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Belle de Jour

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25.06.2008
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Belle de Jour

Er musste für eine Woche in die französische Provinz, um für eine kleinere Firma eine neue Software zu installieren, anzupassen, auszuprobieren und die vorhandenen Daten zu übertragen. Es war eine Routinearbeit, die ihn nicht sehr beanspruchte, aber dennoch seine ständige Anwesenheit erforderte. Die meiste Zeit arbeitete zwar der Computer allein, aber er musste immer wieder eingreifen, etwas verändern, Entscheidungen treffen und kontrollieren, ob alles richtig lief. Die Firma hatte ihm einen kleinen Raum zur Verfugung gestellt und er saß von acht Uhr früh bis sieben Uhr abends allein vor dem Bildschirm. Weil er nicht weg konnte und weil er auch möglichst bald fertig werden wollte, verzichtete er darauf zum Mittagessen zu gehen. Er brachte sich Sandwichs mit und die Firma stellte ihm Kaffee und Getränke zur Verfügung. Die einzige Ablenkung in den langweiligen Phasen, in denen er nur warten musste, waren die Zeitung und ein paar Fachbücher, die er sich mitgenommen hatte und das große Fenster mit Blick in eine ruhige Nebenstraße. Von seinem Bürostuhl aus sah er das erste Stockwerk des gegenüberliegenden Hauses. Die Ablenkung, die sich dort bot, hielt sich allerdings auch in Grenzen, weil er immer nur auf Fensterläden sah, die meistens geschlossen waren. Es waren mannshohe Fenster, die am Fußboden begannen und mit einem eisernen Geländer einen kleinen Balkon bildeten. Die Läden waren aus Holz, besaßen Lamellen und ließen sich in der Mitte falten. Sie waren genauso grau wie der Stein, aus dem das Haus gebaut war. Es war ein typisches französisches Wohnhaus vom Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Straße, die Haustür und die Fenster im Erdgeschoss konnte er nur sehen, wenn er an sein Fenster trat.

Er fing am Montag früh mit seiner Arbeit an und die Frau fiel ihm am Montag Nachmittag so gegen vier Uhr auf. Es war eine junge, hübsche Frau mit langer, blonder Mähne, die um diese Zeit einen der verschlossenen Fensterläden öffnete, sich weit aus dem Fenster beugte, der Sonne zuwandte und sich ausgiebig räkelte. Sie trug ein eng anliegendes, tief ausgeschnittenes schwarzes Gewand mit dünnen Trägern, das vermutlich ein Nachthemd war, aber ebenso gut ein Abendkleid hätte sein können. Ihr Dekolletee war hinreißend, ihre Frisur ziemlich derangiert und ihr Blick glücklich und verschlafen zugleich, so weit er das aus der Distanz beurteilen konnte. Sie blickte ein, zwei Minuten in Richtung der Sonne, dann auf die Straße, erst in die eine, danach in die andere Richtung und dann sagte sie etwas über ihre Schulter hinweg in den Raum hinein. Er war neugierig geworden und an das Fenster getreten, um diese attraktive Frau besser beobachten zu können. Aber da machte sie das Fenster schon wieder zu, ließ aber den Laden offen. Eine halbe Minute später öffnete sich die Haustür, ein junger, gut aussehender Mann streckte den Kopf heraus, schaute ebenfalls die Straße hinauf und hinunter, trat dann rasch ins Freie und ging eilig davon, ohne sich nochmals umzusehen.

Das Ereignis machte ihn nachdenklich und er begann das Haus zu beobachten. Er stellte an den nächsten Tagen fest, dass jeden Morgen pünktlich um halb neun ein Mann das Haus verließ, offensichtlich der Ehemann. Ein schmaler, schmächtiger Mann mittleren Alters mit Anzug, Nickelbrille, Halbglatze und Aktentasche, wenig auffallend, wenig attraktiv. Die blonde Frau trat mit ihm vor die Haustür. Sie trug einen weißen, flauschigen Morgenmantel und gab ihm zum Abschied einen Kuss auf die Wange. Am späteren Vormittag ging sie, adrett gekleidet, aus dem Haus und kam etwa gegen elf Uhr mit einem vollen Einkaufsnetz zurück. Wieder sehr pünktlich, um zwölf, kam ihr Mann und blieb etwa anderthalb Stunden. Als er wieder zur Arbeit ging, ohne Aktentasche, trat er allein aus dem Haus und wurde nicht mit Kuss verabschiedet. Um halb drei kam ein anderer Mann, klingelte rechts oben, wartete ein paar Sekunden, dann öffnete er die Tür und trat ein. Es war am Dienstag ein kleiner, älterer, etwas dicklicher Typ, der keineswegs so attraktiv war wie der junge Mann vom Vortrag. Um vier Uhr fand wieder das Ritual mit dem Fensterladen statt, der Mann ging, nachdem die Frau hm vermutlich gesagt hatte, dass niemand auf der Straße sei. Gegen sechs kam der Ehemann zurück und gegen sieben hörte er mit seiner Arbeit und damit auch mit seinen Beobachtungen auf. Am Mittwoch und am Donnerstag lief alles nach dem selben Schema ab, er konnte fast die Uhr danach stellen, nur die Männer waren jeweils andere.

Eigentlich wäre er mit seiner Arbeit am Donnerstag fertig gewesen, alles war eingerichtet, das Programm lief, die Daten waren übertragen, die Kontrollen positiv abgelaufen und alle Regularien erledigt. Stattdessen baute er einen kleinen, harmlosen Fehler ein, der es ihm ermöglichte, am Freitag noch einmal in seinem temporären Büro zu erscheinen und bis Mittag zu arbeiten. Er beendete seine Arbeit um halb zwei, nachdem er beobachtet hatte, dass der Ehemann gegangen war, verabschiedete sich von seinem Auftraggeber und verließ das Haus. Er ging die Straße hinab, bog die erste Querstraße nach links ab und dann nochmals nach links und war in der ruhige Nebenstraße. Er ging zu dem grauen Haus mit den grauen Fensterläden und war etwas erstaunt, als er auf dem Klingelknopf rechts oben den Namen las. Er erinnerte ihn an einen alten Film. Fünf Minuten vor halb drei drückte er auf die Klingel und wartete.

 

Salve yupag,

leider muss ich dir sagen, dass mich die Geschichte geärgert hat.
Nicht nur der Form wegen - ein paar absätze mehr wären wirklich höflich gewesen.

Über das sprachlche lass ich mich mal auch nicht zu detailliert aus - das ist ein Bericht, und fertig. Been here, done that. Handlungsanweisungen für einen Dienstreisenden, oder so ähnlich.

Nein, was mich anbläht, ist, diesen Titel mit selbigem Inhalt zu verknüpfen.
Wenn Du mittels Titel auf den Film Bezug nimmst, musst Du akzeptieren, dass Deine Geschichte mit ihm verglichen wird; erst recht, wenn Du (in was für einer müden Pointe - Deneuve, sehr witzig) signalisierst, dass Du ihn besser als nur dem Titel nach kennst.

Ihn dann auf die Optik der Deneuve und die primiskuitive Ehefrau zu reduzieren, zeugt von einer plattesten Rezeption oder einer oberfaulsten kreativen Verarbeitung oder beides zusammen.

Und wenn die KG ein Intellektuellenwitz der Cinematografie sein sollte, hättest Du die Auflösung Deneuve/Bunuel weglassen müssen.
Pointe versaut. Auch das noch.

Verärgerte Grüße, Pardus

 

Hallo yupag,

fünf Minuten vor halb drei drückte er auf die Klingel und wartete...

Ich warte auch noch...

Das plötzliche Ende der Geschichte hat mich doch kalt erwischt.
War das etwa alles? Was sollte das denn?

Das war - um ehrlich zu sein - die erste Geschichte, die ich in dieser Rubrik gelesen habe. Ich glaube, es war auch die letzte. Mit Erotik oder Romantik hat das jedenfalls nichts zu tun. Dafür weiß ich jetzt zur Genüge, was ein Techniker bei einer Computerfirma so den ganzen Tag macht.
Jedenfalls dachte ich, dass gerade die Franzosen romantischer sind.

@Pardus:
Den Film mit der Deneuve kenne ich leider nicht, aber durch Deine dezenten Hinweise bin ich jetzt im Bilde, das hatte ich beim Lesen der KG nicht begriffen. Bloß nicht ärgern, das macht alt.

In diesem Sinne,
LG
Giraffe.

 

Hallo Pardus!
Ich will mich nicht allzu sehr rechtfertigen, nur soviel, je kürzer eine Geschichte, um so besser (für mich), warum soll ich das austappen, was man mit eigener Phantasie weiterspinnen kann. Dass Du Dich so über die Anspielungen aufregst, kann ich sogar verstehen, obwohl ich meine KG in keiner Weise mit dem Film vergleichen möchte (wie könnte ich?). Aber warum soll man nicht auf etwas Bekanntes anspielen? Das ist doch kein Grund, sich aufzuregen.
Giraffe, wie gesagt, lass doch deiner Phantasie Raum und überlege mal selbst, wie die Geschichte weiter gehen könnte, da gibt es viele Möglichkeiten. Mit Romantik hat sie natürlich nichts zu tun, mit Erotik aber schon. Aber jeder hat nun mal so seine eigenen Vorstellungen.
Gruß yupag

 

Salve yupag,

Kürze entschuldigt in dem Fall nicht. Auch auf wenigen Seiten kann man was über das Bedürfnis, sich bis zur Versklavung auszuliefern, emotionale Erpressung, Stalking/emotionale Abhängigkeit bis hin zur Gewalttätigkeit, Asexualität, Übertragung der Verantwortung für die eigenen Gefühle/Lust an andere etc schreiben. Oder halt genau über das Gegenteil.

Und Bunuel, Deneuve und der Titel sind derart starke Zitate, dass ich denke, meine Erwartung, dass Du Dich irgendwie mit den Themen des Films auseinandersetzt, ist berechtigt.

Wenn ich hier eine Boxergeschichte einstellen würde und sie "Rocky" oder "Wie ein wilder Stier" betitelte, wäre das das gleiche in Grün.

Gruß, Pardus

 

ok Pardus, es leuchtet mir ein, dass ich die Zitierung etwas übertrieben habe. Ich habe sie abgemildert, aber den Titel lass ich. Ansonsten meine ich, dass eine solche Situation nicht außerhalb der Realität liegt. Jedenfalls danke, dass Du Dich damit beschäftigt hast.
Gruß yupag

 

Hallo yupag!

Das beginnt nicht mal so schlecht, ich konnte mich in die Situation hineindenken, mir den Arbeitsplatz vorstellen und auch der Protagonist kam rüber.

Dann wurde es jedoch zäh, weil die Beschreibung der Vorgänge allein langweilig geworden ist. Da erzählt mir jemand etwas, das kann schön sein, aber dann muss es spannend sein. Da du aber keine Spannung erzeugst, liest sich der Text wie ein Protokoll.

So geht es dann weiter bis zum Ende, was mich dann noch verärgert zurücklässt, weil die Handlung einfach aufhört.

Es ist immer ein beliebtes Argument, zu sagen, der Leser solle sich doch bitteschön alles selbst vorstellen, aber mit einer solchen Einstellung braucht man sich nicht die Mühe zu machen, eine Geschichte überhaupt anzufangen.

Die Abgabe eines leeren Blattes würde vollkommen ausreichen, hier wäre es dann einfach ein leeres Posting, kommentarlos, und auf die Frage, was das soll, würde man dann als Autor antworten, der Leser müsse sich die Geschichte doch nur vorstellen, so kompliziert könne das doch wohl nicht sein.

Schöne Grüße,

yours

 

Hallo yupag,
zwar musst du noch warten, bis ich meine Geschichte reinstelle, aber Kritik sei trotzdem erlaubt. Pardus gebe ich recht:

Salve yupag,

leider muss ich dir sagen, dass mich die Geschichte geärgert hat.
Nicht nur der Form wegen - ein paar absätze mehr wären wirklich höflich gewesen.

Über das sprachlche lass ich mich mal auch nicht zu detailliert aus - das ist ein Bericht, und fertig. Been here, done that. Handlungsanweisungen für einen Dienstreisenden, oder so ähnlich. Ende Zitat PARDUS
(Scheiße - ich weiß gar nicht genau wie zitieren hier geht - na da komm ich noch rein - entschuldigt hierbei meine UnprofessionALITÄT)

Ich meine: literarisch anspruchsvoller wäre es gewesen, sofort in die Perspektvie der Figur einzusteigen, sofort am Fenster zu sein. Dein langweiler berichtsstil hätte so vermieden werden können. Das was wichtig ist, kommt dann als Gedanken/erlebte Rede o.ä. . Die "Handlungsanweisungen" sind episch zu breit, ohne Bedeutung ...
Fragezeichen beim leser sind gut - nur dürfen sie nicht zu groß werden - wie bei dir.
Und: eine Geschichte muss auch ohne Kenntnisse eines Films (Intertextualität) funktionieren. Deine tut es eben nicht.
Alles gut gemeinte Ratschläge!
Das Ende ist leider zzuuuuu offen!
Es grüß Dietrich!

 

Hallo ihr alle!
Danke für eure Kommentare. Ich wollte bewusst eine Situation schildern, die ein (unfreiwilliger) Beobachter in einer langweiligen Situation (er muß eine öde Arbeit verrichten) vorfindet. Er beobachtet und zieht seine Schlüsse und irgendwann sagt er sich, ich gehe da mal rüber. Was dann kommt, wenn die Tür aufgeht, soll allerdings die eigene Phantasie ausmalen. Ich gebe dazu nur die Anregung, aber doch nicht nur ein weißes Blatt.

Gruß yupag

 

Hallo yupag!

Ja, aber warum sollte ich mir das ausmalen wollen? Wenn ich mir etwas ausmalen will, dann schreibe ich selbst Geschichten. Wenn ich etwas lese, dann will ich einer Handlung folgen, überrascht werden, etwas erleben, vielleicht etwas Neues sehen und entdecken. Nicht aber am Ende der Geschichte mit buchstäblich nichts zurückgelassen werden.

So etwas kann man schon machen, das mit den offenen Enden. Hitchcock hat das in vielen seiner Filme so gemacht, in "Die Vögel", zum Beispiel. Allerdings sieht da das Ende so aus, dass die verbleibenden Menschen alle in einem kleinen Haus sind, und dann, wenn die Kamera langsam zurückzoomt, sieht man, dass überall um das Haus herum Vögel sind.

Man weiß, dass die Menschen keine Chance haben, aber das wird nicht erzählt. Der Film ist an dieser Stelle zuende.

Bei deiner Geschichte ist allerdings alles möglich. Du hörst viel zu früh auf. Daher mein Beispiel mit dem weißen Blatt. Denn ebensogut hättest du nach dem ersten Satz abbrechen können und dann feststellen können, jeder solle sich doch den Rest selbst überlegen.

Schöne Grüße,

yours

 

Hallo Yupag,

Papui schreibt: literarisch anspruchsvoller wäre es gewesen, sofort in die Perspektvie der Figur einzusteigen, sofort am Fenster zu sein.

Genau, denn da geht die Spannung los. Könnte dann noch ein bißchen zulegen, nicht so detektivisch, denn irgendwie ist er doch auch ein bißchen Spanner, oder?
Den ersten Absatz kannst Du weglassen, der Inhalt, was der Prot. beruflich so tut, kannst Du zwischendurch in ein oder zwei Nebensätze einflechten; so interessant ist das nicht.
Den Schluß finde ich klasse; die Irritationen verstehe ich nicht. Für mich ist ausreichend beschrieben, was er hier will, wie er dabei fühlt und was ihn erwartet.
Man will nur fünf Minuten lesen, aber hinterher soll alles abgerundet und bitteschön keine Frage mehr übrig sein für den Weg zur Arbeit am nächsten Tag oder den Traum in der Nacht, nur noch ein wohliges Gefühl, daß alles schön und geklärt ist, als hätte man den ganzen Urlaub hindurch einen Roman aus dem Bahnhofskiosk gelesen und würde ihn nun am letzten Tag in der Abendsonne zuklappen.

Tja, so unterschiedlich werden Geschichten gelesen.

Gruß Set

 

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