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Das Maisfeld

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14.11.2021
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Das Maisfeld

Ich bremste und kam zum Stehen. Paul fuhr mir fast hinten rein.
»Was ist los?«, fragte er mich.
Ich schaute über die Schulter nach hinten und sagte »Wir sollten durch die Felder fahren. Außen rum dauert es ewig.«
Paul zog die Augenbrauen zusammen, runzelte die Stirn und drehte seinen Kopf zu dem Maisfeld neben dem Feldweg. Der Mais überragte uns um Längen.
»Wir dürfen nicht durch die Felder fahren«, sagte Paul und schaute wieder zu mir.
»Ja und?«
»Oma sagt, in den Feldern verschwinden Kinder.«
»So ein Schwachsinn«, entgegnete ich.
»Oma sagt, ihre beste Freundin ist in den Feldern verschwunden.«
Ich erinnerte mich an die Geschichten und schluckte meine Spucke hinunter. »Du bist so ein Schisser«, sagte ich möglichst lässig und bog in den Feldweg ein. Nach einigen Metern hielt ich wieder an und drehte mich um. Paul stand noch vor dem Feld. »Kommst du?«
»Kennst du überhaupt den Weg?«, rief er mir zu.
Ich verdrehte die Augen, zog mein Smartphone aus der Hosentasche und wedelte es durch die Luft. Paul drehte seinen Kopf, schaute in Richtung des Weges, der um die Felder führte. Er drehte sein Rad um 90 Grad, trat in die Pedale und fuhr mir entgegen. Die Sonne versank hinter den Bergen.
Paul fuhr hinter mir über den mit Pfützen übersäten Weg. Es ging einen Hügel hinauf. Ich schaltete einen Gang runter. Der Wind frischte auf. Der Mais raschelte.
»Immer noch Angst?«, fragte ich Paul.
»Können wir schneller fahren?«
Ich entgegnete nichts und lockerte meinen Griff um den Lenker. Wir gelangten an eine Kreuzung.
»Wo lang?«, wollte Paul wissen.
Ich zog mein Telefon aus der Hosentasche und tippte auf das Display. Ich tippte nochmal, hielt kurz inne. Ich tippte stärker auf das Display, drückte auf die Seitentaste. «Der Akku ist leer.«
»Dein Ernst?«, entfuhr es Paul. Er holte sein Telefon heraus und atmete hörbar ein- und aus. »Nach rechts«, sagte er und fuhr los. Ich folgte ihm mit einigem Abstand. Wir fuhren wieder bergab. Paul trat in die Pedale, beschleunigte und verschwand hinter der nächsten Kurve.
»Warte auf mich«, rief ich ihm nach und ließ mich rollen. Ich bog ebenfalls um die Kurve. Keine Spur von Paul. Ich hielt an, sah mich um. »Paul?«, rief ich. »Paul?« Der Mais raschelte im Wind. Ich spürte mein Herz schlagen, mein Bauch verkrampfte sich. Ich raste los, schaltete in einen höheren Gang, fuhr im Stehen, bis ich an der nächsten Kreuzung bremste.
»Da bist du ja«, sagte Paul, der um die Ecke stand. »Wir müssen wieder nach rechts«, ergänzte er.
Mein Bauch entspannte sich wieder und mein Puls verlangsamte sich. Ich schaltete die Fahrradlampe ein, wartete nicht auf Paul und beschleunigte. Ich begann zu schwitzen, atmete durch den Mund und ignorierte meine schweren Oberschenkel. Wann sind wir endlich aus diesem scheiß Feld raus?, ging es mir durch den Kopf. Ich verlor mich weiter in meinen Gedanken, fuhr im Autopilot. Erst an der nächsten Abzweigung nahm ich meine Umgebung wieder wahr. »Wo lang jetzt?«, fragte ich nach hinten, drehte mich um und schaute ins Dunkel. Mein Bauch verkrampfte sich, mein Herz begann zu rasen. Wo ist Paul? Ich wendete mein Fahrrad und fuhr den Weg zurück. Das Licht am Rad flackerte. »Paul? Paul!«, schrie ich. Der Mais raschelte im Wind. Ich drehte mich hektisch in alle Richtungen. Ich zog mein Telefon aus der Hose, tippte wild auf das Display, versuchte es einzuschalten. Erfolglos.
Meine Fahrradleuchte gab den Geist auf. Ich sah das nächste Schlagloch nicht kommen und stürzte. «Scheiße«, entfuhr es mir. Ich blieb kurz liegen und kniete mich anschließend hin. Ich tastete erfolglos nach meinem Rad. Ich dehnte meine Suche aus, schlug links und rechts mit den Händen auf den Boden, doch spürte lediglich Wasser und Schlamm. Ich gab auf und spürte Panik in mir aufsteigen. Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, beschloss ich, bis zum nächsten Morgen auszuharren. Ich tastete nach den Maispflanzen und zog mich zwischen diese zurück. Ich setzte mich hin, winkelte die Beine an und umklammerte sie. Ich zitterte am ganzen Körper. Der Mais raschelte im Wind.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag ich im Dreck zwischen den Maispflanzen. Ich brauchte einen Moment, um mich zu orientieren. Dann fiel mir wieder ein, wo ich mich befand. Ich trat auf den Weg. Mein Rad lag einige Meter entfernt. Ich richtete es auf und machte mich auf den Weg zu unserer Oma. Als ich an der Kreuzung vorbeikam, an der ich Paul das letzte Mal gesehen hatte, sah ich sein Rad auf dem Weg liegen. Ich stoppte und rief “Paul!”. Die Maispflanzen schwiegen.

 

Lieber @anschi

vielen Dank für deine Anmerkung zum Setting der Geschichte. Von der Idee, die Geschichte in einen Maisirrgarten zu verlegen, bin ich nicht überzeugt. Diesen könnte man ohne großen Zeitverlust umfahren. Ich verlagere die Geschichte in eine andere Umgebung, in der man auch bei Nässe radeln und sich ebenfalls verirren kann.

Viele Grüße
Markov

 

Hallo @Markov,

im Titel versprichst du eine Geschichte, die in einem Maisfeld abspielt. Du erfüllst zwar genau das, aber auch nicht mehr. Das hat mich ein wenig enttäuscht. Mir fehlt eine persönliche Note, die diesen Text von anderen unterscheidet. Zumindest ist der Feldweg nicht einfach nur schnurgerade, sondern hat Abzweigungen und variiert in Höhe. Aber das war es auch schon. Paul verschwindet einfach, es gibt nicht einmal Andeutungen, was mit ihm passiert ist. Ich verlasse die Geschichte mit derselben Info über das Maisfeld wie vorher. Leute verschwinden darin, alles klar. Aber warum? Du musst es nicht vollständig erklären, aber zumindest irgendeine Andeutung wäre besser als nichts.
Eine Erwartung, die ich beim Lesen hatte, war an der Stelle, wo wir Paul zum letzten Mal sehen:

»Da bist du ja«, sagte Paul, der um die Ecke stand. »Wir müssen wieder nach rechts«, ergänzte er.
Mein Bauch entspannte sich wieder und mein Puls verlangsamte sich. Ich schaltete die Fahrradlampe ein, wartete nicht auf Paul und beschleunigte.
Bei der Rückkehr hatte ich die Erwartung, dass genau an der Stelle eine Vogelscheuche steht, die Pauls Kleidung trägt. Keine Ahnung, woher dieser Gedanke kommt.
Als ich an der Kreuzung vorbeikam, an der ich Paul das letzte Mal gesehen hatte, sah ich sein Rad auf dem Weg liegen. Ich stoppte und rief “Paul!”. Die Maispflanzen schwiegen.
Dein Ende sieht stattdessen so aus. Was mir gefällt, ist der letzte Satz. Vorher hast du den wiederkehrenden Satz Der Mais raschelte im Wind, jetzt schweigt der Mais. Fast so, als wäre es eine riesige, zusammenhängende Kreatur, die ihre Opfer verschlingt?
Schade, dass es da sonst keine Andeutungen gibt. Was ist z.B. mit dem Rad, vielleicht ist der Lenker verbogen? Irgendwas, das ganz offene Ende ist mir zu ... einfach.

Ich hoffe, du kannst mit meinen Vorschlägen was anfangen.
Zwei kleine Anmerkungen noch:

Er holte sein Telefon heraus und atmete hörbar ein- und aus.
Wozu der Strich nach ein?
»Warte auf mich[!]«, rief ich
Rufzeichen

Viele Grüße
Michael

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Markov ,

ich sehe es wie Michael - die Erwähnung mit dem schweigenden Mais ist genre-klassisch gelöst und ein guter Teaser, aber das Ganze baut leider nicht darauf auf. Ich muss keine Auserklärung des Paranormalen bekommen (das kann extrem enttäuschend und langweilig sein, wie wenn im Film dann am Ende das Monster gut ausgeleuchtet vollständig gezeigt wird), bisschen Geheimnis ist sinnvoll, aber hier ist alles zu vage - und vor allem fehlt vollständig ein Plot, ein literarischer Konflikt, eine Charakterentwicklung. Das ist maximal der Rohentwurf zu einer Szene.

Dann gibt es ein ganz offensichtliches Problem - die amerikanische Antwort auf Wickerman: Children of the Corn. Damals ein erstaunlich gut funktionierender Hinterland-Trash mit schön fiesen menschlichen Antagonisten. (Die KG fand ich meh, bin aber auch kein King-Fan.)
Diese riesigen Felder, total unübersichtlich, dann der Kult und die Idee, dass da tatsächlich etwas Paranormales existiert, dem geopfert wird, das alles war super ausbalanciert. Der Film zog eine unübersehbare Reihe von Zitaten und einigen Fortsetzungen & Remakes nach sich, Mais-Horror ist ja schon ein eigener kleiner Horror-Topos. Zudem wie bei dir auch meist im Y/A bzw. Coming of Age Kontext. Gegen dieses Vorwissen und diese Referenzen schreibst du jetzt mit deiner Flash Fiction an, und dann müsste sie doppelt und dreifach sorgfältig aufgebaut, innovativ und überraschend sein, um noch Wirkung zu haben.

Ich verlagere die Geschichte in eine andere Umgebung, in der man auch bei Nässe radeln und sich ebenfalls verirren kann.
In die USA vielleicht? Ich sage sonst gern, warum immer ein ausländisches Setting, wenn alles andere ist wie im deutschsprachigen Raum, aber hier wäre das dann in dem Umfeld [no pun intended!], in das es gehört. Da verirren sich tatsächlich auch im RL Leute im Mais, das stelle ich mir echt nicht witzig vor.

Kannst mich gern taggen, wenn du mit den Änderungen durch bist. In der ersten Form klang es jedenfalls, als hättest du das so geträumt, da gibt es ja auch keinen Plot, keine spekulative Logik, keinen Spannungsbogen, alles passiert eben, wie es passiert. Vielleicht kannst du da ja noch eine ordnende Hand anlegen.

EDIT: Ich sehe erst jetzt, dass du Alltag getaggt hast - dann erschließt sich mir ehrlich gesagt gar nicht mehr, was du eigentlich erzählen wolltest. Aber mal schauen, worauf es nach der Ausarbeitung hinausläuft.

Herzlichst,
Katla

 

Lieber @Michael Weikerstorfer , liebe @Katla ,

vielen Dank für eure Kommentare. Sie klingen sehr hilfreich und eröffnen mir einen anderen Blick auf meine Geschichte. Ich hoffe, ich kann eure Hinweise umsetzen und den Text verbessern. Das wird allerdings ein paar Tage in Anspruch nehmen. Auf das Angebot dich zu taggen @Katla werde ich gern zurückkommen.

Viele Grüße
Markov

 

Hallo Markov,

die Idee fand ich gut, hatte mich auch gefesselt, aber dann flog alles auseinander ... wo spielt das? Wenn es hier in Deutschland ist, ist kein Maisfeld so groß, als dass die Wege nicht auch wieder hinaus führten ... ich kenne das auch; unterwegs mit dem Bike und wenn man die Umgebung kennt, kürzt man auch gerne mal ab - quer über einen Feldweg, durch die Felder. Aber diese beiden Hirnis - Gegend unbekannt und dann aber von Abkürzung faseln ... dann der Akku leer, plötzlich das Licht kaputt und auch noch Kreuzungen mitten im Maisfeld ... nee, spätestens da dachte ich eher an ... naja, schreib ich mal schnell ... und, wenn sie im Ausland unterwegs sind, gibt´s auch einen Rucksack, eine vorher festgelegte Route ... und nicht der eine rast dem anderen davon ... so deppert kann man ja nicht sein ... gut; mal soweit - liebe Grüße - Detlev

 

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