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Blickdicht mit Sahnehäubchen
Die Holztür mit dem bunten Glasgelumpe schwingt auf und zu und spukt Genießer raus und rein.
Die landen vor der blankgeputzten Theke, altholzig, stolz und intellektuell beleuchtet, die macht was her. Hier glitzert noch ein Fleck, ganz neu, der andere hat sich schon im Mahagoni festgebissen.
Was wäre man ohne „Soft und Saug“, ein schmutziges Nichts, ein Fleckensklave.
Ein Kaffeehaus mit Tischen längs der Wand ist immer aktuell. Hier wird der Rücken kuschelig im Plüsch gehalten, die Sicht ist frei auf einen Mikrokosmos erwartungsvoller Leckermäuler.
Die Mittelreihe gehört dem knutschfidelen Volk mit Lippen in Orange und Scharlachrot, der Trampelpfad zum Pissoir erweist sich schnell als Sammelpunkt von harngedrängten Ladenhütern.
Hier ist es fein. Hier werden keine Handtücher verlegt, um platzhischdominanten Anspruch nachzuweisen. Man weiß, was sich gehört. Herr Karo Einfach sucht die Lücke, die Graue Eminenz setzt sich, wohin sie will.
Karl Janssen ist ein Beinhaarfetischist. Damals im „Feuchten Eck“: Das braune Haar in seiner Linsensuppe, die Köchin schwebt heran und der Besitzanspruch ist schnell geklärt. Sie zeigt ihr rechtes Schienbein, die gleiche Kräusellinie, der Farbton haargenau im satten Braun des singulären Suppenexponates. Und da war klar, es war das ihre, und schon war sie die Seine.
Aus „Wolli“, wie er sein Schätzchen zärtlich nannte und ihm, dem Karl, wurde ein die Welt durchkämmendes Lockenpaar. Dann kam der Ladyshave. Aus „Wolli“ wurde Waltraud , aus Karl ein Single.
Da ist der wieder. Der Spaßvogel. Zieht Kellnerinnen gern den Knoten aus der Schürze und prustet in die hohle Hand, wenn es denn klappt. Zwei Tische weiter, die bezaubernde Britin mit ihrem flauschig-roten Schnauzbärtchen und Sommersprossen bis zum Brillenrand, unglaublich. Der rosa Tüllpullover unterstreicht den weiblichen Charakter und das Serviettchen vor dem Schnütchen, wenn sie so lacht. Und lacht. Und lacht. Und lacht.
Ein Kaffee Melange, ein Stückchen Erdbeersahne, hier wird mit Hüftgold bezahlt.
Die Tassen und Kännchen mit üppigen Blumenmustern, farbenfroh gemischt oder dezent banal, verteilt auf hartnäckigen Kakaofleckendecken. Ach, ist das schön hier.
Drei Jahre hat er nun versucht, dem Fetisch zu entsagen, war fast soweit, dann kam er her.
Die Holztür mit dem bunten Glasgelumpe spuckt ihn hinein, nun ist er hier, im Duft, im Raum, im Licht, am Tisch.
Karl Janssens Eigentherapie erledigt sich beim Anblick der Bedienung, die zielgerichtet seinen Tisch beschattet. Ein keckes Kräuseln gelockter Beinbehaarung entlang des Rocksaumes, ein köstlicher Kontrast von schwarzem Fell und weißer Baumwollschürze.
„Was darf´s denn sein?“
… Kaffee. Bitte.“
„Mit Milch, Sahne, Vanille, Zimt, Oregano, Basilikum, Kathedralenvordach oben oder unten, mit oder ohne Weihwasser? Oder vielleicht ein Tässchen Kopi Luwak, selbst gesammelt aus dem Katzenklo des hauseigenen Schleichkaters?“
„Schwarz. Bitte“
Die Traumfrau fixiert mit leerem Blick die klägliche Bestellung und schwenkt die heiß begehrten Beine in Richtung Theke. Nicht zu übersehen, sie trägt eine Strumpfhose der Extraklasse. Karl Janssen kennt sich aus. Von wegen „Blickdicht“. Nichts, aber auch gar nichts kann seinen Blick auf diese Wonne stoppen, wo Haar sich maschenwärts nach außen kämpft. Kein Nylon kann barocke Ornamente bremsen, wo Kunst am Bein ins Freie will.
Buttercremewölkchen sorgen mit wohlriechenden Flitterkreisen für Entspannung. Füllige Containerschiffe rudern um Tische und sorgen für angerempelte Unruhe. Im Gastraum fällt das eine oder andere Porzellan seinem Schicksal entgegen.
„Kaffee SCHWARZ, bitte schön, der Herr“.
„Danke“. Was für ein haarlicher Tag im Cafe „Baiser Bizarr“.