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Das Sandmädchen

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21.05.2003
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Das Sandmädchen

Das Sandmädchen

Der runde Mond warf seine schimmernden Strahlen durch das Fenster des winzigen Wolkenhauses und beobachtete das darin wohnende Sandmädchen, wie es hastig ein paar Kinderbücher durchblätterte.
„Das darf doch wohl nicht wahr sein!“, sagte sie und guckte ein wenig enttäuscht, während sie weiter in den Bücher stöberte. Aber wie lange sie auch suchte, nirgends war eine Geschichte von ihr zu finden. In sämtlichen Büchern wurde zwar das Sandmännchen erwähnt, das Sandmädchen dagegen schien niemand zu kennen.
„Und das, obwohl ich mir immer so viel Mühe mit meiner Arbeit gebe!“, dachte sie betrübt.
Gedankenversunken wippte sie in ihrem Schaukelstuhl, blickte aus dem Fenster und erschrak. Durch das viele Geschichtenlesen hatte sie die Zeit völlig vergessen. Der Mond wanderte bereits seinem Bett entgegen und die rote Morgensonne streckte verschlafen ihre ersten Strahlen über den Himmel.
In Windeseile schnappte sich das Sandmädchen ihr Säckchen vom Haken hinter der Tür und zog sich ihre rote Mütze über die langen Zöpfe. Sie schlüpfte in ihre Rollschuhe und sauste auf einem Regenbogen hinab auf die Erde, wo die Sonne mittlerweile aufgegangen war und die Kirchturmuhr sieben Mal schlug.
„Oh je, oh je!“, murmelte das Sandmädchen und huschte schnell in das erste Haus.
Im Schlafzimmer rollte sie zum Bett eines kleinen Jungen. Vorsichtig krabbelte sie auf sein Kopfkissen, nahm behutsam den Traumsand der vergangenen Nacht von seinen Augen und packte ihn dann in ihr leeres Säckchen hinein. Dann überlegte sie einen Augenblick. Normalerweise wachten die Menschen eine halbe Stunde, nachdem sie den Sand eingesammelt hatte, auf, aber an diesem Morgen war dafür keine Zeit mehr. Der Junge würde sicher zu spät zur Schule kommen, wenn das Sandmädchen nichts tat. Und da das nicht passieren durfte, beschloss sie, das Wecken selbst zu übernehmen.
Klein und leicht wie sie war, hüpfte sie auf das Gesicht des Jungen und versuchte, seine Augenlider hochzuschieben. Aber vergebens. Immer wieder fielen seine schweren Lider zu. Das Sandmädchen blickte auf die Uhr. Es war allerhöchste Zeit, und so kitzelte sie den Jungen an der Nase und am Bauch und zwickte ihn dann sanft in den großen Zeh. Aber auch das wirkte nicht.
Das Sandmädchen überlegte angestrengt, und während sie ihre Zöpfe grübelnd nach hinten warf, entdeckte sie einen Strohhalm auf dem Nachttisch des Jungen und hatte plötzlich eine prächtige Idee. Sie krabbelte zu seinem Ohr, hielt den langen Strohhalm mit aller Kraft davor und brüllte dann, so laut sie nur konnte: „Aufwachen!“ hinein.
Und endlich öffnete der Junge die Augen.
Er blickte verschlafen auf das kleine Wesen mit der roten Mütze und fragte:
„Nanu, wer bist denn Du?“
„Ich bin das Sandmädchen!“, antwortete sie grinsend und erklärte dem Jungen, dass sie jeden Morgen auf die Erde kommt und den Schlafsand der Menschen einsammelt, damit sie wieder aufwachen können.
Der Junge murmelte verwundert ein paar Worte und blickte dem kleinen Wesen, das sich eilig verabschiedete und auf seinen roten Rollschuhen durch die Luft zum nächsten Haus sauste, hinterher.
Das Sandmädchen musste nämlich noch eine Menge anderer Menschen wecken.
So viele, dass sie nach getaner Arbeit erschöpft in ihr winziges Wolkenhaus zurückkehrte und sich müde auf ihr Bett warf.
Und während sie geschafft vom vielen Aufwecken einschlief, unterhielten sich die Leute auf der Straße und bei der Arbeit und die Kinder in der Schule über das Sandmädchen. Sie fanden es toll, dass es jemanden gibt, der sich jeden Morgen die Mühe macht, alle Menschen auf der Erde zu wecken. Sie erzählten den ganzen Tag von ihr, so dass jeder das Sandmädchen kannte noch ehe es an diesem Tage dunkel wurde.
Als das Sandmädchen am Abend aufwachte und auf die Erde blickte, stellte sie verwundert fest, dass alle Menschen freudig über sie sprachen. Darüber freute sie sich sehr. Sie strahlte über das ganze Gesicht und nahm sich vor, von nun an immer rechtzeitig auf die Erde zu rollen und die Menschen noch pünktlicher zu wecken. Dann setzte sie sich in ihren Schaukelstuhl, grüßte das vorbei fliegende Sandmännchen und begann wieder, Kindergeschichten zu lesen. Bevor sie das Buch am Ende der Nacht zur Seite legte, um wieder auf die Erde zu reisen, seufzte sie einmal laut. Sie war wirklich glücklich, aber dennoch wünschte sie sich von ganzem Herzen, dass irgendwann auch jemand über sie eine wundervolle Geschichte schreiben würde.

 

Guten Morgen sumsebiene,

... wünschte sie sich von ganzem Herzen, dass irgendwann auch jemand über sie eine wundervolle Geschichte schreiben würde.
Genau das hast du gemacht: eine wundervolle Geschichte geschrieben. Zum Glück kommt das Sandmädchen bei mir immer schon eher - wenn die Kirchturmuhr sieben Mal schlägt, ist es für mich schon zu spät zum Aufstehen. *gähn* Aber meinetwegen könnte es sich auch mal ganz sehr verspäten; wenn alle noch schlafen, kann es ja für den Einzelnen nicht so schlimm sein :D.
Darüber, dass auf der Erde irgendwo immer gerade Morgen ist und jemand geweckt werden möchte, wundern sich zum Glück nur die pingeligen "Großen" ;).
Sprachlich finde ich die Geschichte (mal wieder ;)) sehr schön. Nur eins: Es ist zwar blöd, aber im Deutschen ist "das Mädchen" nun mal sächlich. Darum müsstest du eigentlich alle "sie" in "es" umformen. Oder du gibst dem Sandmädchen einen Namen, dann kann es ruhig auch mal "sie" sein.
so dass jeder das Sandmädchen kannte noch ehe es an diesem Tage dunkel wurde.
Komma zwischen "kannte" und "noch".

Liebe Grüße,
Juliane

 

Hi sumsebiene!
:thumbsup: Echt süße Geschichte! Die Idee, dass es nicht nur einen Sandmann sondern auch ein Sandmädchen gibt, finde ich echt klasse! Und besonders, dass es, im Gegensatz zum Sandmann, die Leute aufweckt und nicht einschlafen lässt. Man könnte glatt neidisch auf deine tollen Einfälle sein:susp:.
Naja, genug des Lobes! Freu mich auf deine nächste Geschichte!

Mausilein

 

Vielen Dank für euer Lob.
Ich werde "sie" mal in "es" abändern, obwohl es sich echt doof anhört.
Und das mit den Einfällen ist so eine Sache. Man muss wirklich lange überlegen, um mal wieder eine gute Idee zu haben. Das ist echt nicht einfach.

Viele Grüsse

Sabine

 

Warum schade, ist doch eine niede, kleine Geschichte nach typischer sumsebiene-Art, ein kleines Plädoyer gegen die Vermännlichung der deutschen Märchenwelt für Kinder. An dieser Geschichte habe ich nichts auszusetzen, aber ich glaube, dass sollte ich sumsebiene gönnen. Dienen ihre Geschichten doch wohl ganz gut, die Zwerge abends in den Schlaf zu wiegen. Ob sie die Botschaften verstehen, ist nebensächlich. Versteht's nicht der Verstand, hat's das Unterbewusstsein doch auf Lebenszeit, und nur das ist wichtig.

Also sumsebiene, mein Lob hast du, behalt es gut.

Allerdings bin ich nur auf diese Geschichte gestoßen, weil ich gerade auch eine Kindergeschichte veröffentlichen will, die sogar von einem Sandmännchen handelt. Aber zu ihm gehört - ach egal, Eigenwerbung ist schädlich, will nur sagen, dass ich sie trotz des Sandmännchens zur Lektüre anbiete, genau das mach ich... Männer, haltet zusammen, evolutionär sind uns die Frauen voraus :D.


FLoH.

 

Vielen Dank nochmal. Ich werde Deine Geschichte gleich mal lesen.
Mal sehen, was das Sandmännchen so treibt.

Grüsse

Sabine

 

hallo sumsebiene!

mir hat Deine Geschichte sehr gut gefallen. Zunächst hab ich, ganz gewohnhiet, "sandmännchen" gelesen, und bin dann über das "sie" gestolpert. :shy:

eine schöne, fantasievolle Idee, mit lustigen Einfällen. Hat mir sehr gut gefallen.... :)

schöne Grüße
Anne

 

Hallo sumsebiene,
kann mich meinen Vorgängern nur anschließen. Eine gewohnt gute Geschichte mit wie immer ganz besonderen Einfällen.:thumbsup:

LG
Blanca

 

Hallo sumsebiene!
Ich kann Blanca und den anderen nur rechtgeben. Gieb mir mal bitte ein paar anreize damit ich auch eine so gute Geschichte schreiben kann wie du die ganze Zeit.

LG

Anaid

 

Hallo Sumsebiene

Ich fande deine Geschichte richtig toll und witzig, dass es da auch ein Sandmädchen gibt.Besonders toll fande ich die stelle

Sie fanden es toll, dass es jemanden gibt, der sich jeden Morgen die Mühe macht, alle Menschen auf der Erde zu wecken. Sie erzählten den ganzen Tag von ihr, so dass jeder das Sandmädchen kannte noch ehe es an diesem Tage dunkel wurde.
Als das Sandmädchen am Abend aufwachte und auf die Erde blickte, stellte sie verwundert fest, dass alle Menschen freudig über sie sprachen.

Ein bischen viel sonst nichts.Ach und dies

Sie war wirklich glücklich, aber dennoch wünschte sie sich von ganzem Herzen, dass irgendwann auch jemand über sie eine wundervolle Geschichte schreiben würde.

MFG Justus

 

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