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Das Duell
Herr Jokobsitch hat schon drei Duelle überlebt. Er sieht darin nichts Besonderes und hat auch eine Erklärung dafür: Es ist seine Furchtlosigkeit.
Die vermacht ihm eine ruhige Hand. Er denkt einfach, dass sein Widersacher ein Hase sei.
Er hingegen ist ja immerhin der Herr Jokobsitch, nicht gerade ein Waffennarr, doch ein guter Schütze ist er schon. Gelegentlich erreicht ihn eine formelle Einladung zur Teilnahme an einer Jagd. Das kann aus geschäftlichen Gründen oder aus Gründen der Abhängigkeit geschehen.
Denn Herr J. verleiht Geld.
Das macht er schon lange. Und je länger er es macht, desto mehr Einblick gewinnt er in die Situation gewisser Kreise, speziell in deren finanzielle Lage. Die familiären Querelen und Tragödien seiner Schuldner interessieren ihn nicht die Bohne – daran ist nichts zu verdienen. Aber er hört gern, wenn das Personal eines großen Anwesens - bis hin zum Schloss - reduziert wird, werden muss oder wenn riesige Grundstücke in „Parzellen“ aufgeteilt werden. Wenn plötzlich Oldtimer auf den Markt geschmissen werden, oder edle Rösser. Auch wenn ökonomisch begründete Liebesheiraten kurz vor dem Glockenläuten abgeblasen werden, ist er ganz auf Empfang geschaltet.
S’ ist wie mit jedem anderen Geschäft auch: die Erfahrung macht’s halt. Dass er auch ein Näschen hat für pikante Situationen, kommt ihm selbstverständlich sehr zugute.
Vom Typ her ist dieser Herr eher grobschlächtig als fein gewirkt. Das hat mit seiner Herkunft zu tun. Von seinen Urahnen abwärts gestaffelt bis zu seinem Vater waren die Männer seiner Sippe Viehhändler, Gastwirte oder Metzger. Einer war Kohlenhändler.
Das waren Leute, die schon mal den Daumen (beim Kohlenhändler war es der Fuß) mit auf die Waage legten oder sich aus Versehen verrechneten. Obwohl sie im Kopfrechnen 1a waren! Die brauchten kein Papier und Bleistift.
Beliebt waren die Jokobsitch-Männer nie. Gehasst jedoch auch nicht im schrecklichen Sinne dieses Wortes. Aber man mied sie – und oft fürchtete man sie. Die Kreditnehmer verfluchten ihren schwarzen Tag, an dem sie sich mit einem Jokobsitch einließen, denn dann hätten sie direkt einen Kontrakt mit dem Teufel schließen können. Nie wurde etwas schriftlich fixiert. Nach guter alter Viehhändlertradition galt der Handschlag. Vor Gericht leider anfechtbar.
Wenn einem Kreditnehmer das Wasser bis zum Hals stand und er wegen Aufschubs seiner Zahlungsverpflichtungen den Jokobsitch zur – oft letzten aufwendigen – Jagd einladen musste, dann hatte der sich gesellschaftlich schon totgeschossen. Die Sachlage war bekannt.
Der Bedrängte hatte zwei Möglichkeiten. Entweder hängt er sich in der folgenden Nacht auf, sei es auf dem Söller, am Fensterkreuz oder in seinem noch nicht verkauften Privatwald – oder er fordert, weil alle Welt ihn des Bankrotts verdächtigt, dieses Schwein Jokobsitch zum Duell, um zu beweisen, dass er noch längst nicht bankrott ist. Delirium ohne Alkohol. Indirekt oder direkt – was spielt das schon für eine Rolle - bittet er den Henker, ihn zu eliminieren. Aber besser zu sterben wie ein scheinbar liquider Mann, aufrecht beim Duell , für seine Ehre und die seiner Familie, als sehenden Auges enteignet, vom eigenen Besitz vertrieben zu werden; vielleicht wird man ihn noch dem Richter vorführen, denn in den letzten Jahren gab es böse Unregelmäßigkeiten in seinen Büchern.
Und jetzt ist der rotgesichtige J. ein Menschenfreund? Das ist doch verrückt.
Der entbindet den Unglücklichen vom Offenbarungseid, indem er ihn niederstreckt. Er rettet die Ehre - oder was immer das sein soll - dieser Familie und macht die Töchter des Hauses noch verheiratbar! Er schnappt sich die ganze Immobilie oder wenigsten das Filetstückerl und kann bald noch mehr Kreditnehmer bedienen.
Und dann knallt’s, recht früh am Morgen. Die Adjutanten haben vom Opernhaus Nebelmaschinen mitgebracht, weil dieser klare Morgen keine Bühne geboten hätte für das kleine Schlachtfest, das hier nicht vom Metzger Graf Sowieso, sondern vom Schwein Jokobsitch veranstaltet wird. Mit dieser technischen Unterstützung zerren bald Nebelfetzen an den schwarzen Baumstümpfen und an den Läufen der Pistolen. Alle Nerven liegen blank. Wenn jetzt einer hustet, fliegt das ganze Sprengstoffdepot in die Luft. Zisch!! Pengg!! Sind das eingebildete Trommelwirbel oder wer trommelt hier real? Vielleicht noch ein Solo der trompettes de la morte? Die Lunte brennt schon. Sie führt zu den Köpfen. Gleich macht es rumms.
Da will ich nicht dabei sein.