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Blasphemie

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24.09.2000
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Blasphemie

Traurig sah er auf sein Heer herab. Die treuesten seiner Gefolgsleute waren gekommen: Da waren Gabriel, Michael, Simon; und sogar Thomas, der das alles noch immer nicht ganz glauben wollte, war gekommen. Es waren viele tausend Mann, aber er zweifelte stark an einem Sieg. Er sah Angst in den Augen seiner Soldaten. Es war einst das Heer der Liebe gewesen, doch anstatt Freude, hatte sich Unbehagen in die Herzen der Leute geschlichen. Er wünschte ihnen den Sieg, doch das einzige was er ihnen geben konnte, war Hoffnung. Nicht die Hoffnung es könnte wieder so sein wie früher, aber die Hoffnung es könnte so sein, als wäre nie etwas geschehen.
Sein Sohn führte das Heer mit blutigen Händen. Er war wahrlich Leid gewohnt, hatte er doch sein ganzes Leben lang das selbe Kreuz zu tragen gehabt, doch den Krieg traute er ihn nicht zu. Doch er war es, der einst seinen Vater überredet hatte: „Wir müssen uns wehren. Wir haben lange genug zugesehen wie uns das Schicksal schlägt. Jetzt müssen wir zuschlagen, oder alles ist verloren! Oder glaubst du nicht mehr an uns beide?“
„Mein Sohn, das wäre dann wohl die größte Blasphemie!“, hatte er kühl geantwortet. Er hielt es damals für den Scherz des Jahrmillionstel, doch sein Sohn fand es nicht so lustig. Er drehte sich um und verschwand. Diese Geste ließ ihm sein eigenes Greisentum bewusst werden. Er war nicht alt! Für jemanden, der von sich selbst behauptete er wäre unsterblich gab es kein Alter. Aber er war trotz allem greise geworden. Und er war verwirrt. Oft saß er lange Zeit in seinem goldenen Thron und sprach kein Wort. Er stieg nicht mehr herab zu seinem Volke und zauberte ein wenig mit Feuer und Heuschrecken – übrigens noch immer seine Lieblingshaustiere! Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn er all das nicht mehr beobachten musste. Doch wie würde das aussehen? Wie eine feige Aktion!
Er hatte einst Lämmer geboren, doch hatte er mehr Schlangen großgezogen, als tapfere Böcke. Er hatte ihnen – dummerweise - den Fortschritt gegeben, doch als der Fortschritt fortschritt, schritt er selbst aus den Herzen der Fortgeschrittenen fort. Und so verlor er langsam die Kontrolle.
Doch was nützt all das Klagen? Er stand vor dem Krieg. Ein Krieg mit seinem eigenen Geiste, der einst kopfüber in eine Grube voll alter Äste gefallen war. Er wäre der 999. gewesen, doch lesen war nie seine Stärke. Und als er so fiel – oder besser gesagt: gefallen wurde – musste etwas in seinem Kopf nicht mehr richtig funktioniert haben. Vielleicht fühlte er sich auch nur ausgestoßen. Vielleicht hatte er den Ödipuskomplex nie wirklich überwunden und stellte sich deshalb gegen ihn. Wer weiß das schon? Sicher war, dass er all die Schlangen mobilisiert hatte und nun zum Stoß ansetzte. Und der Biss der Schlange ist giftig...
Wieder ließ er sein Auge wandern. Er schickte es auf eine Reise über die Köpfe seiner Soldaten, seiner Armee. Er sah Leutnant Samuel, Zugsführer Josef und Gefreite Theresa, die sonst eigentlich immer eine liebevolle Mutter gewesen war, doch nun drauf und dran war alles zu geben um einen Sieg zu erringen. Es ging ums überleben, doch da die meisten seiner Leute das Leben schon hinter sich hatten, ging es eigentlich nur noch über.
Es stieg ihm praktisch über`n Kopf. Derweil wollte er gar nicht Politiker werden. Er hatte es immer gehasst: Das Hierarchie-Blabla, das Glaubens-BlaBla und das WievielSteuernmussichzahlemumeinguterChristzuwerden-BlaBla. Er wollte das alles nicht. Er wollte seinen Menschen zeigen, wie man ein guter Mensch wird. Ein bisschen Pfadfinder spielen, ein bisschen zeigen wie man in der Wüste überlebt, wie man übers Rote Meer geht...
Alles andere war nicht in seinem Sinne gewesen: Hexenverbrennung, Kreuzzüge, Deutschen HipHop... Aber er war wohl zu nachsichtig, zu „gütig“ mit den Tätern und vergaß dabei die Opfer zu schützen. Aber sie haben sich ja noch immer alle selbst geholfen. Verdammt! Leider haben sie das getan.
Nun war alles außer Kontrolle.
Dunkle Wolken zogen über den Horizont auf und der böse böse Feind ritt mit seinem bösen Pferd und seinem bösen Schwert, gegen die Guten. Die mit den guten Schwertern.
„Der Krieg wird wohl gleich beginnen!“, schrie er hinunter auf sein Heer, doch sein Heer war längst dem Bösen entgegengeritten.

 

:) Guter Text, gefällt mir! Flott geschrieben und mit ein paar denkwürdigen Sätzen wie

sogar Thomas, der das alles noch immer nicht ganz glauben wollte :D

Gegen Schluss hin wird es zwar etwas, hm, deprimierend, aber ich bin froh endlich mal einen Text zu lesen, der das Prädikat "humorvoll" verdient, angesichts grausiger Kalauer, die hier durchgetrieben werden wie schwarze Schafe.

In diesem Sinne: Mehr davon!

 

Vielen Dank!
Die Idee für die Geschichte hatte ich, als ich vor einigen Wochen (damals noch Grenzsoldat in Hohenau/NÖ) in der Morgendämmerung im Felde stand um Illegale Einwanderer anzuhalten, und die Müdigkeit und der Kaffee, bei dem man erst nach der 5.Tasse drauf kommt, dass es in Wirklichkeit Tee ist, mir etwas die Sinne verwirrt hatten und der Sonnenaufgang plötzlich so großartig aussah, dass ich dachte, "Wow, der Sonnenaufgang sieht heut so großartig aus!" und... naja, irgentwie ist mir dann "Blasphemie eingefallen!
Sehr satirisch und lustig, doch im Grunde gar nicht lustig, deprimierend vielleicht, aber sicher nicht lustig. Das meiste worüber man sich so lustig macht ist gar nicht so lustig.
Das denke ich zumindest. Sollte in nächster Zeit wohl mehr von meiner kabarettistischen Erfahrung gebrauch machen.

In der Zwischenzeit viel Spaß beim Lesen, Euer treuer Schreiber, Peter Hrubi

 

Du Armer! Grenzeinsatz... WÜRG! Scheiß Bundesheer!!! :mad:

Aber ich kenn das, so merkwürdige Stimmungen, wo man plötzlich unter Drogen zu stehen glaubt, bloß, weil einen irgendwas ungemein fasziniert.

Na ja, dann hoff ich für dich, dass deine "tolle" Zeit für Führer, Volk und Vat... äh, für die Allgemeinheit bald zu Ende ist und du dich wieder unter normalen Menschen wiederfindest, die sogar richtig mit dir reden können! Wie hier... :)

 

Das beste was ich heute gelesen habe !!!! Bis auf ein paar wenige (sehr wenige ;)) stilistische Ungereimtheiten finde ich die Geschichte grossartig. Ob sie nun deprimierend ist oder nicht, sei mal dahingestellt. Meine Laune war gerade so ziemlich auf den Nullpunkt angelangt. Jetzt gehts mir besser :).

Am bessten fand ich den Schluss:"„Der Krieg wird wohl gleich beginnen!“, schrie er hinunter auf sein Heer, doch sein Heer war längst dem Bösen entgegengeritten." Wirklich blasphemisch. Das ist nicht der allmächtige, gütige Gott, den das Christentum kennt, das ist ein alter verwirrter Mann, der nicht mehr versteht was um ihn herum geschieht.

Wenn man aus dem Fenster guckt muss man sich schon die Frage stellen, welches Gottesbild nun 'realistischer' ist.


DennochAnGottglaubendeGrüsse,

Batch

 

Tja, die Glaubensfrage ist ja eine sehr interessante. "Blasphemie" ist die Geschichte eines greisen Gottes, der zu spät erkennt, dass er zu spät erkennt. Tja, so kann das Leben spielen, aber nur das in "Blasphemie".
Wenn man einen katholischen Gelehrten (Religionslehrer, oder so...) fragt, warum Gott nichts mehr tut, warum er Menschen leiden lässt und warum er Kinder verhungern lässt, dann kommt die Antwort: Jesus ist für uns gestorben, Jesus hat gelitten, so kann es für die Menschen nur gut sein, wenn sie auch leiden müssen. Diese Antwort bekamm ich Wort wörtlich auf die oben gestellte Frage. Jetzt ist meine Frage, die ich damals aus purer Feigheit um meine Note im Religionsunterricht, nicht gestellt habe, folgende: Ist das denn nicht die größte Blasphemie? Darf man den Glauben an Gott über den GLauben an die Menschen stellen?
Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst! Doch Gott ist nicht mein Nächster, meine Nächsten seit ihr! Menschen!

Dies ist ein Grund von vielen, warum ich nicht mehr an die katholische Kirche glaube, und ebenfalls ein Grund, warum mein Glaube an Gott stärker geworden ist!

Tja, das wollte ich einmal loswerden. Vielen Danbk fürs drüberlesen,
Euer treuer Schreiber, Peter Hrubi

 

Wenn man einen katholischen Gelehrten (Religionslehrer, oder so...) fragt, warum Gott nichts mehr tut, warum er Menschen leiden lässt und warum er Kinder verhungern lässt, dann kommt die Antwort: Jesus ist für uns gestorben, Jesus hat gelitten, so kann es für die Menschen nur gut sein, wenn sie auch leiden müssen.

Das war dann aber ein sehr dummer Religionslehrer. Das ist wohl kaum die offizielle Auffassung der katholischen Kirche.

Gaaaaaaanz kurz zum Theodizee Problem (für diejenigen die das nicht kennen : die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes).

Die Frage, wieso Gott sich dem Menschen nicht eindeutig offenbart, und sich in die Geschicke der Menschen einmischt (Katastrophen, Kriege usw.), lässt sich, wie ich finde, recht einleuchtend begründen. Wenn wir Gott, wie es der christliche Glaube ja tut, als allmächtig ansehen, so würde er allein durch seine bewiesene Existenz, einen Teil dieser Allmacht verlieren.

Ich habe grade keine Zeit, näher darauf einzugehen. Ich hoffe, dass dennoch klar geworden ist, was ich meine.

Ich bin übrigens kein Katholik. Bin aber nach christlichen Werten erzogen worden und glaube auch an diese.
Zwar glaube ich an die Existenz Gottes bin aber Agnostiker.

Religiös angehauchte Grüsse,

Batch

 

Nur ganz kurz...

Die Frage, wieso Gott sich dem Menschen nicht eindeutig offenbart, und sich in die Geschicke der Menschen einmischt (Katastrophen, Kriege usw.), lässt sich, wie ich finde, recht einleuchtend begründen. Wenn wir Gott, wie es der christliche Glaube ja tut, als allmächtig ansehen, so würde er allein durch seine bewiesene Existenz, einen Teil dieser Allmacht verlieren.

?

Zwar glaube ich an die Existenz Gottes bin aber Agnostiker.

???

 

Entzieht sich Gott seiner Verantwortung absichtlich?

Was ist seine Absicht?

Was hat er mit uns vor?

 

So er existiert (will da jetzt nicht drauf eingehen) war sein Fehler, uns den freien Willen zu geben. So argumentiert jedenfalls die Kirche, wenn irgendjemand eine Atombombe zündet oder ins WTC kracht...

Die theologische Standardphrase, wenn jemand fragt, wie ein gerechter Gott dieses oder jenes zulassen konnte. Ein indifferenter Gott halt.

Endlich eine gute story.

Satire? Vielleicht wäre sie bei "Philosophisches" besser aufgehoben, da sich die Satire dem Unkundigen nicht offenbart. Ich habe jedenfalls böse gegrinst, ein untrügliches Zeichen.
:baddevil:

 

Danke Alpha (wenn ich dich so nennen darf!)!
Es freut mich besonders, wenn ich positive Kritik eines Kundigen bekomme. habe bereits ein paar deiner Geschichten unter "Serien" gelesen (Kritik von mir bekommst du, wenn ich alle gelesen habe!)und da war ich heute besonders erfreut solch Rückmeldung eines Profis zu bekommen. "Endlich eine gute story!", danke sehr!!!
:rolleyes:

Die Geschichte bleibt aber in Satire, glaube ich. Auch wenn sie nur Kundige verstehen, passt es um so mehr ins Göttliche.
Gib einem wissenschafter einmal die Bibel! Lest ihm den Pytagoräischen Lehrsatz vor, dann belächelt der dich. Lest ihm das Alte Testament vor schaut er blöd! So soll das auch mit meiner Geschichte sein. Nur die, die dies verstehen werden amüsiert sein. Hoffentlich...

Tja, weißt du, die Gottesfrage beschäftigt mich ja schon des längeren und darum freut es mich solche Geschichen zu schreiben und zu lesen.

Ich weiß nicht ob es Gottes Fehler war uns den Freien Willen zu geben. Ich glaube ja nicht wirklich an einen reinen Freien Willen, denn wir alle sind wahrscheinlich nur die Summe aus unserer Erziehung und den Genen (traurig, aber ich denke das kommt am nähesten!). Also nicht wirklich der Freie Wille. Aber wenn uns Gott so einen Ansatz Freien Willen gegeben hat, dann denke ich nur aus eigener Eitelkeit: Denn was kann schöner sein, als sich durch Freiem Willen einer Religion anzuschließen. Da hat er aber noch schön vorher geschaut, dass die Elter Christen sind und die Kinder dann mit Freien Willen. Mit Erziehung und Genen = "Freiwillige Christen"!

Da hat sich der Liebe Gott natürlich super gefreut. So gefreut sogar, dass der uns dann den Fortschritt gegeben hat. Dann kam Columbus, Darwin und andere und dann, ja was glaubst du? Da war im Himmel die Hölle los. Engel, Jesus. Alle einem die Schuld gegeben und derweil wollt der nur nett sein zu seinen Schafen. Aber Pech, was man hergibt darf man nicht wieder wegnehmen. "Du darfst nicht stehlen!" Eigentor!

So ungefähr könnte es glaube ich gewesen sein. Vielleicht erfahr ich es ja einmal.

Wünsche noch einen gesegneten Abend, Peter Hrubi

 

@Alpha:

So er existiert (will da jetzt nicht drauf eingehen) war sein Fehler, uns den freien Willen zu geben. So argumentiert jedenfalls die Kirche, wenn irgendjemand eine Atombombe zündet oder ins WTC kracht...

Oh ja, die free will-defense, die hab ich so oft in Interviews mit Geistlichen nach dem Anschlag gehört. Und der nächste Satz war dann meist: "Drum lasst und beten, dass sowas nicht wieder passiert" oder "Lasst und dafür beten, dass unsere Regierungsvertreter besonnen entscheiden..."

Die kriegen nicht mal ihre eigene Theologie konsequent auf die Reihe.
Oder sie denken, das würde keiner merken...

 

In ihrer Zielgruppe merkt das ja auch keiner. :cool:

Da hilft auch diskutieren nichts. Ich habe mal in einer Debatte einigen Bibelgläubigen anhand ihres eigenen Buches bewiesen, dass die Arche Noah etwa 96 Meter lang, 30 Meter hoch und 30 Meter breit war (Du musst nur die Ellen umrechnen, ihre Länge in cm steht in meinem Bibellexikon). Dann haben wir das mal zusammen ausgerechnet (selbstverständlich ohne Raum für Futter, Trinkwasser etc.). Als ich stolz bewiesen hatte, dass nicht mal 1% aller bekannten Spezies da rein gepasst hätte (natürlich keine davon größer als ein Maggi-Würfel), lächelten sie mich nur an. Es sei Gottes Wort, die Bibel könne also gar nicht irren...

Einfach ruhig bleiben und ebenfalls lächeln! <IMG SRC="smilies/heilig.gif" border="0">

 

Naja, Alpha, so technisch darf man das natürlich auch nicht sehen. Auf kein Gefährt der Welt hätte man von allen Tiefer auf der Welt zwei hineingebracht. Das geht nicht! Unmöglich, aber die Bibel muss glaube ich da ein bisschen bildlicher sehen.

Wenn Gott aus einem brennenden Busch spricht, kann das natürlich auch nicht sein. AberGott kann das, mit dieser Grundannahme muss man die Bibel lesen, sonst hat das ja keinen Wert. Sonst wär sie ja wirklich ein reines Fantasy-Werk!

Da bin ich dagegen, gegen diese Vertechnisierung der Bibel. Interessanter ist ihre Ideologische Widersprüchlichkeit. Les dir das erste Testament durch und dann das zweite. Da glaubt man es ist eine andere religion. (Was es ja auch ist, weil das ja das judentum vom Christentum unterscheidet!)

Wenn sinch der allmächtige Gott selbst widerspricht finde ich das viel lustiger. Denn da kann kein Mensch was dafür!

In diesem Sinne, schöne Grüße, Peter Hrubi

 

Ich hab auch mal mit 'nem brennenden Busch konversiert. Musste meiner Freundin 'ne Salbe besorgen, und dann gings wieder... :D

 

Tja Alpha, ich muss sagen, da gibts wirklich viele Parallelen mit der Bibel.

Im früheren Leben muss ich wohl mit meienr Freundin einen Tum gebaut haben, der bis zu Gott reicht. Warum sollte er sonst unsere gemeinsame Sprache verwirrt haben???

;)

Mit biblischen Grüßen, bleibt mir gesegnet, Peter Hrubi

 

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