Das Lächeln
„Es ist so schön mit dir“, sagte Eva.
Eva. Viktor war sich nicht mal sicher, ob es ihr richtiger Name war. Aber sie gefiel ihm. Sie war zwar etwas älter als er, trotzdem war es sonderbar dass sie Gefallen an ihm fand. Ihre jung geblieben Kurven wurden durch die Kleidung sehr betont. Und dazu noch Leder. Er hatte sein ganzes Leben lang kein Leder gemocht, aber auf ihrem Körper… es war einfach wunderschön. Trotz ihren Alter war sie wie ein Mädchen: mal rollte sie kichernd mit den Augen, mal wunderte sie sich wobei ihre Stirn feine Falten bildete.
Es war schon mehr als dutzend Jahren her, dass Viktor eine Frau angemacht hatte, und er bis zum heutigen Abend hatte er sich unfähig gefühlt es wieder zu tun. Es ergab sich aber anders. Völlig natürlich und entspannt: Er versprühte feinen Witz, ließ sich einige Male in die Tiefe philosophischer Themen hineinziehen, die er plötzlich zu beherrschen schien – alles lief wie geschmiert. Und das alles weil sie – angeblich eine Journalistin, Eva – neben ihm saß.
Die Zeit sich zu entscheiden war gekommen. Und Viktor entschied sich. Er war reif genug dazu. Schon lange. Er hatte sich so was schon längst überlegt, aber den entscheidenden Schritt nicht tun können. Und heute, heute schien sich dieser Schritt ganz von alleine gemacht zu haben.
„Eva, ich möchte, dass du heute bei mir bleibst. Du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich du mich damit machen würdest.“
Die Worte rutschten ihm buchstäblich von der Zunge. Viktor musste sich gar nicht anstrengen oder nervös werden. Es war zweifelsohne so, denn er hatte nicht gelogen. Und Eva spürte es.
„Das Vergnügen ist ganz meinerseits“, sagte sie und streichelte ganz zart mit ihren Fingern sein Kinn. „Führe mich“.
Der Weg nachhause nahm zwar etwa zwanzig Minuten in Anspruch, das wurde aber von beiden kaum bemerkt, denn ihre Erregung stieg ins Unermessliche.
„Da wären wir“, Viktor öffnete die Tür und ließ seine Begleiterin in die saubere, etwas bescheidene, aber stilvolle Wohnung.
„Ich habe es mir nicht anders vorgestellt. Dein Charme und deine kluge Bescheidenheit konnten auf keine andere Weise in deiner Wohnung zum Ausdruck kommen.“ Sie ging einige Schritte durch das Zimmer, ließ sich auf das Bett nieder und zog ihn an dem Gürtel zu sich. „Na, Tiger. Was erwartet mich wohl in diesem kleinen Raum?“
Der Reisverschluss ließ unter ihren geschickten Fingern schnell nach, und Sie zog sein Glied heraus.
„Ja, so ist es gut! Meine Lieblingsgröße und voll einsatzbereit“, sagte sie lachend und fiel mit gespreizten Armen langsam auf den Rücken. „Heute muss eine Vollmondnacht sein“, stöhnte sie und riss den Vorhang hinter ihren Kopf zur Seite.
„Oh mein Gott! Verdammte Scheiße! Wer ist das?“ schrie sie und sprang auf.
Hinter dem Vorhang war kein Fenster, sondern das Zimmer ging noch etwas weiter und neben diesem Bett stand noch ein weiteres. Darauf lag eine Frau. Ihre Lippen, wahrscheinlich in Folge einer Operation, zogen zu einer Seite das hässliche Gleichnis eines Lächelns. Ansonsten schien ihr Gesicht völlig emotionslos zu sein, nur die Augen. Diese Augen bewegten sich hastig, von der Unbekannten zu Viktor und zurück, und wieder, und wieder.
„Das ist meine Frau. Sie ist gelähmt…“, sagte Viktor, als würde er eine einfache Routinefrage beantworten und fügte hinzu: „…seit Jahren.“
„Du Idiot! Du bist krank! Weißt du das?“ schrie Eva und lief dabei hin und her auf der Suche nach ihren Sachen.
Als die Tür zuknallte stand Viktor mit dem schlaff heraushängenden Glied da und erinnerte sich. Er erinnerte sich daran wie er mit seiner ersten Frau zwei Kinder großzog, wie sie sich getrennt hatten. Wie er die zweite kennen lernte und wie glücklich sie eine Zeit lang waren. Dann dachte er daran, wie er auch sie verlassen wollte und an den Unfall der sein ganzes Leben ruinierte.
Wie geschickt im Gegensatz zu ihm die Pflegeversicherung war, die hatte sich nach fünf Jahren nett von ihnen verabschiedet. Sein aller erster und letzter Sexversuch nach dem Unfall fiel ihm auch ein. Wie sattsam er mit ihren Brüsten gespielt, sich erregt hatte, und dann an der vollgeschissenen Windel gescheitert war.
Er stand da und konnte nicht nachvollziehen, wieso er sich um sie kümmerte. Wieso konnte er sie nicht einfach verhungern oder verdursten lassen? Wieso war er überhaupt da, wenn er auf jedem Fleck dieses verdammten Planeten außerhalb dieses Raums glücklich sein könnte? Und als er sich diese Frage stellte, machte sich eine tote Stille in seinem Kopf breit.
Er fiel auf das Bett, drückte seinen Kopf wie den eines Babys an den Busen seiner friedlich liegenden Frau, schubste sie immer und immer wieder, und röchelte weinend durch die Zähne:
„Verdammt!
Wann wirst du denn endlich sterben?
Scheiße!
Wann stirbst du denn endlich?
Wann?
Wann?!“