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Das Loch

Seniors
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02.06.2001
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Das Loch

Tataaa!!! Ich darf hiermit meine Ankündigung wahr machen und meine allererste Kurzgeschichte hier posten.
Ich habe sie unverändert gelassen, lediglich ein bisschen gekürzt (!).
Mein Selbstvertrauen muss enorm sein, um nach dieser Geschichte nicht auf ewig die Finger vom Schreiben gelassen zu haben...
Wer es tatsächlich schafft, sie zu Ende zu lesen, hat sich die Kurzgeschichten-Ehrenmedaille in Gold verdient!


Langsam schloss der Psychiater die Kunststofftür hinter sich. Wie man dem schwerfälligen Ächzen dieser Tür entnehmen konnte, war sie seit langem nicht mehr ordentlich gepflegt worden.
Überhaupt hinterließ die gesamte "Nervenheilanstalt" keinen sehr gepflegten Eindruck: Von den Wänden löste sich der Kalk und rieselte wie versteinerter Schnee zu Boden.
Die weiten, zum Teil dunklen, weil mit ausgebrannten Neonröhren ausgestatteten Korridore waren längst zum Tummelplatz für Kakerlaken und ähnliches, unappetitliches Getier verkommen.
Nur die schwarze Katze, die sich hier wohl und behaglich fühlte, freute sich über die Anwesenheit der winzigen Insekten, die ihr eine kulinarische Abwechslung boten. Wenn sie die Käfer mit ihren scharfen Zähnen zermalmte, klang das, als würde sie ein paar besonders knusprige Kartoffelchips knabbern.

Eigentlich sollten öffentliche Heilanstalten den an psychischen Erkrankungen leidenden Menschen helfen, wieder ein geregeltes Leben zu erreichen, doch wie sollte dies an einem derart irrationalen Ort gelingen?
Offensichtlich war es für die Gesellschaft bequemer, ihre nicht mehr brauchbaren Mitglieder abzuschieben, als sich ihrer anzunehmen. Abzuschieben an einen Platz wie diesem, der wohl nur geeignet erschien, seine Patienten mit Hilfe von Schlössern, Zwangsjacken und Beruhigungsmitteln unter Kontrolle zu halten.

Doktor Johnson, der Leiter der psychiatrischen Abteilung, begrüßte G
Casey mit einem freundlichen "Guten Tag“.
Höflich nahm Casey den Empfang mit gespielt freundlicher Miene an. Sein Vater, der schon seit vielen Jahren tot war, hatte ihm stets eingebläut, immer nett und zuvorkommend zu sein.

"Glaub mir, mein Junge, wenn du deinen Gesprächspartnern zeigst, dass du ein ordentlich erzogener junger Mann bist, wird dir das in deinem weiteren Leben von Nutzen sein. Merk's dir-, mein Junge, ja?“

"Mister Scott Casey? Ich bin Doktor Johnson. Ich würde Sie gerne bei ihrem Weg zur Besserung begleiten."

"Danke, Doc. Obwohl ... Ich glaube nicht, dass mir irgend jemand dabei behilflich sein kann, mir den sprichwörtlichen Stein von der Seele zu nehmen. Schon gar nicht indem man mich einsperrt wie einen Schwerverbrecher und mit Narkotika um meinen letzten Rest nüchternen Verstandes zu bringen versucht."

Während Casey sich seinen seit jenem Tag, an welchem er gegen seinen Willen an diesen Ort verschleppt wurde, angestauten Ärger von der Seele redete, setzte sich Doktor Johnson auf den harten Holzsessel, der zum äußerst spärlichen Inventar im Raum gehörte.
Die Mundwinkel des Psychiaters legten sich in ein väterliches Grinsen welches zu sagen schien: „Hör mal, du armer Irrer, wenn du mir auf die Tour kommst werde ich härtere Saiten aufziehen müssen!“

"Mister Casey, ich verstehe Ihren Ärger durchaus, aber Sie werden sehen, es ist alles halb so schlimm, wenn Ihre, ich meine, unsere Therapie erste Erfolge zeigen wird. Und das wollen wir doch schließlich, oder?"

Sein Grinsen hielt an, fast wirkte es versteinert.

"Und wie sieht so eine Therapie aus, Doc? Sie arbeiten doch hoffentlich nicht mit Elektroschocks und so'n Zeugs?"

"Natürlich nicht, wofür halten Sie mich? Diese Therapie beinhaltet ausschließlich das Gespräch zwischen Arzt und Patienten. In diesem Falle also zwischen mir und Ihnen! Sie erzählen mir jetzt was Sie belastet und schön langsam werden wir Ihr Problem einkreisen und bewältigen – Gemeinsam."

Erleichtert atmete Casey auf.

"Na bitte, ist doch gar nicht mal so schlimm wie du befürchtet hast“, beruhigte ihn sein Verstand. Und doch hielt sein Unbehagen an. Es war unrecht ihn hier festzuhalten wie einen Verbrecher und ihn in ein Zimmer zu sperren, welches so komfortabel wie eine Abstellkammer war.

"Und wann beginnen wir mit dieser Therapie, Doc?"

"Mein, lieber Mister Casey, sie hat bereits begonnen."

Das milde Lächeln hielt unvermindert an.

"Bitte, wären Sie so nett und würden mir Ihre Probleme mitteilen? Aus dem Aufnahmeblatt habe ich zwar Ihre momentanen Probleme entnommen, aber es wäre mir lieber, wenn Sie von sich aus zu erzählen anfingen."

Casey starrte den Psychiater lange Zeit an. Dann sagte er: „Alles geschah nur, weil Catherine unbedingt eine Birke pflanzen wollte."

"Wer ist Catherine?", unterbrach Johnson.

"Meine Frau. Oder besser gesagt – Das, was meine Frau einmal gewesen ist."

In seinem äußeren Erscheinungsbild erinnerte Casey eher an einen Alkoholiker, denn an einen ehemals sehr angesehenen Wissenschafter.

"Ich bin völlig mit den Nerven fertig. Aber das wäre jeder andere auch, der das gesehen hätte, was ich sah! Sagen Sie, geht es meinen Kindern gut?“, fragte er besorgt.

"Natürlich. Sie wurden in ein Wohlfahrtsheim eingeliefert, dort werden sie fachmännisch betreut."

"Was bedeutet ´fachmännisch´?“

Seine Tonlage verriet Misstrauen.

"Keine Angst, Mister Casey. Ihre Kinder fühlen sich in diesem Heim sehr wohl. Ich war erst gestern wieder bei ihnen."

Johnson lächelte freundlich, was Caseys Angst um das Wohlbefinden seiner Kinder erheblich senkte.

"Wann darf ich sie wieder sehen?"

"Schon sehr bald, das verspreche ich ihnen! Und jetzt fahren Sie bitte fort."

Casey strich sich nervös durch das braune, kurzgeschnittene Haar.

„Wie gesagt, Catherine ist, vielmehr war, meine Frau. Ich lernte sie auf dem Abschlussball meines Colleges kennen. Anno '74, also während meines Studiums, heiratete ich sie. Wissen Sie, ich studierte Geologie, habe ich das schon erwähnt?"

Seine Gesichtszüge entspannten sich.

"1977 beendete ich mein Studium. Zwei Jahre später wurde Geoffrey geboren. Schon bei seiner Geburt war er ein prächtiger Junge. Er wog damals ... Ach, was erzähle ich da für einen Mist! Das interessiert sie ja doch nicht."

"Nein, nein!" , warf sein stets lächelnder Gesprächspartner ein, "Erzählen Sie alles was Ihnen wichtig erscheint. Auch das persönliche, es ist schon in Ordnung so!"

"Wo war ich - Ach so, ja. Jedenfalls war Geoffrey ein sehr aufgeweckter, lieber Junge. Ein Vater hätte sich keinen besseren Sohne wünschen können. Wir waren wirklich sehr, sehr glücklich."

Zum zweiten Mal im Verlaufe des Gesprächs vermochte ein kleines Lächeln sein Gesicht zu verändern. Seine Augen leuchteten auf, wie bei jemandem, der gerade von seiner ersten großen Liebe oder einem besonders schönem Erlebnis berichtete.

"Wir wohnten, oder besser gesagt hausten, in einer kleinen Studentenbude in der Nähe der Universität Yale. '81 zogen wir dann nach Bridgetown, ein winziges Nest in Alabama. Wir kauften ein Grundstück, auf welchem früher einmal ein altes Farmhaus gestanden hatte. Jetzt befindet sich dort ein Einfamilienhaus.
Zu unserem Anwesen gehörte auch ein drei Hektar großes Feld. Es lag schon längere Zeit brach, immerhin standen aber noch etwa ein Dutzend Obstbäume. Als wir einzogen war gerade Erntezeit. Wir hatten die herrlichsten Äpfel die man sich nur denken kann. Wenn Sie in einen Supermarkt gehen und sich dort Obst besorgen, erhalten Sie nur gespritztes Obst, welches Sie erst waschen müssen, ehe Sie es verzehren können. Nicht so bei unseren Äpfeln - Die konnten wir pflücken und essen ohne uns Sorgen machen zu müssen, ob wir auch nur ein einziges Gramm von diesen verdammten Pflanzenschutzmitteln erwischt haben."

Der leichte Ausdruck der Heiterkeit war aus Caseys Gesicht verflogen. Man merkte ihm deutlich an, dass er sich lediglich an bessere Zeiten erinnerte, an Zeiten, die für ihn uneinholbar verronnen waren. Dem Schwert des Damokles gleich, bedroht uns die Dimension 'Zeit', ständig mahnend, die spärlichen Augenblicke der Freude, der echten, ungetrübten Freude zu genießen, da wir sie nie wieder erfahren werden.
Casey war Realist genug um dies zu erahnen, doch zehrte er von diesen Momenten der Lebenslust, um sie schon in der nächsten Sekunde wieder aus dem Sinn verloren zu haben.

"Das Haus war schon etwas verfallen, doch mit viel Geduld und Liebe haben wir es zu neuem Glanz erstehen lassen. Unsere Vormieter waren ein kinderloses, junges Ehepaar. Mister Peterson, einer unserer Nachbarn, könnte sich noch gut an die beiden erinnern. Als ich eines Abends mit ihm ein paar Dosen Bier trank, wir saßen auf der Veranda seines Hauses, fragte ich ihn eher beiläufig, was denn mit ihnen geschehen sei. Ich merkte deutlich sein Missfallen gegenüber meiner Frage. Er benahm sich reichlich seltsam und begann sofort der Frage auszuweichen. Später erfuhr ich weshalb. Wollen Sie es wissen?"

Doktor Johnson nickte wohlwollend und blieb der geduldige, lächelnde Zuhörer der er war.

"Nun ja.", fuhr Casey fort, "Da Mister Peterson seine beiden damaligen Nachbarn, mit denen er ein gutnachbarschaftliches Verhältnis pflegte, etwa eine Woche weder gesehen noch gehört hatte, wurde er misstrauisch. Er klopfte an deren Eingangstür. Niemand öffnete, die Tür war unversperrt, also trat er in das Haus ein.
Den Mann fand er in der Küche - tot, grauenvoll verstümmelt. In jener Stunde, als er mir seine grauenvolle Entdeckung schilderte, sah ich das Entsetzen, das ihn mehr als ein Jahrzehnt danach in ein zitterndes, menschliches Wesen, dem Wahnsinn nur knapp entflohen, verwandelte.
Es schmerzte mich, ihn in jenem Zustand zu erleben. Er erzählte mir, dass man bei der Autopsie feststellte, dass einige Organe fehlten. Der Körper war halb zerfressen. Die Behörden vermuteten wohl, dass ihn ein Rudel Wölfe angefallen und verstümmelt hatte.
Es gab zwar keinen Anhaltspunkt der auf Wölfe deutete, aber um den Fall abschließen zu können, wurde einfach eine völlig idiotische Erklärung angegeben. Die Polizei fand die Leiche der Frau im Keller. Auch sie soll von Wölfen gefressen worden sein."

"Wäre doch möglich, oder etwa nicht?"

"Seit mindestens hundert Jahren wurden in dieser Gegend keine Wölfe mehr gesichtet! Aber ich bin mir ziemlich sicher zu wissen, wie die beiden gestorben sind. Die männliche Leiche, die Peterson fand, muss die erste Beute gewesen sein. Demnach war die Frau der Zwischenwirt für eins dieser Dinger.“

Seine Stirn legte sich in Runzeln, tatsächlich dachte er über seine eigene Hypothese nach.

"Was für Dinger?", fragte Doktor Johnson sichtlich interessiert.

"Ich denke ich sollte nochmal von vorne beginnen, auch wenn es mir ehrlich gesagt schwer fällt, das zu tun. Im April '83 wurde Mary geboren. Zu diesem Zeitpunkt
waren wir bereits sehr stark ins Kleinstadtleben integriert. Natürlich blieben wir zum Teil Fremde für die anderen Stadtbewohner. Auch nach vielen Jahren waren wir 'die Neuen', aber das machte uns nichts aus. Unsere Nachbarn waren sehr nett zu uns und wir verstanden uns mit den meisten Stadtbewohnern ganz gut, außer mit dem hiesigen Schuhmacher. Sagen Sie, können sie sich das vorstellen, einen Schuhmacher in dieser, unserer Zeit? In einer Zeit, in der man weder Geduld noch Zeit hat, seine kaputten Schuhe einem Fremden anzuvertrauen? Egal Wir lebten sehr glücklich und zufrieden unser Landleben. Während ich meiner Arbeit bei einem staatlichen Forschungszentrum, das eine Außenstation in der Nähe von Bridgestone hatte, nachging, kümmerte sich Catherine um all jene Arbeiten, die zu Hause anfielen.
In gewisser Weise hatten wir den Traum des durchschnittlichen Amerikaners erfüllt. Annehmlichkeiten mussten wir keine missen. Auto, Fernseher, Mikrowellenherd, alles war vorhanden. Unsere Kinder entwickelten sich prächtig, wir hatten also allen Grunde vollends zufrieden zu sein."

Wieder huschte ein Lächeln über sein zerfurchtes Gesicht, doch wie schon zuvor verschwand auch diesmal sein Lächeln nach einem kurzem Moment.
Er überlegte.
Die Stirn in Sorgenfalten gelegt, überlegte er, ob er sich dem Psychiater weiterhin anvertrauen sollte, schließlich war jetzt jener Abschnitt gekommen, bei welchem er seine furchtbaren Erinnerungen auffrischen und, noch schlimmer, kundtun sollte.
Als wäre es nicht zu viel des Schlechten gewesen, es gesehen zu haben, er sollte es auch noch einem Unbekannten erzählen!
Nervös blickte er auf seine Armbanduhr, auf die er einstmals so stolz gewesen war. Eine echte Rolex. Es bedeutete ihm gar nichts mehr, sie zu besitzen.
Zu schwer lag ihm das Vergangene auf der Seele. Der kleine, leuchtende Zeiger wies darauf hin, dass es schon knapp vor acht Uhr war.

"Wären Sie mir böse, wenn ich Sie bitten würde, das Gespräch morgen fortzusetzen? Ich bin sehr müde und ausgelaugt und ... einfach nicht mehr in der Lage, gefasst zu sprechen.“

"Aber natürlich nicht!", beruhigte ihn Johnson, "Überschlafen Sie das ganze und morgen sehen wir dann weiter."

Mit diesen Worten stand er auf, legte seine Hand auf die Schulter seines Patienten und machte sich daran, die Tür zu öffnen.

"Gute Nacht, Mister Casey, schlafen Sie gut."

Die Art, wie er beim Sprechen des Wortes 'gut' die Augenbrauen hochzog und dabei sein Grinsen noch verstärkte, erzeugte Angstgefühle in Casey, die er nicht zu ergründen vermochte.
Noch Minuten nach dem dumpfen Zuschlagen der Tür starrte er in ihre Richtung. Wie geheimnisvoll sich dieser Doktor doch benahm. Wenn er schon beim ersten Kontakt mit ihm so seltsam agierte, was würde ihn wohl in den nächsten Therapiestunden erwarten?
Und überhaupt, eine sehr seltsame Therapie. Wahrscheinlich nahm ihn Johnson gar nicht ernst, war der Oberzeugung dass es das beste sei, ihn in seinem Wahn zu verstärken und auf ewig hier zu behalten.
Müde begab sich Casey zu Bett. Angezogen, mit auf der Brust überkreuzten Armen blickte er zur Decke: Was, wenn er niemals aus dieser verdammten Klinik raus kam, wenn Doktor Johnson es für angebracht hält, ihn für immer eingesperrt zu halten?
Seine Gedanken kreisten nur noch um diese fixe Idee. Urplötzlich schoss ihm eine andere Idee durch den Kopf - Habe ich das alles wirklich erlebt? Bin ich vielleicht paranoid, schizophren, hat sich mein kranker Geist all das nur ausgedacht um mich zu täuschen, um etwas zu verdrängen? Bin ich verrückt, bin ich tatsächlich verrückt?
Endlich übermannte ihn der Schlaf. Gnadenlos wurde er in eine irreale Welt gerissen, aus der es kein Entkommen zu geben schien. Unruhig wälzte er sich im Schlaf umher, ohne aufzuwachen. Er träumte von Catherine, von Geoffrey, von Mary.
Es war derselbe Traum der ihn schon seit seiner Einlieferung wie ein wildes Tier verfolgte.
Am Strand eines Meeres sieht er jene drei Menschen, die er liebt. Eine durchsichtige Wand trennt ihn von seiner Familie. So sehr er sich auch bemüht, die Barriere zu überwinden, es gelingt ihm nicht. Hilflos muss er mit ansehen, wie eine riesige, schwarze Flutwelle Catherine und die Kinder verschlingt.

Etwa gegen sieben Uhr öffnete er wieder seine Augen.
Wie sehr er auch wünschte, dass er aus einem bösen, langen Traum erwachen würde, er musste erkennen, dass er weiterhin Gefangener in dieser für ihn zur Hölle verkommenen Welt blieb. In einem Artikel einer Fachzeitschrift hatte er einmal gelesen, dass ein Stamm in Australien der Überzeugung war, dass nur der Traum ein Abbild der realen Welt sei.
Jene Welt, welche wir als die tatsächlich existierende erachten, war demnach ein bizarres Trugbild.
Für ihn war nicht einmal diese Vorstellung erquickend, denn selbst im Traum gerieten seine Ängste zu einem alptraumhaften Spiegelbild des wahrhaft Geschehenen.

Nach dem Waschen und dem Frühstück wurde er von Doktor Johnson aufgesucht, welcher darauf drängte, die Therapie weiterzuführen. Diesmal würde er keine Ausrede gelten lassen, die ihn von seinem Ziel abbringen könnte.
War er nur ein besonders gutmütiger Mensch oder tatsächlich an Caseys Geschichte interessiert?

"Wo war'ich gestern-"

Er dachte angestrengt nach.

"Ach, ich weiß wieder. Ich hatte Ihnen von unserer heilen Welt erzählt. Heil wie sie damals war und nie wieder sein kann. Jedenfalls für mich nicht."

Es kostete ihn sichtlich Überwindung, neu anzusetzen, die Geschichte endlich zu erzählen.

"Eines schönen Tages im Frühling vergangenen Jahres bat mich Catherine, neben den Obstbäumen ein kleines Loch zu graben, damit sie eine Birke pflanzen könnte. Gegen Abend nahm ich einen Spaten und grub ein Loch, ein kleines Loch, nur etwa 20 Zentimeter tief. Es war mit keinerlei Mühe verbunden, binnen einer halben Minute hatte ich dieses verdammte Loch ausgegraben."

Sein Augen wurden größer, er geriet in leichte, nervöse Erregung.

"Am nächsten Morgen wollte sie den jungen Baum, den sie in einer Gärtnerei erworben hatte, in das Loch einpflanzen, in dieses verdammte Loch..."

Mehrmals schluckte er.

"Als ich tags darauf erwachte, hatte ich das Loch schon wieder fast vergessen. Wie jeden Morgen frühstückten wir und die Kinder ausgiebig. Kaffee und Kakao, Toast, Butter, Marmelade, weiche Eier, was man meistens so früh morgens zu sich nimmt. Gegen Acht wurden unsere Kinder vom Schulbus zur Schule gefahren. Kurz darauf wollte ich mit Catherine das kleine Bäumchen einpflanzen, und mich danach zur Arbeit zu begeben. Catherine begleitete mich auf dem Weg zu dem verdammten Loch. Gleich beim ersten Hinsehen fiel mir auf, dass es sich verändert hatte. Ich bückte mich um genauer zu sehen, was denn passiert sei.
Neben dem Loch bemerkte ich mehrere kleinere Löcher. Anfangs dachte ich, dass sie von einem Hund oder sonst einem Tier stammen würden, doch diese Löcher waren nicht ausgegraben, sondern, wie soll ich sagen, aus dem Boden kommend. Von einem unter Tage lebenden Tier, beispielsweise einem Maulwurf, konnten sie unmöglich stammen. Jedes normale Tier hätte beim Graben einen Erdhaufen neben dem Loch hinterlassen, doch jedes der kleinen Löcher sah aus als wäre es von unten heraus geschaffen und danach der Aushub fein säuberlich entfernt worden.
Von den Löchern führten kleine Spuren weg, Spuren wie von Eidechsen, die im schlammigen Boden liefen. Nur schienen diese Spuren wuchtiger zu sein.
Von diesen Fährten führte auch eine Art Schleimspur weg, die genau auf unser Haus abzielte. Mir war völlig unklar, aus welcher Substanz dieser Schleim, oder was immer es auch war, bestand und vor allem, wer oder was ihn dort hinterlassen hatte.
Um ehrlich zu sein, ich scherte mich zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht um diese seltsamen Löcher und Spuren."

Um seine Worte noch zu unterstreichen, winkte er abwertend mit den Händen. Wieder musste er eine kurze Denkpause einlegen.

"Ich fuhr zur Arbeit und grübelte nicht länger über diese Löcher nach ... Oh, hätte ich es
nur geahnt, ich wäre mit Catherine und den Kindern sofort weggezogen, irgendwohin, egal wo!"

Schuldbewusst, als hätte er einen unverzeihlichen Fehler begangen, senkte er den Blick, um ihn gleich darauf wieder zu heben.

"Am späteren Abend, so gegen acht, war ich wieder zu Hause. Kurz darauf traf auch einer meiner Brüder ein, John. Und er war nicht allein gekommen, er hatte seine Frau Amanda mitgenommen. Sie ist, vielmehr war, Sekretärin in einer großen Lebensmittelkette. J
ohn arbeitete als Mechaniker. Nach der üblichen Wiedersehensfreude, wir hatten aufgrund der weiten Entfernungen nur sehr selten persönlichen Kontakt, tranken wir noch ein bisschen Alkohol. Nachdem wir die Kinder ins Bett geschickt hatten. Kinder sollten spätestens um neun im Bett sein, finden Sie nicht auch?
Wir plauderten noch über dies und das, über alte Zeiten, über Weltpolitik, über die Welt im allgemeinen, was man eben so redet, wenn man gesellig den Abend teilt und schon ein bisschen Alk im Blut hat. Klar, dass es da ziemlich spät wurde, bis wir ins Bett kamen.
Ich denke, es muss so zwischen 3 und 4 Uhr morgens gewesen sein. Am nächsten Morgen, es war ein Samstag, fühlte ich mich schwer unterm Hund. Mein Kopf schmerzte, meine Beine wollten nicht so recht. Ich war halt auch nicht mehr der jüngste."

Wieder lächelte er, ganz kurz, ganz vorsichtig nur, aber immerhin. Was ihn kaum noch verunsicherte, war dieses Dauergrinsen des Doktors. Hätte man nicht gewusst, wer in dieser Runde der Patient und wer der Doktor war, Verwechslungen wären möglich gewesen.

"Mein erster Gang war jener zum Bad. Ich öffnete als erstes den Toilettendeckel, um mich zu übergeben. Gleich bei der ersten Berührung zuckte ich reflexartig zurück - Irgend etwas
klebte bereits am Plastik, ich wusste nicht was, es fühlte sich aber sehr schleimig, glitschig an ... auf jeden Fall war es ekelhaft. Natürlich dachte ich zuerst, dass vor mir schon jemand diesem Ort einen Besuch abgestattet hatte, es aber nicht mehr rechtzeitig geschafft hatte, den Deckel hoch zu heben. Nachdem ich ganz artig gekotzt hatte, wusch ich mir das Gesicht und die Hände.
Ich hatte große Schwierigkeiten dieses Zeug, das ich mir vom Deckel geholt hatte, wieder abzuwaschen. Anschließend reinigte ich auch noch den Toilettendeckel.
Die ganze Angelegenheit war für mich damit erledigt. Ich fragte beim Frühstückstisch, welcher eher einem Katerfrühstück glich, auch nicht, wer für diese Schweinerei verantwortlich war. Alle waren am Tisch anwesend, auch die Kinder - Die konnten allerdings ihr normales
Frühstück einnehmen. Kann ich bitte einen Kaffee haben?"

Doktor Johnson nickte einem der Wärter zu, welcher sich, ohne ein Wort zu sagen und ohne eine Geste, daran machte, den ihm aufgetragenen Befehl sofort auszuführen. Wahrscheinlich war es in dieser Anstalt üblich, dass der Doktor niemals allein mit seinen Patienten sprechen konnte, es war immer ein Wärter mit im Zimmer; vielleicht eine Vorsichtsmaßnahme, wie Casey vermutete. Die Tür fiel ins Schloss.

"Danke. Wo war ... Ah ja, wir saßen also versammelt an einem Tisch und begannen uns wieder zu unterhalten. An diesem Morgen sprachen wir aber über andere Dinge als die Nacht zuvor. Am schlimmsten vom Alkohol gezeichnet schien John, was mich sehr erstaunte, war er es doch, der für gewöhnlich selbst größere Mengen vertrug, ohne am nächsten Morgen total groggy zu sein. Er saß nur da und hörte uns bei unseren Unterredungen zu, ohne sich selbst zu äußern. Sogar als ich von Politik zu sprechen begann, verhielt er sich ruhig.
Um ihn zur Weißglut zu bringen genügte es, die Außenpolitik von George Bush über alle Maßen zu loben. An diesem Morgen jedoch war alles anders. Amanda, seine Frau, fragte ihn, was denn los sei. Er blickte sie lange an, ohne einen Laut von sich zu geben. Auf die Frage ob ihm denn noch so furchtbar übel wäre, nickte er nur kurz, dann ging er.“

Der Wärter stellte ihm den nochbrühend heißen Kaffee auf den kleinen, etwas wackeligen Tisch. Sein Blick schweifte nur kurz rüber zu der Tasse mit dem begehrten Inhalt.

"Danke. John ging, noch immer wortlos, ins Bad und schloss sich dort ein. Ich hörte, wie er den Schlüssel im Schloss der Badezimmertür drehte. Sein Verhalten amüsierte uns. Kurz darauf erhob sich Catherine und ging in die Küche um noch etwas Kaffee zuzubereiten. John beehrte uns mit seiner Rückkehr vom Badezimmer. Doch anstatt ein frisches Aussehen angenommen zu haben, erschien er uns noch, wie soll ich sagen, seltsamer als zuvor! Seine Augen waren plötzlich weit aufgerissen, seine Hände zitterten, er selbst schien mit einem Male um Jahre gealtert zu sein, und was das erschreckendste war, seine Lippen bluteten."

Er nahm einen Schluck aus der Tasse, der Kaffee war inzwischen auf angenehme Temperatur abgekühlt. Behutsam stellte er die Tasse wieder auf den Tisch.

"Aus der Weise wie sie bluteten entnahm ich, dass er sich wohl mit Absicht auf die Lippen gebissen hatte."

„Woran erkannten sie das? Vielleicht schlug er mit dem Mund versehentlich irgendwo an?"

"Nein, sicher nicht! Wäre es einfach ein Unfall gewesen, so wäre nicht die ganze Unterlippenseite verwundet gewesen, höchstens ein Teil der Lippe. In seinem Fall, so denke ich, hatte sich aber die ganze obere Reihe der Vorderzähne ins Fleisch gebohrt. Aus einer Geste, die er mit seinen Händen machte, entnahmen wir, dass er sich in sein Gästezimmer zurückziehen wollte. Amanda war mittlerweile natürlich sehr besorgt um ihn und wollte seine Lippe verarzten, doch John wehrte verärgert ab.
Wie schon im Badezimmer, so schloss er sich auch ins Gästezimmer ein. Zu diesem Zeitpunkt war es uns noch ein Rätsel, was mit ihm los war."

"Sie haben später also den Grund seines Verhaltens erfahren?"

„Ja!", erwiderte er mit einem finsteren Gesichtsausdruck und nahm nochmals einen kräftigen Schluck aus der Tasse. "Eigentlich hatten wir für diesen Tage ein Picknick geplant, doch wollten wir John in seinem Elend nicht alleine lassen. Also begnügten wir uns mit einem Aufenthalt im eigenen Garten."

Er hielt die Tasse mit beiden Handflächen fest, als wollte er sich an ihrer angenehmen Wärme
erfreuen.

"Wir redeten nicht sehr viel, zu sehr hatte uns Johns Verhalten in Mitleidenschaft gezogen. Gemeinsam mit den Kindern aßen wir am Nachmittag eine Kleinigkeit. Als es zu dämmern begann und ich mit Mary spielte, lief Geoffrey aufgeregt zu mir und packte mich an der linken Hand, in der rechten hielt ich einen Badmintonschläger. Geoffrey zerrte mich zu dem, wie ich glaubte, nicht mehr vorhandenen Loch, in welchem jetzt der Baum stand. Mit seinen kleinen Fingern deutete er auf ein kleines Loch daneben und erklärte mir, dass Mum, also Catherine, das Loch zugeschüttet hatte, nachdem sie den Baum eingepflanzt hatte. Catherine versicherte mir, dass sie das Loch mit Erde bedeckt hatte und auch sonst war niemand bereit, die Schuld auf sich zu nehmen.
Langsam bekam ich es mit der Angst zu tun, nachdem ich festgestellt hatte, dass von dem neuen Loch, wie schon von den kleinen Löchern die ich tags zuvor fand, eine Spur wegführte, welche sich eindeutig in Richtung meines Hauses hin bewegte. Und ich sah, und fühlte, etwas schleimiges, das in Verbindung mit der Spur stand. Ich erinnerte mich an die Flüssigkeit im Badezimmer, weigerte mich aber anfangs zu glauben, dass es sich bei beiden Flüssigkeiten, oder was immer es auch war, um ein und dieselbe Substanz handelte. Ich dachte sogar daran, dieses Zeug chemisch analysieren zu lassen, doch verwarf ich diesen Gedanken wieder als mir einfiel, dass ich die Substanz im Badezimmer weggewischt hatte und ich mich dabei ganz schön blamieren hätte können. Wäre mir peinlich gewesen, wenn ich die Proben gemeinsam mit einem chemischen Befund erhalten hätte auf welchem steht, dass es sich bei der geheimnisvollen Substanz um normalen menschlichen Speichel, oder so, handelt.
Wäre ich jetzt in der gleichen Situation wie damals, meine Entscheidung würde anders ausfallen!"

Er leerte mit einem Schluck die Tasse und reichte sie dem Wärter, der nach wie vor einfach nur dastand und zuhörte.

"Als es dunkel wurde, zogen wir uns ins Haus zurück. Amanda wollte sich über Johns Gesundheitszustand erkundigen, doch nach wie vor hiel. er sich im Gästezimmer verschanzt, nicht gewillt auf Versuche Amandas, sie doch endlich einzulassen, zu reagieren. Auch ich wollte John überreden, uns endlich zu erklären, was denn los sei. Er schien uns gar nicht zu bemerken.
Ich lauschte an der Tür, ob er denn überhaupt noch ein Lebenszeichen von sich gab. Tatsächlich hörte ich Geräusche aus dem Zimmer, es klang wie Stöhnen, wie ein ganz leises, vorsichtiges Stöhnen.
Unterbrochen wurde es nur durch ein hohles Tropfen, als wäre ein Wasserhahn undicht. Da die Tür auch spät Nachts geschlossen blieb, musste Amanda mit dem Sofa im Wohnzimmer vorlieb nehmen, was sie natürlich verärgerte.
Am nächsten Morgen war ich sehr überrascht, als ich John gemeinsam mit Amanda und den Kindern frühstücken sah. Sofort herrschte ich ihn an, was er sich denn gestern dabei gedacht hätte sich einzuschließen. John sah mich amüsiert an und antwortete, dass es ihm leid täte, was gestern passiert sei, aber ihm sei so furchtbar übel gewesen und außerdem wäre er in einen tiefen Schlaf gefallen. Notgedrungen nahm ich ihm seine Erklärung ab. Dennoch war ich nicht ganz zufrieden Was war das für ein seltsames Tropfen gewesen, welches ich am Abend zuvor gehört hatte?
Ich ging in das Gästezimmer um mich davon zu überzeugen, dass die ganze Angelegenheit harmlos sei. Mein erster Blick fiel auf das Bett, welches in Unordnung war. John musste sich darauf unruhig gewälzt haben, ’Na bitte!’, dachte ich erleichtert, ‚Es war so, wie er gesagt hatte’.
Plötzlich sah ich, dass am Teppich undefinierbare Tropfen klebten. Ich bückte mich um erkennen zu können, worum es sich dabei handelte.
Widerwillig berührte ich einen dieser Tropfen und zuckte augenblicklich zurück. Dieselbe Substanz, die ich bereits vom Bad und vom Garten her kannte, dieses schleimige, ekelige Zeug. Nun war mir klar, woher das tropfende Geräusch stammte, oder vielmehr, die Wirkung war mir vertraut, aber nicht die Ursache.
Ich konnte die Tropfen, die ich gehört hatte, sehen, angreifen, mit Entsetzen akzeptieren, doch wusste ich nicht, woher sie stammten. Von John? Der Gedanke daran war zwingend und logisch, doch sehr beunruhigend. Und dann war da noch etwas, das mich nicht losließ und mir erst im Zimmer auffiel, nämlich, dass Johns Unterlippe, die noch am Samstag einer Schlachtplatte glich, inzwischen völlig verheilt war.
Keine Narbe war zu sehen. Ein Heilungsprozess, der nur wenige Stunden in Anspruch nahm? Was war das für ein unheimliches Stöhnen gewesen?
Was mir aber fast den Verstand raubte war die Frage nach der Verbindung zwischen diesen Schleimspuren - Ich hatte sie zweimal im Garten, einmal im Badezimmer und im Gästezimmer entdeckt. Wenn man davon ausgehen konnte, dass John sowohl für den Schleim im Gästezimmer als auch im Badezimmer verantwortlich war, wieso lag dann im Garten das gleiche Zeug?
Ein verspäteter Aprilscherz von John? Wohl kaum, wie hätte er vor seiner Ankunft die Spur im Garten legen können?
Wollte Catherine mich in den Wahnsinn treiben?
Oder gar die Kinder, die aber noch zu jung waren um einen derart derben Scherz zu inszenieren? Als ich die Treppe wieder runterstieg, um mein Frühstück endlich einzunehmen, bemerkte ich, dass einige dieser Schleimtropfen auch am Treppengeländer hafteten, was mir beim Hinaufgehen entgangen war.
Von meinen 'Entdeckungen' ließ ich die anderen vorerst nichts wissen, ich hatte einfach Angst, ausgelacht zu werden. Um ganz sicher zu gehen, dass John die Ursache für die Schleimspuren war, ging ich in die Küche und vergewisserte mich, dass keinerlei Spuren der Substanz zu sehen waren.
Dann ging ich zurück ins Esszimmer und wartete eine günstige Gelegenheit ab, um mit John allein zu sein. Es dauerte nicht lange, da beschlossen meine Lieben, irgend etwas zu unternehmen. Wir einigten uns darauf, endlich einmal wieder ins Kino zu fahren. Die Kinder, wie Kinder nun mal so sind, stürmten ungeduldig in die Garage, gefolgt von Catherine.
Als auch Amanda und John sich dorthin begeben wollten, hielt ich John an seinem linken Arm fest mit der Begründung, ich wolle ihm unbedingt noch meinen neuen Schlafzimmerschrank zeigen und seine ehrliche, kritische Meinung dazu hören. Tatsächlich sprang John darauf an und - Könnte ich wohl noch eine Tasse Kaffee haben? Meine Kehle ist schon staubtrocken."

Sein geduldiger Zuhörer, der ihm scheinbar interessiert sein Ohr lieh, nickte, was für den unbewegt lauschenden Wärter wiederum ein Signal darstellte, die Order zu befolgen. Die Tür schloss sich.

"Wir stiegen also die Treppe hoch, als ich, 'zufällig' bei der vorletzten Stufe der Treppe stolperte und John mit schmerzverzerrtem Gesicht bat, mir eine kleine Mulle Verband zu besorgen. John brachte mir den Verband, der sich in der Küche befand, und half mir, mich ins Bett zu schleppen, wo ich kraftlos zusammenbrach. Es kostete viel Überredungs- und Schauspielkunst, um mein Familie davon zu überzeugen, dass ich schon alleine zurecht kam. Als ich nach einigen Minuten das Garagentor zuschnappen hörte, wusste ich, dass ich Zeit hatte um meine Nachforschungen zu beginnen."

Der Wärter reichte ihm lautlos die Tasse Kaffee. Casey nahm nur einen kurzen Schluck davon, zu heiß war das frisch gebrühte, schwarze Getränk noch.

"Augenblicklich stieg ich die Treppe wieder runter um zu sehen, ob in der Küche Spuren lagen. Ich betete zu Gott, dass ich keine Spuren finden möge. Je näher ich der Küche kam, um so wilder begann mein Herz zu schlagen. Endlich hatte ich mein Ziel erreicht.
Ich sah keine Spuren, weder am Parkettboden noch an den Küchenschränken. Ich atmete auf, schimpfte mich selber einen hysterischen Idioten. Nach all der Aufregung hatte ich mir eine Tasse Kaffee redlich verdient. Wie Sie bemerkt haben, bin ich leidenschaftlicher Kaffeetrinker."

Lächelnd deutete er auf die Kaffeetasse, die auf dem Tisch stand. Doch schon im nächsten Moment verflüchtigte sich sein Lächeln, als wäre es nie vorhanden gewesen.

"Ich griff also zur Kaffeepackung, die neben dem Verbandskasten im Küchenschrank neben dem Gasherd stand. Fast traf mich der Schlag, als ich den Schleim bemerkte. Träge zog er sich über die glatte Oberfläche des Verbandskastens. Starr vor Schreck beobachtete ich ihn auf seinem Weg zum abgerundeten Rand der Oberfläche, von wo aus er auf den Boden tropfte, ein zäher Tropfen, der mich zu verhöhnen schien: ‚Siehst du, jetzt habe ich dich doch hoch ordentlich erschreckt. Damit hast du nicht gerechnet, was?’
Zitternd vor Angst knallte ich das Türchen des Schrankes zu, rannte ins Wohnzimmer, nahm den Telefonhörer von der Gabel und ertappte mich dabei, wie ich die Nummer der Polizei wählte.
Ich legte schließlich den Hörer wieder auf. Was hätte ich der Polizei erzählen sollen? Hilfe, mein Bruder sondert mit seinen Händen Schleim ab? Die hätten mich doch sofort da hin gebracht, wo ich mich nun befinde.
Ohnmächtig vor Wut und Angst schmiss ich mich auf das Sofa, das neben dem Telefon stand. Hilflos lag ich da, unfähig, klar zu denken. Was sollte ich nur tun? Ich lag einfach da und erwartete die Rückkehr von Catherine, den Kinder, Amanda und - John!

Nach einigen Stunden, es muss am späten Nachmittag gewesen sein, vernahm ich das Garagentor. Sie waren also zurück. Amanda stand vor mir und fragte, ob denn mein Bein noch schmerzen würde und ob sie nicht doch den Arzt holen sollte. Nervös winkte ich ab Die Schmerzen seien nicht so schlimm und das Bein sei sicher nicht gebrochen.
Auch Catherine und die Kinder sorgten sich sehr um mich, ich musste sie beruhigen.
Plötzlich stand auch John vor mir und starrte mich an, dann setzte er sich und wollte mir seine rechte Hand auf die Stirn legen. Ich dachte an seinen Schleim und mit einem Satz sprang ich auf. Er grinste mich an, da wusste ich, dass er mich reingelegt hatte. Er wusste, dass meine Verletzung nicht echt war, er wusste, dass ich ihn am frühen Nachmittag überlistet hatte.

‚Na, dir scheint's ja wieder ganz gut zu gehen!’. Seine Stimme schien nicht mehr menschlich zu sein, sie klang geradezu plastisch.
Sie kennen doch diese Computer, die die menschliche Stimme nachzuahmen versuchen? Fast genau so klang es, eine dumpfe, unwirkliche, verzerrte Stimme. Ich musste meine ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um nicht hysterisch loszubrüllen.“

Er setzte ab, um tief Luft zu holen und den letzten Rest Kaffee runterzuschlucken. Wieder- dauerte es etwas Zeit, bis er die Kraft gefunden hatte seinen Bericht, dem sowieso niemand Glauben schenken würde, wieder fortzusetzen.

"Wie könnte ich Ihnen meine Hoffnungslosigkeit beschreiben? John wusste, dass ich es wusste.
Ich wusste, dass John es wusste.
Wir spielten gewissermaßen Katz und Maus. Leider war ich in der Rolle des schwächeren Parts. An wen hätte ich mich wenden sollen? Niemand würde mir glauben, ebenso wie es jetzt der Fall ist."

"Aber nein, ich glaube Ihnen ja! Erzählen Sie bitte weiter, Mister Casey!"

"Es wurde dunkel, und ich hatte Angst davor. Wartete John nur darauf, dass mich der übermächtige Gegner namens Müdigkeit. gnadenlos auszahlte? Wartete er darauf mich zu töten? Uns alle zu töten? Würde ich beim Aufwachen feststellen, dass auch ich Schleim absonderte?
Schließlich hatte es John doch auch Nachts erwischt. Ich musste die Kinder ins Schlafzimmer holen und mich einschließen, so wie es John gemacht hatte.
Amanda müsste ich warnen. Sie davon abhalten, neben John zu schlafen. Amanda war eine sehr verständnisvolle Frau, sie würde mir sicher genug Vertrauen entgegenbringen, um meinen Rat zu befolgen. Ich musste es versuchen.
Ich tat es. Ich legte Amanda die Lage aus meiner Sicht dar und versuchte sie mittels des Schleimes von meiner Theorie zu überzeugen. So sehr ich mich auch anstrengte ihr den Beweis unter die Nase zu halten, der Schleim war einfach verschwunden.
Nur ein dunkler Fleck erinnerte an jene Stelle, an welcher der Schleim hing. Egal wo ich auch suchte, im Gästezimmer, im Garten, im Badezimmer, auf der Treppe - das Zeug war weg, verdunstet oder restlos abgebaut innerhalb weniger Stunden.
Amanda dachte, ich wollte sie veralbern, was ich ihr nicht verübeln konnte.
Ich schloss mich mit Catherine, Geoffrey und Mary im Schlafzimmer ein, wobei ich gar nicht erst versuchte, Catherine zu erklären warum ich das tat. Sie fragte auch gar nicht, hielt das ganze wohl für eine psychische Folge des Treppensturzes.
Es war eine furchtbare Nacht.
Nicht, weil es im Bett sehr eng wurde, sondern weil ich vor Angst kein Auge zubekam. Während Catherine und die Kinder selig schlummerten, verfiel ich in eine Art Trance. Ich war in dieser Nacht dazu verdammt, nicht schlafen zu dürfen.
Unruhig ging ich im Zimmer auf und ab, ganz leise, um jene Menschen, die mir auf der Welt am meisten bedeuteten, nicht zu wecken oder zu beunruhigen.
Als die Dämmerung einsetzte fiel auch ich in einen furchtbaren Schlaf, die Müdigkeit, die zu meinem Feind wurde, besiegte. Ich schlief nur ganz kurz und durchsetzt von Alpträumen.
Als ich erwachte, waren Catherine und die Kinder verschwunden, was mich in Panik versetzte. Verzweifelt rief ich ihre Namen und stürzte die Treppe hinunter um sie notfalls zu beschützen oder zu retten. Sie saßen bei Tisch und unterhielten sich mit John, der seine unwirkliche Stimme noch immer ertönen ließ.
Ich wollte mich schon zu ihnen setzen, als mein Verstand zur Vorsicht mahnte. Ich lief also zurück ins Schlafzimmer, um mich zu überzeugen, dass kein Schleim sich darin befand. Nach gründlicher Durchsuchung des Zimmers stellte ich zu meiner größten Erleichterung fest, dass wir die Nacht unbeschadet überstanden hatten.
Oder doch nicht? Wo war Amanda? Ich fragte John ob er wisse wo sie sei, doch er zuckte nur die Schultern und grinste mich an. ‚Keine Ahnung! Aber sag mal, musst du heute nicht arbeiten?’.
Das könnte dir so passen, dachte ich.
Hektisch lief ich ins Wohnzimmer und rief im Institut an. Ich tat mein bestes um meinen Vorgesetzten zu überzeugen, dass ich an der Kippe zwischen Leben und Tod stand. Meine Vorstellung wurde mit zwei arbeitsfreien Wochen belohnt.
Mein eigentliches Problem begann aber erst jetzt - Wohin sollte ich mit meiner Familie fliehen? Hier konnten wir nicht bleiben, unmöglich.
Als John die Kinder mit in den Garten nehmen wollte, rastete ich aus. Die furchtbare Vorstellung, dass diese Dinger auch meine Kinder verändern würden, ließ mich etwas tun, was ich normalerweise niemals gewagt hätte. Ich stürmte auf John los und versetzte ihm einen derart heftigen Stoss, dass er gegen die gläserne Gartentür flog, die Scheibe durchbrach und im Garten liegen blieb.
Catherine kreischte geschockt auf, wollte ihm natürlich sofort helfen, doch ich hielt sie zurück und befahl ihr, mit den Kindern sofort ins Auto zu steigen. Wie angewurzelt blieb sie stehen mit Tränen in den Augen; sie musste mich für völlig psychopathisch halten.
Nur für kurze Zeit konnte mein Überraschungsangriff John in Schach halten. Schon stand er wieder auf, das zersplitterte Glas hatte ihm zahllose Wunden zugefügt, er blutete sehr stark.
Selbst in meinen entsetzlichsten Alpträumen konnte ich nicht dieses Bild vorhersehen, das sich mir nun bieten sollte - Johns Hals dehnte sich, als würde man eine hydraulische Vorrichtung betätigen. Die Haut, die seinen Hals bedeckte, wurde entzweigerissen, als würde sie von innen her aufgeschnitten. Der Hals wuchs etwa um das dreifache, was es John ermöglichte, seinen Kopf wie eine riesige Echse hin und her zu peitschen. Seine Arme elongierten ebenfalls, allerdings nicht so stark wie der Hals. Die Fingerkuppen explodierten förmlich, stattdessen erwuchsen John riesige Klauen. Sein Rückgrat wurde aus dem zerfetzten Rücken geschleudert, eine Art Echsenschwanz von gewaltigen Masse fiel mit lautem Getöse zu Boden, hob sich, fiel erneut zu Boden, und hob sich erneut, um sich, wahrscheinlich zum Zwecke des Gleichgewichtes, einzupendeln. Auch die Rippenpaare schienen aus dem Körper herauszuwachsen, doch ich, Catherine und die Kinder, wollten den Rest des grausamen Spektakels nicht mehr abwarten.
Wir liefen, nein vielmehr stolperten wir in den Keller, um uns mit dem Auto in Sicherheit zu bringen. Als wir in der Garage ankamen, schloss ich die Kellertür hinter mir ab.
Während Catherine die Kinder, und sich selbst, zu beruhigen versuchte, wollte ich den Wagen, einen 84er Chevrolet, starten, was mir jedoch nicht gelang, denn es fehlte der Zündschlüssel.
Der hätte mir allerdings auch nicht viel helfen können, schließlich waren fast sämtliche Drähte und Kabel herausgerissen. Die Frage nach dem Täter erübrigte sich wohl. Mein nächster Gedanke war natürlich das Garagentor, doch war auch dessen Elektronik so geschickt zerstört worden, dass uns auch dieser Fluchtweg versperrt war, wir saßen also praktisch in der Falle!"

"Hatten Sie denn keine Fenster in der Garage, durch die Sie hätten fliehen können?"

"Doch, aber die Fenster waren so klein, dass wir nur Mary rausschieben hätten können. Aber das wäre unverantwortlich ihr gegenüber gewesen, oder? Wie gesagt, wir waren gefangen, in unserem eigenen Haus gefangen! Wir hatten keine Ahnung wie es weiter gehen, sollte.
Während wir verzweifelt in der Garage saßen, schlug John, oder was immer er nun auch war, mit immenser Kraft gegen die Kellertür, die aus Holz gemacht war. Immer und immer wieder die gleichen, dumpfen, drohenden Schläge gegen die Tür und bei jedem Schlag splitterte Holz.
Unsere einzige Chance war es, John zu überrumpeln und so schnell wie möglich den Weg nach draußen zu erreichen. Ich befahl Catherine und den Kinder, sich an die Wand neben der Tür zu stellen.
Unterdessen war ich auf der Suche nach einem massiven Gegenstand, welchen ich in Gestalt eines etwa zwei Meter langen Brettes fand. Ich stellte mich, ebenso wie Catherine und die Kinder, an die Wand, allerdings in der anderen Richtung. Zitternd erwarteten wir den Moment, in welchem John die Tür durchbrechen würde. Es kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor, bis es so weit war. Ein großes Stück Holz war aus der Tür gefallen, unter den Schlägen dieses Dinges nur noch ein Bündel voll gesplitterten Holzes. Bald folgte noch mehr Holz und endlich war das Loch in der Tür groß genug, um dem massigen Körper des in John steckenden Wesens Durchlass zu gewähren.
Das Ding steuerte geradewegs auf das Auto zu, in der Annahme, wir hätten uns im Wagen verschanzt. Als es seinen Irrtum merkte, drehte es sich um und erblickte Catherine, die schreiend mit den Kinder aus der Garage floh.
Als das Ding Catherine und den Kindern nachsetzen wollte, gab es für mich kein Zurück mehr Mit meiner ganzen Kraft, meiner ganzen Wut, meinem letzten verbliebenen Rest an Energie, schleuderte ich das Brett gegen das Ding. Das Brett wurde in viele Stücke zerfetzt, John stürzte gegen den Wagen, welcher durch den Aufprall des schweren Körpers wie ein Boot zu schaukeln begann.
So schnell ich konnte lief auch ich in die Wohnung, wobei ich mich schon in Sicherheit wähnte, was ein Irrtum war. Im Esszimmer, welches oberhalb die Garage lag, angekommen, sah ich, wie die Kinder schreiend die Treppe Richtung Schlafzimmer hoch liefen.
Catherine lag regungslos am Teppichboden, blutüberströmt, von Amanda, die sich ebenso wie John in eine Art Echse verwandelt hatte, getötet. Während sie den Kopf wandte um mich zu beobachten, schlang sie ein Stück Fleisch aus Catherines Körper.
Dem Wahnsinn nahe konnte ich genau mit verfolgen, wie das soeben verschluckte, unverdaute Fleischstück langsam den Hals hinunterrutschte, auf dem Weg zum Magen. Schon hörte ich, wie John sich die Stufen aus dem Keller herauf schleppte, schwer keuchend, offenbar hatte ich ihn stark verletzt.
Mir blieb nicht mehr viel Zeit um mich zu entscheiden, was ich zu tun hatte. Der Weg durch den Garten war frei, vielleicht hätte ich es bis zum Haus meiner Nachbarn geschafft, denn John war verletzt und Amanda war derweil abgelenkt. Für mich kam diese Variante aber nicht in Frage, hätte ich denn die Kinder in Stich lassen sollen? Der Weg über die Treppe war frei, also rannte ich diese hoch, während sich John die Kellertreppe rauf quälte. Als ich endlich auf dem Treppenabsatz angekommen war, drehte ich mich flüchtig um. An Johns Bewegungen konnte ich ablesen, dass ich sein rechtes Bein zertrümmert hatte. Fast genoss ich diesen Anblick, fast.
An der Schlafzimmertür angekommen, drückte ich die Türklinke runter, doch die Tür war verschlossen! Ich schlug gegen die Tür, rief Geoffrey, er solle schnell aufsperren und mich reinlassen, doch keine Reaktion erfolgte. John war nur noch knappe 10 Meter von mir entfernt, das Schlafzimmer war meine letzte Hoffnung. Neben dem Schlafzimmer standen nur noch zwei Räume zur Verfügung, eine Art Rumpelkammer, in welcher wir unseren Ramsch verstauten, die aber ständig verschlossen war, und das Gästezimmer. Ich hatte keine Möglichkeit es zu erreichen, da der einzige Weg dahin über John führte. Völlig unbewaffnet war es aussichtslos, an John vorbei zu kommen. Trotz seiner starken Verwundung verfügte er noch immer über ungebändigte Kräfte.
Verzweifelt trat ich gegen die Tür und befahl Geoffrey mich endlich ins Zimmer zu lassen. Ich versprach ihm alle möglichen Belohnungen und bettelte und weinte wie ein ausgesperrter Hund im Regen. Schon streckte John seine Arme aus um mich zu packen, als Geoffrey doch noch den Schlüssel im Türschloss herumdrehte. Ich stürzte hinein und schlug die Tür hinter mir zu, doch es war schon zu spät - John gelang es, einen Arm zwischen Türstock und Tür zu zwängen. Ich stemmte mich mit aller mir verbliebenen Kraft gegen die Tür, auch Geoffrey half mir.
Mary saß stumm im Bett und starrte mit großen Augen Johns pendelnden Arm an. John ließ einen markerschütternden, schmerzerfüllten Schrei los.
Es war kein menschlicher Schrei, es war der hassverzerrte Schrei eines mir unbekannten Lebewesens. In seiner Wut versuchte John mich mit seinem Arm wegzuschleudern, doch hatte er nicht mehr die nötige Kraft dazu. Immer schwächer wurde die Gegenwehr seiner Gliedmaße, es war nur noch ein letztes Aufflackern der im Arm noch vorhandenen Kräfte.
Mit einem seiner letzten Schläge traf er meine linke Gesichtshälfte, die durch die an der Pranke befindlichen Klauen zerkratzt wurde. Obwohl ich sah, dass sein linker Arm keine Gefahr mehr für mich bedeutete, drückte ich auch weiterhin gegen die Tür.
Irgendwie gelang es John, den Arm zu befreien. Mit lautem Getöse schlug die Tür zu. Sofort begann ich damit, uns zu verbarrikadieren. Ich verwendete dazu alles was mir brauchbar erschien: Schränke, Kästen, den großen, schweren Spiegel der an der Wand hing, selbst das Bett versuchte ich zu verschieben, was mir aber mangels Kraft nicht mehr gelang. Völlig ausgelaugt warf ich mich aufs Bett, wissend, dass ich für einige Minuten eine Art Galgenfrist herausgeschlagen hatte. Ich begann nachzudenken, wie wir aus der Falle, in der wir zum zweiten Mal saßen, entkommen könnten.
Es gab nur eine einzige Möglichkeit - Durchs Fenster! Wäre ich alleine gewesen, ich hätte keine Schwierigkeiten zur Flucht gesehen, doch wie sollte mir das mit zwei Kindern gelingen?
Ich wusste nur, dass es sehr schnell gehen musste. Binnen weniger Minuten müsste mir das Abseilen aus dem Fenster gelingen, andernfalls würden mir John und Amanda zuvorkommen. Auch wenn sie sich in Echsen verwandelt hatten, so hatten sie vielleicht das logische Denkvermögen der ehemaligen Besitzer der Körper übernommen. Während ich noch überlegte, was ich denn unternehmen könnte, begann Amanda, oder John, damit, unsere Barrikade zu durchbrechen.
Es würde nicht lange dauern und unsere letzte Zufluchtsstätte würde fallen, und mit ihr auch wir. Ich fasste einen letzten, verzweifelten Plan. Ich riss die Matratzen aus dem Doppelbett, öffnete das Fenster und warf die Matratzen nach unten.
Ohne zu überlegen packte ich Geoffrey, sah ihn einen kurzen Moment an und hob ihn aufs Fensterbrett. Ohne etwas zu sagen, sprang Geoffrey aus dem Fenster. Ich sah gebannt hinunter. Als Geoffrey auf einer der Matratzen aufschlug, wirbelten einige der darin enthaltenen Federn durch die Luft, weshalb ich im ersten Augenblick nicht erkennen konnte, ob Geoffrey gut gelandet war. Erleichtert sah ich, dass er sich erhob und mir zuwinkte, als wollte er mir Mut machen. Ich nahm Mary in meine Arme, stieg aufs Fensterbrett und sprang auf die noch unversehrt gebliebene Matratze. Wir hatten es also tatsächlich geschafft, wohlbehalten auf der Erde zu landen. Gerade als ich Geoffrey anweisen wollte, so schnell wie möglich zu unserem Nachbarn zu laufen, fiel mein Blick auf den im Garten stehenden Griller, der mit einer Plastikplane geschützt war.
Vorsichtig zog ich die Plane herunter und nahm die Spiritus-Flasche. Ich öffnete diese, steckte ein Stück Stoff zur Hälfte rein, band ihn fest, zündete ihn mit einem Streichholz, das neben einem Stapel Zeitungen unter dem Griller lag, an und warf ihn durch das geöffnete Schlafzimmerfenster."

"Sie haben dadurch eine Art Kettenreaktion ausgelöst, die das halbe Haus in Schutt und Asche legte, Mister Casey."

"Ja." sprach er entspannt "Das war das beste was passieren konnte. John und Amanda sind dabei verbrannt, wie ich der Tageszeitung entnahm."

"Stimmt, ja. Aber niemand kann beweisen, dass John und Amanda tatsächlich zu diesen Wesen mutiert waren, die Sie beschrieben. Es darf Sie daher nicht verwundern, dass Sie in den Augen der Polizei und der Öffentlichkeit ein Mörder sind. In der Zeitung stand, dass die Polizei Mühe hatte, die völlig verkohlten Überreste als ehemals lebende Wesen zu identifizieren."

"Aber es war so, wie ich es erzählt habe. Es war tatsächlich so! Fragen Sie Geoffrey und Mary!"

Er hatte die Beherrschung verloren und war von seinem Sessel aufgesprungen. Doktor Johnson brachte ihn mit einer versöhnlichen Geste dazu, sich wieder zu setzen

"Aber Mister Casey! Sie wissen doch genau so gut wie ich, dass man Kinder leicht manipulieren kann.".

"Das stimmt nicht!"

"Na gut. Gehen wir mal von dem Fall aus, dass ihre Geschichte wahr ist. Warum geschah diese ... Verwandlung mit Ihrem Bruder und seiner Frau? Haben Sie eine Theorie dafür?"

Er schloss kurz die Augen, fast resignierend. Dennoch wollte er den Doktor von seinen. Aussagen überzeugen

"Hören Sie, Doc! Ich kann Sie sehr gut verstehen, ja, ich verstehe, dass Sie mir keinen Glauben schenken. Haben Sie gewusst, dass es in Afrika oder Asien eine Schlupfwespenart gibt, die ihr Opfer, eine Tarantel, betäubt und ihr dann Eier ihres Nachwuchses injiziert? Danach schleppt sie die Tarantel in einen von ihr ausgehobenen Bau und verschwindet. Die aus den Eiern schlüpfenden Jungen ernähren sich von den Organen der Tarantel, sie fressen sie von innen her auf. Übrigens fressen sie die Organe in einer speziellen Rangfolge, um ihr Opfer bis zum bitteren Ende am Leben zu erhalten. Erst das allerletzte Organ das sie verspeisen, gibt der Tarantel den Todesstoß, bis zuletzt ist sie lebendig!"

"Und was hat das mit Ihren Echsen zu tun?", erwiderte Doktor Johnson schon sichtlich erschöpft.

"Als ich das Loch grub, stieß ich zufällig auf eine unbekannte Art Lebewesen, die dadurch aus ihrem Tiefschlaf erwachte. Wer weiß, wie lange sie schon darauf gewartet hatten, endlich aus ihrem Gefängnis ausbrechen zu können? Vielleicht sind sie die letzten Überlebenden einer vor langer Zeit ausgestorbenen Tiergattung? Auf irgendeine Weise nisteten sie sich in Johns Körper ein und zerfraßen ihn förmlich, so wie es besagte Wespenart macht! Das Stöhnen, das ich aus dem Gästezimmer vernahm, als John sich eingeschlossen hatte, könnte von den entsetzlichen Qualen stammen, die er durchleiden musste.
Der Schleim könnte so eine Art Urin und Kot sein, der von den Kreaturen ausgestoßen wurde, nachdem sie sich an Johns Organen satt gefressen hatten. Das würde meiner Ansicht nach erklären, weshalb ich wenige Stunden nach dem Auffinden des Schleims, keine Spuren mehr von dem Zeug fand; es hatte sich innerhalb kürzester Zeit abgebaut!"

"Aber Sie müssen zugeben, dass die Geschwindigkeit, mit der die Kreaturen wuchsen, ungewöhnlich war."

"Was soll's! In dieser Situation, in der ich mich befinde, könnte ich ohne weiteres auch zugeben, für den 30jährigen Krieg verantwortlich zu sein, oder?"

Doktor Johnson lachte laut auf.

"Ich habe mich sehr gefreut, mit ihnen ein so langes Gespräch geführt zu haben, Mister Casey! Am besten, Sie legen sich wieder hin und wir reden morgen weiter. Auf Wiedersehen, bis morgen!"

"Auf Wiedersehen, Doc!", sprach er, er, der er wieder Mut gefasst hatte, er, der er zu erkennen glaubte, dass ihn Doktor Johnson nicht für verrückt erklärte, er, der er den Doktor mittlerweile fast sympathisch fand, er, der er dem Doktor freundlich die Hand zum Abschied reichte, er, der er dem Doktor die Hand schüttelte, er, der er, als der Doktor die Tür hinter sich verschloss, die Handfläche nach oben drehte, er, der er sah und fühlte, dass seine Hand voll ekeligem Schleim war, er, der auf sein Bett sank, er, der er wusste, dass SIE ihn niemals, mit Sicherheit niemals, hier raus lassen würden!

Irgendwann, heute, morgen, in zwei Monaten, würde er erwachen und die Schleimspur, die direkt auf die Pritsche zulief, am Boden erblicken. Er würde sich schlecht fühlen und kotzen und seine Gewissheit, nur ein weiterer Zwischenwirt zu sein, würde ihn wie ein Schlag ins Gesicht treffen. Es würde schlimm werden, sehr schlimm.

Und doch - Noch immer träumte er von der riesigen Flutwelle, die ihm erbarmungslos seine Familie entriss und sie ihm niemals wiedergeben würde.
Eines Tages würde die Hand auch nach ihm greifen, und dann würde der Traum für immer verblassen.

 

boah, ich glaub dafuer bin ich heut noch nicht wach genug, sorry :-) ich versuchs spaeter nochmal....

tessay

 

Hab mal den Titel editiert. Kommentare etc. gehören da ja nicht wirklich hin.

 

rainer: so, ich dann gerne mal die goldmedallie *g*

mmh, die story fand ich nich so berauschend, was aber wohl eher damit zusammenhängt, das ich mit horror nix anfangen kann (was daran liegt, das ich meistens den horror nicht finden kann *g*)

also was ich zu dem text sagen kann ist, das er vor ungereimtheiten nur überquillt. zum beipsiel das mit dem kaffee. er bestellt ihn, bekommt ihn auch. soweit nichts ungewöhnliches. was einen stört ist, das der eben noch "brühend heiße kaffe" im nächsten moment schon "angenehm" ist.

The Angellus

 

Also, als erstes wollte ich mir mal meine Medaille abholen.

Hmmmm....
Was soll ich sagen. Die Story dieser Geschichte ist recht Originell. Aber warum kam der "Virus" erst, nachdem das Loch gegraben wurde? Und nicht früher?

Na, gut. Wenden wir uns mal dem Ende zu:
Ich fand das Ende sehr überraschend und gut gelungen!

Mfg: Uffmucker

 

Die Entscheidung ist gefallen: Gold geht an Angellus, Silber an Uffmucker.
Eure Medaillen holt euch bitte beim Webmaster ab. :D

@ Uffmucker Wie kommst du auf einen Virus? Ich habe eher an Lebewesen gedacht, die sich andere Wesen als Wirte aussuchen.
Uralter Hut, ich weiß... :rolleyes:
Aber jeder fängt mal klein an.

 

Danke für die Medaille!

Komm ich jetzt ins Fernsehn?

Ich hab den Virus auch in Anführungsstriche geschrieben, weil ich nicht wusste, wie ich das nennen sollte.

Mfg: Uffmucker

 

Ich habe mir die Geschichte ausgedruckt, um sie in Ruhe lesen zu können.
O.k., wie du am Anfang geschrieben hast, war "Das Loch" deine erste Kurzgeschichte. Und das merkt man auch, vor allem, wenn man kurz zuvor dein neuestes Werk "Die Königin" gelesen hat.
Zum Inhalt: Wie Angellus schon bemerkt hat, gibt es mehrere Ungereimtheiten im Text. (Beispiel: Der Inhalt von Matratzen besteht üblicherweise aus Schaumstoff oder Seegras und Sprungfedern, aber keinen Federn, die durch die Luft wirbeln können).
Verwirrend für mich ist auch der Absatz, in dem der Protagonist auf der Treppe stolpert und sich von John einen Mullverband besorgen lässt. Wollte er nicht ursprünglich mit seinem Bruder alleine sein (um mit ihm zu sprechen)? Mir ist schon klar, dass er das Theater veranstaltet hat, damit er später nicht mit ins Kino musste und so ungestört im Haus seine Nachforschungen betreiben konnte, aber die Handlung wirkt doch sehr konstruiert.
Und dann die Echsen.......ich fand die Geschichte anfangs recht spannend (die eingeflochtenen Unterbrechungen waren geschickt gesetzt und haben zur Spannungssteigerung beigetragen), bis.....ja, bis John sich schließlich in eine Echse verwandelt. Von nun an geht’s mit 08/15-Action weiter.
Zudem ziehe ich es vor, wenn die Monstren sich im Verborgenen halten und, wenn überhaupt, dann nur als Schatten sichtbar werden, um so dem Leser noch genügend Spielraum für seine eigene Phantasie zu lassen. Deshalb hat mich auch Johns Verwandlung geradezu ernüchtert und mein Interesse an der Story gegen Null sinken lassen. Aber meine Vorliebe wird sicherlich nicht von allen Lesern geteilt.
Leider ist auch der Schluss nicht überraschend, sondern vorhersehbar.

Fazit: Eine sprachlich bemerkenswerte Debüt-Story, mit inhaltlichen Schwächen.

 

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