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Das Welken der Kirschblüten
Warum? Warum? WARUM? ICH FRAGE DICH! WARUM? Wie konnte es nur soweit kommen? Alles verblasst, die Zeit läuft weiter. Es waren Sekunden innerhalb einer Ewigkeit, die in ihrer Blüte erstarrten. Es war in dieser einen Nacht, in der alles begann…
Es war ein Freitagabend. Ich kam gerade vom Fußballtraining und war auf dem Weg nach Hause, als ich sie traf. Die Dämmerung war schon angebrochen und es war etwas stürmisch. Ich durchquerte den Marktplatz und bewunderte die Schönheit des großen in der blüte stehenden Kirschbaumes, der majestätisch den Eindruck erweckte, als würde er mit seinen großen Ästen über die ganze Stadt wachen. „Es sieht so aus, als ob es schneien würde, nicht wahr?“, sprach plötzlich eine sanfte Mädchenstimme zu mir. Ich drehte mich etwas und sah, wie ein Mädchen in einem blauen Sommerkleid auf dem Rand des Stadtbrunnens saß und mich ansah. Sie hatte braun gelocktes Haar und ein Gesicht so rein und unschuldig, wie das einer Puppe. Ein Windstoß. Sie hielt sich mit ihrer linken Hand ihr Haar, damit es nicht in ihr Gesicht weht und streifte dabei ihre Lippen, „so sanft“ dachte ich mir. „Eh, ehm JA!“, brachte ich gerade noch so raus. Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken, so peinlich, wie ich mich aufgeführt hatte, ich starrte sie viel zu lange an, „jetzt hält die mich für total bescheuert“, dachte ich mir. Um noch etwas cool zu wirken, kramte ich schnell meine Kippenschachtel hervor und zündete mir eine Zigarette an, was sich bei diesem Wind als schwierig erwies und ich mir dadurch nur noch dämlicher vorkam. Als sie endlich glühte, dachte ich nur noch „schnell weg hier“ und ging weiter. Rasch sagte sie: „Willst du mir denn nicht auch eine anbieten?“. Ich kam langsam auf sie zu und sagte ganz lässig: „Hier“, ich reichte ihr eine und zündete sie an. „Du darfst dich ruhig zu mir setzen“, sagte sie mit einem Ton, dem ich nicht viel entgegen zu setzen hatte und noch weniger widerstehen konnte. „Du redest nicht viel, nicht wahr, willst du nicht wissen, warum ich hier ganz alleine gesessen habe?“
„So ist es nicht, ich weiß nur nicht, was ich sagen soll. Weshalb sitzt du denn hier alleine?“
„Ich warte hier auf meinen Freund!“ Jetzt fühlte ich mich noch unangenehmer als vorher. „Aber keine Angst, er wird nicht mehr kommen, dafür kenne ich ihn zu gut, so etwas macht er öfters“. Ich sagte nichts, ich wusste nicht was ich darauf antworten könnte. Wir blickten beide einfach auf die Sonne die gerade hinter den Bergen verschwand und so aussah, als würde sie den davor liegenden Wald in brand setzen. Wir redeten noch eine Weile, ich erfuhr, dass sie gerade fünfzehn Jahre alt geworden war, also ein Jahr jünger wie ich. Sie wirkte verzweifelt, sie sagte oft, wie sehr sie durch ihren Freund leidet und nicht weiß, was sie deswegen unternehmen solle. Ich gab ihr keine klare Antwort, da ich noch keine Erfahrungen in diesem Gebiet sammeln konnte und nichts Falsches sagen wollte, doch wollte ich ihr gerne helfen, ich wollte ihr Held sein.
Alles verstummte, als unsere Hände sich berührten. Sie schlossen sich in einander. Wir blickten uns beide in die Augen. Ihre waren feucht, sie leuchteten. Ich nahm meine freie Hand und legte sie an ihre Wange und führte ihr Gesicht näher zu mir heran. Ein zärtlicher Kuss. Voller Leidenschaft und Emotionen. Ich vergaß die Zeit, während mein Herz so schnell schlug, dass es schmerzte. Die Kirschblüten fielen wie Schnee auf unser Spiegelbild im Wasser des Brunnens, welches wie ein Beweis, dass dies wirklich passierte, vom Mondlicht reflektiert wurde.
Wir gingen danach noch zu mir und tranken eine Flasche Wein, wir alberten rum und es passierte, was passieren musste. Wir küssten uns Stundenlang und ein Kleidungstück nach dem anderen landete neben meinem Bett, bevor es passierte. Ich hielt ihre Hand die ganze Zeit über so fest wie ich nur konnte, während wir zwei miteinander verschmolzen, ich wollte sie nie wieder loslassen. Am nächsten Morgen waren wir ein Paar, wir schworen uns für immer zusammenzubleiben und uns niemals zu betrügen.
Alles war wunderschön, nichts konnte uns auseinander bringen, bis zu dem Tag, als ich sie überraschen wollte. Wir gingen auf unterschiedliche Schulen, doch kam mein Bus an ihrer Schule vorbei. Ich wusste, dass wir beide an diesem Tag zur gleichen Zeit Schulschluss hatten und sie mit dem gleichen Linienbus wie ich fahren würde. Schon als der Bus in den Parkplatz einfuhr, sah ich sie, sie stand an einem älteren dunkelgrünen Opel Corsa und ein aufgestylter Typ drückte sie an die Fahrertür, sie wehrte sich und schrie ihn an. Mich packte die Wut, ich rannte sofort aus dem Bus, als er zum stehen kam, packte ihn und schlug ihn so fest wie ich konnte in sein Gesicht, kurz darauf gingen bei mir die Lichter aus. Als ich wieder aufwachte war ich im Krankenzimmer ihrer Schule. „Wie sehe ich aus?“, sprach ich mit schmerzender stimme und schmeckte auch etwas Blut. „Als wärst du angefahren worden“, sagte sie mit einer ungewohnt ernsten Stimme. „Weißt du, es ist nicht seine Schuld, so ist er eben, er hatte mich wohl missverstanden“.
„Du hast immer noch Kontakt zu ihm, nicht wahr?“.
„Ja, aber es ist nicht so wie du denkst!“. In diesem Moment konnte ich mich nicht mehr beherrschen, ich gab ihr eine Ohrfeige, sie fiel zu Boden und starrte mich mit dem reumütigen Blick eines Hundes an. „Du magst es doch, wenn du so behandelt wirst, nicht wahr!?“ Ich ließ sie dort liegen und lief einfach davon, den ganzen Weg bis nach Hause, hatte ich darüber nachgedacht, was ich bloß machen solle.
Nach drei Stunden, kam ich Zuhause an und dort stand sie. Sie hatte auf mich gewartet, die ganze Zeit. „Es wird nie wieder vorkommen, ich verspreche es dir“, sprach sie mit einer solch zaghaften Stimme, wie es ein Mädchen macht, die ihrem ersten Freund die Liebe gesteht. „Ich werde dir keine zweite Chance geben“. Mit diesen Worten schloss ich sie in meine Arme und es war wieder, als wäre nie etwas geschehen.
Wir waren frisch verliebt und ich dachte unser Glück würde nie zu Ende gehen, bis zu der Nacht, in der die letzten Zikaden verstummten. Ich war gerade auf der Geburtstagsparty eines Freundes, als ich eine SMS erhielt, die mein Leben für immer verändern sollte: „Es tut mir so Leid, aber deine Freundin, sie ist in einen Autounfall geraten, sie war zusammen mit ihrem Exfreund, sie waren beide sofort Tod“. Ich schluckte einmal tief und saß einfach nur so da. Ich konnte nicht mehr klar denken. „Wie konnte sie nur so etwas machen?“, Ich hatte ihr noch soviel zu sagen.
Nun liege ich hier seit einer Stunde in meiner Badewanne und blicke ununterbrochen auf die silberne Klinge in meiner Hand. Ich denke an die Zeiten mit ihr. Ich flüstere ihren Namen ganz leise, während ich die Klinge ansetze und mich bereit mache, ihr zu folgen.
Sie war das Beste, was mir jemals passiert ist. Ich war nie so lebendig, wie in der Zeit, die ich mit ihr verbringen durfte. Ich kann mir kein Leben ohne sie vorstellen. Es war Liebe auf den ersten Blick, wieso musste sie mich verlassen? Hatte sie mich überhaupt geliebt? „WESHALB WARST DU NICHT BEI MIR?“, schreie ich sie verzweifelnd an, doch hören kann sie es nicht.
Ich liebe und hasse sie zugleich, doch darf man eine Tote hassen? Ich darf mir nicht erlauben zu trauern! Ich lasse mir mein Leben nicht von jemand versauen, der Tod ist. Sie hat mich betrogen und mich dann feige ohne eine Erklärung zurückgelassen. Sie kann sich glücklich schätzen, mit dem Mann den sie liebte gestorben zu sein, sie hat kein Mitleid verdient!
Mit diesen Gedanken beschloss ich es, ich werde sie von jetzt an hassen, nichts wird mich mehr umstimmen. Ich werfe die Klinge in den Mülleimer und stelle mich vor den Spiegel. Ich sehe einen überglücklichen Jungen mit einen strahlenden Lächeln. Ich bin glücklich.