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Das Monster im Schrank
Das Monster im Schrank
Der kleine Junge blickt durch die Gitterstäbe seines Kinderbettes. Das Zimmer liegt in einem bedrohlichen Halbdunkel. Inmitten der huschenden Schatten ragt der große, alte Kleiderschrank. Dort drin, das weiß der Junge, dort drin sitzt das Monster. Es hat gelbe Augen, lange scharfe Reisszähne und ein zotteliges Fell. Sobald er die Augen zumacht und schläft, wird es herauskommen und ihn auffressen, auch das weiß er. Schluchzend klammert er sich an die Gitterstäbe.
Schritte, Licht. Aus blinzelnden Augen sind die vertrauten Umrisse von Papa zu erkennen. Seine tiefe Stimme spricht beruhigend auf ihn ein.
Der Junge sieht wieder zu dem Schrank, der auch im Licht der lustigen Clown-Lampe nicht minder bedrohlich wirkt. Papas Augen folgen den seinen. Ein verständnisvolles Lächeln erscheint auf seinem Gesicht. Seine Hand streicht über den Kopf des Kindes und er wendet sich dem Schrank zu, um diesen zu öffnen.
Papa wird gefressen werden! Panisch klammert sich der Junge an sein Gitter, stumm fleht sein Blick, dort weg zu bleiben.
Eine beruhigende Geste, das Öffnen des Schrankes, pelzige Pranken, blitzende Zähne, splitternde Knochen, ein ersticktes Gurgeln im sich schließenden Schrank. Das Licht geht aus.
Ein ersticktes Keuchen durchbricht die gespenstische Stille. Die wild jagenden Gedanken des Jungen weigern sich, das eben Erlebte zu verarbeiten. Er sackt in seinem Bett zusammen, vergräbt sein tränenüberströmtes Gesicht im Kissen.
Schritte, Licht. Als er den Kopf hebt, spricht Mama auf ihn ein, er hört Panik aus Ihrer Stimme. Ihre Blicke wandern suchend durch den Raum. Automatisch starrt er wieder zu dem Schrank. Seinen Augen folgend geht sie verwirrt dorthin, um die Türe zu öffnen.
Auch Mama wird gefressen werden! Panik schwemmt jeden anderen Gedanken weg, er ist unfähig, etwas anderes zu tun als zu beobachten.
Ein fragender Blick, das Öffnen des Schrankes, bluttriefende Pranken, riesige Zähne die Knochen zermalmen, ein letztes blubberndes Stöhnen im sich schließenden Schrank.
Das Licht geht aus.
Der Kopf des Jungen sinkt auf sein Kissen. Er beginnt zu schlafen, die Schranktür öffnet sich...