Bank am Feld
Die Frau weint, und die alte Dame setzt sich schweigend neben sie. Tränen strömen ihr die Wange hinab und reflektieren die Sonnenstrahlen, die in dieser Welt plötzlich so unpassend erscheinen. "Kann ich ihnen irgendwie helfen? Ich habe sie von meinem Wohnzimmerfenster aus gesehen. Sie sitzen hier nun bereits seit über einer Stunde und...", der alten Dame, die ihre grauen Haare zu einem Knoten gebunden trägt, fehlt es an Worten, die sie an diese fremde junge Frau richten könnte. Wieder Vergehen ein paar Minuten, in denen das Schluchzen langsam verklingt und einer betretenden Stille Platz macht. Die junge Frau zupft aus ihrer Hosentasche ein Taschentuch und wischt sich damit über das nasse Gesicht. Sie hebt den Kopf und blinzelt der Sonne entgegen. Niemand sonst ist gerade hier, auf dieser Bank am Rande eines Feldweges. Von hier hat man einen herrlichen Blick und an guten Tagen sieht man den Kölner Dom in weiter Ferne stehen. Doch die junge Frau hat ihren Blick nach außen verloren; zu sehr schmerzt sie der innere Blick.
Was soll sie dieser alten Dame erklären? Was gibt es Sinnvolles zu sagen, das rechtfertigen würde, dass eine 35jährige Frau weinend und alleine auf einer Bank sitzt, die inmitten von grünen Feldern, zum Verweilen und Bestaunen des Ausblickes, einlädt. "Sie müssen mir nichts erzählen",klingt es da in die Stille, die gerade kurzzeitig durch das Klimpern eines Hundehalsbandes unterbrochen wird; gefolgt von den Schritten eines Mannes, der diese Szene schnellen Schrittes hinter sich lässt. "Sagen sie mir nur bitte, dass sie aufhören werden zu weinen." Ohne lange darüber nachzudenken, greift die Alte nun nach der Hand der Frau. Jetzt blickt sie sie zum ersten Mal an. Sie möchte von ihm erzählen und den Augenblicken, die sie auf dieser Bank gemeinsam erleben durften. Von dem Gefühl, wie sich die Welt dreht, wenn seine Lippen die ihren küssen. Sie möchte berichten, wie es ist, wenn Stunden wie Minuten vergehen und auch von dem Schmerz, wenn jede Minute den Abschied herbeiführt. Sie möchte erzählen von Enttäuschung und Hoffnung, von Leidenschaft und dem Gefühl, angekommen zu sein. Lachend herbei phantasierten Zukunftsträumen, ernsthaften Gesprächen und Diskussionen, verliebten Blicken, wippenden Füßen, Kleeblättern die nackte Zehe kitzelten, Hagelstürmen die wie aus dem Nichts auftauchten, Verlangen das den Atem raubt und den traurigen Abschieden, die diesen Treffen auf einer Bank im Himmel stets folgten... Ja, vielleicht wäre diese alte Frau jemand, der sie verstehen würde, wenn sie von einer Liebe berichten würde, die nun in ihr eine Leere zurück lässt, der sie sich nicht gewachsen fühlt. Vielleicht hat auch diese alte Dame das Glück gehabt, in ihrem Leben diesen Menschen zu treffen, der das Atmen leichter macht. Dieses Gefühl, sich Gedanken zu teilen und stets zu wissen, was der andere denkt. Verschiedener Meinung sein zu können und trotzdem eins zu sein. Diese wunderschönen Situationen, in denen in der gleichen Sekunde in der man sich etwas von Herzen wünscht, genau dies geschieht. Das Wissen, dass man bereits erwartet wird, wohin man auch gegangen sein mag... Während die Frau noch darüber nachdenkt, sich dieser wildfremden Frau zu öffnen, in der Hoffnung, die Schmerzen würden, verschlossen und an Worte gekettet, dann endlich ihren Körper verlassen, drückt die alte Frau plötzlich feste ihre Hand. Sie blickt auf und und schaut der Frau in die Augen. "Wissen sie, er saß erst vergangen Samstag zuletzt hier. Ich erkenne seine Traurigkeit in ihrer wieder. Wenn ich so neben ihnen sitze, habe ich fast den Eindruck, als seien sie ein und dieselbe Person."