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Blutige Freundschaft
Blutige Freundschaft
Schweißgebadet saß Nele auf ihrem Bett. Sie saß dort wie gefesselt, gefesselt von den schlimmen Bildern, die sie, wie jeden Tag, wieder vor ihren Augen sah. Sie gingen ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf, dachte sie, als sie sich einen Tee kochte und mit ihrem Lieblingsfotoalbum wieder zurück ins Bett huschte. Dort war es kuschelig und warm, doch Nele spürte nur noch Kälte in sich, wegen der schrecklichen Erinnerungen. Sie schlug das Fotoalbum auf. Nur schwer konnte sie sich die Tränen verkneifen, denn die schöne Aufschrift „Für meine beste Freundin Nele“ war nur noch kaum zu erkennen, wegen der ganzen Tränen, die sie schon so oft geweint hatte. Doch da war sie wieder, die eine Träne, die einen Tränenregen auslöste, fast so wie ein Dominostein. Nach einiger Zeit wischte sie sich die letzte Träne von den Wangen und blätterte durch das Album. Sie hatte eine wunderbare Vergangenheit, dachte sie, bis vor einem Jahr. Und wieder. Die eine Träne.
Am nächsten Morgen wachte sie auf einem nassen Kopfkissen wieder auf, sie hatte wohl im Schlaf weitergeweint. Das Fotoalbum lag aufgeschlagen neben ihr und der Tee war inzwischen kalt. Nele nahm ein warmes Bad und beschloss, wie die letzten Tage, nicht zur Schule zu gehen. Dazu war es sowieso schon zu spät. Sie machte sich fertig für den Tag und fühlte sich wie mit neuer Energie betankt. Vielleicht konnte sie nun über alles gründlich nachdenken. Mit einer Tasse Kaffee setzte sie sich in die Sonne und nahm Stift und Zettel zur Hand. Sie schrieb einen Brief, einen Brief an sich selbst, vielleicht würde ihr das ein Gefühl von Erleichterung geben. Sie begann zu schreiben :
Die letzten Tage waren wohl die schlimmsten Tage meines Lebens. Mir wurde der Tod von Kimberly erst jetzt bewusst. Mir wurde nun endlich klar, dass es keine Kim mehr in meinem Leben geben wird. Nie mehr.
Es war jetzt genau ein Jahr her. Kim und ich haben fast jeden Tag etwas zusammen unternommen, hatten die gleichen Hobbies und waren fast immer einer Meinung. Als Kimberly frisch verliebt war, wurde ich eifersüchtig auf ihren Freund Thorben, schließlich hatte sie kaum noch Zeit für mich, und wenn wir mal geredet haben, ging es nur um Thorben. Thorben, Thorben, Thorben! Ich konnte diesen Namen einfach nicht mehr hören! Ich versuchte, ihr die Beziehung mit ihm auszureden, es hätte sowieso keinen Zweck. Doch dadurch wurde sie nur noch wütender und ignorierte mich ganz. Ich musste irgendwie anders versuchen, Kim wieder ganz für mich zu haben. Ich schmiedete einen grausamen Plan. Ich musste es tun, für unsere Freundschaft. Tagelang plante ich. Nur für diese eine Nacht.
Es war die Nacht auf Kims 16. Geburtstag. Thorben hatte ihr versprochen, dass er pünktlich um kurz vor Mitternacht vor ihrer Tür stehen würde. Kim hätte zu dieser Zeit noch nicht gewusst, dass sie ihren Freund nie wieder sehen würde. Um halb 12 nachts wartete ich in schwarzer Kleidung in einem Gebüsch im Wald, an dem Thorben entlang gehen musste, um zu seiner Freundin zu gelangen. Doch anders als ich erwartet hatte, war er nicht alleine. Er ging Arm in Arm mit einem fremden, hübschen Mädchen den Weg entlang. Ich konnte das Mädchen nicht genau erkennen, aber das war auch egal, denn Thorben betrug Kim, das war das Schreckliche! Nun war meine Wut auf Thorben so groß, dass ich das Messer aus meine Tasche zuckte und auf die beiden zulief. Ich rammte der Begleiterin von Thorben das Messer in die Kehle. Diese stieß einen stummen Schrei aus und fiel zu Boden, da es dunkel war, erkannte ich nicht viel, aber das war mir egal, denn ich musste Thorben nun auch töten, das war alles, was zählte. Ich sah noch, dass meine Hand blutüberströmt war von dem Mädchen, dann rammte ich auch Thorben das Messer mit voller Wucht in die Brust. Ich sah die beiden Verliebten auf dem Boden liegen, als mir erst klar wurde, was ich getan hatte. Ich ließ das Messer fallen und ging langsam nach Hause. Ich starrte nur noch auf die Sterne. Sie waren so wunderschön an diesem Abend. Zuhause duschte ich mich und ging schlafen.
Am nächsten Morgen rief Kims Mutter an. Sie sprach mit leiser Stimme etwas von Kim, ich hörte nicht drauf und lies das Telefon auf den Boden fallen. Mir war einfach alles egal. Ich ging los, zum Wald, wo ich am Abend zuvor noch diese grausame Tat vollbracht hatte. Ein Polizeibeamter fragte nach meinem Namen und stellte einige Fragen, auf die ich natürlich vorbereitet war. Ich erinnere mich nicht mehr, was er zum Schluss zu mir gesagt hatte, denn dann erst sah ich sie dort liegen. Kimberly lag regungslos auf dem Boden, ein paar Leute von der Mordkommission untersuchten den Tatort. Doch Kim lag nur leblos in einer Blutlache Es kam mit so vor, als würde immer noch Blut aus ihrer Kehle fließen. Ich wollte sie zurück, doch ich hatte noch etwas viel Schlimmeres erreicht. Ich hatte sie getötet.
Nele legte mit zitternder Hand den Stift zur Seite, ging ohne Worte zu ihrem Nachtschränkchen und holte etwas heraus. Sie küsste ihr Fotoalbum, hielt sich die Pistole an die Schläfe und drückte ab.