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Das Welpenfoto

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12.10.2008
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Das Welpenfoto

Es war in den 70ern, als ich versuchte, den neuen Hund meiner Schwester zu fotografieren. An sich kein großer Akt. Doch der Kleine war noch ein Welpe und erst einige Wochen alt.
Sie werden sagen: das ist doch ein besonders putziges Alter. Stimmt! Es war auch der einzige Grund, weshalb ich mich zu dieser Aktion breitschlagen ließ. Und so kam es, dass ich eines Sonntags, bewaffnet mit Kamera und Leckerbissen (für den Hund, nicht für die Schwester) bei ihr klingelte...

Nach einer herzlichen Begrüßung (mein Gott, schleimte die wieder...), ging es ins Wohnzimmer. Da saß auch schon der kleine Racker und schaute mich freudig schwanzwedelnd an. Besser der Hund, als ihr Freund, dachte ich so bei mir. Ich bin tierlieb, müssen sie wissen. Habe selber eine Perserkatze und jede Menge Fische. So betrat ich siegessicher den Schauplatz. Liebevoll auf ihn einredend (den Hund, nicht den Freund), zog ich meine Jacke aus und nahm die Kamera aus der Tasche.
Aber schöne, natürliche, putzige und ganz drollige Aufnahmen müssten es sein. Meine Schwester war ganz aufgeregt. Ja, ja, wird schon gemacht. Reg bloß den Hund nicht auf. Dann können wir das heute vergessen. In Gedanken bereute ich schon meine Zusage. Erst schleimen, jetzt nerven. Doch dann ging es los:

Ich nahm einen neuen Film aus der Schachtel und lud ihn in die Kamera. Dann nahm ich die Filmschachtel aus dem Maul des Welpen und warf sie in den Abfalleimer. Anschließend holte ich den Welpen aus dem Abfalleimer und bürstete ihm den Kaffeesatz aus der Schnauze.
Sofort ging ich daran, einen passenden Hintergrund zu suchen. Ich montierte die Kamera aufs Stativ und machte sie aufnahmebereit. Danach nur noch den Welpen auf den vorbereiteten Platz vor die Kamera setzen.
Ich kann nur sagen: vergessen Sie den Platz und kriechen dem Welpen auf allen Vieren nach. Ich stellte die Kamera mit der Hand wieder ein und lockte den Kleinen mit einem der (vorsorglich) mitgebrachten Leckerbissen. Jetzt nah ran mit der Kamera - ganz nah. Als nächstes das Taschentuch raus geholt und das Objektiv vom Nasenabdruck des Rackers gereinigt. Jetzt noch den Blitzwürfel aus dem Maul des Welpen geholt, ihn wegwerfen (den Blitzwürfel natürlich!) und einen neuen einstecken
Als nächstes sperrte ich die Katze aus und behandelte die Kratzer auf der Nase des Welpen mit etwas Gel. Aschenbecher und Zeitungen stellte ich wieder zurück auf den Couchtisch.

Vorletzter Akt: Ich versuchte dem Biest einen interessanten Ausdruck zu entlocken, indem ich ihm ein (vorsorglich mitgebrachtes) Quietschepüppchen über den Kopf hielt. Danach rückte ich meine Brille zurecht und holte die Kamera wieder unter dem Sofa hervor.
Aufspringen, den Köter im Nacken packen und sagen: „Nein – das machst du gefälligst draußen!“ war meine letzte Aktion. Völlig genervt rief ich meine Schwester, sie solle gefälligst mit Ihren Freund wieder aufräumen. Ich ging zur Bar, mixte mir einen doppelten Martini und setzte mich in den bequemsten Sessel.
Und morgen früh, geliebte Schwester, übst du mit dem kleinen Gardinenfresser erst einmal „Sitz“ und „Platz“.

 

@lirum,
Hallo Lirum,
vielen Dank für deine Anmerkungen.
Nun, die Zeit spielt insofern eine Rolle, als das es in den 70ern noch keine Digitalfotografie gab. Filmpatronen, Blitzbirnen, etc. waren normal.
Auch spielt hier meine Schwester (die Geschichte ist nämlich wahr - mit künstlerische Freiheiten) nicht die Hauptrolle, sondern die Tollpatschichkeit des Hundes. Die satirischen Spitzen des Photografen sind durchaus gewollt, um der Geschichte diese Farbe zu geben. Das Aufzeigen der Ausrutscher, ohne diese zu beschreiben. So liegt auch in der Phantasie des Lesers viel Freiheit.

Liebe Grüße
Karl-Hubert

 

Hallo Karl - Hubert!

Ich fand deine Geschichte sehr lustig und vor allem lebendig geschrieben. Nicht nur der Welpe brachte mich zum Schmunzeln. Ich sage nur: “Hoch lebe die Digitalkamera!”

LG

 

@Angelina de Satura
Ja, das mit der Digitalkamera ist wirklich wahr. Die Geschichte mit dem Hund fiel mir gestern spontan wieder ein, als ich mit der Digicam einige Fotos machte und mit meiner Frau über die alte Kamera sprach, die wohlbehütet in der Vitrine steht.
Als Frühaufsteher habe ich die Geschichte dann heute morgen geschrieben, bevor ich sie wieder vergaß.
Ich muß allerdings sagen, daß einige kleine "künstlerische Freiheiten" dabei sind. Sie soll ja auch für Außenstehende lesbar sein.

Liebe Grüße
Karl-Hubert

 

Karl-Hubert Hase,

Du rückst mir mit Deiner Kg ein für mich neues Stilmittel ins Auge:

Ich nahm einen neuen Film aus der Schachtel und lud ihn in die Kamera. Dann nahm ich die Filmschachtel aus dem Maul des Welpen und warf sie in den Abfalleimer.
Der Leser muss sich eine Tatsache (der Welpe schnappt sich die Filmschachtel) aus der dargestellten Folge selbst denken.

Nur wegen der Wiederholungen fällt es auf.

Gingiko

 

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