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Das Mädchen und der Tod

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02.01.2010
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Das Mädchen und der Tod

Plötzlich war es still. Die Musik hatte aufgehört zu spielen. Ich blickte von meiner Arbeit hoch in das Gesicht von Madame Dupres. Es war starr. War es wieder soweit? Ich ließ meinen Blick durch den Raum gleiten. Alle schienen eingefroren zu sein. Niemand bewegte sich. Kein Blinzeln, kein Zucken, kein Herzschlag. Nichts. Madame Dupres und ich hatten gerade im Aufenthaltsraum sauber gemacht. Jetzt stand sie vor mir. Regungslos. Ich schluckte. Wo war er? Lange hatte es diesmal gedauert! Schnell ging ich aus dem Aufenthaltsraum und blickte mich um. Wieder nichts. Ich traute mich nicht, zu rufen. Das hatte ja sowieso keinen Zweck. Langsam ging ich die Treppen zu den Zimmern der Alten hoch. Hier musste er sein. Ich ging an zwei älteren Herren vorbei, die neu eingezogen waren. Oben angekommen glaubte ich, mein Herz in meinen Ohren schlagen zu hören. Meine Knie zitterten. Wo bist du? Vorsichtig öffnete ich die Tür in Madame Cotillards Zimmer. Sie war die letzten Wochen schwer krank gewesen und der Arzt sah keine Aussicht auf Besserung. War er bei ihr? Schwerfällig öffnete sich die Tür. Nichts. Madame Cotillard lag unverändert in ihrem Zimmer. Alleine.
„Suchst Du mich?“
Blitzschnell drehte ich mich um. Er lehnte am Treppengelände, die Beine leicht überkreuzt und sah mir direkt in die Augen.
„Lange ist es her, nicht wahr, Sophie?“
Ich schluckte und nickte. Wie lange war es her? Zwei, vielleicht drei Jahre? Dabei hatte ich doch die Arbeitsstelle im Altenheim nur deswegen angenommen, um ihn öfter sehen zu können. Seit meiner Kindheit waren dies die Höhepunkte meines Lebens.
Ich erinnerte mich, als ich ihn das erste Mal sah. Ich war ein Kind. Nicht älter als vier Jahre. Damals hatten meine Eltern den furchtbaren Unfall.
„Ich habe dich vermisst,“ stotterte ich.
Er lächelte. Meine Nervosität versiegte augenblicklich. Trotzdem ließen seine grünen Augen nicht von mir ab. Sein Blick fixierte mich. Wie ein Löwe eine Gazelle fixiert. Gierig.
„Ich habe dich auch vermisst.“ Hauchte er mit einer Stimme, die alles von einem verlangen könnte. Alles. Ich musste schlucken. Meine Knie wurden weich. So wie jedes Mal – seit jenem schrecklich glücklichen Augenblick, an dem ich ihn das erste Mal sah. Aber niemand glaubte mir damals.
„Ich habe Dich sogar sehr vermisst.“ Er ging auf mich zu und stoppte knapp vor mir. Langsam beugte er sich zu mir herab. „Ich bin einsam, Sophie,“ flüsterte er in mein Ohr.
„Einsam,“ wiederholte ich. Ich war auch einsam. Das wusste er. Nichts habe ich mir mehr in meinem Leben gewünscht, als bei ihm zu sein. Ich hatte auch schon alles ausprobiert. Übermässiger Drogenkonsum, zu schnelle Autofahrten. Immer saß er links neben mir, aber er nahm mich nie mit sich mit. Ich hatte ihn regelrecht angefleht, aber er scholt mich. Meine Zeit war noch nicht gekommen. Wenn ich mich selber umbringen würde, käme jemand anderer, um mich zu holen, sagte er. Nicht er.
„Du bist etwas Besonderes, Sophie.“ Er lächelte und richtete sich wieder auf. Dabei strich er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Du kannst mich sehen.“ In seiner Stimme lag immer noch Erstaunen. „Seitdem Du meine Eltern begleitet hast.“ Ich nickte. Er schien mir damals als Engel. Er hatte mit seinen starken Armen meine Eltern gestützt und ihnen geholfen, in das helle Licht zu gelangen. Als er sich umblickte, hatte er genau in meine Augen gesehen. In die Augen eines Mädchens, die eindeutig ihn und niemanden anderen fixierten. Seine Verwunderung konnte ich schon damals erkennen. Seit dieser Minute konnte ich seine Augen nicht mehr vergessen. Tag und Nacht träumte ich von diesen Augen.
Ich wollte ihn spüren und griff nach seiner Hand. Sie fühlte sich kalt und hart an.
„Wie lange hast Du Zeit?“ meine Augen flehten ihn an, bei mir zu bleiben, aber seine Augen entflohen meinem Blick.
„Was wünscht Du dir von Deinem Leben?“ Er trat einen Schritt zurück und zog seine Hand zurück. „Leben? Ich habe es satt!“ ich fuhr herum. „Jeden Augenblick wünschte ich mir, ich könnte Dich sehen und immer bei Dir sein.“ Ich wurde ruhiger. „Das ist mein einziger Wunsch. Bei dir sein.“
Er lächelte. „Bei mir sein?“ er seufzte. „Das ist ein zu harter Weg.“
„Was muss ich machen?“ Hoffnung stieg in mir auf.
Stille. Herzzerreißende Stille. Er sollte etwas sagen… bitte.
„Du darfst nicht ins Licht sehen.“ Er senkte den Kopf.
„Nicht ins Licht? Wie soll das gehen? Das Licht ist dann doch überall.“ Ich verstand nicht.
Er schüttelte den Kopf. „Nicht überall. Ich werfe einen Schatten...“ er stoppte.
„…und?“
„Und du wirst Dein Leben in einem großen Schatten an dir vorbeiziehen sehen. Du wirst dich nur an die schweren Zeiten erinnern können.“
„Hatte ich jemals andere Zeiten?“ ungeschickt brachte ich ein Lächeln zu Stande. War das wirklich alles? „Aber wann ist es soweit? Muss ich noch lange warten?“ ich seufzte.
Er blickte mich an und reichte mir beide Hände. Plötzlich fühlte ich, wie die Hände wärmer wurden. Sie wurden wärmer und weicher. Was geschah? Ich spürte einen leichten Schmerz in meinem Kopf.
„Du hast ein Aneurysma… in deinem Kopf… es ist gerissen.“ Seine tiefe Stimme trug mich. Ich schloss die Augen.
„Ich bin heute wegen Dir gekommen, Sophie.“ Zitterte seine Stimme? „Endlich.“ Er trat noch näher an mich und umarmte mich. „Ich liebe Dich.“ flüstere er. „Dir wird nichts passieren.“ Ich schmiegte mich so fest ich konnte an ihn. Er wurde immer wärmer, sein Körper fühlte sich zunehmend lebendiger an. Ich öffnete meine Augen. Langsam wurde es hell um mich. Immer heller. Ich blickte in seine Augen. Sie waren voller Hoffnung. Hoffnung, nicht mehr alleine sein zu müssen. Nie wieder. Ich duckte mich und sein Schatten umschlang mich. Ich war frei.

 

Herzlich willkommen auf kg.de! Deine Geschichte hat mir leider nur bedingt gefallen. Das liegt sicherlich zum einen an meiner Abneigung gegenüber schwächlich-verliebten post-Twilight Protagonistinnen, die weinerlich dem Tod entgegenschmachten und damit einem Frauenbild entsprechen, das ich als abstoßend empfinde. Dass wir uns hier im Terrain schlimmster Groschenroman-Gefilde befinden, machst du bereits durch deine sprachlichen Bilder deutlich, die (wenn du sie denn nutzt) klischeehaft und übertrieben wirken. Ein Beispiel:

Wie ein Löwe eine Gazelle fixiert. Gierig.
...

Positiv ist hervorzuheben, dass du die Textform der Kurzgeschichte ganz gut umsetzt, mit einem abrupten Beginn und einer recht klar ersichtlichen Struktur.

Sprachlich würde ich Dir empfehlen, individuellere Ausdrucksformen zu finden, jeder zweite Satz enthält eine ermüdende klischeehafte Phrase wie

Hauchte er mit einer Stimme, die alles von einem verlangen könnte.

Insgesamt hat mir deine Geschichte mit ihrer pubertären Todessehnsucht und ihren abgeschmackten Charakteren also nicht gefallen. Ich bin mir aber sicher, dass Du es besser kannst, wenn du nächstes Mal eine individuellere Sprache sowie ein differenzierteres Vokabular verwendest und darüber hinaus Protagonisten erschaffst, die Interesse wecken, statt wie ermüdend weinerliche Klischees zu wirken.

Mit diversen Grüßen,

spec

 

Hallo!
Naja, das ist zwar vieeel destruktive Kritik aber auch ein bisschen konstruktive... Danke jedenfalls (und das meine ich ernst) ! Werde mich bemühen, das nächste mal ein weniger verkitscht zu schreiben :-)
Und zu Twilight... das hab ich zwar nicht gelesen, aber mich damit in Verbindung zu setzen sehe ich eher als positiv an ;-)
Lg,
lamet

 

Hi Lamet,

im Prinzip stimme ich Spectator zu. Ich denke aber nicht, dass der Vergleich mit Twilight hier positiv zu sehen ist. Mann kann in den letzten Jahren bei vielen Kurzgeschichten schon eien Entwicklung sehen, wo erfolgreiche Filme oder Bücher Trends gesetzt haben, die dann zu tausenden in Kurzgeschichten oder Roman aufgegriffen wurden. Als Harry Potter kam, haben viele über Zauberschüler geschrieben, dann kamen die Tolkienvölker, die Geheimbünde, die Kirchenthriller und schließlich die Vampire. Es wird also bekanntes wieder und wieder aufgekocht.

Bei einigen Formulierungen schleicht sich bei mir der Verdacht ein, dass Du die Geschichte schnell mal eben runtergetippt hast. Herauskommen dann solche Sätze:

Oben angekommen glaubte ich, mein Herz in meinen Ohren schlagen zu hören

Schlägt das Herz hier in ihren Ohren?

Ich ging an zwei älteren Herren vorbei, die neu eingezogen waren.

Ging sie an den Männern vorbei (was machen die da? Stehen die einfach auf dem Flu?), oder vielleicht an den Zimmer, in dem die Männer wohnen?

Madame Dupres und ich hatten gerade im Aufenthaltsraum sauber

Von einer Madame würde ich nicht erwarten, dass sie ein immer sauber macht.


Die Beziehung zwischen dem Tod und Sophie erscheint mit noch nicht so richtig glaubhaft. Was findet das Mädchen an dem Tod so schön? Ich stelle mir die Figur als Sensemann mit einem Skelettschädel vor. Viele andere Leser vielleicht auch. Ich meine damit, dass Du dem Leser klarmachen musst, warum Sophie sich so zu der Figur hingezogen fühlt. Was ist für sie das besondere an ihm, dass sie sogar für ihn sterben will?

Ich denke, dass Du aus der Geschichte schon noch einiges machen kannst. Dazu wirst Du aber dem inneren Konflikt von Sophie deutlich mehr Raum geben müssen

Viele Grüße
Jörg

 

Hallo Jörg!

Vielen Dank für Dein Kommentar, damit kann ich wirklich etwas anfangen! Ich werde versuchen, den inneren Konflikt noch etwas auszuweiten und jaa, Du hast recht: ich habe diese Geschichte "schnell mal runtergetippt", weil ich sie als Schreibübung angesehen habe und wollte wissen, worauf ich beim Schreiben besonders achten muss (woher soll man das ja auch ohne Erfahrung wissen...?)
Also vielen Dank nochmals,
lamet

 

Hi Lamet,

(woher soll man das ja auch ohne Erfahrung wissen...?)
Kann man nicht wissen.:D
Wenn Du hier aber lange genug Geschichten einstellst (und andere kommentierst, was Dir selbst mindestens genauso viel hilft) wirst Du einige hilfreiche Tipps bekommen

Als ich meine ersten KGs geschrieben habe, war ich z.B. auch völlig überrascht, dass man in einem Absatz nicht 5 x "die Burg" schreiben soll :lol:

Viele Grüße
Jörg

 

Hallo Steffi!

Vielen Dank für Dein Kommentar! Und auch vielen Dank für "Daumen hoch" - das muntert ein bisschen auf :-)

Das mit den kurzen Sätzen ist wirklich Geschmackssache, denn ich finde, dass dadurch Spannung erzeugt wird (ich lese auch gerne Bücher, die dieses Stilmittel verwenden... z.B. die Bücher von C.S. Friedman) - aber ich werde das nächste Mal versuchen, die Wortmelodie dadurch nicht unterbrechen zu lassen ... was mir hierbei offenbar ja wirklich nicht gelungen ist.

Wie ich auch schon beim Kommentar von Jörg geschrieben habe, werde ich das nächste Mal den inneren Konflikt von Sophie mehr ausbauen, um die Leser erkennen zu lassen, warum sie sich den Tod wünscht (im Moment hab ich leider nicht allzu viel Zeit, weil ne Menge Prüfungen anstehen... )

Danke nochmals!
@Jörg: Hihi.... Man lernt halt nicht aus :-) Gut, dass es Dir auch so gegangen ist, das baut auf :-)

Glg,
lamet

 

Hallo Lamet,
Also ich finde die Kurzgeschichte gelungen: Einerseits wird lange nicht klar, wenn der Tod holt und dann finde ich ihr Motiv passend: Allerdings müsste ihre trieste Lebenslage deutlicher hervortreten: Sie scheint mir eine junge Frau zu sein, die traurig ist, aber warum: ist sie hässlich: Alleine, dass sie in einem Altenheim arbeitet, sagt doch nichts darüber aus, ob sie unglücklich ist.
Madame Dupres klingt nicht wie jemand, der sauber macht.
Weiters ist mir nicht klar, warum sie gerade jetzt stirbt. Es scheint gerade so, als ob der Tod das so arrangiert hätte, was er aber vorher betont, gar nicht kann.
Sehr gut hat mir auch der Titel gefallen - der zieht an.
Inhaltlich will ich nicht kritisieren, aber insgesamt macht für mich die Geschichte einen runden Eindruck (auch wenn es dumm von der Protagnistin ist, in den Schatten zu gehen ... ups, jetzt ist es mir doch rausgerutscht ;)

Lg
Bernhard

 

Hallo Bernhard!

Sorry, dass ich mich so lange nicht gerührt habe, hatte einiges um die Ohren :-)

Vielen lieben Dank für dein Kommentar! Es tut echt gut, auch mal was wirklich Positives zu lesen :-)

Ich werde bei meiner nächsten KG versuchen, all das umzusetzen, was mir vorgeschlagen worden ist... Vor allem Sophie lebendiger zu machen und klar herauszustellen, warum sie so handelt...

Ganz liebe Grüße!

 

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