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Baschi, der Dieb
Der Hase Lukas war in der Welt weit herumgekommen. Ein ganzes Jahr verbrachte er bei seinem Onkel Oskar in Amerika. Bei ihm lernte er viele Heilkräuter kennen und wie man davon Medizin herstellt.
Seit einigen Wochen war Lukas wieder zu Hause und wohnte unter der alten Eiche - am Eingang des dunklen Waldes. Es hatte sich schnell herumgesprochen, dass Lukas nun ein richtiger Kräuterdoktor war - wie sein Onkel in Amerika. Jeden Morgen kamen die kranken und verletzten Tiere zu ihm und er half ihnen mit seiner Kräutermedizin.
An einem Morgen kam das Eichhörnchen Lucie. Es hatte sich verletzt an einer Pfote. Lukas machte ihm einen Umschlag aus Kräutersalbe und schon nach wenigen Tagen konnte Lucie wieder von Baum zu Baum springen.
Rudi, der Buntspecht, hatte einen gebrochenen Flügel. Auch ihm konnte Lukas helfen. Und Rosalie, das Rehkitz, das sich mit seiner älteren Schwester gestritten hatte, brauchte Hilfe für eine Beule am Kopf.
Die Tiere liebten Lukas und waren froh, dass er da war. Nur einer nicht. Baschi, der Fuchs. Bevor Lukas kam, suchten die Tiere bei ihm Rat. Dann setzte er seine grosse Hornbrille auf und suchte in dem dicken Ratgeberbuch nach einer Lösung. Umsonst gab er keinen Rat und mit der Zeit verlangte Baschi immer mehr.
Das wurde den Tieren schliesslich zu viel und sie gingen zu Lukas. Der Kräuterdoktor verlangte für eine Behandlung nicht viel. Wer gerade etwas übrig hatte gab es, die andern behandelte er umsonst.
Am Anfang fand Baschi das freie Leben lustig. Niemand wollte etwas von ihm. Er konnte den ganzen Tag im Wald herumstreifen, oder in seinem Garten in der Sonne liegen. Aber bald wurde es ihm langweilig und er wurde unzufrieden.
"Jetzt muss etwas geschehen", rief der Fuchs eines Tages. Er rief seinen Freund Juppi, das Wildschwein. Juppi kam angetrabt und zusammen schmiedeten sie einen Plan.
"Hier können wir einsteigen", flüsterte Baschi. Juppi stellte sich unter das Kellerfenster und der Fuchs sprang auf seinen Rücken. Er versuchte sich durch das enge Fenster zu zwängen.
"Au, au, ich stecke fest," rief er. "Schieb nach." Das Wildschwein schob und schob - aussichtslos.
"Du musst den Bauch einziehen," riet Juppi. "Auf drei geht's los: ein, zwei drei."
Es ging nicht und der Fuchs wurde immer ungeduldiger.
"Wir versuchen es noch einmal, Baschi; aber hör auf mir mit deinem Schwanz ins Gesicht zu schlagen. Eins, zwei, drei und los geht's."
Diesmal klappte es und Baschi plumpste wie ein schwerer Sack auf den Kellerboden.
"Mach doch leise, du weckst ja den Kräuterdoktor auf," rief Juppi.
"Was für ein Anblick", rief Baschi, "hier stehen die Flaschen und Salbentöpfe mit der Kräutermedizin in einer Reihe", und schon warf er aus dem Kellerfenster die erste Flasche, welche Juppi geschickt auffing. Die nächste Flasche ging daneben und zerbrach.
Lukas wachte für einen Moment auf. Hatte nicht etwas geklirrt wie zerbrochenes Glas? Als es jedoch ruhig blieb, murmelte er: "Hab nur schlecht geträumt", drehte sich auf die andere Seite und schlief weiter.
Am nächsten Morgen war der Keller leer geräumt. Die ganze Kräutermedizin, die er in vielen Arbeitsstunden hergestellt hatte, war verschwunden. Lukas kratzte sich hinter den Ohren und versuchte ruhig zu bleiben. Hatte er einen Feind? Dieser Gedanke beunruhigte ihn und verursachte ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend.
Als die Patienten an diesem Morgen vorbei kamen, musste Lukas sie ohne Behandlung wieder wegschicken.
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht: "Die Kräutermedizin wurde gestohlen."
Rudi, der Buntspecht, wurde ganz aufgeregt als er es erfuhr und erzählte es sofort weiter an Lucie. Das Eichhörnchen sprang von Baum zu Baum und rief:
"Habt ihr es schon gehört, die Kräutermedizin wurde gestohlen."
Noch am gleichen Tag wussten es alle Tiere im Wald.
Dass der Dieb bestraft werden musste, war allen klar, nur wer war der Dieb?
Auch Lukas machte sich so seine Gedanken. Einer war ihm immer aus dem Weg gegangen, seit er wieder zu Hause war. Baschi! Es wurde erzählt, dass er wegen ihm arbeitslos geworden war.
In den kommenden Nächten plagten Lukas Albträume. Eine riesige Gestalt mit feurigen Augen brach in sein Haus ein und bedrohte ihn mit einem Stock. Schweissgebadet und mit starkem Herzklopfen wachte er auf. "Das geht so nicht weiter", rief Lukas. "Ich muss etwas unternehmen." Und ihm kam eine Idee.
An einem Morgen, als Baschi gemütlich beim Frühstück sass, klopfte es. Vor der Türe stand Lukas.
"Darf ich hereinkommen?"
"Wenn' sein muss."
Die Tannenmeise Traude, die auf dem Fenstersims von Baschi's Wohnung sass erzählte später, die beiden hätten miteinander gestritten. Der Fuchs habe wild gestikuliert und mit dem Schwanz geschlagen. Aber am Ende hätten sich die beiden die Hand gegeben. Was gesprochen wurde, das konnte die Meise leider nicht sagen.
Am nächsten Tag stand die Kräutermedizin wieder in einer Reihe im Keller vom Kräuterdoktor.
Als Lukas am Morgen aus seinem Haus trat, rief er : "Wer krank ist, soll zu mir hier draussen an den Tisch kommen. Die andern, die nur einen Rat brauchen, können im Wohnzimmer auf mich warten."
Der Waldkater Fridolin kam wegen einer Augenentzündung. Deswegen konnte er nicht mehr auf Mäusejagd. Er bekam von Lukas zwei Tropfen Augentrost in jedes Auge und die Schmerzen waren augenblicklich weg. Zufrieden verschwand er im Wald.
Die Amsel Serafina brauchte Rat wegen eines Nesträubers. Eine Elster hatte eines ihrer Jungen gefressen. Lukas schickte sie ins Haus. Als sie ins Wohnzimmer hüpfte und sah, wer dort am Tisch sass, machte sie rechts um kehrt und rief: "Ich will zu Lukas." "Serafina, setz dich", rief Baschi. Auf seiner Nase sass die grosse Hornbrille und vor ihm lag das Ratgeberbuch.
Nach einem arbeitsreichen Morgen lagen Lukas und Baschi im Garten in der Sonne. "Das haben wir uns verdient", sagte Lukas. Baschi schaute ihn von der Seite her an, räusperte sich und sagte: "Hmmm, weisst du Lukas."
"Schon gut, Baschi", erwiderte Lukas. "So machen wir es nun jeden Morgen; aber zu meinen Bedingungen." Dabei zwinkerte er dem Fuchs fröhlich zu.