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Das Ende
Die Patronen prasselten wie starker Regen an dem silbernen, durchlöcherten Auto vorbei, hinter dem sich Claude in Deckung brachte. Claude kämpfte mit dem Schwindel, den er seiner Schussverletzung an seinem linken Oberam verdankte. Einen klaren Kopf hatte er sowieso nicht mehr. Lange würde es nicht mehr dauern, bis der Polizeihelikopter eintrifft. Man hörte heulende Sirenen von hinten immer näher kommen.
Mit zitternder Hand wechselte Claude ungeschickt das Magazin seiner Pistole und lugte vorsichtig über die Motorhaube. Er sah eine Straßensperre, bestehend aus mehreren Autos, hinter denen sich das Sondereinsatzkommando verschanzt hat. Außer dem Mündungsfeuer der vielen Gewehrläufe, dem nicht abreißen wollenden Klang der Schüsse und dem Eintreffen der Kugeln nahm Claude kaum noch etwas wahr.
Leicht benebelt setzte er sich mit dem Rücken an den Vorderreifen. An seinem inneren Auge lief sein ganzes Leben immer wieder an ihm vorbei. Schweißperlen rollten langsam an seiner Stirn herab, bis hinunter zur Nasenspitze, an der sie einige Momente hängen blieben, um kurz darauf lautlos zu Boden zu fallen.
Ein Zischen riss ihn aus seinen Gedanken und setzte ihn gnadenlos wieder zurück in die Realität. Mit der Hand griff er sich an die Stirn. Seine Augen weiteten sich und er begann verzweifelt zu weinen. „Mama..“, dachte er, „Mama..“. Er wollte seine Mutter stolz machen. Ein glückliches, normales Leben führen. Nun warf er Neunundzwanzig Jahre einfach weg. Wieso musste er das tun? Wieso musste er das nur tun? Sein Vater meinte es doch nicht so!
Schon als Kind wurde er mit handgreiflichen Aktionen von ihm „auf den rechten Weg“ gebracht. Jede schlechte Schulnote erzeugte in ihm Übelkeit und das Zittern wurde immer stärker je näher er sich zu seinem Elternhaus begab. Selbst als Jugendlicher war Claude nicht vor der Hand des Vaters geschützt. Bis heute kamen verachtende Sätze wie: „Na, siehst du immer noch die Radieschen von oben?“ Gärtner war kein Beruf für seinen Vater, der ja als Anwalt einen ach so tollen Job hatte.
Die Sirenen ließen Claude wieder aufblicken. Er wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Langsam aber sicher drehte er durch! Er zielte mit der Pistole an seiner Deckung vorbei und schoss auf zwei seiner Feinde, die dicht nebeneinander auf dem Dach des SEK-Busses lagen. Nach einem kurzen Schrei folgten Rufe wie: „Sanitäter!“, und „Einer verwundet!“.
Seltsamerweise befriedigte das Claude wie das Gefühl, das man kurz nach einem Orgasmus hatte. Schnell duckte er sich wieder und setzte sich zurück an seine alte Position. Ein Schreck durchfuhr ihn, als er die Augen auf die andere Seite des Gefechts richtete. Das Sondereinsatzkommando hatte nun auch die andere Seite gesperrt und begann zu feuern.
Kugel für Kugel, Schuss für Schuss.
Blut. Eigenes Blut.
Sein Vater. Er meinte es nur gut.
Knackende Knochen.
Schmerz.
Verzweiflung.
Angst.
Das Ende.