Hallo Sinnsucher!
Ich danke Dir fuer […] die Sachlichkeit mit der Du Deine Argumente vortraegst, auch wenn ich ihnen meist nicht zustimmen kann.
Die unterschiedlichen Sichtweisen ergeben sich vermutlich nicht unwesentlich aus unserer verschiedenen Herkunft, da Du offenbar aus der ehemaligen DDR stammst (zumindest scheint es Dir darum zu gehen), ich aber Österreicherin bin. Besonders zu Kriegsende sieht unsere Geschichte ja ziemlich anders aus, u.a. durch die
Operation Radetzky – wenn sie auch nicht so geglückt ist, wie sie sollte, aber letztlich führte sie zehn Jahre später tatsächlich zur Unabhängigkeit Österreichs. Deshalb fällt es mir auch schwer, die Besatzungsmächte nicht als Befreier zu sehen, meine Sicht wurde schon in der Schule so geprägt, aber viel mehr und eindrucksvoller durch zwei alte Männer, die damals selbst im Widerstand waren, einer davon war sogar an der Operation Radetzky beteiligt. Von daher ist meine Sicht natürlich sehr links und ich empfinde vielleicht schneller etwas als rechts wie andere.
Allerdings …
Das ersetzen der nationalsozialistischen Herrschaft, durch die kommunistische vermag ich in der Tat nicht als Befreiung ansehen, sondern eher als etwas das man den Teufel mit dem Beelzbub austreiben nennt.
… glaube ich trotzdem, daß die DDR das kleinere Übel war (als der Nationalsozialismus). Wobei das ja auch nie ein Marxismus im Sinn von Marx, Engels und Lenin war, den gab es bis heute nirgends.
Den von Dir geposteten Link über die Verbrechen der Roten Armee habe ich aufmerksam gelesen.
Aufgefallen ist mir u.a. im Kapitel Ursachen der Übergriffe:
Als diese Erscheinungen im Januar 1945 gemeldet wurden, fand auch ein Umdenken in der Propaganda statt. In einer Militärzeitung vom Februar 1945 hieß es: "Wenn die faschistischen zweibeinigen Bestien es sich herausnahmen, in aller Öffentlichkeit unsere Frauen zu vergewaltigen, heißt das nicht, dass wir dasselbe tun müssen." Bei Übergriffen auf die Zivilbevölkerung wurden nun teils drakonische Strafen verhängt. Übergriffe gegen deutsche Zivilisten blieben dennoch nicht aus, erreichten aber nicht mehr das Niveau aus der Zeit der Grenzüberschreitung.
Deine Geschichte hast Du auf den 8. Mai datiert, wo es zumindest laut dieser Aussage eigentlich keine dreizehnfache Vergewaltigung mehr hätte geben sollen, oder zumindest wäre sie wohl nicht so offen durchgeführt worden – so wirkt es doch etwas unglaubwürdig, aber das könntest Du leicht umgehen, indem Du sie versteckt stattfinden läßt (etwa könntest Du das Auto in einem Schuppen stehen lassen und der mit dem niedrigsten Rang unter den vielleicht etwas weniger Soldaten steht Schmiere; wobei ich das mit der Motorhaube sowieso sehr klischeehaft finde).
Klar, daß er einen Haß auf »die Deutschen« entwickelte, geht auch aus dem Wiki-Artikel hervor, aber einem russischem Juden muß man das wohl auch zugestehen.
Nein, muss ich eben nicht, es ist genau das, was ich als die Logik des Krieges bezeichne.
Im Krieg gibt es keine Logik, weil der Krieg an sich schon nichts Logisches ist. Ich sehe zum Beispiel die Logik nicht, die Du hier anwenden willst (obwohl ich mit Logik sonst keine Probleme habe), da sich ja zuerst die deutschen Truppen in Rußland über die Zivilbevölkerung hergemacht haben.
Ebenfalls in dem von Dir verlinkten Artikel, im selben Kapitel wie eben, finde ich auch meine Ansicht, daß die Soldaten wohl nicht Ehrenburg brauchten, um Hass zu empfinden, indirekt bestätigt:
Die sowjetische Zivilbevölkerung musste Massaker und Misshandlungen durch die deutschen Angreifer ertragen. Es kann davon ausgegangen werden, dass jeder Soldat der Roten Armee, zumindest diejenigen, die aus dem Westen der Sowjetunion stammten, einen Verlust in der eigenen Familie durch den Krieg zu verzeichnen hatte.
[…]
Zum persönlichen Leid durch Kriegsverbrechen der deutschen Soldaten, das mit der Propaganda mehr und mehr übereinzustimmen schien, erwirkte die Entdeckung der ersten Konzentrations- und Vernichtungslager noch eine zusätzliche Steigerung des Hasses. Immer wieder mussten die vorrückenden Soldaten Überlebende oder Tote der Todesmärsche entdecken, oft aus der Sowjetunion verschleppte Menschen.
Wären sie tatsächlich so hörig gewesen, wie Du meinst, hätten ja die Übergriffe mit der oben erwähnten Androhung von Strafen sofort aufhören müssen. Daß sie das nicht haben, sondern bloß gemäßigter wurden, ist in meinen Augen ein weiteres Indiz dafür, daß sie eher aus persönlichen Rachegefühlen für das eigene erlittene Leid vergewaltigt etc. haben und nicht aus Gehorsam.
Neulich hat ein aus Rußland stammender Freund begonnen, mir über seinen Vater zu erzählen, der sowohl Jude als auch unter den Besatzern war (stationiert in Mauthausen). Er erzählte nichts von irgendeinem Ehrenburg, sondern davon, wie schwer es die Familie getroffen hatte. Sein Vater stand mit 16 Jahren plötzlich ohne Eltern da. Ich erwartete eine Geschichte, wie er sich alleine durchschlagen mußte, stattdessen hörte ich, daß er daraufhin seinen Ausweis im Wald vergrub, um sich zur Roten Armee zu melden, wo er behauptete, er wäre schon 18.
– Das sind für mich ganz deutlich persönliche Gründe. Glaubst Du, das hätte er für einen Ehrenburg gemacht? Ich wette, der hat nicht einmal von der Existenz Ehrenburgs gewußt, und einige andere werden sich auch nicht drum geschert haben, was dieser Journalist so geschrieben hat; es waren wohl großteils eher einfache Menschen an der Front und keine aus der intellektuellen Oberschicht (letztere blieben natürlich zuhause, wo der warme Ofen steht, und haben Ehrenburg gelesen).
Ich denke, für eine gute Aufarbeitung dieses Kapitels der Geschichte ist es notwendig, auch zu sehen, was u.a. den Russen umgekehrt angetan wurde, und nicht nur die eigenen Opfer zu beklagen. Es ist eine sehr einfache Lösung, alle Schuld auf Ehrenburg zu schieben und so zu tun, als wären nur die Russen Barbaren gewesen, und das nur, weil Ehrenburg Hetzartikel schrieb. Das waren genauso Menschen, die der Krieg deformiert hat. Das nur für die eigenen Landsleute gelten zu lassen, ist nicht fair. Als Autor sollte man das in meinen Augen mit mehr Abstand betrachten.
Nichts für ungut, aber wenn ich in Anbetracht dieser Tatsachen lese, man dürfe da "nicht generalisieren", kommt's mir echt hoch. Das ist ähnlich, als würde man zu einer Geschichte, in der Soldaten der SS eine russische Familie ermorden, schreiben: "Das geht so nicht, da stehen ja alle Deutschen gleich als Mörder da.
Und meinst Du denn, daß alle Deutschen Mörder waren?
Sinnsucher schrieb:
Wenn Du als "rechtes" Gedankengut das bezeichnest was nicht "linkes" Gedankengut ist, muss ich das erst einmal so hinnehmen.
Ja, wie schon oben gesagt, fängt für mich vielleicht rechtes Denken da an, wo linkes aufhört, da wirst Du wohl Recht haben. U.a. fängt es für mich da an, wo nationalistisches Denken in Form von "wir sind gut, die anderen sind schlecht/böse" anfängt.
Ich hab es aber auch bewußt auf die Geschichte und nicht auf Dich bezogen, da ich weiß, daß oft etwas anders wirkt als es gemeint war. Was mich vor allem auch dazu bringt, ist dieser Satz:
Endlich würden die Nachbarn einsehen, dass Papa recht hatte, Hitler ist ein Verbrecher und die Sowjetarmeen bringen den lang ersehnten Frieden.
Wenn Du dann am Schluß schreibst …
Befreiung, noch dreizehn Mal wird sie befreit, befreit von ihrer Unschuld, befreit davon, Babys zu bekommen, befreit davon, je Lust zu empfinden, befreit von dem Vertrauen in jeden Menschen, am 8. Mai 1945.
… wirkt es so, als hätte Papa nicht Recht gehabt, und das kann man ganz leicht auch so lesen, als wäre Hitler kein Verbrecher gewesen. – Zumindest das würde ich ausbügeln.
Liebe Grüße,
Susi