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Das Dorf ohne Namen

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19.06.2001
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Das Dorf ohne Namen

Mein Name ist Lataya. Wie alt ich bin, das weiß ich nicht. Wieso sollte ich es denn auch wissen? Es ist doch nicht wichtig. Ich wurde geboren und lebe. Und wenn die Götter wollen, dass ich von dieser Welt scheide, werde ich das auch tun. Dann interessiert es auch niemanden mehr, wer ich war. Wie heute auch niemand etwas von dem anderen wissen will. Ich lebe in einem Dorf ohne Namen, das in einem Land ohne Namen liegt. Und wie die Welt heißt, das interessiert niemanden. Wer geht schon in die Welt? Hier bin ich sicher. Hier werde ich leben, arbeiten und sterben. Hier bleibe ich. Es gibt keinen Grund den Großen Wald zu durchqueren. Es gibt Geschichten, Legenden, Sagen. Sie alle erzählen von den Dingen, die hinter dem Großen Wald lauern. Es sind Gefahren. Es sind bösartige Monster, die dort ihr Unwesen treiben: Drachen, riesige Spinnen, Schlangen und andere, viel, viel schlimmere Dinge, die sich unsere Phantasie nicht vorzustellen vermag. Sie lauern im Dunkeln und springen uns an, wenn wir grade nicht darauf achten und es am wenigsten erwarten.
Niemand will sich diesen Gefahren aussetzen. Wieso sollte man auch? Wir sind doch hier sicher. Wir haben alles, was wir zum Leben brauchen. Wir sind zufrieden.
Es gibt eine Geschichte. Meine Mutter erzählte sie mir früher, wenn ich nicht brav sein wollte. Die Mütter tun das schon seit wir denken können. Diese Geschichte muss also sehr alt sein. Wer weiß, vielleicht ist es wirklich nur ein Schauermärchen und ist niemals wirklich passiert. Sie spielt zu der Zeit, als das Dorf noch einen Namen. Aber dieser ist schon lange verlorengegangen. Es muss also viele Jahre her sein, wenn sich nicht einmal die Alten an daran erinnern können. Die Geschichte erzählt von einem Mädchen. Manche sagen, es sei blond gewesen, andere sagen, es hatte schwarze Haare. Doch worin sich alle überein stimmen ist die Augenfarbe: Sie hatte grüne Augen. So grün wie der Heilige Stein, den die Priester in der Höhle unter dem großen Felsen aufbewahren. Und eines Tages sagte sie zu ihrer Mutter: "Ich will gehen und sehen, was hinter dem Großen Wald ist. Ich nehme Vaters Schwert. Er braucht es sowieso nicht mehr, er ist alt geworden." Die Mutter scholt das Mädchen und es erwähnte nie wieder etwas darüber. Doch es trug diesen Gedanken Jahre mit sich herum. Eines Tages fand es am Rande des Großen Waldes einen Wolfswelpen. Er hatte so grüne Augen wie das Mädchen: unergründlich tief. In ihnen brannte das gleiche Feuer. Das Mädchen zog den Wolf auf. Der Wolf war sein einziger Freund. Die Leute bekamen mit der Zeit das Mädchen und den Wolf immer weniger zu Gesicht. Des Nachts hörten sie das schaurige Heulen eines Wolfes, in das sich bald eine zweite Stimme gesellte. Dann kam die Zeit, als die Menschen die beiden nie mehr sahen. Es hieß, der Wolf habe das Mädchen in den Wald gelockt und es da zerrissen. Es ging auch das Gerücht um, dass das Kind selbst zu einem Wolf geworden war und die beiden nun zusammen die Wälder durchstreiften. Die Eltern des Kindes sahen es als verloren und bestatteten alle seine Sachen auf dem Friedhof. Für ihre Seele opferten sie den Göttern. Sie bekamen bald ein neues Kind und trauerten nicht mehr.
Manchmal, wenn der Mond hinter einer Wolke verschwindet und der Wind um die Ecken der Hütten zieht hört man das Heulen eines Wolfes. Und manchmal glaubt jemand auch das Lachen einer Frau zu hören. Niemals mehr als ein Erahnen, aber immer zu viel als dass man sagen könnte, es wäre nie da gewesen.
Das ist nicht mehr als ein Märchen, dazu da, Kinder zu erschrecken. Ich weiß es.
Als ich heute am Rande des Großen Waldes Beeren sammelte, da hörte ich ein leises Wimmern. Inmitten von Brombeersträuchern fand ich einen Wolfswelpen. Er war abgemagert und hatte viele blutige Striemen an seinem kleinen Körper. Ich brachte ihn zu der Medizinfrau des Dorfes. Jetzt sitzt er hier bei mir. Zufrieden und satt ist er. Aus seinen großen grünen Augen sieht er mich an. Mutter sagte vorhin "Man könnte meinen, er wäre dein eigenes Blut. Er hat die gleichen Augen wie du.".

 

@Sara: Wenn Du die Geschichte aus Word in das Schreibfenster rüberkopierst, musst Du noch die "-Zeichen verbessern. Das untere Anführungszeichen kann das Forum nämlich nicht anzeigen.
Ich hab's in Deiner Geschichte schon mal geändert.
Und ich glaube, irgendwo in der Mitte fehlt ein Wort.

@ll: So, und damit es schon mal ein paar Kritiken zu lesen gibt, ein paar Links zum Archiv:
1. Kritik (ein einzelner Beitrag von Morphin): www.kurzgeschichten.de/cgi-bin/ultimatebb.cgi?ubb=get_topic&f=8&t=000215
2. Kritik (schon ein paar mehr): www.kurzgeschichten.de/cgi-bin/ultimatebb.cgi?ubb=get_topic&f=8&t=000245
3. Kritik (auch stephy hatte dazu was zu sagen): www.kurzgeschichten.de/cgi-bin/ultimatebb.cgi?ubb=get_topic&f=8&t=000393

Was mir noch zu der - übrigens sehr schönen - Geschichte eingefallen ist: Die Namenslosigkeit ist ein gutes Stilmittel, kann vielerlei bedeuten - Verallgemeinerung, Anonymisierung usw. Könnte man viel öfter mit Gewinn einsetzen...

Jemand hatte in einer alten Kritik vorgeschlagen, die Geschichte noch weiter fortzusetzen. Ich würde nicht mehr viel weiterschreiben, aber ein einziger Satz mit Heulen im Hintergrund wäre noch grandios, finde ich. Den Rest kann sich jeder Leser schließlich selber denken :) .

Gruß,
Britta
(hat bald wieder mehr Zeit fürs Forum)

 

Eine kurze Geschichte, die in ihrem Raum aber sehr viel "Stoff" für fantastische Gedanken bereit hält. Wer ist dieses Mädchen? Und warum ist ein Dorf ohne Namen?

Einziges kleines Manko sind wie bei anderen Geschichten, die ich hier gelesen habe, die fehlenden Absätze. Bei längeren Geschichten wurde ich gleich zu Anfang abgeschreckt, da sie mir als "Bleiwüste" erschienen. Und die sind nur schwer zu lesen.

Ansonsten schreib mir gerne, wenn Du eine weitere dieser Geschichten verfasst hast. Denn solche Stories sind zumeist Feuersteine für größere Werke.

Gruß

Nico

 

Hallo Sara!
Die Geschichte gefällt mir, und besonders am Ende ist mir ein Schauer über den Rücken gelaufen. Man könnte sicher noch viele weietre Geschichten über das namenlose Dorf schreiben.

 

Das könnte mal wohl. Aber ich wüsste nichts, was man noch groß dazu sagen könnte. Diese Geschichte ist aus einer spontanen Idee und Laune heraus entstanden. ich habe also so gut wie gar nicht oder eben wenig darüber nachgedacht. Ein zweiter Teil wäre nicht das selbe.
Grüße
sara

 

Die Geschichte gefällt mir. Schön geschrieben, in sich rund, alles, was der Leser wissen muß, erfährt er, ohne in einer Flut von Informationen zu ertrinken. Es bleibt genug spielraum für eigene Gedanken.
Ich hatte das Dorf und das Mädchen richtig vor Augen und habe mir gleich überlegt, wie man eine solche Geschichte ins Rollenspiel einbringen kann.

Gruß von der chaosqueen, die Wölfe sehr mag

 

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