technik, der Liebe und der Hoffnung.

Um es kurz zu machen: Als die Raumstation Kontrollore schicken wollte, um die Ladung seines Schiffes zu inspizieren, beschleunigte mein Assistent es noch einmal und donnerte geradewegs in die Nabe des großen Rades. Weil die Ladung aus unter anderem eine Tonne Semtex enthielt, blieb von "Neue Ufer" nicht viel übrig. Zehntausend Menschen fanden einen qualvollen Tod.

***​

"Schöne Scheiße," sagte ich und meinte es fast, als ich die Szene in den Nachrichten in der Bar "Da Draußen" sah. "Weiß man schon wer es war?"

Neben mir saß Kemal Bruckheimer, mein früherer Chef bei ELVIS.
"Es sollen Agenten von DENEN gewesen sein. Menschen. Was für ein unfassbarer Wichser muss man sein, um so etwas zu tun?"

In seinen Augen standen Tränen. Noch nie hatte ich erlebt, dass er über etwas so schockiert war. Ich betrachtete die honigfarbene Flüssigkeit in meinem Glas, während die Stimme irgendeiner Nachrichtensprecherin verkündete, dass ein Außenposten Spionageschiffe und Transporter von DENEN geortet hatte. War das zu glauben?

***​

Als ich die letzte Anweisung der Gruppe erfüllte und mich um die Entsorgung von Feldmanns Leiche kümmerte, kam mir ein ungewöhnlicher Gedanke: War Feldmann wirklich tot? Die Gruppe hatte seine Erbsubstanz und viele seiner Zellen in sicherer Verwahrung. Seine Gedanken und deren Stoßrichtung waren in seinen Büchern festgeschrieben. Sicher beschäftigte sich jemand damit, diese Gedanken fortzuführen. Spielte es eine Rolle, wer das tat? Sein Ruhm wurde größer und sogar seine Eigenheiten waren peinlich genau dokumentiert im Modell seines semantischen Netzwerks und einer umfassenden tiefenpsychologischen Biographie. Auch über seine Familie und die Gruppe übte er Macht aus, posthum mehr als zu Lebzeiten. Es war, als wären die Teile des Systems Feldmann in etwas anderes überführt worden, das die Gesamtheit als Subjekt intakt ließ.

Der Gedanke beschäftigte mich so, dass ich dem Toten, dessen Leiche schon stank und sich blau verfärbte, den Kopf absägte und ihn präparierte, um den nackten Schädel zu bekommen, den ich noch aufbewahrte, als der restliche Körper längst einen Meter unter den Tulpenzwiebeln im Garten meiner Tante Agathe verwest war. Warum tat ich das? Ich weiß es selber nicht genau.

***​
Die Medien berichteten ausführlich, wie Canavaro und die Gruppe an die Macht kamen: Die Vereinigten Planeten setzten ein gemeinsames Oberkommando ein. Überflüssig zu erwähnen, dass es personell ident mit der Gruppe war. Alle Politiker sehnen sich danach, geführt zu werden und die Welt erklärt zu bekommen. Diese Sehnsucht erfüllte sich.

Als es das Oberkommando kaum eine Woche gab, entstanden die formalen Voraussetzungen für Verordnungen, die planetarisches und föderales Recht außer Kraft setzten, wenn sie mit ihnen in Konflikt gerieten. Das musste wohl so sein, denn schließlich ging es darum, schnelle Entscheidungen zu treffen um die Menschheit zu retten, oder nicht?

Um es endlich auszusprechen: Ich war der Wegbereiter eines Systems, in dem nicht mehr Gewinnstreben und Selbstverwirklichung des Einzelnen im Vordergrund standen, sondern der Dienst an einer bis an die Zähne bewaffneten Gemeinschaft. Die Zentralbanken, die Rüstungsindustrie, die Politiker und die Medien stellten die Weichen auf Krieg.
Ich hatte all das in Gang gesetzt, aber ich dachte, dass die Verhinderung einer Invasion durch DIE wichtiger war als alles andere, auch wenn wir nun in einem faschistischen System lebten.

***​

Dann kam Sheila. Sie ging durch die automatische Tür, zog den Mantel aus, warf ihn über einen Sessel. In der Hand hatte sie eine Diät-Cola. Sie ließ sich neben mich auf die Couch fallen, zog die Schuhe aus und steckte die Füße unter meinen Arsch. Dabei musterte sie mich von der Seite und sagte: "Du siehst aus wie einer, der etwas bereut."

Ich sah mir die Nachrichten an: Die Polizei verhaftete Studenten. Angeblich waren es Agenten von DENEN. Ein Transparent kam ins Bild: "Gegen Biologismus und Fremdenhass". Ich murmelte: "Geschieht denen recht, wenn sie gefoltert werden. Was mussten sie auch Feldmann umbringen und die ganze Scheiße in Gang bringen."

Da lachte sie, die Frau mit den tollen Titten, die mir immer wieder zu verstehen gab, was für ein ungehobelter Kerl ich war: "Wie naiv du bist, Paul! Was denkst du wohl, wer solche Leute dazu gebracht hat, Feldmann zu ermorden? Cui bono, mein Lieber. Zufällig war ich selbst an den Vorbereitungen beteiligt."

Konnte er es selbst verlanlasst haben? Das raubte mir den Atem.

"Und was ist mit DENEN?"
"Vor einiger Zeit sind einige Schiffe bis an unsere Außengrenzen vorgedrungen und haben einige Botschaften mit einem unserer Forschungsschiffe ausgetauscht. Mehr ist nicht passiert, wenn man es nüchtern betrachtet und von einigen Drohungen ihrerseits absieht. Immerhin wissen wir jetzt, dass wir nicht allein im All sind. Ist doch schön, nicht? Aber denk mal, Paul: Wie hätten DIE in eine ihnen fremde Kultur eindringen sollen, um ein paar Wahnsinnige innerhalb kürzester Zeit davon zu überzeugen, dass es eine gute Idee wäre, Feldmann umzubringen? Klingt nicht sehr plausibel, oder?"

Einen Moment lang war ich wütend. Sheila hatte Zugang zu Canavaro und musste mir einen Wunsch erfüllen. Ich konnte ihr befehlen, ihn zu töten. Aber das würde die Gruppe auch nicht mehr entmachten. Stattdessen kam mir ein anderer Gedanke: "Du erinnerst dich bestimmt, dass du mir noch einen Wunsch erfüllen musst."

Sie erschrak. Ich befahl ihr, mich zu heiraten, weil sie doch sowieso alles besser wusste. Sie saß mit offenem Mund da und sah sehr erstaunt aus. Ich nahm ihr die Cola aus der Hand und erhob sie "Auf das junge Glück!"

***​

Von Zeit zu Zeit krame ich jetzt Feldmanns Schädel aus meiner Sockenlade hervor, während dort draußen der machtpolitische Wahnsinn in eine neue Richtung driftet. Ich bin ein Massenmörder, aber ich fühle mich nicht schuldig. Ich war nur sein Werkzeug. Ich streichle die Nähte, an denen die Knochenplatten ineinander übergehen. Jetzt bekommst du den Umbau der menschlichen Zivilisation nach deinen Vorstellungen, aber was hast du davon, Feldmann?

Es ist schön, das Sonnenlicht, das durchs Fenster hereinfällt, auf der Haut zu spüren. Ich denke an meine schöne und durchtriebene Frau. Es muss eintönig sein, im Grab zu liegen! Wenn ich Feldmanns Schädel zurück in die Sockenlade lege, freue ich mich jedesmal, dass ich noch lebe.

 

Hallo Welt!

Der vorliegende Text ist die zweite Geschichte mit dem bösartigen aber sympathischen Privatdetektiv Paul Cripps. Die erste mit dem Titel "Krumme Wege beim Streben nach der perfekten Mausefalle" findet Ihr hier:

http://www.kurzgeschichten.de/vb/showthread.php?t=29677

ACHTUNG! Diese Geschichten sind sehr lang und bösartig und unterscheiden sich stark von den Beiträgen, die hier sonst erscheinen. Puristen werden sie nicht mögen. ;)

 

Hi Fr ... äh, Berg!

Die Geschichte habe ich mir vorgestern reingezogen. Eine kleine Mischung aus "V wie Vendetta" und 11.-September-Verschwörungstheorien, präsentiert in einem SF-Detektivestory-Mix. Ich muss sagen, dass mir die hintersinnig-witzig-zynische Schreibweise gut gefällt. Jetzt, wo Cripps sogar Menschen umbringt, fällt mir auch auf, dass der Sympathiemalus dadurch gar nicht so groß wird. Aus irgendeinem Grund mag man gerade das rücksichtslos Zynische an ihm. Hätte ich nicht die ganze Zeit stehen müssen ( Unirechner, Stehplatz *grmblfj* ), dann hätte ich mir wahrscheinlich öfter auf die Schenkel geklopft. Normalerweise funktioniert Zynismus ja nur auf hohem Slapstick-Niveau ( Simpsons, Southpark, Malcolm mittendrin, eine schrecklich nette Familie etc. ), aber auch leiserer Humor scheint zu ziehen.
Ich finde aber schon, dass du, um den Unterhaltungswert zu erhöhen, das Satirische ein wenig steigern könntest, denn mit deiner Schreibweise nimmst du ja nicht nur die Weltpolitik, sondern auch den Detektivroman auf die Schippe.

Interessant auch, dass du die Struktur durchhältst wie beim letzten Mal: Beschreibung einer konkreten Szene in allen Einzelheiten am Anfang, dann die Schilderung der Hauptereignisse, die umfangmäßig in einem Roman Platz hätten, als Grundriss, dann ein lapidarer Schluss.
Das ist wahrscheinlich nicht jedermanns Sache, da die Handlung die meiste Zeit am Leser vorbeiplätschert, und deshalb solltest du humor- und satiremäßig noch kräftig nachlegen. Vom Stoff und Inhalt her ist das mMn machbar, ohne alles umzuschreiben, du müsstest nur philosophisch-zynische Passagen wie die über die Reporter nur ein wenig öfter einbauen.

Kommen wir zu den Einzelheiten:

sagte Kemal Bruckheimer, Redakteur von ELVIS, dem Nachrichten-Server, bei dem ich seit meiner Rückkehr zur Erde meine Brötchen verdiente.

Bruckheimer war ein ekelhafter Fettwanst und vertilgte gerade eine Pizza mit grüner Sauce, die ihm übers Kinn rann. Er merkte es gar nicht, und setzte seinen Monolog munter fort.

Wie, er merkt nicht, dass er eine Pizza isst? :D
Vorschlag: "Er bemerkte die Sauerei nicht und schmatzte seinen Monolog munter fort."

wie genau die von der Abfallverwertung sind..."

Leerzeichen vor Ellipsen *seufz*.

"Wir können unseren Privatdetektiv hinschicken, um mehr herauszufinden.

Moooment: Heißt es so? Ich dachte, er hätte keine Lizenz mehr dafür. Und wenn die Berufsbezeichnung gleich ist, wieso ist es dann ein "verwandter" Beruf?

Ich wollte diese Karriereschlampe darauf hinweisen, dass ich nicht auf einen miesen Job wie diesen angewiesen war, da flog die Tür auf und zwei Klatschkolumnistinnen stürzten an ihre Terminals (irgendein Skandal). Ich sagte: "Was für ein erbärmlicher Haufen ihr doch seid!"

Gut, dein Stil ist bewusst nüchtern, aber das ist kein Grund, in Chat- oder Berichtstil zu verfallen. :teach:
"Irgendein Skandal" sollte als eigenständiger Satz und dann mit dem Zusatz "wahrscheinlich" geschrieben werden, und sagte ist ein grauenhaft nichtssagendes Verb, das ganze Absätze ausbleichen kann. Ein konkreteres Sprechverb ( Wie sagt er es? ) wäre angebracht.

Jennings schrie, ich sollte gefälligst zurückkommen...

Solle.

nur leider sind ( die meisten ) Chefredakteure ( meist ) der Ansicht, dass Reporter im allgemeinen und solche, die bereit sind für sie zu arbeiten im besonderen, Trottel sind.

Köstlicher Abschnitt übrigens. :thumbsup:

Bruckheimer zischte ihn an, das Maul zu halten und sagte: "Gleich. Gleich wird es passieren!"

Schon wieder sagte? Hattest du eine lustlose Phase, als du das geschrieben hast? ;)
Die beiden Worte kannst du auch weglassen.

So, meine verfügbare Zeit neigt sich dem Ende zu. Ich werde natürlich auch den Rest der Story auseinandernehmen ( kennst mich ja, ich mache keine halben Sachen *g* ).
Bis in ein paar Tagen.

Ciao, Megabjörnie

 

Hallo Megabjörnie,

vielen Dank, dass Du diese Geschichte in Überlänge gelesen hast - wieder mal mit sehr ausführlichem Kommentar, obwohl ich Deine vielen hilfreichen Anmerkungen noch nicht in den ersten Teil eingearbeitet habe.

Einstweilen nur ein paar Worte zum "sagte": Es gibt leider nichts besseres. Am besten ist vielleicht, das Verb, das anzeigt, dass jemand etwas von sich gibt, ganz wegzulassen - oder eben "sagte" zu schreiben. "Zischte er", "maulte sie" usw. sind nicht das Wahre. Solche Wörter klingen nach Groschenroman. Obwohl das bei dieser Geschichte sogar angebracht wäre. ;)

Freu mich schon auf die Fortsetzung der Reaktion!

Reaktionäre Grüße,

Fritz

 

So, und jetzt der zweite Teil:

Es ist schwer, sich vorzustellen, wie es einem Sterbenden geht, und hinterher kann man keine Fragen mehr stellen

und überlegte, wie oft mir eifrige Gesetzeshüter und ertappte Ehemänner schon die Nase gebrochen hatten.

Prüfend sah ich mir das füllige und stoppelbärtige Gesicht

Meinst du nicht eher bullige? Das würde ich mir eher vorstellen, so wie du ihn sonst beschreibst. Füllig hat so was Gemütliches. ;)

im Badezimmerspiegel an und fragte es: "Hast du Angst?"

Eine Stelle, die ich nicht ganz verstanden habe: Wieso sollte er sich plötzlich diese Frage stellen? Das Damoklesschwert über seinem Haupt ist doch weg, die Gefahr für sein Leben nicht größer, sondern kleiner geworden. Anders gefragt: Wie meint er das?

um diese Ansammlung von von Vollidioten hinwegzufegen, die sich die Menschheit nannte. Mich eingeschlossen...

Wozu überhaupt die Ellipse ( wenn du die behalten willst, denk bitte an das *seufzweilzumtausendstenmalsag* Leerzeichen )?

Im folgenden Abschnitt stören die vielen Sagtes ziemlich. Versuch einfach, die wegzulassen. Ein guter Autor sollte sich zu schade sein, sein Talent an Sagtes zu verschwenden. :teach:

"Wie ich sehe, sind die Würstchen noch die gleichen wie letzte Woche. Pack mir eines davon in ein künstliches Brot und gib deinen ekelhaften Senf und eine Handvoll verdorbene Zwiebeln dazu.

Ich drehte mich um und sah ihn und seine Hotdogs fressenden Besucher, alles vor dem glitzernden Fluss. Das Nieseln hatte aufgehört. Die Sonne kam wieder durch.

Gerade bei Kurzgeschichten gilt: Kein Satz, kein Wort ohne Funktion! Diese Sätze wirken total nichtssagend auf mich. Was willst du damit ausdrücken?

dass unsere interplanetare Föderation Angreifern nicht mehr entgegen zu setzen hatte als ein Campingplatz auf einer Lichtung einer Sturmtruppe,

Das klingt doof wegen der Wwh. Außerdem ist der Campingplatz kein Subjekt. Du könntest vielleicht schreiben: "... als eine Gruppe von Pfadfindern einer Sturmtruppe".

Ihnen ist egal, ob Sie vielleicht umgebracht werden, und der Geheimdienst kennt Sie nicht.

Ach, der Geheimdienst kennt ihn nicht? Hat Feldmann sich in der anderen Geschichte nicht vom Geheimdienst vor Cripps beschützen lassen, und dürfte der Geheimdienst nicht genauestens über Cripps informiert gewesen sein im Zuge der Gerichtsverhandlungen gegen Feldmann, wo er doch immerhin auch Zeugen bedroht hat? Lies dir die andere Story noch mal genau durch, das bewahrt dich vor Diskontinuitäten wie diesen. ;)

Wir beide wissen, dass das Leben ein Spiel ist. Ich werde Ihnen jetzt eine Reihe von Anweisungen geben.

Das ist ein Gedankensprung. Es gehört mindestens ein Absatz dahin, oder besser noch, ein Einschub von Feldmann selbst, um den Übergang zu kennzeichnen, wie z. B. durch ein Räuspern.

Sie sind der kleine Mann im Chinesischen Zimmer und alles was ich noch habe.

Es wäre sicher interessant zu wissen, auf was für ein Sprichwort Feldmann damit anspielt. Aber bei so hochintellektuellen Menschen traut man sich als Leser ja nicht zu fragen, sonst halten sie einen noch für blöd ...
Mal geradeheraus: Was heißt das? :silly:

Ihnen mitteilen, dass sie eine Gesellschaft gründen müssen, um die Menschheit zu retten

Die Außerirdische Drohung im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankern

Wenn schon, die außerirdische Bedrohung. Es sei denn, die Aliens haben wirklich schon gedroht.

Außerdem weiß ich nicht genau, ob bei der Spiegelstrich-Schreibweise nicht am Anfang kleine Buchstaben kommen.

Diese Person musste mir ohne Wenn und Aber zwei Wünsche erfüllen...

Den Fehler darfst du *seufz* selber suchen.

"Wer ist dort?"
"Ich bin es, Paul."

Ach, da steht ein anderer Paul in der Tür? Nach dem obligatorischen "Ich bin es" kommt für gewöhnlich die Nennung des eigenen Namens.

"Sei nicht albern! Du weißt genauso gut wie ich, dass es das beste war, dass ich die Vermittlerin gespielt habe."

Hmmm, irgendwie weiß ich nicht so recht, warum Cripps ihr da so vorbehaltlos zustimmt. Warum soll es das Beste gewesen sein?

die wussten, warum von in zwölf Tagen von Kes 67 nach Cassiopeia A fliegen kann

Hm?

Ob solche Leute sich genauso wie unsereiner über ein kühles Bier oder ein Paar wohlgeformter Titten freuen konnten?

Den dritten Teil kriegst du dann im Laufe der Woche.

 

Oh, danke, danke, danke! *g*
Stimmt, der Geheimdienst kennt Cripps. Diese Art von Flüchtigkeitsfehlern hätte ich mir nicht zugetraut ...

mit Leerschritt ;) Ich finde es wirklich super, dass Du Dir die Zeit nimmst, so genaue Kritiken zu schreiben!

 

Musste ja mal wieder sein, nach so langer kg.de-Abstinenz. ;) Hoffe, ich komme dazu, auch selbst wieder eine Story zu posten, damit ihr euch mal richtig ordentlich revanchieren könnt.

Und damit du ein richtig schlechtes Gewissen kriegst, hier noch ein Teil:

"Sie wissen gar nicht, wie viele Möglichkeiten Ihre Sichtweise uns bietet, und Sie liegen näher an der Wahrheit, als Sie denken."

Im Laufe der Jahre hatte ich mich beinahe an ihn gewöhnt,

Jetzt wäre es interessant zu wissen, wieviele Jahre das genau waren. Irgendwie hatte ich bisher den Eindruck, dass es keine so lange Zeitspanne gewesen sein kann, weil seit dem letzten Abenteuer nicht so furchtbar viel passiert ist.

Ein Blutfleck breitete sich kreisförmig auf seiner Schürze aus. Er wirkte sehr überrascht, während der starb.

Stirbt der Blutfleck? :D

Als weitere Vorsichtsmaßnahme erschoss ich einen Passanten, dessen Leiche ich in den Hotdogstand legte. Dann verspritzte ich den Brandbeschleuniger und machte die Tür zu. Ich rauchte noch eine Zigarre und beobachtete den Verkehr auf einer nahen Straße. Den Stummel warf ich auf den Hotdogstand, der sofort in Flammen aufging.

Wo du in dem späteren Gespräch mit dem Professor schon Bezug darauf nimmst, kommt es mir ziemlich merkwürdig vor - so, wie Cripps hier vorgeht, hätte er innerhalb kurzer Zeit überführt sein müssen. Für die Identifikation der Leiche gibt es genetische Profile, und selbst äußere Merkmale müssen den Passanten auch nach der Verbrennung noch von dem Würstchenverkäufer unterscheiden. Dass keiner ihn auf dem Weg zum Stand gesehen hat, darf bezweifelt werden.

Ich hatte gerade zwei Menschen ermordet und nichts dabei empfunden. Wenn die Welt zugrunde ging, galten herkömmliche Moralbegriffe nicht mehr. Vielleicht waren mir die Außerirdischen schon auf den Fersen? Es war übrigens der beste Sex meines Lebens.

Interessant immer wieder die Verbindung zwischen Tod und Sex. Das Aphrodisiakum des Todes ist psychologisch eine der rätselhaftesten Erscheinungen menschlichen Verhaltens.
Das nur so am Rande.

Ich setzte ihn ins Wohnzimmer und bat Sheila, ihn zu beschäftigen. Canavaro ging sofort an den Kommunikator. Er sagte, dass es in Ordnung sei und (dass) er mir bei Gelegenheit einige Gläser mit eingelegtem Gemüse schicken woll(t)e.

Statt des zweiten Satzes solltest du vielleicht erstmal erwähnen, dass er Canavaro anruft. Einen Moment habe ich die Stirn gerunzelt und mich gefragt, wo der Kerl so plötzlich herkommt.

"Habe die ganze Nacht Wache gehalten, wegen der Scheiß Beerdigung heute,"

Wenn du es groß schreibst, musst du es auch zusammenschreiben. Ansonsten klein.

Mir dämmerte allmählich, was für eine Macht die beiden Wünsche, die ich ihm noch erfüllen musste, ihm über mich gaben. Nicht einfach wegen der Befehle, sondern wegen der unausgesprochenen Drohung, was diese Befehle sein konnten.

Auch hier ist mir etwas unklar: Wenn Feldmann tot ist, hat er doch nichts mehr zu sagen. Warum sollte Canavaro dann Macht über Cripps haben? Warum hat Cripps Macht über Sheila wegen ein paar Wünschen? Wer sorgt für die Durchsetzung?
Was mich übrigens zu der Frage führt, was Cripps für eine Motivation haben mag, überhaupt das alles mitzumachen. Eine Schwäche, die diese Geschichte mit ihrer Vorgängerin teilt. Warum meint Cripps, dass ihn das alles etwas angeht, wenn er der bösartige Zyniker ist, als den du ihn hier überdeutlich in jeder Zeile darstellst?
Ich halte diesen Punkt für ziemlich entscheidend. Die Motive des Prots sind der Schlüssel zum Verständnis der Geschichte.

Ich denke, dass Sie eine wichtigere Rolle spielen, als Ihnen bewusst ist.

"Die kleinen Verbrechen lassen sich so viel leichter aufklären als die großen. Wenn es eines oder zwei Opfer gibt, findet die Polizei den Täter schnell und erkennt das Motiv.

Tja, wie oben schon gesagt - merkwürdig, dass Cripps bisher unbehelligt geblieben ist.

Ein Leibwächter, der ihm in einiger Entfernung folgte,

Man stellt sich das so einfach vor, aber ich habe in meinem Leben nichts Schwierigeres geschafft, als die selbstzufriedenen und skeptischen Menschen unseres Zeitalters aufzurütteln und in eine Masse kriegslüsterner Patrioten zu verwandeln, indem ich ihnen einen gehörigen Schrecken einjagte...

*Seufz*

als ich ab einem der langen Tresen saß und sah, was nicht ging. Es gab drei oder vier Barmixer.

Das liest sich, als könne es nicht gehen, dass drei oder vier Barmixer ( wieso drei oder vier? :confused: ) an einem Tresen stehen.

Am Steuer saß mein Assistent, um seinen letzten Auftrag auszuführen. Es muss ihm recht mulmig zumute gewesen sein, aber ich denke, die Aufgabe war genau das Richtige für ihn.

Jetzt wird also jemand zum Selbstmordattentäter, nur weil jemand es ihm befiehlt? Das ist natürlich schön ironisch, vor allem der letzte Satz, aber es ist auch ein Beispiel für das Grundproblem der ganzen Story, vielleicht der eigentliche Grund, weshalb sie nicht so recht zünden will: Wo sind die Motive? Privatdetektive lassen sich mal eben für mörderische Verschwörungspläne einspannen und sich Befehle erteilen, obwohl sie der Individualismus in Person sind, Wissenschaftler gründen auf Wunsch eines toten Kollegen Geheimorganisationen, Politiker ( die doch dafür bekannt sind, Macht niemals freiwillig aus der Hand zu geben ) schließen sich dem auch noch freiwillig an und akzeptieren eine niedrige Position in der Hierarchie, und dann lässt sich einer widerstandslos zur Selbstmordmaschine umfunktionieren, obwohl er bisher nicht die geringsten Anzeichen für Lebensmüdigkeit zeigte.
Das alles wirkt so willkürlich konstruiert und fern jeder menschlichen Realität, dass ich als Leser einfach keinen echten Bezug zu der Story erstellen kann, auch wenn einige aktuelle Bezüge vorhanden sind.

ein wunderschönes Gebilde, das sich mit vielem selbst versorgte, ein Wunder der Technik, der Liebe und der Hoffnung.

Der Liebe? Zu was denn? Wo ist der Bezug?

Weil die Ladung aus(?) unter anderem eine Tonne Semtex enthielt,

"Weiß man schon, wer es war?"

War Feldmann wirklich tot? Die Gruppe hatte seine Erbsubstanz und viele seiner Zellen in sicherer Verwahrung.

Ein Gedanke, den du seltsamerweise nicht fortführst. Wozu brauchte die Gruppe seinen Leichnam? Und warum lässt sie ihn entsorgen, wenn sie ihn doch konservieren könnte?

Alle Politiker sehnen sich danach, geführt zu werden und die Welt erklärt zu bekommen. Diese Sehnsucht erfüllte sich.

Ja, aber bestimmt nicht "geführt" im Sinne von Entscheidungsgewalt! Dafür beschäftigen sie Experten. Dieser Punkt ist auch ziemlich unglaubwürdig ( der Satz übrigens auch einfach verzichtbar ).

Ich hatte all das in Gang gesetzt, aber ich dachte, dass die Verhinderung einer Invasion durch DIE wichtiger war als alles andere, auch wenn wir nun in einem faschistischen System lebten.

Um diese Motivation zu erklären, müsste in der Geschichte eine Entwicklung bei Cripps stattfinden. Das wiederum würde eine wesentliche Verlängerung erfordern. Der Ansatz ist aber da, knüpfe daran an!

Konnte er es selbst verlanlasst haben? Das raubte mir den Atem.

Das wäre dann der Gipfel der Abstrusität, aber zur hanebüchenen Handlung, wie du sie hier präsentierst, natürlich passend. Lustmörder, der sich opfert für den politischen Wandel? Was hast du nur für unstimmige Figuren!

Ich denke an meine schöne und durchtriebene Frau. Es muss eintönig sein, im Grab zu liegen!

Ääääh, hat er sie jetzt auch noch auf die Seite gemacht? Klingt irgendwie nicht plausibel. :D

Abschließend bliebe zu sagen, dass die Geschichte vielversprechend anfängt und dann, wegen der vielen Unplausiblitäten, zum Schluss hin stark nachlässt. Auch an deinem Stil müsstest du noch arbeiten. Der darf vielleicht trocken sein, aber keineswegs fade! In dieser Hinsicht hat der Text ebenfalls ein Problem, das zum Schluss hin immer deutlicher zutage tritt. Die witzig-zynischen Sprüche werden immer seltener, so als seien dir Lust und Ideenreichtum irgendwann ausgegangen.
Mein Ratschlag: Noch einmal dransetzen und ackern, ackern, ackern! :teach:

Ciao, Megabjörnie

 

Hi Megabjörnie,

Deine Kritiken sind so umfangreich, dass man gar nicht weiß wo man anfangen soll. Hanebüchern also ... :) Kann ich nicht abstreiten und war einer der Gründe, warum es Spaß gemacht hat, das zu schreiben. Kommen wir zum wichtigsten: Kommt die grundlegende Motivation nicht rüber? Bis Sheila "enthüllt", dass DIE zwar bedrohlich sind, von ihnen aber keine unmittelbare Drohung ausgeht, glaubt Cripps, dass nur die peinlich genaue Einhaltung von Feldmanns Anweisungen die Versklavung oder Vernichtung der Menschheit durch DIE verhindern kann. Diese Drohung und die Angst vor den übermächtigen Unbekannten sind die Ursache für die Grundstimmung. Und Hektik führt zu abstrusen Handlungen, die manchmal sogar witzig sind (haha).

Aber an der Plausibilität vieler Stellen muss ich noch arbeiten: Vom Hotdogstand darf nicht mehr als ein Bombenkrater übrigbleiben, weil die Polizei sonst zuviel zum untersuchen hätte.

Soviel fürs erste,

Fritz

 

Kommt die grundlegende Motivation nicht rüber? Bis Sheila "enthüllt", dass DIE zwar bedrohlich sind, von ihnen aber keine unmittelbare Drohung ausgeht, glaubt Cripps, dass nur die peinlich genaue Einhaltung von Feldmanns Anweisungen die Versklavung oder Vernichtung der Menschheit durch DIE verhindern kann. Diese Drohung und die Angst vor den übermächtigen Unbekannten sind die Ursache für die Grundstimmung. Und Hektik führt zu abstrusen Handlungen, die manchmal sogar witzig sind (haha).

Na ja, das gehört eigentlich zu den Dingen, die besonders unplausibel sind. Cripps ist kein Weltenretter, sondern ein Zyniker, der für seine Mitmenschen generell nur Verachtung übrig hat:

Ich stellte mir vor, dass weit über meinem Kopf fremde Gehirne Invasionspläne machten und Milliarden von Soldaten mit weit überlegenen Waffensystemen ausrüsteten, um diese Ansammlung von von Vollidioten hinwegzufegen, die sich die Menschheit nannte.

Im Rest des Textes: Nur abfällige Bemerkungen über alle anderen Personen, selbst über Canavaro ( "Humor eines Eierkopfs" ). Er wirkt, als müsste ihm die Menschheit komplett am Arsch vorbeigehen. Und selbst wenn nicht, müsste er schon eine sehr große Bereitschaft zeigen, sich in Hierarchien einzuordnen, um die Befehle eines Toten(!) zu befolgen. Du inszenierst ihn aber als das genaue Gegenteil eines solchen Menschen, z. B. durch sein Verhalten in der Redaktion und dass er mit dem Gedanken spielt, wieder selbständig zu werden.
Diese Lücke zu schließen, wird ein Stück weitere Handlung erfordern. Cripps muss irgendeine Entwicklung durchmachen, eine Erfahrung, die ihn davon überzeugt, sich an Feldmanns Plan zu halten. Vorschlag: Cripps wird mit zwei Prognosen Feldmanns konfrontiert, die sich bewahrheiten ( "Gerade jetzt unterwandern sie bereits die Regierung und die Geheimdienste. Der Verteidigungsminister ist letzte Woche an Herzversagen gestorben und von einem rückgratlosen Emporkömmling ersetzt worden. Der Gesundheitsminister wird vermutlich als Nächstes dran sein. Ich habe Verbindungen zur Spionageabwehr, aber ich weiß nicht, wie lange ich denen noch trauen kann." Wenig später könnte das Hauptquartier der Spionageabwehr in die Luft fliegen ). Auch Erlebnisse im persönlichen Umfeld, die das Gefühl der Bedrohung festigen, sollten eine Rolle spielen, z. B. dass er seinen Chef verdächtigen muss, ein Agent von DENEN zu sein. Dann sollte Cripps sich denken, dass er im Moment sowieso nichts Besseres zu tun hat als zu helfen, die Bedrohung abzuwenden. Schließlich muss er zu dem Schluss kommen, dass er keinen besseren Plan hat als den von Feldmann.
Das mit den vorbehaltenen Befehlen würde ich lieber ganz rausnehmen. Keine Erklärung der Welt könnte plausibel machen, warum jemand einen Befehl ausführen sollte, den keine Autorität durchsetzen kann und der nicht unbedingt Sinn ergeben muss in den Augen dessen, der ihn befolgen soll.

Zur Überarbeitung insgesamt habe ich immer folgende Reihenfolge: Erst die einzelnen Textstellen, dann das große Ganze. ;)

 

Schon wieder so ein großer Brocken :)
Als ich diese Geschichte fertig hatte, ist mir selbst aufgefallen, wie zynisch und menschenverachtend der Protagonist rüberkommt. Aber müssen nicht selbst die größten Zyniker einen grundlegenden Sinn in ihrem Leben sehen? Für mich ist Cripps einer, für den der größte denkbare Zweck es rechtfertigt, schlimmes Unheil anzurichten und sich trotzdem die Distanz des Beobachters zu bewahren, weil er sich als Werkzeug eines Anderen sieht.

Daran muss ich sicher noch arbeiten: Wenn Cripps alle verachtet, auch solche die ihm eindeutig überlegen sind (wie Canavaro), wieso er dann Feldmann zubilligt, soviel mehr zu sehen als er selbst. Nur so ein Gedanke: Machen wir das nicht alle, tote Genies auf Sockel zu stellen, damit wir unserem natürlichen Bedürfnis nach Verehrung nachkommen können? :)

Das mit den vorbehaltenen Befehlen ist wieder so eine Sache, bei der man ins Schwafeln kommen könnte. Das Vorbild sind die halben Münzen in James Clavells Noble House-Romanen: Der Chef des Hauses Struan muss jedem, der so eine halbe Münze vorlegt, jeden Wunsch erfüllen. Wenn er sich weigern würde, hätte das keine Konsequenzen. Aber ein gegebenes Versprechen ist nun mal ein gegebenes Versprechen.

Deine Kritiken sind wegen ihrer Ausführlichkeit sehr hilfreich. Jeder einzelne Punkt den Du bemängelst hat seine Berechtigung.

Beste Grüße,

Fritz

 

So Berg,

endlich habe ich die Zeit gefunden um diesen Roman von "Kurz"geschichte zu Ende zu lesen.

Es ist noch eine Steigerung zum ersten Teil, der mir wie du weißt auch schon gut gefallen hat. Ich finde die ganze Sache sehr rund.
Glaubhafte Charaktäre, ebenso realistisch beschriebene gesellschaftspolitische Umstände. Aber was rede ich viel, von was ich wenig Ahnung habe?

Was mir natürlich besonders gefällt ist die rotzige Art mit der du Cripps darstellst. Seine Abgebrühtheit, seinen abgewichsten Zynismus. Da musste ich des Öfteren Grinsen. Der Typ ist wirklich übel und das ist auch gut so.

Ich hatte, als ich das erste mal begann sie zu lesen, meine Lieblingsstellen rauskopiert, die finde ich aber irgendwie nicht mehr, darum lasse ich es jetzt ganz, es sei denn, die tauchen irgendwann noch auf.

Wenn du das Ding vollendest, kann da wirklich was draus werden, so wie ich das sehe.
Hat mich trotz der Länge an keiner Stelle gelangweilt, auch wenn ich mehrmals ansetzen musste.

Also ich warte auf Teil 3, den es hoffentlich geben wird.

Noch einen Bonspunkt für den Namen Feldmann, der ist zu geil.

Besten Gruß
krilliam

 

Es gab mal eine Reportage im TV von einem Abenteurer, der Deutschland zu Fuß in Begleitung eines Dackels namens Feldmann durchquert hat. Da dachte ich: Guter Name! :)

 

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