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Das Gasthaus auf dem Hügel
Sie betraten das Gasthaus, als es zu dämmern anfing. Es lag auf einer kleinen Anhöhe und war das einzige weit und breit. Wärme und rauchige Luft schlug ihnen entgegen, als sie die aus grobem Holz gezimmerte Tür öffneten.
Der Schankraum war gut besucht, es war nur noch ein einziger Tisch in einer hinteren Ecke frei und auf diesen steuerten Ulrich und seine Tochter Elisabeth nun zu. Erschöpft und halb erfroren ließen sie sich auf den Holzschemeln nieder. Obwohl ein penetranter Gestank nach gekochtem Kohl und säuerlichem Wein in der Luft hing, waren Vater und Tochter froh, in der Schenke zu sitzen und die Wärme zu genießen. Sie hatten einen langen Ritt hinter sich.
„Ich hoffe, wir werden hier auch eine ordentliche Unterkunft für die Nacht bekommen“, sagte Ulrich und entledigte sich seines Reisemantels. Als er jedoch die Wirtin erblickte, die soeben auf den Tisch zukam, wusste er, dass sich sein Wunsch nach einem sauberen Quartier eher nicht erfüllen würde.
Über einem verwaschenen Wollkleid hatte die Wirtin eine schmuddelige Schürze gebunden, an der sie ihre fettigen Finger abwischte. Ein paar dünne Haarsträhnen lugten unter der fleckigen Haube hervor, die ihr aufgedunsenes Gesicht umrahmte. Sie war korpulent, um nicht zu sagen fett, sodass ihre verschlagen dreinblickenden Augen fast zugeschwollen waren.
„Was wollt Ihr?“, wandte sie sich nicht eben freundlich an die neuen Gäste.
„Wir sind durstig und hätten gerne eine warme Mahlzeit“, antwortete Ulrich. „Und eine Unterkunft für die Nacht, gute Frau. Wir sind bereits seit heute Morgen unterwegs.“
„Das Warme Essen ist aus. Etwas Brot und Käse kann ich Euch bringen. Die Schlafkammern sind schon alle vergeben. Aber wenn Ihr wollt, könnt Ihr Euch ein Lager im Stall aufschlagen“, sagte die Alte barsch und bohrte ungeniert mit ihrem Zeigefinger in einer Zahnlücke.
Doch dann wurde ihre Aufmerksamkeit auf Elisabeth gelenkt, die gerade ihren Umhang ablegte. Die Wirtin ließ ihren Blick über die anmutige, schlanke Gestalt der jungen Frau gleiten, sah die zarten Hände mit den feingliedrigen Fingern und das üppige, braune Haar, welches Elisabeth, da sie noch nicht verheiratet war, unbedeckt bis zur Taille reichte.
„Ich werde sehen, was ich für Euch tun kann“, grummelte die Alte, schon etwas freundlicher.
Hinter dem Schanktisch stieß sie ihrem Ehemann aufgeregt in die Rippen.
„Komm mit in die Küche, Mann. Ich muss mit dir reden“, raunte sie demselbigen ins Ohr. In der Küche stand eine Magd am Herd und schürte das Feuer.
„Geh zum Brunnen und hole einen Eimer Wasser“, herrschte die Alte das Mädchen an. „Und trödele nicht wieder herum.“
Sobald die Magd die Küche durch die Hintertür verlassen hatte, wandte sich die Wirtin ihrem Mann zu.
„Hast du den vornehmen Herrn und das junge Ding gesehen? Ein gar hübsches Täubchen. Genau richtig für unsere Zwecke.“
Der Wirt grinste über das ganze Gesicht und entblößte ein paar braune Zahnstummel.
„Meinst du nicht, wir hätten bald genug Goldeselchen“, fragte er. „Wie willst du es diesmal anstellen?“
„Das lass nur meine Sorge sein. Ich muss ihnen auf jeden Fall zwei getrennte Schlafkammern geben.“
„Aber es sind doch schon alle vergeben.“
„Die beiden jungen Burschen, denen ich die Letzte versprochen habe, können im Stall schlafen und die Magd muss eben hier neben dem Ofen nächtigen“, bestimmte die Wirtin.
„Du bist schon ein kluges Weib, Mechthild“, lobte der Alte seine Frau, die vor lauter Vorfreude die Hände aneinander rieb. Dabei bildeten sich kleine Schmutzröllchen, die sie achtlos an der Schürze abwischte.
Als die Magd zurückkam, füllte Mechthild einen Krug mit Wasser und einen weiteren mit Bier.
„Du wirst heute Nacht in der Küche neben dem Feuer schlafen“, wies sie die Magd an. „Ich brauche deine Kammer für einen Gast.“
Die Magd nickte wortlos. Sie wusste, dass es zwecklos war, zu widersprechen, da sie sonst nur Prügel beziehen würde.
„Hier, wärme das Essen über dem Feuer noch einmal auf. Und beeile dich, sonst setzt es was!“
Auf den Tellern befanden sich die Portionen, die Mechthild für ihren Mann und sich selbst zurückgelegt hatte – Kohlgemüse und zwei extra schöne Stücke Fleisch. Es würde zwar bedeuten, dass sie heute Abend nur mehr Brot und Käse essen müssten, aber Mechthild verzichtete gerne auf dieses warme Essen, wusste sie doch, dass ihr bald wieder viele reichhaltige Malzeiten sicher waren.
Als die Magd das Essen aufgewärmt hatte, brachte Mechthild die Teller an Ulrichs Tisch.
„Es waren doch noch zwei Portionen übrig, lasst es Euch wohl schmecken“, sagte sie freundlich. „Soeben haben mir ein paar Gäste eröffnet, dass sie noch zur Stunde gedenken, ihre Reise fortzusetzen und nicht hier nächtigen werden. Ihr könnt also zwei Schlafkammern haben. Nach dem Essen werde ich Euch dorthin führen.“
Noch bevor sich Ulrich bedanken konnte, hatte die Wirtin sich bereits umgedreht.
„Ich möchte wissen, warum uns die Alte auf einmal so freundlich gesinnt ist?“, wisperte Elisabeth ihrem Vater zu. „Ich kann mir nicht helfen, aber das Weibsbild benimmt sich irgendwie merkwürdig.“
„Da hast du Recht, Tochter, aber es ist weit und breit die einzige Herberge. Wir müssen hier übernachten. Die Pferde brauchen nach dem langen Ritt etwas Ruhe.“
„Nun gut, Vater, wie Ihr meint. Ich habe aber trotzdem ein ungutes Gefühl.“
Nach dem Essen führte die Wirtin Ulrich und Elisabeth zu den Schlafkammern. Das einzige Mobiliar der beiden Räume bestand jeweils aus einer Strohpritsche, über die ein schmuddeliges Betttuch geworfen war und einem Holzschemel. An den Wänden waren Talglichter befestigt, welche die Kammern spärlich ausleuchteten.
„Wenn Ihr noch etwas benötigt, so lasst es mich wissen. Ansonsten wünsche ich angenehme Nachtruhe“, verabschiedete sich die Alte mit einem Grinsen auf dem feisten Gesicht.
Die Kammern waren genauso, wie Ulrich es erwartet hatte. Die Binsen, mit denen der Boden ausgelegt war, schienen schon seit einer Ewigkeit nicht mehr erneuert worden zu sein. Ein säuerlicher Gestank stieg von ihnen auf. In den Ecken knackte und raschelte es verdächtig. Ulrich wollte lieber nicht darüber nachdenken, was für ein Getier sich in den Binsen tummelte.
„Nimm das schmutzige Laken herunter und leg dich auf deinen Umhang“, riet Ulrich seiner Tochter. „Ich werde das Gleiche tun.“ Dann küsste er Elisabeth auf die Stirn, und bevor er sich in seine eigene Schlafkammer begab, versicherte er sich noch einmal, dass die Pferde auch gut versorgt waren.
Am nächsten Morgen erwachte Ulrich mit dem ersten Hahnenschrei. Mühsam erhob er sich von dem Strohlager und rieb sich den schmerzenden Rücken. Als er seine Arme und Beine untersuchte, entdeckte er, dass sie von Wanzenbissen übersäht waren. Vielleicht war dies der Grund gewesen, warum er so schlecht geschlafen hatte. Er erinnerte sich wage, dass er einmal scharrende Geräusche vernommen hatte, aber kurz darauf wieder in einen unruhigen Schlaf verfallen war. Er beschloss, Elisabeth zu wecken. Als sie nach mehrmaligem Klopfen keine Antwort gab, betrat er die Kammer. Der Raum war leer. Auch Elisabeths Sachen konnte er nirgendwo entdecken. Vielleicht war sie bereits in die Schankstube gegangen oder schaute nach den Pferden.
Die Wirtsstube lag jedoch verlassen da. Es roch noch immer nach dem Kohlgemüse, und da die Magd noch kein Feuer gemacht hatte, war es kühl und klamm in dem düsteren Raum.
Auch im Stall bei den Pferden konnte Ulrich seine Tochter nicht finden. Als er zurück in die Herberge ging, traf er auf die Wirtin.
„Habt Ihr meine Tochter gesehen?“, fragte er. „Sie ist verschwunden.“
„Ja, das habe ich“, antwortete Mechthild. „Gestern Abend, als Ihr bereits in Eurer Kammer geschlafen habt, kam Eure Tochter noch einmal in die Schankstube, um etwas Wasser zu holen. Sie unterhielt sich recht lange mit einem jungen Burschen. Die beiden haben noch einen ganzen Krug Wein miteinander geleert. Heute Morgen, noch vor Sonnenaufgang, sind sie zusammen fort geritten.“
Ulrich war während Mechthilds Worten immer skeptischer geworden, ließ sich jedoch nichts anmerken. Hier stimmte etwas nicht, waren er und seine Tochter doch auf dem Weg nach Kaufbeuren, wo Elisabeth bereits von ihrem Bräutigam erwartet wurde. Die Hochzeit sollte in wenigen Tagen stattfinden. Ulrich konnte sich nicht vorstellen, dass Elisabeth einfach mir nichts dir nichts mit dem erstbesten Bauernburschen davonlaufen würde, da sie ihren Bräutigam liebte und es kaum mehr abwarten konnte, endlich sein Eheweib zu werden.
„Wie kommt es, dass meine Tochter weg geritten ist, wenn im Stall noch ihr Pferd steht?“, fragte Ulrich.
„Der Bauernbursche hatte wohl ein zweites Pferd dabei“, mutmaßte die Wirtin. „Mein Gatte wird gleich hier sein, dann könnt ihr bei ihm Eure Zeche begleichen“, blockte sie jeden weiteren Kommentar Ulrichs ab und verschwand in der Küche.
Nachdem Ulrich für Essen und Unterkunft gezahlt hatte, holte er die Pferde aus dem Stall. Was war mit Elisabeth geschehen? Ihre Worte vom gestrigen Abend kamen ihm wieder in den Sinn, das Misstrauen, welches sie der Wirtin gegenüber empfunden hatte. Ulrich war hundertprozentig sicher, dass sich Elisabeth noch irgendwo in der Herberge befand. Langsam ritt er den Hügel hinunter. Als das Wirtshaus nicht mehr zu sehen war, hielt er an einer kleinen Baumgruppe an. Er band die Pferde fest und ließ sich im Schatten der Bäume nieder. Er wollte warten, bis es dunkel war und dann zu der Herberge zurückkehren. Er würde Elisabeth
finden, koste es was es wolle!
Es war dunkel und feucht. Langsam tastete sich Elisabeth mit den Händen an der glitschigen Wand entlang. Irgendetwas huschte über ihre Füße und sie schrie vor Schreck laut auf. Dann vernahm sie eine Stimme. „Noch eine Unglückliche. Wann wird es endlich ein Ende nehmen.“
In der Nacht ritt Ulrich die Anhöhe hinauf und als er die schemenhaften Umrisse des Gasthauses vor sich liegen sah, stieg er vom Pferd und ging die letzten Schritte zu Fuß. Er wollte es nicht riskierten, jemanden durch das Hufgeklapper seines Pferdes aufzuwecken. Der Mond kam für einen kurzen Moment hinter einer Wolke hervor und so fand Ulrich ohne Probleme die Eingangspforte. Zunächst einmal betrat er den Schankraum. Ein lautes Schnarchgeräusch ertönte aus einer hinteren Ecke und als Ulrich ein Binsenlicht von der Wand nahm und anzündete, erkannte er eine Gestalt, die über einen Tisch gebeugt, tief und fest schlief. Ein betrunkener Gast, der den Weg zu seiner Schlafkammer nicht mehr geschafft hatte. Von der Schankstube aus ging Ulrich in die Küche, wo das Herdfeuer noch leise vor sich hin schwelte. Neben dem Ofen stand eine Schale mit Brot. Hungrig biss Ulrich in eine der Scheiben, er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen. Von der Küche aus führte eine Tür auf einen langen Gang, von wo aus man in die Schlafkammern gelangte. Leise schritt Ulrich voran. Er hätte beinahe laut aufgeschrieen, als eine Katze zwischen seinen Beinen entlang strich. Nacheinander leuchtete er in die einzelnen Schlafkammern hinein. Doch in keiner befand sich Elisabeth. Hinter der letzten Tür lagen der Wirt und die Wirtin schnarchend auf ihren Pritschen. Wo nur sollte er noch nach Elisabeth suchen? Verzweifelt schloss er die Tür.
Und dann hörte er es. Angespannt lauschte er in der Dunkelheit. Er konnte aber nicht genau ausmachen, aus welcher Richtung es kam, ein gleichmäßiges, wiederkehrendes Geräusch ... ein leiser Klopfton. Langsam ging Ulrich den Gang entlang, immer darauf konzentriert, ob das Klopfgeräusch lauter wurde. Und tatsächlich, nun vernahm er es schon viel stärker. Kurz vor dem Durchgang zur Küche waren die Klopfzeichen klar und deutlich zu vernehmen. Ulrich schöpfte neue Hoffnung. Er fegte die Binsen beiseite und entdeckte eine Holztür im Boden. Vorsichtig öffnete er den Riegel und klappte die Tür nach oben. Ein ekelerregender Gestank nach Exkrementen und Erbrochenen schlug ihm entgegen und er musste sich einen Moment lang abwenden, um das Würgegefühl, das ihn überkam, zu unterbinden. Er zog ein Leinentüchlein aus seinem Wams und presste dieses vor Mund und Nase. Dann beugte er sich erneut so weit es ging über das schwarze Loch und leuchtete mit dem Binsenlicht hinein. Er konnte nicht viel erkennen, nur ein Stück feuchte, modrige Wand.
„Elisabeth, bist du dort unten?“, rief Ulrich. Angestrengt lauschte er. „Elisabeth, hörst du mich?“
Dann endlich vernahm er die erlösenden Worte: „Vater, dem Himmel sei Dank. Ihr seid es wirklich“, während Elisabeths Gesicht im Schein des Binsenlichts auftauchte.
„Geht es dir gut, bist du unverletzt?“
„Mir geht es gut, Vater, aber ich bin nicht alleine. Außer mir sind noch drei andere Frauen hier unten. Eine von ihnen ist sehr krank, Anna ist bereits zu schwach zum Laufen. Könnt Ihr eine Leiter besorgen und zu uns heruntersteigen, Vater?“
Ulrich bejahte und schloss leise die Bodenluke. Hinter dem Stall wurde er fündig und kletterte bald darauf in die Dunkelheit hinunter. Überglücklich nahm er Elisabeth in seine Arme. Ihr Kleid war mit übel riechendem Schmutz bedeckt und die langen Locken hingen ihr strähnig über den Rücken. Doch sie lebte, und das war die Hauptsache. Im Hintergrund saßen die beiden anderen Frauen, die dritte lag neben ihnen und hustete erbärmlich.
„Meine arme Tochter, wie ist es dir nur ergangen?“
Rasch erzählte Elisabeth, wie die Wirtsleute in der vergangenen Nacht in ihre Kammer gekommen waren, sie geknebelt und schließlich die Leiter hinunter in dieses ekelhafte Loch gestoßen hatten. Hier hatte sie dann die anderen Frauen vorgefunden, die ihr von ihrem bevorstehenden Schicksal berichteten.
„Denkt Euch nur, Vater, die Frauen werden regelmäßig vom Wirt nach oben geholt, wo die Magd sie in einem Holzschuber abschrubbt. Dann werden sie zu einem männlichen Gast in dessen Kammer geschafft, wo sie diesem hilflos ausgeliefert sind. Sie müssen schreckliche Dinge über sich ergehen lassen, bis sie wieder in das Kellergefängnis gesperrt werden. Margret sagt, dass die die Wirtsleute von den Reisenden Geld dafür erhalten. Das gleiche Schicksal hätte auch mich ereilt, wenn Ihr mich nicht gefunden hättet, lieber Vater.“
Glücklich drückte Ulrich seine Tochter noch einmal kurz an sich, bevor er die Frauen aufforderte, die Leiter hinaufzusteigen.
„Ich werde das kranke Mädchen auf meinen Armen tragen.“ Eine nach der anderen kletterten sie nach oben. Als Ulrich mit Anna in der Luke auftauchte, kam plötzlich der Wirt aus seiner Schlafkammer.
„In drei Teufels Namen, was geht denn hier vor sich?“, rief er. „Mechthild, komm schnell.“
Die Frauen waren vor Schreck erbleicht und drückten sich ängstlich aneinander.
„Was brüllst du zu nachtschlafender Zeit so herum?“, erklang die keifende Stimme der Wirtin. Als sie Ulrich mit der kranken Anna auf den Armen erblickte, wurde sie blass. „Wie, wa... was tut Ihr hier?“, stotterte sie.
„Ich bin hier, um meine Tochter abzuholen, die wohl doch nicht mit dem Bauernburschen fort geritten ist“, erwiderte Ulrich barsch.
„Ihr ward kaum weg gestern Morgen, als Eure Tochter wieder zurückkam, weil sie es sich anders überlegt hatte“, versuchte sich die Alte herauszureden.
„Schweig still, Weibsbild. Schluss mit der Lügerei. Ich weiß, was ihr hier treibt und ich werde dafür sorgen, das dies ein Ende hat.“
„Und alles nur, weil du nicht den Hals voll kriegen konntest, Mechthild“, hub der Wirt zu heulen an. „Drei Dirnen waren dir ja nicht genug, nein, du wolltest noch eine vierte. Nun siehst du, was uns deine Habgier eingebracht hat.“
„Halts Maul“, brüllte die Alte. In der Zwischenzeit waren auch die anderen Herbergsgäste und die Magd von dem Geschrei aufgeweckt worden und traten aus ihren Kammern. Die Wirtin, welche die Ausweglosigkeit ihrer Lage erkannt hatte, wollte fliehen. Doch die Magd stellte ihr ein Bein, sodass die Alte mit dem Gesicht vornüber auf die Binsen stürzte. Ulrich und einer der Gäste ergriffen den Wirt und sein Weib und nötigen sie, die Leiter hinunter in das Kellerverlies zu steigen.
„Dort könnt ihr warten, bis der Schultheiß benachrichtigt ist und die Büttel euch abholen werden“, rief Ulrich zu ihnen hinunter.
„Gebt uns wenigstens eine Decke und ein Licht“, bat der Wirt.
„Ihr erhaltet nicht mehr und nicht weniger, als das, was ihr den Frauen gegeben habt“, sagte Ulrich und schloss die Bodenklappe.
Einer der anderen Gäste erklärte sich bereit, am nächsten Morgen in die Stadt zum Schultheiß zu reiten. Anna wurde in eine der Schlafkammern gelegt. Glücklicherweise befand sich gerade eine Frau in der Herberge, die sich in der Heil- und Kräuterkunde bewandert war. Sie bereitete Anna einen Trunk gegen das Fieber und machte ihr Brustumschläge aus dem Sud abgekochter Zwiebelblätter gegen den quälenden Husten.
Am späten Nachmittag des darauf folgenden Tages, erreichten die Büttel die Herberge. Die Wirtsleute wurden auf einem vergitterten Gefangenenkarren abtransportiert. Man würde sie in der Stadt in den Schuldnerturm werfen und ihnen bald darauf den Prozess machen.
Zwei Tagesreisen später erreichten Vater und Tochter endlich Kaufbeuren, wo Elisabeth bereits sehnsüchtig von ihrem Bräutigam erwartet wurde.
Und während Elisabeth eine Woche später demselbigen das Jawort gab, wurde zur gleichen Zeit in einer anderen Stadt dem Wirt und der Wirtin das Urteil gesprochen.