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Das kleine Dorf

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10.12.2007
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Das kleine Dorf

Einige Jahre meines nomadischen Lebens verbrachte ich in einem kleinen idyllischen Dorf ziemlich genau in der geographischen Mitte Deutschlands. Also nach der Wende die Mitte. Es war nicht nur idyllisch, sondern sogar sehr idyllisch. Geradezu umwerfend idyllisch. Zwischen bewaldeten Hügeln und saftigen Wiesen schlängelte sich die Werra dahin und bescherte uns wundervoll romantische Sonnenuntergangslichtspielausblicke aus unserem Wintergarten. Ließ man den Blick ein bisschen weiter nach rechts schweifen, so gerieten die Ausläufer unseres Nachbardorfes in den wohlwollenden Blick. Natürlich war es auch dort sehr schön. Besonders um den Blick auf unser Dorf konnte man die Einwohner wirklich beneiden! Das einzige worüber man sich aufregen konnte, waren die Moped fahrenden Jugendlichen im Wald. Bis wir selbst im Mopedalter waren, plapperten wir unseren Eltern aufrichtig überzeugt nach: „diese Banausen!“.

Gegen Ende dieser Zeit verwandelte sich dieses kleine idyllische Dorf unter anderem aufgrund meines Alters in ein kleines Pisskaff. Mit 14 oder 15 will man nicht mehr im Wald Hütten bauen. Höchstens Mofa-Cross fahren. Aber dann kommt ja wieder der Pisskaff-Forstangestellte und macht auf gestörte Idylle. Wir wollten indes keine Idylle mehr. Action war angesagt! Jedenfalls im Rahmen der Pisskaffmöglichkeiten.

Unser Pisskaff hatte ein Nachbarpisskaff. Beide Käffer waren gleich scheisse. Solidarität gab es trotzdem nicht. Im Gegenteil. Zu jeder Gelegenheit verprügelten sich die Bewohner gegenseitig. Und zwar aus dem guten Grund, dass sie zum richtigen Kaff gehörten, die andern hingegen nicht.

Das Nachbarpisskaff war hässlicher, hatte aber eine Kneipe mit Billardtisch. Und da wir ja nun im Action-Mode waren, schepperten wir über den Fluss, der die physikalische Grenze zwischen unseren Dörfern bildete, ins Nachbarkaff. Wir, das sind der Andy, der Tobi, der Olli und ich.

In besagter Billardkneipe wurden wir erstaunlich offenherzig empfangen. Vermutlich war den 5 bis 6 Stammgästen nicht klar, dass wir die Jugendlichen aus dem falschen Kaff waren. Vielleicht kam ihnen aber die Abwechslung auch so gelegen, dass sie darüber hinwegzusehen bereit waren. Denn diese Kneipe war nicht die Dorfkneipe, sondern der Aufbewahrungsort für selbst auf dem Dorf gescheiterte Existenzen. Davon gab es wie gesagt fünf oder sechs. Rudi war ihr Wortführer. Er ergriff auch umgehend selbiges und stellte uns alle anwesenden Trunkenbolde vor. Helmut der Wirt, Holgi, Schütti, Dietmar und Ziegenficker.

Ziegenficker?

Ja genau. Den haben wir damals erwischt wie er ne Ziege gefickt hat!

Ziegenficker grinste leicht verschämt in seinen Humpen. Er sah aus wie Nikolas Luhmann in bescheuert. Kleine Runde Brille, verfrühte Halbglatze, das Resthaar fettig glänzend.

Wir spielten Billard bis sie uns nicht mehr ließen. Olli hatte mit dem Queue ein Loch in den Belag gerammt und mir war eine Zigarette in die Mitteltasche gefallen. Es war meine erste und sie war mir beim Husten aus der Hand gefallen. Trotzdem warfen sie uns nicht raus. Wir konnten sogar Bier trinken, obwohl keiner von uns 16 war. Sie schienen uns trotz allem zu mögen.

Dann entdeckten wir den Dartautomat. Keiner von uns kannte die genauen Regeln. Also fragte Andy den Schütti. Sichtlich ergriffen von der sich ihm bietenden Gelegenheit tatsächlich einmal eine Art Weisheit an andere Menschen weitergeben zu können, erklärte er uns jedes Detail.

Von unwahrscheinlichem Glück bewegt warf ich dann den ersten Pfeil direkt ins „Bullseye“ und der Automat spielte eine Jubelhymne. Schütti war völlig platt. Holgi hatte indes sofort die angemessene Assoziation parat.

„Herkules!“

Mein weiters Spiel rechtfertigte diese euphorische Glorifikation nicht wirklich. Das spielte aber schon keine Rolle mehr. Holgi und Schütti waren derartig begeistert, dass sie auf der Stelle schwul wurden und fortan als Pärchen im Trunkenbolddepot auftraten. Das wiederum führte später zu Problemen mit dem Priester. Für den Augenblick waren wir aber völlig bedient. Helmut hatte jedem von uns drei Bier eingeschenkt und wir waren schon mit der Navigation durch den Türrahmen weitgehend überfordert.

Es lag aber nicht nur an unserem fortschreitenden Alter, dass sich unser Dorf in ein Pisskaff verwandelte. Es war die verfluchte Wende. Vor der Wende hatte in der DDR jeder Bürger ein Recht auf Arbeit. Danach nicht mehr. Und da gab’s dann auch nicht mehr viel Arbeit. Also sind die alle zu uns rüber gekommen. Das Problem dabei: Vor der Wende gab es bei uns für jeden noch so unqualifizierten Volldeppen etwas zu tun. Denn unsere Dörfchen lagen zwar mitten „in the middle of nowhere“ aber relativ nah an der Grenze. Deshalb lagen wir auch „in the middle between Ami-Armybase and Tommy Army-Base“.

Als die Grenze dann fiel und den alliierten Militärs die Sinnlosigkeit ihres mitteldeutschen Daseins bewusst wurde, zog mit den Panzern, Soldaten und Stacheldrahtzäunen auch der Triebmotor der regionalen Wirtschaft fort. Früher konnte man unzählige Menschen gut damit beschäftigen im Frühjahr die Strassen und Bordsteine zu reparieren, die von den Panzern bei den Truppenübungen im Herbst zuvor zerstört worden waren. Eine Sisyphus-Arbeit sondergleichen, aber unglaublich beschäftigungseffektiv. All diese Jobs fielen nun weg, während zugleich viele neue Arbeitskräfte über den niedergerissenen Stacheldraht geklettert kamen und genau diese Arbeiten gerne verrichtet hätten. Ein Multiplikatoreffekt. So nennt man das in der Wirtschaftslehre.

Die folgenden Strukturmaßnahmen der Politik zeigten allerdings tatsächlich Wirkung. Im Nachbardorf wurde ein gigantischer Schrottplatz für Industriemaschinen errichtet und es siedelte sich zudem eine Kabelproduktionsfirma an. Für die Produktion von Kabeln war es offenbar notwendig besonders bei Nacht das gesamte Tal mit gelbem Flutlicht zu erleuchten, so dass man auch in Zeiten ehemaliger Dunkelheit nun einen guten Blick auf den Industrieschrott hatte. Der Ton wurde rauer, unsere Nachbarin wurde vergewaltigt und die Menschen, die einst wegen der Idylle hierher gezogen waren, suchten das Weite.

Der Untergang war allgegenwärtig. Schon Jahre vor unserem ersten Billard- und Bierversuch schloss der Kiosk, der den Mittelpunkt des Lebens im Nachbarpisskaff markiert hatte. Fahrenheit musste den Betrieb einstellen. Herr Fahrenheit war der zunehmend von den Folgen des Alterns geplagte Eigentümer. Für uns Kinder war der kurze Zeitraum zwischen einsetzender Demenz und finalem Ladenschluss paradiesisch. Man kaufte einen Gummifrosch, bezahlte mit zwei Groschen und bekam zwanzig Mark Wechselgeld.

Einige Jahre später musste auch Helmut seinen Hort der gemeinschaftlichen Sauf-, Dart- und Billardvergnügungen wegen den Folgen seines Jahrzehnte währenden Alkoholkonsums schließen. Ein Ereignis, das uns also auf den ersten Blick in negativer Weise betraf. Wir hatten uns gerade an die Bier-mit-Billard-Atmosphäre gewöhnt. Zum Glück ergriff Dietmar die Initiative und übernahm Helmuts Laden. Allerdings musste auch er wenige Wochen später die Segel streichen. War er vorher Helmuts bester Kunde gewesen, so war er nun sein eigener Hauptabnehmer von Bier und Spirituosen, wobei sein Trinkelan zudem nicht mehr durch einsetzende Leere des Portemonnaies gebremst werden konnte.

In dieser kurzen Zeit war der Teufel los in Dietmars Schuppen. Nicht nur die alteingesessene Verlierergemeinschaft, sondern nahezu das gesamte Pisskaff fand sich Abend für Abend zu später Stunde bei Dietmar ein. Der war dann nämlich bereits so betrunken, dass er grundsätzlich die Bezahlung von konsumierten Getränken ablehnte. Seine Freunde trinken hier umsonst! Er hatte mehr Freunde als je zuvor und keiner der Pisskaffbewohner war sich zu schade den Dieter in den Ruin zu saufen. Nicht mal der Priester. Der wurde dann mit zunehmendem Alkoholpegel immer unerträglicher. Zumeist waren als erste Schütti und Holgi wegen ihrer mittlerweile offen zur Schau getragenen Homosexualität dran. Während die meisten anderen dies guthießen, weil jeder davon überzeugt war, dass sie nicht wirklich schwul waren, sondern lediglich unendlich aussichtslos gegenüber Frauen agierten, war unser Priester der Ansicht, sie trügen die Hölle in unser idyllisches Dorf.

Er überraschte mich eines Abends doch sehr. Obgleich er schon total betrunken war, konnte er zwischen den Leuten seiner Kirche und mir differenzieren. Er wusste, dass ich hier wohne, aber seine Weihe ausgeschlagen hatte. Nix Erstkommunion, nix Weihnachtsalibikirchenbesuch. Nicht mal zu Ostern in der Kirche. Ich war baff. Als Erklärung ließ ich ihn wissen, dass ich mehr so der wissenschaftlich interessierte Typ wäre. Nun überraschte er mich wirklich. Offenbar war unser Priester Darvinist! Allerdings auf eine sehr subversive Weise. Er erläuterte mir seinen Blick auf die Welt, in welchem Evolutionstheorie und Christentum völlig unproblematisch zu Harmonieren in der Lage waren. Tatsächlich betrug es sich historisch nämlich so: Zunächst schuf Gott die Welt. Die ließ er dann erst mal wuchern. Also evolutionstheoretisch korrekt. Auf diese Weise entstand die Vielzahl aus Pflanzen, Tieren und Negern. Die Gelben und Roten auch. Dann hat Gott aber doch noch mal eingegriffen. Er hat den arischen Menschen dazu getan, und zwar nach seinem Ebenbild.

Ich stellte mir die Situation vor. Gott sieht seine verwucherte, vom Wildwuchs schuppenflechtengleich überzogene Gammelwelt. Da hat er sich gedacht, was hier fehlt ist mal so einer wie ich! Einer der hier mal so richtig aufräumt und für Ordnung sorgt! Also hat er mal einen gebastelt. Weiß, männlich, von vornherein besoffen und Vollblutnazi. Dann noch ein paar weiße Juden, damit der auch seinen Spaß hat, und ein paar kleine Buben zum Spielen. Laut meinem guten Herrn Priester war Gott also eine Art besoffener Hitler. Ich fand die Idee faszinieren, aber nicht sonderlich überzeugend, und bestellte noch ein Bier. Für den Priester lieber keins mehr.

Als Dieter schließlich pleite war, ließ er sich von einem der Pisskaffjugendlichen sein Mofa reparieren und brach auf ins heilige Land. Nach Dortmund! Zum BVB! Dort wo die Erfolge sichtbar sind!

Niemand weiß wie lange der Tüddeldraht sein Mofa zusammen gehalten hat. Und obgleich der Zustand seines Gefährts die zu überwindenden 367 Kilometer nicht wahrscheinlich erscheinen ließ, wurde er nie wieder gesehen.

 

Hallo Banana Jones,

ehrlich gesagt, so dolle ist die Geschichte nicht, geschweige denn lustig.
Du beschreibst einfach nur verschiedene Dorfsituationen, schmückst sie ein wenig mit - wie soll ich sie nennen - Alkoholikerjargon aus ... und das war es denn. Das mag anderen gefallen, meine Art von Humor ist das nicht.
Es liest sich als hättest du versucht möglichst viel (Dorf-)Geschichte in möglichst wenig Absätze zu quetschen. Keine Dialoge, keine Erklärung warum die Situation so ist, wie sie ist ... einfach keine Atmosphäre.

Gruß
Lemmi

 

Nach dem Lesen dieser Zeilen sehe ich für mich drei Deutungsmöglichkeiten:

1.
Ich habe den Humor nicht verstanden (was mir ehrlich gesagt, in diesem Fall sehr recht ist)
2.
Die letzten zwei Absätze sind satirisch gemeint, und nur sehr schlecht geschrieben.
3.
Die letzten zwei Absätze enthalten sinnfrei dummdreiste Nazisprüche, die nur geschrieben wurden, damit sie da stehen.

Jürgen

 

hallo lemmi!

also hast schon recht, das ist eigentlich keine Geschichte. Und Alkoholikerjargon... naja, vielleicht eher Fäkalhumor? Wie auch immer. Da müsst schon noch mehr Arbeit rein, seh ich ein. Danke trotzdem :)

Und Jürgen, tja hmmm. Was soll man da sagen. Bedeutung gibt der Leser einem Text, nicht umgekehrt. Und von Sätzen, die nur geschrieben werden, damit sie irgenwo stehen, gibt es wohl nicht grad viele. Wer sollte sich eine so unsinnige Mühe machen?
Aber als Leitfaden für ein besseres Textverständnis: Der Autor ist weder Christ noch Nazi.

 

Hallo Banana Jones,

Bedeutung gibt der Leser einem Text, nicht umgekehrt.
Die Verantwortung für seinen Text beginnt zuerst einmal beim Autor, das gilt für das was er schreibt und erst recht für das, was er veröffentlicht.

Noch einmal zu deinen letzten beiden Absätzen: du schreibst von Ausländern, Priestern, Negern, Nazis, Juden.
Dazu fällt mir ein Text der rechtsradikalen Gruppe "Landser" ein:

"Und keine Türken werden mehr rumlaufen,
Keine Pfaffen dürfen Kinder taufen,
keine Nigger deutsches Bier mehr saufen,
keine Juden unser Volk verkaufen"

Worin unterscheidet sich dein Text von diesem? Ich erkenne keine Kritik, keine Satire ...

Ich unterstelle dir keine neonazistische Gesinnung. Aber ich denke, mit solchen Worten muss gewissenhaft umgegangen werden.

Falls dich das Thema interessieren sollte (z.B., was solche Texte bewirken können) empfehle ich dir das Buch: "Blinde Gewalt" von Andreas Marneros.

Herzlichen Gruß
Jürgen

 

Naja, der Unterschied ist ja nicht so schwer zu sehen...

Türken werden...
Pfaffen dürfen ...
Nigger saufen...
Juden verkaufen...

Das sind alles Statements über irgendwelche Menschen. Wenn ich als Charakter einen besoffenen Priester mit halb-darvinistischen, aber eben auch halb-nationalsozialistischen Spinnereien einführe, dann hat der Text selbst keine entsprechende Aussage. Der Priester ist ja eine völlig idiotische Figur. Deine Kritik hat einen Charakter, als würde man die Serie Southpark als antisemitisch bezeichen, weil der Erik Cartman Charakter permanent antisemitische Witze und Sprüche gegenüber seinem Mitschüler Kyle reisst. Es gibt einen unterschied zwischen den Charaktären und dem Statement eines Textes. Du willst doch wohl nicht fordern, dass niemand mehr über Nazis schreibt? Wozu soll das gut sein? Problematisch wird die Sache, wenn Nazis gorifiziert werden oder Hassparolen verbreiten werden. Ich denke nicht, dass deine Kritik meinen Text trifft. Trotzdem danke :)

 

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