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Auf dem Balkon

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15.06.2014
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Auf dem Balkon

Das schmiedeeiserne Balkongitter hatte eine Roststelle! Das durfte doch nicht wahr sein! Es war uralt, aber erst im letzten Sommer hatte sie es überprüfen lassen. Marit ging in die Hocke, um den Schaden genauer zu begutachten. Plötzlich wurde ihr schwindelig. Was sie entdeckt hatte, war nicht bloß eine rostige Stelle – das Gitter war durchgerostet. Und zwar an mehreren Stellen. Ein großer Abschnitt des Balkongitterswurde nur noch an einem winzigen schwarzen Etwas in seiner aufrechten Position gehalten. Marit kniete sich hin, um sich die Sache genauer anzusehen. Das schwarze Etwas war eine dünne Schnur. Bei der kleinsten Belastung würde sie reißen. Marit starrte nach unten. 25 Meter, schätzte sie, unten Asphalt. Sie wagte kaum zu atmen. Das konnte nicht von selbst passiert sein, auch wenn die Roststellen auf den ersten Blick ganz natürlich aussahen. Jemand musste nachgeholfen haben!
Marit wollte zurück in ihr Arbeitszimmer. Auf den ersten Blick sah sie, dass die Balkontür von innen verschlossen war. Sie unterdrückte den Impuls, daran zu rütteln. Marit zitterte am ganzen Körper. Was war hier los? Ihre Tochter hatte ihr schon zwei Mal diesen Streich gespielt, die Tür verschlossen, während sie auf dem Balkon saß – aber Antonia war im Kindergarten. Peter musste in der Wohnung sein! Vor drei Wochen war er ausgezogen und hatte ihr den Schlüssel zurückgegeben. Aber was hieß das schon? Jeder konnte sich eine Kopie des Schlüssels machen lassen.
Ja, er musste in der Wohnung sein. Und er musste etwas vorhaben. Nur was?
Marit war überrascht gewesen, als sie die Nachricht auf dem Küchentisch fand. „Du bist mich los“, stand darauf, „ich bin heute ausgezogen. Melde mich wegen der Scheidung.“ Marit durchsuchte sofort die Wohnung. Ihre Sparbücher waren noch da, auch ihr Schmuck. Dass fast die gesamte CD-Sammlung fehlte, war kein freundlicher Zug ihres Mannes, aber der Verlust war zu verschmerzen.
Marit hatte sich gewundert. Dass es plötzlich so einfach gehen sollte mit der Trennung warr merkwürdig vor nach all dem Ärger der letzten Wochen.
Monatelang hatten sie sich täglich gestritten. Peter stellte Bedingungen für die Scheidung. Er wollte die Wohnung. Er wollte ihr Geld. Selbst um das Kind wollte er sich plötzlich kümmern, zum ersten Mal in Antonias kurzem Leben. Einen Moment lang vermutete Marit, er entwickle nun doch endlich Interesse für die Kleine, bis ihr klar wurde, dass es ihm um Unterhaltszahlungen ging. Sie war entschlossen, ihm nur zu geben, was sie musste. Die Hälfte der CDs und das Auto, rechnete sie sich aus. Zugewinngemeinschaft nannte man das. Sie hatte die großzügige Wohnung von ihren Eltern geerbt. Und genug Geld, um sich über Wasser zu halten, während sie ihren ersten Roman schrieb. Der war mittlerweile veröffentlicht. Noch hielt sich der Zugewinn in Grenzen, doch das Buch war im Fernsehen besprochen worden und sie hoffte, dass es die Mühe gelohnt hatte – auch finanziell. Kein Wunder, dass Peter die Scheidung hinauszögern wollte – das war Geld verdienen nach seinem Geschmack, von jedem Euro, den das Buch brachte, müsste sie die Hälfte abtreten. Aber dann, von einem Tag auf den anderen, war Peter plötzlich weg.
Das konnte nicht alles gewesen sein.
Nun war Peter in der Wohnung. Wieder starrte Marit auf das urplötzlich durchgerostetes Geländer. Das Handy lag auf dem Wohnzimmertisch, sie war eingesperrt auf eineinhalb Quadratmetern Balkon. Sie atmete tief durch. Langsam, ohne das geringste Geräusch stand sie auf und stellte sich neben die Balkontür. Sie war zierlich. Einen Meter fünfzig groß, keine 45 kg schwer. Marit beglückwünschte sich zu ihrer Statur. Eng an die Wand gepresst würde man sie von innen nicht sehen. Dann setzte sie sich wieder auf den Balkonstuhl und nahm ihr Buch zur Hand. Sie betrachtete ihre Hände. Sie zitterten nicht, obwohl Marits Nerven zum Zerreißen gespannt war. Ihre Ohren nahmen jedes Reifenquietschen, jedes Kinderlachen doppelt so klar wahr wie sonst. In der Wohnung knarrte eine Diele. Marit rückte mit dem Stuhl etwas näher an das durchgerostete Geländer heran. Was erwartete Peter von ihr? Dass sie um Hilfe rief?
Im gleichen Moment hörte Marit unten auf der Straße Reifenquietschen, dann das Scheppern von Blech und Glas. Marit sprang auf. Irgendein Idiot war in ihr friedlich auf der Straße parkendes Auto gefahren. Beinahe hätte sich Marit über das kaputte Geländer gelehnt. Rechtzeitig schrak sie zurück. Das also war die Falle. Sie setzte sich wieder auf ihren Stuhl, trat mit dem Fuß das Geländer heraus, drückte sich gegen die Wand und schrie, so laut sie konnte.
Marit wagte kaum zu atmen, ihr Herz schlug wie ein Vorschlaghammer, als die Balkontür geöffnet wurde. Sie hielt die Luft an. Peter hockte sich an die Kante des Balkons. Wenn er sich jetzt umdrehte, sähe er sie. Sie könnte ins Arbeitszimmer schlüpfen und die Polizei rufen. Aber Marit kannte Peter. Diese Sache hatte er gründlich geplant. Es würde keine Beweise geben, jedenfalls nicht mehr, wenn er in ein paar Minuten den Bindfaden hätte verschwinden lassen.
„Na los“, dachte Marit. „Ein bisschen näher noch!“. Als habe er sie gehört rutschte Peter ein paar Zentimeter näher an den Rand des Balkons – er hatte wohl Marits Leiche noch nicht auf der Straße entdeckt. Marit besah sich die Figur die vor ihr hockte. Weit unten am Rücken war wohl der Schwerpunkt, überlegte sie. Knapp darunter setzte sie ihren nackten Fuß an, als sie Peter nach unten stieß. Ein zweiter Schrei lag ein paar Sekunden lang in der Luft bevor ein dumpfer Knall ihn sechs Stockwerke tiefer beendete.
Marit atmete tief durch. Endlich befreit! Sie trank ein paar Schluck Kaffee und zündete sich eine Zigarette an, die erste in dieser Woche. Dann hob sie vorsichtig den Bindfaden auf und rief die Polizei.

 

Hallo Kersidra,
eine kurze Rückmeldung nur, damit das hier mal weitergeht. :D
Aber erst mal einen herzlichen Willkommensgruß.

Einer Frau wird von ihrem Ex eine Todesfalle gestellt. Sie schafft es, die Bedingungen für sich zu nutzen und stößt stattdessen ihn vom Balkon. Ich hab deinen kleinen Krimi ganz gerne gelesen, aber ein bisschen was könnte man noch dran machen.

Das erste wäre die Beschreibung. Ich hatte Probleme damit, zu verstehen, was denn nun genau am Balkon kaputt ist. Dass es wirklich das Geländer ist, und dass die Todesfalle darin besteht, dass sie sich über das Geländer beugt, das habe ich so erst am Schluss kapiert. Vielleicht könntest du die Situation zu Beginn ein bisschen klarer machen, dann muss man nicht an dem Gitter rumrätseln und konzentriert sich mehr auf die Spannung, die in der Situation liegt.
Das ist der zweite Punkt, da denke ich, könntest du noch mal eine Spannungsschippe drauflegen, die Situation wirklich so beschreiben, dass man um sie fürchten muss.
Und jetzt noch das dritte, ich hätte es schön gefunden, wenn du der Frau ein paar Eigenheiten gegeben hättest. Ich finde immer, dass das eine Geschichte enorm aufwertet, wenn man in Kontakt mit der Hauptfigur kommt. Und hier gehst du gleich in medias res, was ja richtig und gut ist, aber wie gesagt, ein bisschen Farbe, um deine Marit in die Leserphantasie reinzubugsieren.

Und wenn du natürlich noch ganz um Schluss irgendeine kleine Wendung hinbrächtest, dass man als Leser für einen Moment glaubt, das war ihr Plan, dann wär das ganz besonders perfide.

So - das klingt nach viel Gemecker, ist aber nicht so gemeint, denn ich mochte deinen kleinen Krimi. Man kann ihn halt noch schicker machen.
Ansonsten schreibst du eh schon flüssig und so, dass man ganz gut durchkommt. Vielleicht fehlt noch ein wenig das Detail, die eigene Handschrift, das gewisse Quäntchen, um einen Text nachhaltig in Erinnerung zu behalten, aber das ist natürlich auch schwer bei einem Krimi, der mehr für dieUnterhaltung gedacht ist, denn mit Bedetung aufgeladen wäre.
Und es werden so selten Krimis bei uns geschrieben. Eigentlich schade.
Viele Spaß also bei uns.
Viele Grüße von Novak

 

Hallo Kersidra,

gut gelesen hat sich deine Kurzgeschichte für mich auf alle Fälle. Beim ersten Mal Lesen erging es mir allerdings ähnlich wie Novak, denn ich habe das mit dem Balkongeländer nicht gerafft. Beim zweiten Mal erschien es mir dann schon schlüssiger. Vielleicht verstehen das andere gleich auf Anhieb, falls nicht, würde ich das noch etwas klarer formulieren, denn ein Krimi lebt immerhin von der Spannung und die kann schon mal in sich zusammenfallen, wenn man da mehr als einmal drüberlesen muss.
Es fehlt auch noch eine Information, warum es so fatal wäre, wenn das Geländer weg wäre (dass er so hoch oben liegt, erfährt man erst später). Denn ich hab mir da einen Balkon an einem Haus vorgestellt, mindestens einen Meter breit, vielleicht drei bis vier Meter über dem Boden im ersten Stock. Das klang dann nicht wirklich bedrohlich für mich.

Spannender würde es auf alle Fälle noch gehen, für einen richtigen Krimi erscheint mir das alles doch zu reibungslos. Ab der Stelle, wo sie vermutet, der Ex-Mann hält sich in der Wohnung auf, ab da möchte ich diesen Schauer auf dem Rücken spüren, da wird es spannend, da will ich an den Fingernägeln kauend weiterlesen.

Und auch in einem anderen Punkt stimme ich mit Novak überein. Ich finde, deiner Sprache fehlt noch das gewisse Etwas. Ich bin nämlich der Meinung, du kannst schreiben und somit will ich dich eigentlich nur ermutigen, dir einfach mehr zuzutrauen. Denn zum Beispiel das hier:

Dass fast die gesamte CD-Sammlung fehlte, war kein freundlicher Zug ihres Mannes, aber der Verlust war zu verschmerzen.

Wenn du dir das jetzt noch einmal selber durchliest, kannst du mir dann zustimmen, dass das nicht wirklich aufregend klingt? Das macht den Ex-Mann doch fast lieblich, wenn die so über ihn denkt, dabei ist der kurz davor, etwas ganz, ganz Schlimmes zu machen, dass sie ihm auch durchaus zutrauen würde und da passt es nicht, dass etwas, das er tut, "kein freundlicher Zug ist".

Also, Kersidra, ich würde mich freuen, mehr Krimis zu lesen zu bekommen und glaub mir, es wird von Mal zu Mal besser, vor allem, weil du dich hier auch schon fleißig mit einbringst.

Viel Spaß noch hier!

Gruß,
rehla

 

Hallo Kersidra,

danke, das war flott geschrieben und ich habe es gern gelesen. Die ganz große Spannung kam bei mir zwar nicht auf, doch als Kurzkrimi kann es meiner Meinung nach durchaus bestehen.

Nicht ganz logisch finde ich, dass der Mann einerseits eine Falle baut, andererseits verkündet, dass er sich scheiden lassen will. Sollte das ein Ablenkungsmanöver sein? Würde die Polizei zumindest animieren, ihn in Verdacht zu nehmen, falls ihr etwas passiert wäre.

Ansonsten nichts zu meckern.

Gruß & weiter so!

Freegrazer

 

Liebe(r) Novak, Rehla, Freegrazer,
vielen Dank für eure Rückmeldungen. Ich habe ein bisschen geändert, vor allem versucht, die Sache mit dem Balkongeländer ein bisschen deutlicher zu machen und den Text ein klein wenige ausgebaut.
Unsicher war ich mir darin, ob ich mehr über Marit schreiben soll (habe ich bisher nicht), weil der Text doch sehr kurz ist und ich deshalb befürchte, dass eine ausführlichere Beschreibung "den Rahmen sprengt".
Beim Auszug des Mannes wollte ich beschreiben, dass es eigentlich zu reibungslos ging - und Marit deshalb erwartet, dass noch irgend etwas hinterher kommt. Habe versucht, das ein bisschen deutlicher zu machen.
Viele Grüße
Kersidra

 

Hallo Kersidra,

ich bin nur manchmal ein Krimi-Fan und tue mir deshalb besonders mit der Logik eines Krimis schwer. Nachdem ich den Schluß zweimal gelesen habe, habe ich mir beim dritten Lesen vorgestellt, dass der Peter bewusst nicht auf den Balkon schaut, denn sonst hätte er doch gemerkt, dass Mant nicht herunterfällt.

Und sonst: Gut geschrieben, schöne Pointe (Ich mag die Hammelkeule von Roald Dahl - Mordinstrument wird von den Ermittlern verspeist). Auch hier triffst den Grubengräber und was die Polizei dazu sagt, überlassen wir ruhig denen.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hallo Jobär,
Vielen Dank für die Rückmeldung und schön, dass dir die Geschichte gefallen hat.
Du hast wohl recht, ich glaube auch, dass der Kerl das nicht mit ansehen wollte... Und die Tür hat er wohl versperrt, damit Marit nicht im falschen Moment reinkommt und der schöne Plan schiefgeht. Ich muss aber gestehen, dass ich an Peters Stelle sicher nicht das Risiko eingegangen wäre, bei dieser Gelegenheit entdeckt zu werden.
Ich wollte, dass Marit merkt, dass etwas im Busch ist.
Aber ich gebe zu, dass die beiden Punkte nicht ganz logisch sind.
viele Grüße
Kersidra

 

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