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Das Verhör

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06.01.2013
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Das Verhör

Mit einem Ächzen erwacht Kruger. Irgendwo, ganz, ganz weit weg, schlägt Wasser gegen Holz. Das Wasser blubbert und gurgelt und rauscht in seinen Ohren.
Und dann spürt er den Durst. Seine Zunge ist Schleifpapier, das mechanisch über seinen gereizten Rachen schabt. In seinem Kopf herrscht die Mattigkeit wie nach einer durchzechten Nacht.
Dabei weiß Kruger ziemlich sicher, dass er schon seit Jahren nicht einen Schluck Alkohol zu sich genommen hat.
Aber woher kommen nun diese Kopfschmerzen und dieses matte Gefühl, so als hätte man sein Gehirn gegen ein dreckiges Stück Stoff ausgetauscht?
Er möchte sich gerade an den Kopf fassen, aber sein Arm wird von etwas an Ort und Stelle gehalten. Ein eiserner Griff hält seinen Arm umklammert. Im ersten Moment vermutet er, dass sein Arm einfach nur eingeschlafen ist und erklärt sich auch gleich damit dieses eigenartige Gefühl, als würden hunderte von Ameisen unter seiner Haut kriechen, doch sein Arm ist nicht eingeschlafen, nein, er ist an etwas gefesselt, so wie sein anderer Arm auch und seine beiden Beine. Er wehrt sich kurz dagegen, doch er muss einsehen, dass es sinnlos ist.
Panik ergreift Besitz von ihm. Ein metallischer Geschmack breitet sich in seinen Mund aus. Er kann sich nicht erinnern, sich auf die Zunge oder die Lippe gebissen zu haben und dennoch schmeckt das bisschen übriggebliebener Speichel nach Blut. Um ihn herum wird alles klarer, bekommt Farbe, erhält Konturen. Dann spürt er den Schmerz.

"Scheiße, hab' ich 'nen Schädel.", wieder will sich Kruger an den Kopf fassen, doch dann wird ihm seine derzeitige Lage wieder bewusst und er seufzt. Er betrachtet die beiden Typen in den schwarzen Anzügen, die vor ihm stehen und mit vor dem Körper verschränkten Armen zu ihm hinabschauen. Im ersten Moment hält er sie für eineiige Zwillinge, doch dann fällt ihm ein kleiner Unterschied zwischen ihnen auf: der eine scheint etwas schmächtiger als der andere zu sein, und auch wenn beide blankpolierte Schädel präsentieren, kann er an deren Augenbrauen einen farblichen Unterschied erkennen. Die vom Linken sind leicht rötlich, die vom Rechten eher bräunlich. Ansonsten?

"Okay, Jungs, was gibt's? Wem bin ich diesmal auf die Füße getreten?", Kruger bemüht sich um einen gelassenen Ton.
"Diesmal?", der Linke.
"Diesmal.", bestätigt Kruger.
"Wem treten Sie denn in ihrer freien Zeit so alles auf die Füße?", wieder der Linke.
"Was geht's dich an, hm?", wieder Kruger.
Der Rechte hält den Linken am Arm fest und bedeutet ihm mit einem Kopfschütteln, dass dieser sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen lassen soll. Sie haben die Kontrolle, und jetzt vor diesem Kruger Schwäche zeigen, das geht nicht.

Kruger schaut sich um. Ein kleiner Holzverschlag mit Wellblechdach. Unter seinen Füßen gluckst und blubbert Wasser - es riecht nach Meer. Möwen schreien und in der Ferne das Rauschen einer Autobahn. Kruger lässt den schweren Kopf auf die Brust sinken. Ein Bootshaus.

"Aspirin, bitte.", fleht Kruger und setzt einen Hundeblick auf.
"Nee, du schaffst das auch so. Bist doch ein harter Bursche."
"Nicht so hart wie ihr zwei Streifenhörnchen."

Eine flache Hand, hinter der eine ordentliche Ladung rohe Gewalt und Kraft steckt, lässt Krugers Kopf wie den einer Puppe herumwirbeln. Puh, denkt Kruger und spuckt einen Schwall Blut auf seinen linken Sneakers. Er trägt eine Bluejeans, der Saum seines Hosenbeins ist ausgefranst.
"Scheiße, seid mal echt üble Typen. Mit euch ist nicht gut Kirschen essen. Darf ich mal 'ne Frage stellen?"
"Wir stellen hier die Fragen, verstanden?!", diesmal der Rechte. Ein leichter osteuropäischer Akzent hat sich zwischen dem ansonsten einwandfreien Deutsch geschlichen. Seine Augen sind zwei blankpolierte Diamanten. Hart und kalt. Unergründlich wie der Marianengraben.
"Dieser Akzent, woher stammt der? Urkaine, Polen...Russ..", weiter kommt Kruger nicht, weil ein Faustschlag ihn am weiterreden hindert. Blut spritzt wie rote Farbe bei einer Spraydose, deren Sprühkopf man gedrückt hat, aus seinem Mund und besprenkelt den Holzboden fächerförmig. Mit der Zunge ertastet Kruger einen lockeren Schneidezahn. Ach, verdammt. Wer sind diese Typen und was wollen sie?
"So, und nun erzählst du uns mal, wo Schneider steckt.", wieder der Rechte.
"Wer?", mehr ein Keuchen, als wortgetreu artikuliert. Seine Zähne sind blutverschmiert.
"Hör auf uns zu verarschen, Kruger. Wir wissen, dass du Schneider kennst. Also, raus mit der Sprache! Wo steckt er?"

Kruger schüttelt mit dem Kopf, er ist schwer, so als wäre er über eine stramm sitzenden Schlinge, die über seinen Hinterkopf verläuft, mit dem Boden verankert. Er bekommt ihn einfach nicht angehoben. Dann ergießt sich ein Schwall eiskalten Wassers über seinen Kopf, und Kruger glaubt für einen Moment, sein Herz setze aus. Er keucht und hustet und schnappt gierig nach Luft, als würde er kurz vorm Ertrinken sein. Wasser tropft ihm von seinem blonden Haar. Rinnt ihm in den offenen Hemdkragen und weiter bis in den Hosenbund. Er hat das Gefühl, völlig durchnässt zu sein. Der Rechte hält einen leeren schwarzen Plastikeimer in den Händen. Er wendet sich von Kruger ab und stellt den Eimer in die hintere rechte Ecke zurück.

"Ich kenne keinen Schneider. Glaubt's mir."
"Was wir glauben und was nicht, entscheiden noch immer wir, Pisser.", der Linke. Er ist ziemlich sauer. Seine Augen sind dunkel und unergründlich. Sein Gesicht eine regungslose Fleischmasse.
"Ihr irrt Euch. Ihr verschwendet nur Eure Zeit. Ich bin nicht euer Mann."
"Ich glaube, in dem Fall irrst du dich, Kruger. Wir haben dich zusammen mit Schneider gesehen. Und jetzt erzähl uns, wo er steckt!", wieder der Linke.
"Wieso habt ihr ihn euch nicht einfach geschnappt? Wenn ihr ihn eh die ganze Zeit beobachtet habt, hätte ihr ihn euch einfach schnappen können. Was soll die ganze Scheiße überhaupt?"
Ein frontaler Schlag gegen die Nase. Ein Knacken, als würde ein dünner Ast zerbrechen, ein höllischer Schmerz und Tränen, die Kruger in die Augen schießen.
Blut läuft ihm aus der gebrochenen Nase über die Lippen und vermischt sich mit dem Wasser, das sein Hemd durchnässt und verleiht diesem einen leicht rosafarbenen Ton. Die oberen drei Hemdknöpfe sind offen. Kruger hätte ihnen das Blut am liebsten in ihre dämlichen Gesichter gespuckt, aber das hätte er nicht geschafft. Dafür hat er nicht mehr die nötige Kraft. Er lässt das Blut einfach aus seiner gebrochenen Nase laufen. Das Pochen ist stark und hüllt seinen Kopf komplett ein. Er erinnert sich nicht, wie er hierher gekommen ist, oder an die Geschehnisse der letzten Stunden. Oder an sonst irgendwas. Wieso glauben diese zwei Gorillas, dass er irgendwas mit einem Schneider zu tun hat? Er kennt keinen Schneider. Er hat noch nie von einem Schneider gehört.
"Ich kann nichts für euch tun, Jungs. Ich erinnere mich an gar nichts." Ein weiterer Schlag, diesmal gegen sein Kinn, der wacklige Stuhl, auf dem er sitzt, kippelt und dann verliert Kruger das Gleichgewicht. Kruger stürzt rückwärts zu Boden, kurz spürt er, wie sein Hinterkopf noch auf den Boden knallt, dann wird er von Dunkelheit umspült.

"Sagen sie mir bitte einmal ihren vollständigen Namen, nur für's Protokoll.", die Stimme eines Mannes schwabbt in Form von Wellen über ihn hinweg und zerrt ihn aus der Dunkelheit in die Wirklichkeit zurück, ins Hier und Jetzt. Doch sein Kopf fühlt sich schwer an. Er öffnet und schließt, öffnet und schließt seinen ausgedörrten Mund. Er formt Worte, doch es folgt denen kein Klang. Es ist, als hätte man ihn auf Mute gestellt.
"Haben sie mich verstanden? Hören sie mich?", wieder diese Stimme.
"Ja. Ich höre sie.", er hat es geschafft. Ein raues Krächzen, gefolgt von Schmerzen in seiner Kehle. Der Raum um ihn hat graue Wände und einen grauen Fußboden. Keine Bilder, keinen Schmuck. Seine Hände ruhen in Handschellen auf einen vernarbten Metalltisch. Vor ihm ein Mann um die Vierzig, lichtes Haar, braune Augen, unrasiert. Er trägt ein graues Hemd, die Hemdsärmel bis zur Arbeuge hochgekrempelt. Er könnte ein Polizist sein.
"Dann sagen sie uns bitte einmal ihren Namen - nur für's Protokoll."
"Meinen Namen?"
"Ja, ihren Namen."
"Vincent."
"Vincent, und wie weiter?"
"Schneider. Vincent Schneider."
"Gut, sie erinnern sich wieder an ihren Namen. Erinnern sie sich auch an das, was in ihrem Haus passiert ist?"
"In meinem Haus?"
"Ja, Herr Schneider, in ihrem Haus."
"Was soll da passiert sein, Herr...?"
"Weber, Kriminalkommissar Weber. Also, Herr Schneider, was ist dort passiert? Was ist vorgefallen in ihrem Haus?"
"Ich erinnere mich nicht mehr. Warum bin ich hier? Und warum trage ich Handschellen?"
"Das wissen sie nicht mehr?"
Schneider schüttelt mit dem Kopf. Die Augen des Kommissars verengen sich. Er glaubt Schneider kein Wort. Oder er kann Schneider nicht so recht einschätzen.
"Ich kann versuchen, ihnen ein bisschen auf die Sprünge zu helfen. Sagt ihnen der Name Kruger etwas?"
"Kruger?"
"Genau, Joseph Kruger. Sagt ihnen der Name etwas?" Wieder schüttelt Schneider den Kopf. Er kennt keinen Kruger. Er hat den Namen noch nie zuvor gehört. Noch immer schmerzt sein Schädel wie nach einem Besäufnis.
"Verdammt noch mal, Schneider, hören sie auf, uns zu verarschen. Wir wissen, dass sie Kruger mehr als einmal getroffen haben. Wir haben sogar Bilder, die das belegen. Also mobilisieren sie ihre grauen Zellen und sagen uns, wo dieser Kruger ist und was in ihrem Haus passiert ist!
"Ich weiß von nichts. Ich kenne keinen Kruger, verdammt!", Schneider ist sichtlich aufgebracht.
Ein zweiter Polizist erscheint, taucht plötzlich nah neben Schneiders Gesicht auf. Er hat ein breites Bulldoggengesicht mit winzigen blauen Augen drin. Sein stinkender Atem schlägt ihm wie eine eiserne Faust entgegen. Schneider weicht zurück, kneift die Augen zu und versucht nur durch den Mund zu atmen. Der zweite Polizist greift sich Schneiders rechte Hand, hält sie fest und mit der anderen Hand umklammert er seinen Mittelfinger und zieht ihn ruckartig Richtung Handrücken. Ein kurzes Knacken und ein schmerzerfüllter Schrei.

Nasse Kälte klatscht schwallartig auf sein Gesicht, er keucht und hustet und schnauft. Er reißt die Augen auf. Er ist hellwach. Und klitschnass. Er spuckt Wasser, sein Körper bebt vor Kälte. Er versucht sich auf das beruhigende Plätschern des Wassers unter sich zu konzentrieren, auf das Geschrei der Möwen, auf das ferne Rauschen der Autobahn.
"Hier wird nicht geschlafen!", er erinnert sich an den Akzent, und das Bild eines Mannes im schwarzen Anzug taucht vor seinem geistigen Auge auf. Er hebt vorsichtig seinen Kopf und ein heftiger Schmerz jagt sein Rückgrat hoch. Eine dicke Beule pocht im Rhythmus seines Herzens am Hinterkopf und sendet Signale an sein Gehirn.
"Wo ist Schneider? Wo hat er sich versteckt?"
"Wo bin ich?", Krugers Kopf schmerzt und pocht. Sein ganzes Gesicht ist geschwollen, aus seiner gebrochenen Nase fließt noch immer ein dünner Rinnsal Blut. Seine Nase ist leicht nach links gebogen.
"Disneyworld.", eine Stimme ohne Akzent.
"Disneyworld? Das...das.. in Paris?", Kruger sieht nur zwei dunkle Schemen. Seine Augen können nicht mehr richtig fokussieren.
"Das ist Disneyland.", wieder die Stimme ohne Akzent.
"Stimmt. Aber wir sind in Disneyworld. Das ist gut. Denn da wollte ich schon immer mal hin."
"So, Schluss mit der Scheiße! Wo ist Schneider?"
"Dann seid ihr nicht Donald und Goofy?" Kruger fängt sich eine harte Rechte ein und für einen Moment ist alles schwarz, dann tauchen langsam helle Flecken auf. Dann explodieren wirre Lichtreflexe. Als eine weitere Rechte folgt.
"Bleib ruhig. Wenn wir ihn weiter so sehr malträtieren, wird der uns noch abnippeln. Und dann erfahren wir gar nichts mehr." Der eine versucht den anderen zurückzuhalten. Versucht ihn wieder zu beruhigen. Der Andere schnauft hörbar aus.

"Jetzt spucken sie's schon aus, Kruger. Wo ist Schneider?"
Kruger spürt Wut in sich aufbranden. Wieso verstehen diese Wichser nicht, dass er keinen Schneider kennt. Nie gekannt hat. Er bekommt es immer mehr mit der Angst zutun. Er glaubt, in einem falschen Film gelandet zu sein. Wäre da dieses benebelte Gefühl nicht, könnte er sich auch besser konzentrieren.

"Ich kenne keinen Schneider. Ich habe den Namen noch nie zuvor gehört. Warum versteht ihr Wichser das nicht? Ich bin nicht euer Mann!", ein hartnäckiger Speichelfaden baumelt von seinem Kinn.
"Okay, genug Zeit verschwendet, hol die Gartenschere. Mal sehen, ob er uns dann noch immer verarschen möchte. Kruger, hörst du mich?" Kruger nickt. Inzwischen kann er wieder richtig sehen. Einer der beiden, der Rechte, hat sich zu ihm runter gebeugt. Sein Gesicht ist ganz nah und er kann die Aknenarben sehen, wie die Krater auf der Mondoberfläche.
"Ich möchte, dass du mir aufmerksam zuhörst. Mein Kollege dort, der holt jetzt eine Gartenschere. Und er wird damit keine Rosen beschneiden, hast du mich verstanden? Das wird gleich höllisch wehtun. Aber das muss nicht sein, Kruger. Sag uns einfach, wo Schneider steckt und kommst hier lebend raus. Das möchtest du doch, oder?"

Kruger nickt, sein Kopf sinkt wieder zur Brust, doch dann reißt er ihn wieder hoch. Tränen laufen Kruger über die Wangen. Er spürt, wie sich seine Blase entleert. Der andere Typ kommt zurück und hält etwas in der Hand, das Geräusch der aneinander reibenden Klingen der Gartenschere jagt Kruger Schauer über den Rücken. Scheiße, was soll er tun. Er muss hier weg.
"Wo ist Schneider?"
"Ich weiß es nicht."
Wo ist er?"
"Ich sagte doch, ich weiß es nicht. Warum hört ihr mir nicht zu?"
"Also, bevor ich jetzt meinen Partner dazu anweise, dir schrecklich weh zu tun, möchte ich dir mal eine ganz andere Frage stellen. Und zwar.", er räuspert sich.
"Ist ihnen ihr Leben wichtig? Ich meine, hängen sie an ihrem Leben?"
"Ja, doch."
"Okay, dann sagen sie uns doch einfach, was wir wissen wollen und sie kommen mit einem blauen Auge davon. Aber wenn sie sich weiterhin weigern, unsere Fragen richtig zu beantworten, dann müssen wir leider zu ganz anderen Methoden greifen, das verstehst du sicher, oder? Mir kommt es nämlich so vor, als wäre dir dein Leben überhaupt nicht wichtig."
"Doch, ich hänge sogar sehr an meinem Leben, mehr als sie sich sicher vorstellen können. Aber wenn ich nun mal nicht weiß, wer dieser Schneider ist, oder wo er sich derzeitig aufhält, dann...", Kruger zerrt mit Armen und Beinen an seinen Fesseln.
"Okay, das reicht.
"Hey, warten sie mal...", aber sie warten nicht, der Kerl mit der Gartenschere schnappt sich Krugers kleinen Finger. Kruger spürt das kalte Metall der Klingen auf seiner Haut. Er will seine Hand wegziehen, doch seine Arme sind fest an den Lehnen des Stuhls gebunden.
"Bitte, ich flehe Euch an. Ich kenne keinen Schneider. Bitte nicht meinen Finger. Ich sag euch die Wahrheit!"
"Wir befürchten aber, dass sie uns anlügen, und das mögen wir überhaupt nicht. Sagen sie uns also, wo Schneider steckt. Und die Sache hier ist sofort beendet."
Kruger schweigt, es macht alles überhaupt keinen Sinne, er beißt die Zähne aufeinander und spürt den lockeren Schneidezahn. Mit einem einzigen Ritsch trennt der Typ seinen Finger von der Hand.

"Hier bitte, trinken sie." Ein tansparenter Plastikbecher, der mit Wasser gefüllt ist. Webers Blick ist mitfühlend. Schneider greift zögernd nach dem Plastikbecker. Er nimmt einen Schluck. Das Wasser ist warm und brennt sich die Kehle runter bis zu seinem Magen. Schneiders rechte Hand schmerzt und sein Mittelfinger steht in einem ungelenken Winkel zu seiner Hand ab.
"Scheiße, sie haben mir den Finger gebrochen. Warum haben sie das getan?"
"Weil sie uns anlügen, Vincent."
"Ich lüge nicht." Der Kommissar schnauft, wischt sich übers Gesicht. Es ist heiß, und sie alle schwitzen.
"Doch, das tun sie, Vincent. Und das mögen wir nicht. Sie könnten längst wieder auf freiem Fuß sein. Sie müssen uns nur sagen, wo Kruger steckt."
"Aber wenn ich es doch nicht weiß. Außerdem habe ich Rechte. Sie können mich nicht so einfach foltern. Ich möchte meinen Anwalt sprechen und ich möchte telefonieren!"
"Wie sie sehen, können wir das doch. Und nachdem, was wir in ihrem Haus gefunden haben, ist das mit den Rechten so ein Sache."
"Was haben sie in meinem Haus gefunden? Ich verstehe überhaupt nichts mehr."
"Sie erinnern sich nicht, weswegen sie hier sind'?", Weber schaut Schneider unglaublich an.
"Nein, wirklich nicht. Sagen sie mir doch, weswegen ich hier bin."
"Überlegen sie mal, Herr Schneider. Sie sitzen im Verhörzimmer des hiesigen Polizeipräsidums. Vor nicht mal einer Stunde hat man sie in ihrem Haus verhaftet und anschließend hierher gebracht. Und jetzt wollen sie uns erzählen, dass sie sich nicht mehr daran erinnern? Sie verarschen uns doch, Herr Schneider."
"Nein, wirklich nicht. Und sagen sie mir endlich, weswegen ich hier bin!"
Schneider hat den Schlagstock, der auf seinen Unterarm kracht, nicht kommen sehen. Ein Knacken und ein unglaublicher Schmerz explodiert.

"So langsam geht uns die Geduld aus, Kruger, wie viele Finger wollen sie noch verlieren, bis sie uns die Wahrheit sagen?", der Rechte, vielleicht aber auch der Linke, Kruger kann sie nicht mehr auseinander halten. Kruger schaut ängstlich zu seinen Händen runter. Alle Finger seiner linken Hand liegen vor ihm auf dem Boden. Der Boden ist voller Blut. Er bekommt einen Schock.

"Spucken sie's aus, verfluchtnochmal! Wo ist Kruger?" Vincents Unterarm ist gebrochen, der Schmerz ist unglaublich. Er schaut sich nach dem Polizisten mit dem Bulldoggengesicht um, kann ihn aber nirgends entdecken. Er schaut wieder zu Weber. Webers Gesicht ist eine von Wut verzerrte Maske.
"Ich. kenne. keinen. Kruger."
Ein heftiger Schlag.
"Ich...kenne..keinen..Schn.."
Ein weiterer Schlag. Blut besudelt den vernarbten Metalltisch. Unscharfe Schemen.
Wieder ein Schlag. Und noch einer und noch einer. Harte Schläge, die nicht von einer Hand stammen, sondern mit dem Schlagstock ausgeführt werden.
"Wo ist Kruger?"
"Wo versteckt sich dieser Schneider?"
"Los!"
"Reden sie!"
"Es gibt..." Das Bild einer Frau taucht vor ihm auf.
"REDEN SIE!"
"..keinen..." Die Frau trägt einen weißen Kittel. Sie ist blond.
Um Schneiders Kopf explodieren kleine Kernkraftwerke. Groß gewachsen. Schlank.
"Schneider..." Sie beugt sich zu ihm herab.
"...keinen...Kruger...."
"Hören sie mich?", eine weibliche Stimme.
"Herr Weber, können sie mich hören?" Weber starrt der Frau in die Augen: sie sind blau wie Meerwasser. Ihr Gesicht ist hübsch. Sie ist vielleicht fünfunddreißig. Auf dem Namensschild, das oberhalb ihrer Brust am Kittel befestigt ist, kann er den Namen J. Kruger lesen. Wieder Dunkelheit. Stille. Eine sanfte Berührung. Wieder die Frau, doch sie ist nicht mehr allein. Neben ihr steht ein Mann mit dem Gesicht einer Bulldogge. Seine Glatze glänzt im Licht der Leuchtstoffröhren. Auf seinem Namensschild steht V. Schneider. Er trägt auch einen weißen Kittel. Er sieht aus wie ein Arzt.
"Wo bin ich?", fragt Weber.
"Sie sind in einem Krankenhaus, Herr Weber. Sie hatten einen Unfall."

 

Die Zunge Sandpapier, der Kopfschmerz wie nach durchzechter Nacht, ein metallischer Geschmack im Mund. Zwei Typen in schwarzen Anzügen, verschränkte Arme, osteuropäischer Akzent.
Klischees, Klischees, Klischees.

Dann kommen die erwarteten Folterszenen, erst Schläge, dann die Fingerschere.
Haben wir alle schon hundertmal gelesen, oder?

Wasser schlägt gegen irgendetwas. Okay, aber was ist „irgendetwas“? Wie soll bei mir als Leser ein Bild entstehen?

Durst in den Eingeweiden – die spüren bei mir persönlich nichts, da sie keine Schmerzrezeptoren besitzen.

Und so geht das weiter.

Handwerklich nicht übel geschrieben. Nimm dieses Talent in die Hand und denke Dir eine irre geile, noch nie gehörte Story aus. Oder, als Alternative, erzähle uns etwas Alltägliches – aber so, wie wir es noch nie gehört haben.

Wer hat behauptet, Schreiben sei einfach?

Ciao nastro.

 

Immer diese Klischees. Du hast ja so recht. Ich dachte, vielleicht hau ich's mit dem Ende raus. Dass es eben keine üblichen Verhöre sind.
Und ja, schreiben ist echt nicht einfach.
Vielleicht kommt mir heute noch die Idee zu einer irren geilen, noch nie gehörten Story, mal sehen. Vielen Dank, für deinen Beitrag, nastro.
Gruß Eraserhead.

 

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