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Aufregung in der Schublade

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04.02.2022
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Aufregung in der Schublade

“Da!” Da war doch ein Geräusch. Ich werde langsam wach und frage mich, was mich da in meinem Sommerschlaf geweckt hat. Seit Monaten schon liege ich hier in der Schublade mit meinen drei Geschwistern, eingepackt in diese fürchterliche Plastikfolie. Tief und fest sind wir eingeschlafen, nachdem die Schublade vor langer Zeit geschlossen wurde. Es war sofort stockdunkel und auch ein bisschen muffig, so dass wir irgendwann weggeschlummert sind. Wir haben noch ein bisschen getuschelt, über das, was passieren wird, wenn unsere Zeit kommen wird, ob wir wohl aufgeregt sein werden, und so weiter. Danach übermannte uns der lange Schlaf.

Sollte es denn jetzt wohl so weit sein? Sanftes Licht dringt in die Schublade und ich fühle mich etwas geblendet. Ganz aufgeregt werde ich und spüre, wie die Vorfreude steigt. Doch dann wird die Schublade auch schon wieder geschlossen. “Schade”, denke ich und stelle erstaunt fest, dass meine Geschwister davon noch gar nichts mitbekommen haben. So schließe ich die Augen und falle in einen leichten Schlaf. Im Traum sehe ich Weihnachtsplätzchen vor mir und stelle mir den wunderschönsten Tannenbaum vor, den es gibt. Fröhliche Kinder toben um mich herum und ich lodere in den hellsten Farben. Zwischendurch wache ich immer wieder auf und glaube, den herrlichen Duft von frischgebackenen Zimtsternen riechen zu können.

Ein paar Tage später vernehme ich wieder einen leichten Ruck und wache auf. Diesmal wird die Schublade ganz weit geöffnet und auch meine Geschwister werden wach und beginnen laut und herzhaft zu gähnen. Wir schauen uns alle ganz aufgeregt an und freuen uns riesig, dass wir uns nach so langer Zeit endlich wieder sehen können. Till und Flip sind noch etwas verschlafen, aber Fups und ich sind gleich hellwach. Da - es raschelt ganz in unserer Nähe und immer mehr Sachen werden aus der Schublade geholt. Und endlich - zwei Hände kommen auf uns zu und heben uns sachte hoch. Zum ersten Mal seit langer Zeit werden wir aus der Schublade geholt und erblicken das Licht des schon weihnachtlich geschmückten Wohnzimmers. Die Fenster sind bereits dekoriert und auf dem Tisch sehe ich bereits einen Kranz und ganz viel Tannengrün liegen.

Jetzt werden wir auf den Tisch gestellt und von dieser gräßlichen Plastikfolie befreit. Zwei liebevolle Hände schauen sich uns ganz genau an und streicheln über uns. Till kippt um und rollt über den halben Tisch, ehe er von einem lustig lachenden Kind eingefangen wird. Immer mehr Hände kommen zu uns und betrachten uns von allen Seiten. Wir können Kinderstimmen hören, aber auch Stimmen von Erwachsenen. Wir scheinen Glück gehabt zu haben und in einer recht lustigen und liebevollen Familie gelandet zu sein. Von anderen Kerzen erzählt man sich, dass sie weniger Glück gehabt haben und oftmals nur in einer Ecke verstauben und dann ganz wenig beachtet werden. Andere wiederum wurden tatsächlich in einer Schublade vergessen und warten immer noch auf ihren großen Auftritt.

Auch wir werden jetzt an den Rand des Tischs gestellt und haben von dort einen guten Überblick. Heute scheint hier Basteltag zu sein, denn der Adventskranz wird heute gemacht. Die Familie trinkt einen heißen Kakao, da sie alle zusammen draußen waren, um Tannengrün zu suchen. Und da es klirrend kalt war, dürfen sie sich mit einem wohltuenden Getränk wärmen. Ein Kind flitzt in sein Zimmer, um seine Flöte zu holen und der Familie “Advent, Advent” vorzuspielen. Bei manchen Tönen wackelt mein Docht zwar bedrohlich, aber insgesamt klingt das sehr schön, besonders, als die anderen Familienmitglieder anfangen mitzusingen.

Dann beginnt die große Bastelaktion und die Familie bindet mit einem langen Draht den Kranz mit Tannengrün zu einem wunderschönen Adventskranz auf. Als der Kranz in seinem frischen Grün erstrahlt, werden die vier Halterungen für die Kerzen platziert. Ein Kind nimmt es ganz genau und vermisst den Kranz mit dem Lineal, damit die Abstände auch exakt gleich sind. Dann ist der Zeitpunkt der Kinder gekommen, um den Kranz mit allerlei Weihnachtsdeko zu dekorieren. So finden sich kleine rote Kügelchen, bunte Schleifchen und niedliche Geschenkchen am Kranz wieder.

Dann, dann - endlich, ist unser großer Auftritt und wir vier Kerzen werden auf den Adventskranz gesteckt. Stolz thronen wir auf den Halterungen, oben auf dem Grün, und geben dem ganzen Kranz erst seine eigentliche Bedeutung. Wir sehen in die Augen einer begeisterten Familie, die ihren kompletten Adventskranz das erste Mal in seiner ganzen Pracht bewundern.

Advent - das bedeutet Ankunft und meint das Warten auf die Geburt Jesu Christi. An Heiligabend ist es soweit und wir feiern, dass Maria und Josef damals in der Krippe zu Bethlehem das Jesusbaby zur Welt gebracht haben. Gott hat den Menschen seinen eingeborenen Sohn geschenkt und ist mitten unter uns gekommen. Weil das so toll und so besonders ist und wir es kaum erwarten können, gibt es einen Adventskranz, der uns hilft, die Ankunftszeit besser einzuschätzen. Natürlich hilft der Adventskranz auch den Kindern, die Zeit bis zu ihren Geschenken abzuwarten, mit jeder Kerze kommen sie ja ihren Wünschen näher.

Jetzt räumt die Familie auf und der Tisch wird wieder fein dekoriert. Der Adventskranz thront mitten auf dem Tisch und wir vier sehen wirklich prachtvoll aus. Dann geht dieser erste Tag zu Ende und wir sind froh, uns von dieser Aufregung erholen zu können. Wir legen unsere Dochte schräg und fallen in einen tiefen Schlaf.

Am nächsten Morgen sind die Kinder zuerst wach und spielen im Wohnzimmer. Etwas später kommen auch die Eltern etwas verschlafen hinunter und begrüßen ihre Kinder. “Heute ist der erste Advent”, sagt der Vater und die Kinder freuen sich riesig. Spätestens, als es erneut “Advent, Advent” aus der Blockflöte schallt, richten sich unsere Dochte wieder vollends auf und wir sind hellwach und bereit für unseren ersten großen Auftritt. Die Mutter entfacht ein Streichholz und wir schauen uns erwartungsvoll an, weil wir natürlich alle als Erster an der Reihe sein wollen. Die Flamme nähert sich Fups, der ganz unruhig wird, doch dann wird sie weiter bewegt zu Till, der dann feierlich entzündet wird. Flip und ich schauen ehrfürchtig und blicken die Flamme bewundernd an, Till strahlt einfach so toll, dass uns das Herz aufgeht. Einzig Fups schmollt ein wenig, da er sich ärgert, weil er fast dran gewesen wäre. Till ist ganz in seinem Element und lässt das Wohnzimmer den ganzen Tag über in seinem hellen Licht strahlen.

Am nächsten Tag beginnt eine neue Woche, in der allerlei Alltag ansteht. Die Kinder machen Hausaufgaben, die Eltern kümmern sich um die Arbeit und den Haushalt, und zwischendurch wird mal ein Spiel gespielt. Wir Kerzen geraten dabei leider in Vergessenheit, aber das macht uns nichts aus, weil wir schon in voller Vorfreude auf den nächsten Sonntag sind. Till wird nur zwischendurch mal angezündet, worauf er sich mächtig was einbildet.

Von einem lauten Poltern werden wir geweckt. Eigentlich ist es noch gar nicht unsere Zeit, da das Wohnzimmer morgens immer im Dunkeln liegt. Doch jetzt kommen in diesem Moment die Kinder die Treppe runter geflitzt, weil heute der zweite Advent ist. Sie sind extra früh aufgestanden, weil sie vor den Eltern wach sein wollen. Sie wollen sie mit einem leckeren Adventsfrühstück überraschen. Sie decken feierlich den Wohnzimmertisch mit dem besten Porzellan und zaubern ein reichhaltiges Frühstück auf den Tisch. Ein Kind fährt sogar zum Bäcker, um vom eigenen Taschengeld Brötchen zu kaufen. Als es wieder da ist, setzen sie sich zu uns und bestaunen uns. Ganz genau fühlen sie an uns herum und streicheln unsere Dochte. Das eine Kind holt ein Streichholz aus der Schachtel, entzündet es und entfacht Till wieder. Dann beginnt eine hitzige Diskussion, welche von uns denn als nächstes angezündet wird und Fups ist ganz aus dem Häuschen, als er merkt, dass er an der Reihe ist und sich das Streichholz ihm nähert. Ganz groß streckt er seinen Docht hinaus und endlich darf auch er in hellem Licht erstrahlen. Er strahlt über alle Ohren und kommt den ganzen Tag über aus dem Grinsen nicht mehr heraus. Flip und ich freuen uns sehr für ihn und wissen, dass auch wir bald an der Reihe sein werden.

Eine weitere Woche vergeht, in der wir merken, dass es unaufhaltsam auf Weihnachten zugeht, weil die Kinder damit beschäftigt sind, kleine und auch große Geschenke zu basteln. Selbstgebasteltes für die Eltern steht dieses Jahr scheinbar hoch im Kurs. Das ist auch für uns Kerzen eine ganz besondere Zeit, weil der Wohnzimmertisch immer gut besucht ist und unsere Dochte fast jeden Tag angezündet werden. Till und Fups werden in dieser Woche bestimmt ein oder zwei Zentimeter kleiner. Wir sind sehr glücklich, die beiden so strahlen zu sehen und nutzen das flackernde Licht für hitzige Diskussionen darüber, wie das Weihnachtsfest wohl werden wird.

Der Sonntag, der dritte Advent, kommt. Wir Kerzen sind völlig verwirrt, weil die Familie uns scheinbar vergessen hat. Sie frühstücken, spielen und sind einfach da, doch wir werden völlig ignoriert. Wir diskutieren schon, ob wir uns wohl verrechnet haben, doch wir sind uns sicher, dass heute der dritte Advent ist. Ein wenig ratlos hocken wir oben auf dem Kranz und diskutieren uns die Dochte heiß und rätseln darüber, was heute wohl los ist.

Die große Auflösung kommt am Nachmittag, als es an der Tür klingelt. Die Kinder fliegen auf dem Flur fast aus der Kurve, als sie um die Wette zur Tür rennen, um sie als Erster zu öffnen. Mit strahlenden Gesichtern begrüßen sie die Großeltern, die heute zu Besuch kommen. Deshalb hat es also den Tag über so lecker nach Kuchen und dann nach frischem Kaffee gerochen. Sie werden hereingebeten und die Eltern decken den Wohnzimmertisch festlich und stellen Kaffee und einen wunderschönen Kuchen auf.

Endlich sitzen alle um die herrlich gedeckte Kaffeetafel und dann kommt unser Highlight des Tages. Der Vater kommt mit dem extra langen Streichholz zu uns. Unser großer Auftritt steht bevor. Wir richten nochmal unsere Dochte und putzen uns noch mehr heraus. Dann werden zunächst wieder Till und Fups entfacht und hüllen den Raum gleich in ein herrlich helles Licht. Und jetzt, jetzt, ja, wirklich, nähert sich die Flamme mir. Sollte jetzt mein großer Moment sein? Der, auf den ich das ganze Jahr gewartet habe? Der Moment meiner Bestimmung? Wegweiser für die Ankunft des Herrn sein? Ich habe oft von diesem Moment geträumt, aber mir gar nicht so recht ausgemalt, wie es wohl wirklich sein würde. Und jetzt, jetzt, überkommt es mich. Ich beginne leicht zu schwitzen. Dann spüre ich ein leichtes Kribbeln an meiner Dochtspitze. Hiiii, wie das kitzelt, ich muss anfangen zu lachen. Und dann, blitzartig, als würde Gott selbst all seine Energie in mich leiten, durchzuckt mich ein heißer Schwall von Feuer. Es breitet sich in mir aus, ich kann nur noch strahlen und spüre reine, helle Liebe in mir. Der Wachs direkt unter meinem Docht beginnt zu schmelzen und gibt mir die Kraft für diesen einen Moment, denn jetzt, genau jetzt, baut sich an meinem Docht eine wunderschöne große Flamme auf und ich, ja, ich, bringe genau jetzt das Licht der Welt vor dieser Familie in dieses Wohnzimmer. Das ist ein unglaublicher Moment, den ich nie wieder vergessen werde. Dieses erhabene Gefühl des Licht-Seins und Wärme-Schenkens macht mich so glücklich, dass ich keine Worte, keine Gedanken mehr habe, sondern nur noch reine Liebe und pures Glück fühle. Ich merke, dass sich diese Gefühle tief in meinem Wachs abspeichern, so dass ich sie immer fühlen kann und mich immer an diesen Moment erinnern werde.

Die nächste Woche wird wieder sehr spannend. Die Familie ist sehr mit Weihnachtsvorbereitungen beschäftigt. Ständig wird irgendwo gesungen, geflötet, gebastelt, getuschelt und gefaltet. Wir können so einige Weihnachtsgeschenke sehen, die heimlich eingepackt werden, ohne dass andere Familienmitglieder gucken können. Es ist auch die Woche, in der der große Weihnachtsbaum Einzug ins Wohnzimmer hält. Dazu geht die ganze Familie zu einem Tannenbaumverkauf. So wie wir es hinterher heraushören, scheint es dabei hitzige Debatten gegeben zu haben. Das ist auch wirklich nicht einfach, den richtigen Baum zu finden. Dem Einen ist er zu dick, dem Anderen zu buschig, dem Nächsten zu klein, Anderen zu groß. So ein Baum hat es auch nicht leicht. Schön gerade gewachsen soll er sein, mit einer schönen Spitze - bloß nicht zu lang, aber auch nicht zu kurz. Die Eltern scheinen sich sehr darüber amüsiert zu haben, wie die Kinder die einzelnen Bäume durchdiskutiert haben. Schließlich ist die Wahl wohl auf den perfekten Baum gefallen, zumindest, wenn man ihn so aufstellt, dass eine Seite an der Wand steht. Die anderen Seiten sind wohl die Schokoladenseiten des Baumes.

Wir Kerzen waren ganz ehrfürchtig, als der Baum dann endlich ins Zimmer gestellt wurde. Endlich kriegen wir Unterstützung in der Verbreitung der Vorfreude auf Weihnachten. Auch wir drei Kerzen wurden wieder öfter angezündet. Der Vater installierte eine Lichterkette am Tannenbaum, die scheinbar sehr lang war. Da freuten wir uns ungemein, dass wir dann mit dem Weihnachtsbaum um die Wette strahlen würden. Besonders, als die Kinder anfingen, den Baum zu dekorieren, konnten wir bis über alle Wachsränder staunen. Es wurde der wundervollste Baum, den wir uns vorstellen konnten. Rot und Silber standen dieses Jahr wohl hoch im Kurs. Die Kinder haben ihn mit allerlei bunten Kugeln, Bändern, Schleifchen und Gebasteltem dekoriert. Manchmal fing der Baum unter seinem Gewicht bedrohlich an zu wackeln.

Mit der Zeit wurde Flip immer unruhiger. Er war ja der Letzte am Kranze , der noch nicht entfacht war. Bald würde auch seine Zeit kommen, dadurch wurde er immer aufgeregter. Wir Kerzen kennen uns zwar nicht so gut mit den Tagen und der Zeit aus, aber wir waren uns sicher, dass der vierte Advent nicht mehr lange auf sich warten lassen könnte. Und dann haben wir von den Kindern auch noch gelernt, dass am Heiligabend die Lichter des Weihnachtsbaumes eingeschaltet würden, bis dahin würde er im Dunkeln dastehen. Bis dahin war es also unsere Aufgabe, das Licht der Welt in dieses Wohnzimmer zu bringen. Wir Drei strahlten in dieser Woche so hell, dass wir um einige Zentimeter schrumpften. Nur Flip stand noch in seiner ganzen Pracht da.

Eines Morgens gab es eine helle Aufregung. Mit lautem Gepolter kamen die Kinder nach unten ins Wohnzimmer. Ihre halb ausgeschlafenen Eltern hatten sie im Schlepptau. “Nanu”, dachten wir. Ob heute wohl der vierte Advent war? Die Kinder waren doch sonst nicht so aufgeregt am Adventssonntag, und auch den Eltern wurde ihr Ausschlafen gegönnt. Egal, Flip wurde noch nervöser und aufgeregter, weil er davon ausging, dass heute sein großer Auftritt sein würde. Er reckte und streckte sich, so gut er nur konnte. Doch dann kam alles ganz anders.

Der Krippe hatten wir bislang noch nicht so viel Beachtung geschenkt, weil wir sie vom Tisch aus nicht so gut sehen konnten. Sie stand auf dem Boden und wir hatten lediglich gelernt, dass die Hirten, Weisen, Schafe und Maria und Josef der Krippe immer näher kamen. Vollends überrascht waren wir deshalb, als die Kinder an diesem Morgen vorsichtig das Jesus-Baby aus dem Papier wickelten und es in die Krippe legten. War denn heute schon Weihnachten? Und als der Papa die Lichterkette einschaltete, war es um Flip ganz geschehen. Er weinte und weinte, und war völlig verzweifelt. Scheinbar hat die Familie den vierten Advent ausfallen lassen. Und jetzt ist Weihnachten? Flip war außer sich vor Traurigkeit. Würde er seinen großen Auftritt, auf den er so lange gewartet hatte, gar nicht kriegen? War alles vorbei? Er war außer sich. Wir drei Anderen wussten gar nicht, wie wir den Flip beruhigen sollten. Ein Versehen konnte es nicht sein, alle Zeichen standen auf Weihnachten. Wir wussten nicht so recht, was wir sagen sollten. Flip weinte und weinte und uns zerbrach es fast das Herz. So ein Schluchzen hatten wir noch nie gehört.

Die Familie stand um den Weihnachtsbaum, hielt sich an den Händen, und sang “ O Tannenbaum” und “Zu Betlehem geboren”. Ja, das war schon wunderschön und auch sehr weihnachtlich. Flip war außer sich, und wir wussten gar nicht weiter. Es war doch so toll, die Familie in ihrer weihnachtlichen Freude zu sehen. Doch gleichzeitig war Flip so traurig, dass wir ganz verzweifelt waren.

Doch dann kam alles ganz anders. Die Familie bereitete das wunderschönste Weihnachtsfrühstück zu, das man sich vorstellen konnte. Um unseren Kranz herum wurden so viele schöne Dinge aufgefahren, dass sich die Balken bogen und wir aus dem Staunen gar nicht mehr heraus kamen. Selbst Flip hörte auf zu schluchzen. Immer wieder schaute er zu dem tollen Weihnachtsbaum hinüber, der so klasse geschmückt war und jetzt auch so schön leuchten durfte. Als die Familie sich an den Tisch setzte, erklärten die Eltern, dass heute Weihnachten war. Flip flippte förmlich aus. Uns Anderen war das aber natürlich schon mittlerweile klar geworden, auch wenn wir es nicht so recht wahrhaben wollten. Der arme Flip. Doch dann kam der Hammer. Die Eltern erklärten weiter, dass heute aber auch Sonntag sei. Dieses Jahr ist eines der ganz wenigen Jahre, an denen Heiligabend auf einen Sonntag fällt. Also, erklärten die Eltern, wäre heute auch der vierte Advent. Unglaublich, uns Kerzen ging im wahrsten Sinne des Wortes ein Licht auf. Nur Flip bekam das vor lauter schluchzen gar nicht mit. Uns wurde aber gerade klar, dass er gar nicht vergessen worden war. Puh, da waren wir aber beruhigt!

Die Kinder verstanden und waren ganz versessen darauf, jetzt auch die vierte Kerze anzuzünden. Dafür stimmten sie zunächst wieder “Advent, Advent” an. So kam auch Flip wieder zur Besinnung und schaute uns ganz verwirrt an. Wir flüsterten ihm die neuesten Erkenntnisse zu und so langsam drang es auch zu ihm durch. Und als eines der Kinder mit dem extra langen Streichholz auf uns zu kam, war Flip wieder ganz da. Zuerst wurden wieder Till, Fups und ich angezündet. Und dann war es ein wundervolles Erlebnis, den Flip zu sehen. Sehr verweint und total stolz stand er da und zeigte sich von seiner besten Seite. Er reckte sich noch ein wenig und streckte seinen Docht ganz empor. Und dann, dann kam das Streichholz und entfachte ihn. Hei, war das ein magischer Moment. Flip strahlte über alle Ohren und konnte seinen Einsatz so richtig genießen. Jetzt war wirklich der Moment gekommen, an dem alles strahlte und jubelte. Flip erlebte seinen wundervollen Auftritt, wir Kerzen brannten alle, und auch der Weihnachtsbaum brachte sein Licht in dieses Wohnzimmer. Die Familie saß am Tisch um uns herum, nahm sich an die Hände und wünschte sich Frohe Weihnachten.

Und wir? Mittendrin.

 

Hallo @Bruegge,
willkommen bei den Wortkriegern. Ein Weihnachtstext zur Unzeit, wo die meisten von uns dem Winter am liebsten kräftig in den Hintern treten würden. Acht Wochen früher wäre das vermutlich anders gewesen.
Das hier ist dein erster Beitrag, ein gut ausgearbeiteter Text mit sehr wenig Rechtschreibfehlern. Dafür ein dickes Lob. Insgesamt finde ich den Text etwas spannungsarm und für das, was erzählt wird, zu lang. Sehr viel Schmuckwerk für eine vergleichsweise vorhersehbare Handlung.

Schwierig finde ich die Frage der Perspektive. Aus der Sicht der Kerze zu schreiben, ist schon reizvoll, allerdings habe ich mich zwischendurch gefragt, woher die Kerze so allwissend sein kann, dass sie alle Weihnachtsvorbereitungen mit den genauen Abläufen kennt.

Textiles, beim Lesen mitgeschrieben:

“Da!” Da war doch ein Geräusch.
Finde ich als Einstieg mit der unschönen Doppelung denkbar ungünstig.
Ich werde langsam wach und frage mich, was mich da in meinem Sommerschlaf geweckt hat. Seit Monaten schon liege ich hier in der Schublade
Woher weiß er das, wenn er im Dauerschlaf ist?
Da - es raschelt ganz in unserer Nähe
Statt des Minus den längeren Halbgeviertstrich nehmen.
Zwei liebevolle Hände schauen sich uns ganz genau an und streicheln über uns.
Finger können tasten, aber nicht schauen.
Wir scheinen Glück gehabt zu haben und in einer recht lustigen und liebevollen Familie gelandet zu sein.
Kleine Irritation: Meist werden Kugeln ja einmal gekauft und bleiben in der Familie, bis sie kaputt gehen. Da Prota-Kugel aber von "Sommerschlaf" spricht, schwingt da mit, sie wären schon vorher im Einsatz gewesen und nicht neu.
Von anderen Kerzen erzählt man sich, dass sie weniger Glück gehabt haben und oftmals nur in einer Ecke verstauben und dann ganz wenig beachtet werden.
Wow, Kerzen also, da war ich auf der völlig falschen Fährte. Könntest du einmal kurz in Nähe des Anfangs erwähnen.
Und da es klirrend kalt war, dürfen sie sich mit einem wohltuenden Getränk wärmen.
es kalt ist. Im Präsens bleiben.
Stolz thronen wir auf den Halterungen, oben auf dem Grün, und geben dem ganzen Kranz erst seine eigentliche Bedeutung.
Redundant, das versteht sich von selbst.
Advent - das bedeutet Ankunft und meint das Warten auf die Geburt Jesu Christi. An Heiligabend ist es soweit und wir feiern, dass Maria und Josef damals in der Krippe zu Bethlehem das Jesusbaby zur Welt gebracht haben. Gott hat den Menschen seinen eingeborenen Sohn geschenkt und ist mitten unter uns gekommen.
Der Moment meiner Bestimmung? Wegweiser für die Ankunft des Herrn sein?
Hier wird es für mich als Atheisten hart. So Glaubensdinger würde ich aus literarischen Texten raushalten, das gibt Texten so eine bestimmte Schlagseite. Wenn ich nicht kommentieren würde, wäre ich jetzt raus. Meine persönliche Meinung.
Dem Einen ist er zu dick, dem Anderen zu buschig, dem Nächsten zu klein, Anderen zu groß.
das allgemeine Anderen besser klein.
So ein Baum hat es auch nicht leicht. Schön gerade gewachsen soll er sein, mit einer schönen Spitze - bloß nicht zu lang, aber auch nicht zu kurz. Die Eltern scheinen sich sehr darüber amüsiert zu haben, wie die Kinder die einzelnen Bäume durchdiskutiert haben. Schließlich ist die Wahl wohl auf den perfekten Baum gefallen, zumindest, wenn man ihn so aufstellt, dass eine Seite an der Wand steht. Die anderen Seiten sind wohl die Schokoladenseiten des Baumes.
Perspektive. An dieser Stelle fällt es sehr auf. Woher weiß die einfache Kerze das alles? Sie weiß nicht nur, wie ein schöner Baum auszusehen hat, sondern auch, was die Familie diskutiert hat, woher?
Der Vater installierte eine Lichterkette am Tannenbaum, die scheinbar sehr lang war.
Scheinbar heißt: Sie war nur zum Schein lang, denn eigentlich war sie kurz.
Nur Flip bekam das vor lauter schluchzen gar nicht mit.
das Schluchzen.

Der Blick auf die Weihnachtszeit ist mir persönlich zu süßlich, weil nur heile Welt beschrieben wird, ohne Bruch. Alles ist nur wundervoll und wunderschön, nur Zucker auf der Torte, das macht es etwas langweilig. Da reißen sich die Kerzen darum, angezündet zu werden, was gleichzeitig ja auch ihre Existenz vernichtet. Das kommt aber nicht zur Sprache. Weißt? Der einzige Konflikt in dieser Geschichte ist der, dass eine Kerze fürchtet, vergessen worden zu sein. Doch Geschichten leben von Konflikten, sie sind das Salz in der Suppe, weil wir mit Protagonisten/-innen mitfiebern, die sich Problemen stellen. Wir wollen wissen, wie sie das schaffen, weil uns das Antworten für unser eigenes Leben gibt, das i.d.R. auch voller Konflikte ist. Die Frage als Prosa-Schreiberling ist: Wie schaffe ich es, Leser emotional zu berühren? Was will ich erzählen und warum? Wenn du Lust hast, schau hier mal rein: Tipp.

Peace, l2f

 

Hey, danke! Das ist also meine erste Kurzgeschichte hier. Und mein erster Kommentar, den ich kriege, super. Ich habe viel mitgenommen: Spannungsbogen aufbauen, Konflikte erzeugen, blumige Sprache, ja ich rede zuviel, ich weiß :) Der Leser will sich mit der Geschichte identifizieren können, sich daran reiben, klasse. Besonders der Link-Tipp hat es mir angetan. Hat mich motiviert, mich in die Challenge zu werfen!

 

Hey bitte, wäre aber schön, Du würdest auch andere Texte kommentieren, statt Dich nur auf der Nehmen-Seite zu tummeln.

 

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