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Das Jupiterrennen

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10.06.2006
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Das Jupiterrennen

Prolog

„Ceres an Delta 1. Erstatten Sie Bericht!“,
erklang die Stimme des wach habenden Offiziers, der Ceresstation blechern aus Johns Helmlautsprecher.
„Delta 1 an Ceres. Alles klar hier draußen, Sir. Der Schirm zeigt nur den üblichen Frachterverkehr.“
Die Anzeige der Sensoren seines Aufklärers warf ein fahles Licht auf sein Gesicht und spiegelte sich auf der Frontscheibe seines Helmes. Es war ein ewig gleiches Bild von kleinen Punkten, welche die Frachtschiffe der Prospektoren darstellten, die sich zwischen dem Asteroidengürtel und der Erde bewegten.
Nachdem die ersten Kundschafter, die das Sonnensystem kartographierten, und hausgroße Brocken aus Gold und Diamant zwischen den treibenden Felsen entdeckten, war ein regelrechter Goldrausch ausgebrochen und sowohl die Bergbausyndikate der Erde, als auch Glücksritter begannen ihre Claims abzustecken.
Es gab hier draußen nur selten Zwischenfälle. Meist waren es durch Einschläge von Mikrometeoriten verursachte Havarien. Der Reichtum der Asteroiden an Edelmetallen lockte jedoch auch Piraten an, welche für einen Laderaum voll Platin über Leichen gingen.
Die United Nations Solar Security sah sich deshalb gezwungen einen militärischen Außenposten auf Ceres einzurichten um die Profite der Syndikate zu sichern. Denn diese waren ein wesentlicher Faktor bei der Erschließung des Sonnensystems und finanzierten einen Großteil des Budgets der UNSS.
John Berger war jetzt seit mehr als fünf Jahren Pilot der Solar Security und hatte sich vor Kurzem das Kommando über das Delta Geschwaders verdient, welches, bestehend aus drei Aufklärern, gerade die Abbaugebiete des Asteroidengürtels zwischen Mars und Jupiter patrouillierte. Er war immernoch dabei sich an diese neue Verantwortung zu gewöhnen, wobei er jedoch die Unterstützung seines ersten Flügelmannes Tom Jones besaß.
Jones hatte schon viele Vorgesetzte kommen und gehen gesehen jedoch wurde er, aufgrund seiner mangelnden Disziplin und aufbrausenden Art, bei Beförderungen jedes mal übergangen. Trotzdem war er hier draußen einer der besten Piloten und sorgte mit seinen derben Witzen und seinen alkoholgeschwängerten Liedern für die Moral der Truppe. Für John war er zu einer Vaterfigur geworden und es gab niemanden, den er bei einem Feuergefecht oder einer Kneipenschlägerei lieber dabei hatte, um ihm den Rücken zu decken.
John war gerade dabei, zum wiederholten mal seine Schiffssysteme zu überprüfen, als er die Stimme seines zweiten Flügelmannes Cheng vernahm:
„Sir einer der Frachter scheint ein Problem zu haben! Ich empfange ein Notsignal.“
„Verstanden Delta 3.“
„Da hat wahrscheinlich wieder einer beim Schlafen nen Stein erwischt.“, kommentierte Jones.
Einer der blauen Punkte auf seinem Schirm begann rot zu blinken. Er rief die Daten des Schiffes ab und nahm Kontakt auf: „Transporter NHQ-476, hier ist UNSS
Geschwader Delta. Können wir ihnen helfen?“
Eine mit Panik erfüllte Stimme schaffte es, das statische Rauschen zu durchdringen:
„Wir werden beschossen! Sie waren auf einmal da! Ich weiß nicht wieviele! Gott steh uns bei!“
Die Übertragung Brach abrupt ab und ließ sich nicht wieder herstellen.
Ein schwerfälliger Transporter der Blauwalklasse gab für die schnellen Jäger, der Kriminellen ein leichtes Ziel ab. Sie verfügten zwar über ein leistungsfähiges Lasergeschütz zur Abwehr von Weltraumschrott, waren aber nicht in der Lage, die verspiegelte Hülle eines Jägers zu durchdringen. Da sie aus Kostengründen keine gefechtstaugliche Panzerung schützte, durchschnitten die Lanzen aus kohärentem Licht, aus den Mündungen der Piratengeschütze ihre Hülle wie Butter. Eine solche Situation erforderte schnelles Handeln.
„Delta 1 an Ceres! Haben Notruf eines Frachters empfangen. Er wird von einer unbekannten Zahl an Schiffen angegriffen. Wir gehen dem nach. Bitte bestätigen!“
Es dauerte ein paar Sekunden bis die Antwort eintraf:
„Bestätigt Delta 1. sehen sie nach, was los ist aber warten sie auf Verstärkung!“
„Endlich wieder eine Gelegenheit zu zeigen, wofür wir bezahlt werden. Holen wir uns die Arschlöcher!“, rief Jones durch den Funk, offensichtlich froh über die Abwechslung.
„Sir ich empfehle vorsichtiges Vorgehen. Wir kennen weder Zahl noch Ausrüstung der Angreifer und sollten keine Auseinandersetzung ohne Verstärkung riskieren!“
Eddie Cheng war kein Feigling. Er war jedoch bei allem was er tat sehr vorsichtig und handelte stets nach Vorschrift. Aufgrund seiner zurückhaltenden Art, wusste John kaum mehr über ihn als in seiner Dienstakte stand. Er kam frisch von der Akademie und hatte seine Pilotenausbildung als Klassenbester in Astrogation und Sensortechnik abgeschlossen, verlor aber in Stresssituationen leicht die Nerven. Warum er sich trotzdem der Schutzflotte der UN und nicht dem Forschungskorps angeschlossen hatte war für John ein Rätsel. An seinen bisherigen Einsätzen gab es jedoch nichts zu bemängeln.
„Empfehlung zur Kenntnis genommen Delta 3. Es stehen jedoch Menschenleben auf dem Spiel. Formation einnehmen und mit maximalem Schub auf Abfangkurs gehen. Haltet Funkstille bis zum ersten Kontakt. Vielleicht können wir sie überraschen.“

Martin McMillan, der Chefingenieur der „Old Lady“ inspizierte gerade ein Leck in einer Versorgungsleitung im hinteren Teil des Schiffes, während der Rest der zehnköpfigen Besatzung entweder ihren Dienst auf der Brücke verrichtete oder in ihren Kojen lag, als der Alarm los ging. Das ohrenbetäubende Geheule wurde durch die energische Stimme des Kapitäns untermalt:
„Hier spricht der Kapitän. Suchen sie umgehend die Schutzräume auf! Wir werden angegriffen! Ich wiederhole wir werden angegriffen!“
An Bord eines Schiffes dieser Art gab es, wie in den U-Booten früherer Zeiten der Erde, durch Sicherheitsschotts abtrennbare Sektionen, in denen sich jeweils ein kleiner Schutzraum befand. In ihnen konnte man, hermetisch abgeriegelt, ein Entweichen der Atmosphäre bei einer Havarie oder einem Angriff, für eine Gewisse Zeit überstehen. Wegen den Entfernungen innerhalb des Sonnensystems konnte es jedoch unter Umständen Wochen oder gar Monate dauern, bis Hilfe eintraf. Die Besatzung hatte bei schweren Zwischenfällen also oft nur die Wahl zwischen einem schnellen Tod durch Dekompression und einer kleinen Zyankalipille im Schutzraum, wenn die Vorräte an Sauerstoff und Nahrung, die nur für ein paar Tage reichten zur neige gingen.
McMillan fluchte und begann sich einen Weg durch die Schwerelosigkeit der engen Korridore zum nicht weit entfernten Schutzraum zu bahnen. Nach kurzer Zeit erreichte er die vermeidliche Sicherheit des kleinen Raumes, der für zwei Personen ausgelegt war, und verschloss die Tür. Das Schiff begann bereits unter dem Beschuss zu zittern und wurde durch austretende Gase in unkontrollierte Rotation versetzt. Das einzige was ihm jetzt noch blieb war beten und hoffen, dass seine Kameraden es rechtzeitig geschafft hatten und sie noch einen Notruf nach Ceres absetzen konnten.

Auch ohne die Daten seines Computers konnte John den schwer beschädigten Frachter, anhand der dichten Schwaden aus Rauch, Wasserdampf und Laserdiffusionsgas, welches den einzigen Schutz dieser Schiffe darstellte, ausmachen. Es waren insgesamt vier schwer bewaffnete Jäger der Raptorklasse, die ihn angriffen. Eine Übermacht, gegen die drei Aufklärer der UNSS nur geringe Chancen hatten. Die Verstärkung war jedoch noch zu weit entfernt, um ihnen zur Hilfe zu kommen. Da die Piraten sie anscheinend noch nicht bemerkt hatten, konnten Sie vielleicht einen von ihnen ausschalten und den Rest solange ablenken bis Hilfe eintraf. Dabei musste John jedoch sein eigenes Leben und das seiner Kameraden aufs Spiel setzen. Er hatte zwar schon einigen Kampfeinsätzen teilgenommen und hatte auch schon ein paar Abschüsse vorzuweisen, jedoch lastete die Verantwortung nie auf seiner eigenen Schulter. Er stand vor einer schwierigen Entscheidung.
Mit ein paar kurzen Kommandos Teilte er seinen Kameraden seine Entscheidung und seinen Plan mit und gab Befehl zum Angriff. John erfasste einen der Jäger mit seinem Zielcomputer und gab das Ziel an Jones und Cheng durch. Sie feuerten drei Raketen ab, als sie in Reichweite waren und bereiteten sich darauf vor eine zweite Salve abzugeben falls sie ihr Ziel verfehlten.
Der völlig überraschte Pilot des Raptors bemerkte die wärme suchenden Raketen zu spät, um sie mit ausgestoßenen Täuschkörpern von seinem Antrieb abzulenken, konnte nur der ersten ausweichen und starb in einer Wolke aus Metall, Glas und Feuer.
Jones Jubelte. Es war sein Treffer und konnte somit einen weiteren Totenkopf auf die Flanke seines Schiffes lackieren.
Die Piraten gingen zum Angriff über als sie die ersten Sekunden der Verwirrung überwunden hatten. Sie drehten die Nasen ihrer Jäger in Richtung der Angreifer und feuerten ihrerseits Raketen ab.
„Abwehrmaßnahmen ergreifen auf mein Kommando!“, rief John.
Als die Raketen nahe genug waren stießen sie gleichzeitig ihre Täuschkörper ab und lösten ihre Formation in steilen Kurven auf. Die Fliehkraft presste John tief in seine Beschleunigungsliege.
„Zwei von ihnen sind an mir dran!“, rief Cheng.
In wilden Zick-Zack-Manövern versuchte er sie abzuschütteln. Sein Aufklärer war zwar wendiger als die Schiffe der Gegner, jedoch hatte er so gut wie keine Kampferfahrung.
„Keine Panik Jungchen ich hab sie erfasst!“, antwortete Jones.
Er feuerte zwei weitere Raketen ab und der erste Pirat brach seine Verfolgung ab um ihnen auszuweichen. Dem Zweiten gelang es jedoch Cheng zu erfassen und feuerte seinerseits auf ihn bevor er auswich. Auch Jones bekam jetzt Probleme, denn er hatte nicht bemerkt, wie sich der dritte Gegner hinter ihn brachte.
„Rückzug Männer! Wir haben getan was wir konnten.“
Die Verstärkung aus fünf Jägern der UNSS war schon fast bei ihnen doch es war bereits zu spät. Chengs Schiff wurde getroffen und Jones hatte bereits mehrere Raketen im Rücken.
„Jones! Täuschkörper!“, rief John.
„Alle verbraucht. Bring dich selbst in Sicherheit John.“
Er hatte nicht Bemerkt, dass die eingetroffenen Schiffe der UNSS die Piraten schon unter Beschuss nahmen. Das einzige was er sah, war das Licht der Explosionen der Schiffe seiner Freunde, dass sich für immer in seine Erinnerungen einbrennen sollte.


Kapitel 1

John Berger erwachte schweißgebadet im Bett seines Appartements. Es war das Jahr 2076, seine Entlassung aus dem Militärdienst lag jetzt fünf Jahre zurück und er näherte sich seinem dreißigsten Geburtstag. Er hatte Glück gehabt, dass einer der Besatzungsmitglieder und die wertvolle Ladung des Rohstofftransporters NHQ-476 geborgen wurde und der Tot zweier Piloten somit wenigstens teilweise gerechtfertigt werden konnte. Die Prospektorgesellschaft stellte ihm einen Anwalt zur Verfügung und er landete nicht in den Gefängnisminen des Marsmondes Deimos, sondern wurde sogar ehrenhaft entlassen. Er hatte jedoch immernoch regelmäßig quälende Alpträume von diesem Zwischenfall und den anklagenden Blicken Chengs Angehöriger auf der Trauerfeier.
Die Sonne war schon über seiner Geburtsstadt Hamburg aufgegangen und warf erste goldene Strahlen durch das Fenster.
„Hast du wieder geträumt?“, fragte Vanessa schläfrig.
Sie hatten erst vor kurzem in einer Bar kennen gelernt und aus einem One-Night-Stand entwickelte sich eine oberflächliche Beziehung. John hatte sie gern, aber für die Chance wieder ein Raumschiff zu steuern, würde er sie ohne Zögern verlassen. Bereits seit seiner Kindheit träumte er davon zwischen den Planeten zu Reisen und fühlte sich nun leer und depressiv, was sich auch in seiner Erscheinung bemerkbar machte. Dunkle Ringe unter seinen braunen, fast schwarzen Augen verfinsterten sein fein geschnittenes Gesicht und die hängenden Schultern ließen seine hochgewachsene, schlanke Statur schlaksig wirken. Vanessa war hilfreich, doch sie konnte ihm seinen Traum nicht ersetzen. Noch dazu kam, dass sein restlicher Sold und die Abfindung, die er erhalten hatte, langsam zur Neige gingen und er war gezwungen einen Job als Taxifahrer anzunehmen. Eine erniedrigende Tätigkeit für einen Piloten mit seinen Fähigkeiten. Jemand mit seiner Vorgeschichte war jedoch schwer zu vermitteln.
„Ist schon gut. Schlaf ruhig weiter.“
Obwohl John sich noch etwas matt fühlte und einzelne Schnipsel seines Traumes durch seinem Geist spukten, stand er auf und griff nach seinem Morgenmantel. Vanessas gleichmäßige Atmung verriet ihm, dass sie schon wieder schlief.
Seine kleine Wohnküche hatte schon, instruiert vom Computer des Appartements, der jede Bewegung und Gefühlslage des Bewohners registrierte, ein Frühstück bestehend aus heißem, duftenden Kaffee und frisch gebackenen Brötchen für ihn zubereitet. Nachdem er sich mit einer heißen Dusche vom Schweiß und den Schrecken der Nacht befreit hatte, setzte er sich auf das gemütliche kleine Sofa vor der Medienwand und studierte beim Essen die Nachrichten. Es gab neue Erkenntnisse über die quallenartigen Lebensformen in den Ozeanen unter dem Eis des Jupitermondes Europa, weitere Ausschreitungen der Separatisten in den Kolonien des Mars und die neuesten Modetipps für den Sommer.
Gegen Mittag erhielt er von seinem Taxiunternehmen den ersten Auftrag. Es hieß, der Kunde habe ausdrücklich nach John verlangt, was ihn etwas stutzig machte. Gab es so etwas wie Stars unter den Taxifahrern? Der Lift zog ihn hoch auf das Dach, auf dem sein Taxi wartete. Es war eine klobige Mischung aus Jet und Straßenfahrzeug, sowohl für kurze Strecken in den Häuserschluchten Hamburgs, als auch für lange innerhalb Europas ausgelegt.
Sein Fahrgast erwartete ihn vor dem Eingang des Metropolhotels nur ein paar Straßen weiter. Mit einem herzlichen „Guten Abend.“, begrüßte er John und schob seinen massigen Körper auf den Rücksitz.
„Guten Abend. Wohin soll es denn gehen?“
„Zum Berliner Raumhafen bitte. Aber fliegen sie gemütlich Mr. Berger. Ich hab es nicht eilig.“, antwortete er mit markantem englischen Akzent.
Ein Fahrgast, der es nicht eilig hatte, war etwas sehr ungewöhnliches. Nachdem sie in der Luft waren und er den Kurs in Computer eingegeben hatte, fragte John:
„Kennen wir uns von irgendwo her?“
Bevor er antwortete, zündete er sich gemächlich eine dicke, nach Likör riechende Zigarre an.
„Mein Name ist Martin McMillan und ich habe noch eine Rechnung mit ihnen offen.“
McMillan. Irgendwo hatte er diesen Namen schon einmal gelesen. Natürlich! Die Gerichtsakten. Es stellte sich heraus, dass McMillan unbeschadet überlebt hatte und ein Unternehmen gründete, welches heute einer der größten Produzenten von Raumschiffen war. Aufgrund einer umstrittenen Vertragsklausel erhielt er, als einziger Überlebende des zerstörten Transporters, zusätzlich zu seiner, die Provision der anderen Crewmitglieder und vervielfältigte den Betrag durch ein glückliches Händchen an der Börse.
„Sie haben mir das Leben gerettet, Mr. Berger.“
„Ich tat nur meine Pflicht als Soldat. Jedenfalls dachte ich das damals.“
„Ich habe ihren Prozess Verfolgt. Es ist eine Schande wie man ihr Talent vergeudete. Wie sie wissen bin ich mit McMillan Spacecraft Limited ein reicher Mann geworden und kann vielleicht etwas für sie tun, um meine Schuld zu begleichen.“, sagte McMillan und lächelte ihn freundlich durch den Rückspiegel an. John zögerte. Obwohl er sehr knapp bei Kasse war, wollte er kein Geld für seine Taten. Es wäre dem Andenken seiner Freunde nicht würdig gewesen. Es konnte jedoch nicht schaden, sich sein Angebot wenigstens anzuhören.
„An was dachten sie da?“, fragte John misstrauisch.
„Vor zwei Wochen hat die UN einen Auftrag für ein schnelles Kurierschiff ausgeschrieben. Zu diesem Zweck wird ein Rennen vom Mond bis zur Jupiterbasis Stormwatch veranstaltet. Meine Ingenieure sind schon dabei, ein derartiges Schiff zu konstruieren und auch meine Konkurrenten werden ein Team an den Start schicken. Was ich jetzt noch brauche ist ein Pilot und an diesem Punkt kommen sie ins Spiel, Mr. Berger.“
Nach Monate langen Theoriestunden, Testflügen und medizinischen Untersuchungen war für John der Tag der Abreise gekommen. Der Abschied von Vanessa ging relativ leicht von statten, denn sie wusste, wie viel ihm diese Gelegenheit bedeutete. Sie hatten sich darauf geeinigt, nicht aufeinander zu warten, jedoch alle Möglichkeiten offen gelassen.
„Wir bitten alle Passagiere des Fluges 51H7G nach Luna 2 einzuchecken.“, plärrte es aus den Lautsprechern des Berliner Raumhafens, in vier verschiedenen Sprachen. Es war sein Flug und John veranlasste seine Zeitung dazu, sich in seiner Hand zusammen zu falten, bevor er sich auf den Weg zur Passkontrolle machte.
Während des Fluges studierte er noch einmal die Spezifikationen des Schiffes, welches er bald steuern sollte. Er fing jedoch nach kurzer Zeit an, in seinem gemütlichen Erste-Klasse-Sessel zu dösen. Eingelullt von den sanften Vibrationen des Antriebs, welche die rodeoartige Startphase abgelöst hatten.

Barbara legte den Datenhandschuh der Spielkonsole bei Seite und rieb sich die müden Augen.
„Ach komm. Noch eine Runde. Ich hätte dich diesmal fast erwischt!“, rief Billy, ihr kleiner Bruder enttäuscht.
Seit dem Tod ihrer Eltern vor vier Jahren, hatte sie ihn bei sich aufgenommen.
„Mir reicht es für heute, außerdem muss ich bald los zur Arbeit, echte Raumschiffe Fliegen.“
Sie war Testpilotin bei Union Industries. Mit ihren 24 Jahren eine der jüngsten, der Geschichte. Trotz dieser Tatsache behandelten ihre Kollegen sie, aufgrund ihrer zierlichen, jedoch sehr weiblichen Erscheinung, wie ein attraktives, dummes Blondchen. Sie fragte sich oft, wie viel Leistung sie noch bringen musste, damit ihre Fähigkeiten endlich anerkannt wurden. Vielleicht erhielt sie heute wieder eine Chance sich zu beweisen, denn Barbara Rosental hatte sich für einen interessanten Auftrag beworben. Es handelte sich um den Testflug eines neuen Hochgeschwindigkeitsraumschiffs.


Kapitel 2

Von tiefen Kratern unterbrochene Dünen grauen Staubes zogen unter ihm vorbei, als das Passagierschiff sich dem Mondhabitat Luna 2 näherte. Die Kolonie hatte sich von einem kleinem Transferhafen zu einem florierenden Handelszentrum und Umschlagplatz für Waren aus dem ganzen System entwickelt. John hatte an diesem Ort die beste Zeit seines Lebens verbracht. Nicht weit vom Hafen entfernt, stand die kleine Kuppel des Internats der Raumfahrtakademie, auf das ihn seine Eltern nach der Grundschule schickten. Mit einem, in der geringen Schwerelosigkeit, kaum spürbaren Ruck setzten sie auf und warteten auf den Andockschlauch, der sie beim Aussteigen vor dem Vakuum des Alls schützte.
Am Rennen sollten insgesamt vier Teams Teil nehmen und die UN gab, zwei Tage vor dem Start, einen Empfang zu ihren Ehren.
„Guten Abend, Sir. Ihre Einladung bitte.“, sagte der kostümierte Angestellte, der die ankommenden Gäste kontrollierte und höflich die Eingangstür des barocken Ballsaales aufhielt. John war ohne Begleitung gekommen. Er hatte die meisten seiner Freunde von damals aus den Augen verloren.
McMillans markante Gestalt war unter den anwesenden High-Society-Gästen und Journalisten, anhand seines bunt karierten Kilts und der dazugehörigen Mütze, leicht auszumachen. Er wurde umringt von einem Pulk aus eifrigen Reportern und Hobbywissenschaftlern, die nach Details seiner neuesten Konstruktion dürsteten. Er entdeckte ihn im selben Moment und zitierte John mit einer dezenten Geste an seine Seite.
„...und so konnten wir, durch die Erzeugung höherer Strömungsgeschwindigkeiten und die Verwendung von schwereren Elementen, als Antriebsgas, den Schub unseres Ionentriebwerks auf 1,2 G anheben.“, beendete er gerade seine Ausführungen.
„Darf ich ihnen nun unseren Piloten vorstellen, Mr John Berger.“
Es gab sporadischen Applaus, welcher Johns Nervosität noch verstärkte. Er fühlte sich etwas überrumpelt, denn er war öffentliche Auftritte nicht gewöhnt und bekam nervöse Ticks und Schweißausbrüche. Mehr als einsilbige Antworten brachte er nicht heraus und stellte mit Erleichterung fest, dass der Mob das Interesse verlor. Die Menge löste sich auf und widmete sich wieder der Party.
„Schön sie hier zu sehen John. Ich habe schon auf sie gewartet und möchte ihnen ein paar interessante Leuten vorstellen. Wenn sie mir bitte folgen würden.“
Sie bahnten sich einen Weg durch die feiernden Massen und erreichten einen etwas abgetrennten Exklusivbereich. In ihm befanden sich bereits ein paar Personen, die sich als Piloten der anderen Teilnehmer herausstellten. Micheal Fowley III war der Sohn zweier amerikanischer Filmstars und als Draufgänger und Frauenheld bekannt. Für John war er aber nur ein eitler, arroganter Sack voll heißer Luft. Neben ihm Standen ein Mann und eine Frau mittleren Alters mit afrikanischer Abstammung. Sie waren offensichtlich ein Paar. Es handelte sich um Gerald und Flora Mbutu, zwei steinreiche Unternehmer und Hobbybastler, die mit ihrer eigenen Konstruktion an den Start gingen. Ein gewagtes Unterfangen, jedoch nicht ihr erstes. John nahm sich ein Glas Sekt vom Tablett des gerade vorbei rollenden Servierroboters und klinkte sich in ihr Gespräch ein. McMillan zog sich nach kurzer Zeit zurück um sich anderen Gästen zu widmen. Sie waren gerade dabei ihre Raumfahreranekdoten auszutauschen, als Barbara Rosental den Raum betrat. Sie war erst vor ein paar Tagen nach Luna 2 gekommen und hatte ihre freie Zeit bis zum Start genutzt um sich ein paar Tage Urlaub zu gönnen. Ihren Bruder hatte sie glücklicherweise bei ihrer Tante Martha unterbringen können. Gut gelaunt und von einem eleganten, tief ausgeschnittenen, roten Abendkleid umhüllt, erschien sie auf der Gala. Der zuerst etwas gelangweilte Fowley begann nun, seine Footballspielerbrust aufzuplustern und setzte sein tausendfach einstudiertes Cassanovalächeln auf. Auch John war beeindruckt von ihrem Auftreten und gab sich angestrengt Mühe, seinen Blick auf der Höhe ihres Gesichtes zu halten. Nachdem sie sich ihnen vorgestellt hatte, begann Fowley von seinen Heldentaten, bei den Rennen in den Kanälen des Mars, zu prahlen und kam nach einer Weile auf John zu sprechen.
„Ich habe gehört, sie waren früher ein richtiger Baron von Richthofen. Mich würde interessieren warum McMillan gerade sie eingestellt hat.“, fragte er mit einem süffisanten Grinsen im Gesicht.
Natürlich wusste er von dem Zwischenfall, denn er hatte sich im Vorfeld ausführlich über seine Mitstreiter informiert. Psychologische Kriegsführung gehörte zu seinem Handwerk. John durchschaute das Vorhaben, ihn bloß zu stellen und sein Selbstbewusstsein schon vor dem Start zu schwächen. Er musste sich jedoch zusammenreißen, keine Schlägerei vom Zaun zu brechen.
„Ich war als Pilot bei der UNSS angestellt und habe unter anderem für die Sicherheit von Leuten, wie ihnen und deren Raumyachten gesorgt.“, antwortete er zähneknirschend.
Es war nicht gelogen, denn er hatte einmal ausgerechnet Fowleys Eltern bei einer Reise eskortiert. Dieser merkte, dass John sich nicht aus der Reserve locken ließ und machte weiter mit seiner Selbstverherrlichung. Als das Orchester einen lockeren Walzer begann, wendete Barbara sich mit rollenden Augen von ihm ab, seiner Annäherungsversuche überdrüssig.
„Haben sie Lust zu tanzen Mr Berger?“, fragte sie John mit einem bezauberndem Lächeln auf den Lippen. Obwohl er wusste, dass er kein guter Tänzer war, konnte er ihr diese Bitte nicht ausschlagen und so ließen sie die Mbutus und den nun etwas angesäuerten Fowley zurück, um sich auf die Tanzfläche zu begeben.
Er konnte sich noch an die richtigen Schritte erinnern und schaffte es sogar, ihr nicht auf die Füße zu treten. Nach zwei weiteren Stücken lösten sie sich aus der Menge und genossen auf einem Balkon, die frische Abendluft und die Skyline der Hauptkuppel, über der die diamantenen Sterne des Mondhimmels leuchteten.

Eine dunkle Gestalt huschte von Schatten zu Schatten zwischen den Hangars, auf dem Gelände des Raumhafens. Er wusste genau, wie er die Sicherheitsmaßnahmen umgehen und seine Mission durchführen sollte, denn sein Auftraggeber hatte ihn sehr ausführlich instruiert. Als er sich vorsichtig an sein Ziel herangeschlichen hatte, benutzte er sein Werkzeug um die Verkleidung des Schiffes zu lösen und deponierte einen kleinen Gegenstand in der nähe des Antriebs, bevor er sich wieder davon stahl.

„Noch fünf Minuten bis zum Countdown. Ich wiederhole: noch fünf Minuten!“
John lag nachdenklich in seiner Andruckliege und überprüfte routiniert die Systeme. Er nahm die regelmäßigen Durchsagen nur zur Hälfte war. Sein Schiff, in dem er die nächsten zwei Wochen verbringen sollte, war eines der schönsten, dass er je gesehen hatte. Es war dafür konstruiert worden, Eindruck zu schinden und die Designer konnten, befreit von den Zwängen der Aerodynamik, ihrer Fantasie freien Lauf lassen.
In den Hallen des Hafens verfolgten tausende Schaulustige die letzten Startvorbereitungen an den vier elegant geschwungenen Schiffen und fieberten dem Countdown entgegen. Auch John tauchte auf aus seinen Erinnerungen, als die entscheidenden zehn Sekunden näher rückten.
„... vier, drei, zwei, eins, lift off!“
„Für dich, Tom.“, murmelte er leise in seinen Helm, bevor er den Schubregler mit Gewalt bis zum Anschlag schob.
Das Rennen zum Jupiter hatte begonnen.


Kapitel 3

Sein pfeilförmiges Schiff raste seit sechs Tagen durch die leeren Weiten des Weltraums. Der zweistöckige Wohnraum war quer zur Längsachse des Schiffes ausgerichtet und so war die Nase seines Gefährts für John oben und die Triebwerke unten. Die Beschleunigung des Antriebs erzeugte eine Erdähnliche Schwerkraft und er hatte Anfangs das Gefühl, sich in einem Fahrstuhl zu befinden. Wie üblich, überprüfte er nach dem Aufstehen seine Position und den Kurs des Schiffes und informierte McMillan und seine Ingenieure über seine Lage.
Er stieg anschließend die kleine Trittleiter hinab in den unteren Bereich seines Wohnraums und machte sich etwas zu Essen. Für Nahrungskonzentrat schmeckte es ausgezeichnet. Nur die Konsistenz ließ etwas zu wünschen übrig.
„Hi John. Bist du endlich wach, Schlafmütze?“
Es war die Stimme Barbaras aus dem Lautsprecher des Sprechfunks. Er hatte sie seit dem Abend auf dem Bankett nicht mehr gesehen. Sie unterhielten sich jedoch regelmäßig über Funk oder spielten Schach per Bordcomputer, um der bedrückenden Einsamkeit des Alls zu entgehen.
„Guten Morgen Barbara. Alles klar bei dir?“
„Alles im grünen Bereich. Du sag mal, ich hab anscheinend vergessen mir genügend Lesestoff mitzunehmen. Könntest du mir nicht ein paar deiner Bücher rüber schicken?“. Sein Computer verfügte über eine sehr umfangreiche Bibliothek. Er kam amüsiert zu dem Schluss, dass dies wohl nur ein Vorwand war, ihn über seine Vorlieben besser kennen zu Lernen, denn Barbara hatte sicherlich einen ähnlich ausgestatteten Computer.
„Na klar. Ich stell dir gleich ´ne Auswahl zusammen. Gibt es was neues von den Mbutus?“
Die Mbutus hatten, aufgrund eines Triebwerkfehlers das Rennen abbrechen müssen und waren auf dem Weg zum Mars. Sie hatten sich oft in ihre Gespräche eingeklinkt und sogar Gerald Mbutus Geburtstag mit ihnen gefeiert. Fowleys Raumschiff war jedoch nach wie vor auf seinem Schirm.
„Ich soll dir schöne Grüße ausrichten. Sie sind, Gott sei dank, heil angekommen.“
Sie unterhielten sich noch eine Weile über allerlei Belanglosigkeiten und lachten dann gemeinsam über einen alten Film, den sie sich simultan anschauten. Er hatte sich eingestehen müssen, dass er ein wenig in sie verknallt war. McMillan hatte ihn in letzter Zeit mehrmals ermahnt, sich daran zu erinnern, dass sie Konkurrenten waren. Gehörten ihre Flirts vielleicht zu einer perfiden Taktik, ihm den Sieg abzuringen?
Er schob den Gedanken beiseite und betrachtete seine Scanneranzeige.
Fowleys Schiff hatte sich in den letzten Stunden auf wenige hundert Kilometer genähert. Wenn er seinen Kurs nicht änderte, würden sie bald kollidieren. Wollte er ihn etwa rammen?
„Fowley. Hören sie auf mit den Spielchen.“
Es kam keine Antwort. Statt dessen verringerte sein Schiff den Abstand immer schneller. John war nicht gewillt ihm auszuweichen. Mit Schrecken sah er wie sich Fowley mit kleinen Stößen aus seinen Steuerdüsen direkt vor seinen Bug schob. Der Wert auf der Geschwindigkeitsanzeige der Armaturen begann bereits zu sinken, denn der Strahl aus heißem, ionisiertem Gas aus Fowleys Antrieb drückte gegen die spitze seines Schiffes. Lange würde sie den höllischen Temperaturen nicht stand halten.
„Dieser aristokratische Mistkerl!“, murmelte John und warf sich auf seine Liege, schnallte sich an und ergriff das Steuer. Er hatte Mühe ein seitliches Wegkippen seines Gefährts zu verhindern. Ihm blieb nichts anderes übrig als Platz zu machen, denn er war in dieser Position eindeutig im Nachteil. Durch den erreichten Vorsprung in der Beschleunigung, flog ihm Fowley davon. Mit diesem Manöver hatte er sich wahrscheinlich den Sieg geholt, denn Barbara lag hinter ihnen auf dem dritten Platz.
Sie hatten jedoch noch etwas mehr als die Hälfte der Strecke vor sich.

Barbara erwachte mitten in der Nacht. Natürlich herrschte außerhalb der schützenden Hülle ihres Schiffe zu jeder Zeit die Nacht. Ihr Verstand war jedoch auf diese Analogien angewiesen, um Struktur in die Phasen ihres Alltags zu bringen.
Außer dem kühlen blauen Licht der dämmrigen Notbeleuchtung, war es dunkel. Einer ihrer Stifte schwebte langsam an ihren halb geöffneten Augen vorbei. Schwerelosigkeit? Panik begann in ihr aufzusteigen. Sie riss sich von ihrer Liege los und sprang auf. Der Impuls ließ sie mit Wucht gegen die Wandverkleidung driften. Barbara biss sich dabei in die Lippen und hätte sich fast den Arm ausgekugelt. Etwas benommen schaute sie sich um. Die Instrumente waren komplett ausgefallen. Was war passiert? Der Schub. Irgendwas stimmte mit den Triebwerken nicht. Sie unterdrückte den inneren Drang, sich heulend in Fötushaltung zusammen zu rollen und Stieß sich von der Wand ab. Barbara hatte öfters in Schwerelosigkeit trainiert und erreichte ohne Probleme die Luke zum Maschinenraum. Der Instinkt überwältigte sie schließlich, als ihr die Anzeige des Schotts nach Backbord zeigte, dass sich dahinter das tödliche Vakuum des Alls befand und sie sich ihrer Hilflosigkeit vollends bewusst wurde.

Sein Scanner zeigte John, dass Barbaras Schiff langsam zurück viel. Vielleicht hatte sie sich entschieden schon früher mit der Bremsphase zu beginnen. Er kannte jedoch ihren Ehrgeiz und hielt dies für unwahrscheinlich. Hatte sie Probleme?
„Hey Barbara. Gibst du schon auf?“
Es kam keine Antwort. Wahrscheinlich schlief sie gerade, wie immer um diese Zeit. Die Berechnungen an einem neuen Kurs hielten ihn noch wach. Er erkannte, dass er zuviel Zeit damit verbrachte über sie nachzudenken, denn er musste sich konzentrieren. Es musste einen Weg geben, Fowley wieder einzuholen. Vielleicht fand er die Lösung in der Nutzung der Schwerkraft des Jupiters und seinen Monden. Die UN wollte nur ein Schiff. Es gab nur einen Sieger und der Zweite hatte genauso verloren wie der Rest. John wollte nie wieder den Taxifahrer für arrogante Yuppies spielen.
„John, hier ist Luna 2. Bitte kommen!“
Die Stimme McMillans riss ihn aus seinen Gedanken. Müde schleppte er sich zum Mikrofon.
„Was gibt’s Martin? Wollen sie mir noch eine Gutenachtgeschichte erzählen oder wissen, wie langweilig es hier oben wirklich ist?“, fragte er etwas gereizt.
„Ich fürchte diese Geschichte wird dir nicht Gefallen. Die Rennleitung hat soeben mitgeteilt, dass sie keine Telemetrie mehr von Ms Rosentals Schiff erhalten. Sie antwortet weder auf Funksprüche noch auf Datentransfer. Aber wag es jetzt bloß nicht, meinen Sieg für irgendwelche unüberlegten Abenteuer aufs Spiel zu setzen! Ich warne dich!“
Mit einem Mal war John hellwach. Der Punkt auf seinem Radar war scharf umrissen. Ein Trümmerfeld hätte ausgesehen, wie ein diffuser Fleck. Dies konnte ihn jedoch kaum beruhigen. Wenn ihr nun etwas zugestoßen war... Nein. Sollte er bremsen und nach dem Rechten sehen? Vielleicht waren auch nur ihre Kommunikationssysteme ausgefallen. Außerdem hatte er schlechte Erfahrungen mit Rettungsmissionen gemacht, doch er hatte auch den Wert eines Menschenlebens kennen gelernt. Nachdem ihm weitere Möglichkeiten für ihr Schicksal durch den Kopf gejagt waren, traf er eine der schwierigsten Entscheidungen seines Lebens.


Kapitel 4

Das Wrack rotierte langsam vor dem Hintergrund der Sterne. Ein Fehlen von sämtlichen Lichtquellen deutete auf einen totalen Energieausfall hin und im hinteren Teil des Schiffes klaffte ein riesiges Loch. Es sah aus wie ein gestrandeter Wal, dessen Leib durch den Druck von Fäulnisgasen zerplatzt war.
John hatte sich auf Sichtweite angenähert, um den Schaden zu begutachten. Sein Magen krampfte sich zusammen. Er hatte immernoch kein Lebenszeichen von Barbara erhalten. Plötzlich zeigte sie sich an einem Fenster ihres Wohnbereichs. Er hätte sie fast nicht erkannt. Ihre langen Haare schwebten strähnig um ihren Kopf. Das sonst so schöne Gesicht war fleckig und in ihren eisblauen Augen stand die Angst geschrieben. Sie lebte. John wäre fast vor Erleichterung aufgesprungen, erinnerte sich dann aber noch rechtzeitig an die Schwerelosigkeit. Er winke ihr zu und sie winkte ihm mit einem müden Lächeln zurück. Dann verschwand sie für einen Moment und kam mit einem Zettel, den sie gegen die Scheibe drückte.
'Schön dich zu sehen John. Alle Systeme Ausgefallen. Komme nicht an meinen Anzug. Habe genug Sauerstoff aus der Notreserve aber es wird kalt.'
Schnell schnappte John sich etwas zu Schreiben.
'Hatte schon länger vor dich abzuschleppen. Werde versuchen unsere Schiffe zu Koppeln. Hältst du durch bis Stormwatch?'
Schnell schrieb sie eine Antwort auf einen neuen Zettel.
'Hätte ich geahnt, dass es Katastrophen braucht um dich wachzurütteln, hätte ich mir auf dem Bankett das Bein gebrochen. Ich werde es schon Schaffen. Bring dich nicht in Gefahr.'
Er hatte es geschafft sie ein wenig aufzumuntern. Nun musste er einen Weg finden, die Andockklammern seines Gefährts an der Außenhaut ihr Schiffes zu fixieren, ohne noch mehr Schaden anzurichten. Es würde zwar Probleme geben mit seinem Triebwerk die doppelte Masse abzubremsen, aber darüber konnten sie sich später noch Sorgen machen. Viel wichtiger war es, sie vor dem Kältetod zu bewahren, denn sie hatten noch fünf Tage vor sich. Zuerst musste er Bericht erstatten.
„Luna 2, hier ist John Berger. Bitte kommen.“
„John, was machst du? Du bist nicht mehr auf Kurs!“, antwortete McMillan wütend.
„Ich habe Ms Rosental gefunden. Sie lebt, aber ihr Schiff ist stark beschädigt. Ich werde unsere Schiffe Koppeln und sie bis Stormwatch begleiten.“
„Scheiße John! Ich hätte keinen verdammten Helden engagieren sollen! Was ist mit dem Rennen?“
„Vergessen sie das Rennen Martin. Sie können nicht von mir nicht erwarten, dass ich sie hier draußen verrecken lasse.“
Mit einem Knopfdruck beendete John die Flüche und Verwünschungen des erbosten McMillans. Es erforderte sein ganzes Geschick als Pilot, sich vorsichtig an sie heranzutasten, doch er schaffte es schließlich, sich beim dritten Versuch an ihrem Schiff festzuklammern. Die Hülle ließ ein Angst einflößendes, metallisches Geräusch erklingen, doch sie hielt. John richtete sie mit den Triebwerken nach Jupiter aus und gab vollen Schub um ihre Geschwindigkeit zu verzögern.

Es waren nur noch ein paar hundert Kilometer bis Stormwatch und sie waren noch immer viel zu schnell. Seine Rettungsaktion hatte sich schon herumgesprochen und Medien im ganzen System berichteten von ihren Umständen. Der Ausgang des Rennens war nebensächlich geworden, denn menschliche Schicksale ließen sich besser verkaufen. John hatte jedoch nicht den Nerv sich um Public Relations zu kümmern und Interviews über Funk zu geben. Barbara war seit Stunden nicht mehr an ihrem Fenster aufgetaucht. Er hatte zwar einen provisorischen Heizstrahler aus Teilen seiner Einrichtung für sie bauen können, doch die eisigen Temperaturen des Alls sogen die Wärme aus ihrem Schiff, sodass ihr Fenster bereits von einer dünnen Eisschicht überzogen war.
Die Jupiterstation Stormwatch hatte Maßnahmen ergriffen sie abzufangen. Man hatte eine Art Netz zwischen einem Dutzend Schiffen der UN gespannt. Es zu treffen war jedoch wie aus dem 100. Stock eines Wolkenkratzers, in das Sprungtuch der Feuerwehr zu springen. Noch dazu war es sehr schwierig mit dem unregelmäßig verteilten Gewicht zu manövrieren. Es erfordert unglaublich viel Mühe und hunderte von Korrekturen, sie auf den richtigen Kurs zu bringen, doch sie schafften es. Mit einem gewaltigen Ruck trafen sie auf das Netz und John verlor durch die Heftigkeit des Aufpralls das Bewusstsein.

Das Atrium der kreiselförmigen Station war überfüllt mit Journalisten, Schaulustigen
und Vertretern der UN und der Stationsverwaltung. Es war Fowleys Siegesfeier, der mit einem Siegerlächeln seine Lorbeeren erntete. Die Menge ließ ihn jedoch links liegen, als John den Raum betrat. Ein Applaus, wie er ihn noch nie erlebt hatte schwoll auf und er wurde förmlich bombardiert mit Lobeshymnen und Händedrücken. Barbara lag noch auf der Krankenstation. Man hatte sie trotz einer starken Unterkühlung retten und aus dem Wrack befreien können. Sie war jedoch noch sehr geschwächt und hatte sich erkältet.
Das Rennen hatte John nicht gewonnen, doch er war nun ein Held und Barbara hatte ihm einen ganz besonderen Preis versprochen, wenn sie wieder auf den Beinen war.


Epilog

Er stand auf der Brücke des Schlachtschiffs Infinity. Es war das Flaggschiff der UNSS und Tom Berger war sein Kommandant. Vor ihnen hatte sich die Armada der Separatisten, die das Sonnensystem zu zerreißen drohten, aufgebaut und in seinem Rücken warteten die vereinten Streitkräfte der UN auf den entscheidenden Befehl. Sein Vater wäre mächtig Stolz auf ihn gewesen, er fiel jedoch vor zwei Monaten als hoch dekorierter General in der Schlacht um Ceres. Wenigstens war seine Mutter Barbara auf der Erde in Sicherheit. Er hoffte sie wiederzusehen und ihr und allen anderen Menschen endlich Frieden zu bringen, sobald diese Schlacht geschlagen war.
Er schaute auf die Uhr, öffnete einen Kanal zu seiner Flotte und rief:
„Feuer frei!“

 

Diese Geschichte erhebt keinen Anspruch auf besondere Originalität oder tiefsinnigen philosophischen Hintergrund. Sie hat noch nichtmal eine Moral. Ich wollte einfach nur eine Abenteuergeschichte im Stil klassischer Spaceoperas schreiben und ich denke mir ist das auch ganz gut gelungen. ich weiß eigenlob stinkt, aber weil es die erste Geschichte ist, die ich je fertig bekommen habe, kann ich mir ein wenig stolz nicht verkneifen ;)

Und nun noch ein paar Fragen an die werten Leser:

-Hätte ich Pro- und Epilog weglassen sollen?
-Kann man die Story noch als Kurzgeschichte bezeichnen?
-Sind zu wenig Dialoge im Text und sind diese zu Oberflächlich?
-Wirken die Charaktere authentisch und sind ihre Reaktionen und Emotionen nachvollziehbar?
-Hab ich einen Spannungsbogen aufbauen und halten können?
-Hat es euch Spaß gemacht die Geschichte zu lesen?

 

Hallo Azak!

Gestern habe ich dir eine lange Antwort geschrieben, klickte auf Vorschau und alles war weg! :confused: Wahrscheinlich weil ich als Neuling in diesem Forum vergessen hatte, "Angemeldet bleiben" anzuwählen. :( Wie auch immer, heute muss es klappen!

Also nochmal, diesmal die Kurzfassung:

-Hätte ich Pro- und Epilog weglassen sollen?
Den Prolog könntest du etwas straffen, weglassen würde ich ihn nicht. Komisch kam mir vor, dass Berger den Befehl, auf Verstärkung zu warten, nicht befolgt sondern sich mit seinem kampfunerfahrenen :confused: Kumpanen in einen aussichtslosen Kampf stürzt - wieso? Schon klar, er soll ja entlassen werden, aber die Situation zwingender zu gestalten würde nicht schaden.

-Kann man die Story noch als Kurzgeschichte bezeichnen?
Habe mal gehört, dass eine Kurzgeschichte nicht mehr als fünfzehntausend Wörter hat, meistens weniger. Denke aber dennoch, dass sie in die Kategorie fällt.

-Sind zu wenig Dialoge im Text und sind diese zu Oberflächlich?
Zu wenig sind es nicht aber zu klischeehaft. Sie enthüllen nicht besonders viel. Versuche mal, alles, was direkt gesagt wird, indirekt zu schreiben, sofern es möglich ist. Den Dialog-Konflikt zwischen Berger und Fowley (Kapitel 2) könntest du besser ausbauen. Jeder sagt seinen Teil und dann verpufft alles. Langsamer steigern.

-Wirken die Charaktere authentisch und sind ihre Reaktionen und Emotionen nachvollziehbar
In Bergers Gedanken reinsehen zu können wäre nicht verkehrt. Als Leser bin ich zu distanziert von der Hauptperson. So richtig hineinersetzen kann man sich schwer, wenn man ihn nur "von Außen" präsentiert bekommt.

-Hab ich einen Spannungsbogen aufbauen und halten können?
Allzu originell war die Story zwar nicht, aber unterhaltsam schon.

-Hat es euch Spaß gemacht die Geschichte zu lesen?
Im Prinzip schon. Wenn du die Charaktere noch interessanter gestalten würdest, wäre sie aber noch besser.

Eins noch:

Schlafen nen Stein erwischt.“, kommentierte Jones.
Falls am Ende eines Dialogs kein Ruf- oder Fragezeichen steht, fällt der Punkt weg:
Schlafen nen Stein erwischt“, kommentierte Jones.

Ein paar Fehler haben sich noch versteckt, aber die findest du sicher selbst.

LG, Plasma :D

 

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