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Deja vu

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22.07.2013
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Deja vu

Utes Tag war anstrengend. Zudem kam die Einladung ihrer Freundin Heike zur Unzeit, wenngleich sie zusagte den Abend mit Heike zu verbringen. Heike, Utes Arbeitskollegin und zugleich Freundin war am Vormittag aus der Zentrale informiert worden, dass ihre Beförderung zur Filialleiterin in der neuen Filiale in Düsseldorf anstand. Diese Beförderung wollte sie zusammen mit Ute gebührend feiern.

Beide waren erfolgreich in der Damenboutique Bijou, am Königswall in Essen, als Modeberaterinnen tätig. Sie verkauften überzogen teure Damenmode für ein Publikum das gerne mehr bezahlen wollte als ein „Normalverdiener“. Die meisten Kundinnen ließen hier die Kreditkarten ihrer Ehemänner heiß glühen.

Ute arbeitete gerne in der Boutique. Ihre eigenen Chancen auf eine Beförderung standen jedoch noch schlecht. Heike arbeitete bereits seit vier Jahren in der Boutique, sie selbst erst ein Jahr. Also war es nur logisch, dass Heike den Job in Düsseldorf bekam. Außerdem war Heike ihre liebste Freundin. Besser Heike als Tölle. Dieter Tölle leitete die Filiale in Essen. Tölle sah gut aus, bei Männern nicht immer ein Vorteil. Tölle ging den beiden schon länger auf die Nerven. Seine anzüglichen Bemerkungen wie: “ An Ihrer Oberweite können wir ja noch arbeiten Frau von Kirchhof“, oder „Die Bluse steht Ihnen offen gestanden gut, Frau Schröder“, hörten sie 5 bis 10 Mal am Tag und waren so abgedroschen wie nur etwas. Tölle war einfach peinlich. Das ständige „Anbaggern“ Tölles, bei sich selbst und den Kundinnen, empfanden sie als unangenehm. Einige Kundinnen mochten vielleicht Gefallen daran finden. Ute und Heike jedoch, machte die Zusammenarbeit mit Tölle keine besondere Freude. Trotzdem mussten sie es ertragen, denn Tölle war der Leiter der Boutique. Wenn Heike bald in der neuen Filiale in Düsseldorf arbeitet, würde sie sich allein gegen Tölle durchsetzen müssen.
Spät war es geworden. Heike hatte Ute zu ihrem Lieblingsitaliener „Enzo“ eingeladen und danach gingen sie noch in eine Disco, in der ausgerechnet Tölle seinen nicht vorhandenen Charme spielen ließ. Heike und Ute vermuteten dass er ihr Gespräch vom Nachmittag absichtlich oder zufällig mitgehört hatte. Tölle war sonst nie in dieser Disco zu sehen. Sie kehrten bei seinem Anblick auf dem Absatz um und gingen zu Heike. Dort machten sie es sich bequem, tranken einen wunderbaren Rotwein und verquatschten sich total. Über Tölle oder die Boutique sprachen sie kaum. Vielmehr besprachen sie die zukünftige Möglichkeit, gemeinsam in den Urlaub zu fahren. Da eine der beiden immer in der Boutique anwesend sein musste, war das Thema Urlaub keines, über das es sich bisher lohnte zu sprechen. Heute machten sie bereits Urlaubspläne für das kommende Jahr. Es wurde spät. Irgendwann war der Abend zu Ende und Ute wollte nur noch ins Bett.
Heike meinte zwar sie solle bei Ihr schlafen oder zumindest aber ein Taxi rufen, Ute lehnte jedoch dankend ab. Das an dem Abend herrschende Unwetter und die fortgeschrittene Zeit luden zwar nicht unbedingt zu einem „Spaziergang“ ein, doch war sie den Heimweg, von Heike aus, schon oft gelaufen. Sie wollte die 10 Minuten Fußweg nutzen um noch ein wenig frische Luft zu schnappen.
Bereits nach einer Minute bereute sie ihren Entschluss. Das Unwetter behagte ihr gar nicht. Regen klatschte ihr auf den Schirm den Heike ihr mitgegeben hatte.
Typisch Heike, dachte Ute. Sie kann nichts wegwerfen.
An einer Stelle war der Bezug des alten Schirmes bereits eingerissen. Regen und Wind machten ihr zu schaffen. Wegen des beschädigten Schirmes war sie bereits nach wenigen Schritten nass. Sie fragte sich, ob sie den Schirm nicht besser wegwerfen solle. Die Antwort darauf gab ihr der Sturm der sich im Laufe des Abends fast zum Orkan entwickelt hatte, selbst. Eine Windböe von vorne traf sie unverhofft und riss ihr den Schirm aus der Hand.
Nicht schade darum, dachte sie.
Sollte sie jetzt zurückgehen? Nach einem kurzen Augenblick des Überlegens entschied sie, den Weg nach Hause fortzusetzen. Sie schaute sich noch einmal nach dem Schirm um und war im Begriff weiterzugehen, als sie ungefähr 30 Meter hinter ihr meinte, Dieter Tölle gesehen zu haben.
Nein, nur nicht diesem Chaoten jetzt begegnen. Der baggert dich wieder an. Nichts wie nach Hause, dachte sie und setzte ihren Weg, nun etwas hastiger fort. Nach einigen Metern glaubte sie ein Geräusch zu hören das sich wie Schritte anhörte, Tölles Schritte.
Tack-tack-tack-tack. Schon wieder. War das der Regen oder sind es Schritte? Ihr Gang wurde schneller. Bei jedem von ihr jetzt wahrgenommenen Geräusch dachte sie, Tölle stünde hinter ihr.
So ein Arsch, dachte sie. Kann der mich nicht wenigstens nachts in Ruhe lassen?
Sie drehte sich um, wollte Tölle die Meinung blasen, sah aber außer wackelnden Laternen und sich im Sturm biegenden Bäume nichts. Der unaufhörliche Regen, der Sturm und das Dunkel der Nacht ließen weder eine vernünftige Sicht zu, noch konnte sie genau bestimmen, welcher Art die Geräusche waren die sie zu hören meinte. Dann nahm sie einen verschwommenen Schatten wahr, etwa 30 Meter zurück. War das vielleicht doch nur der sich spiegelnde Schein einer Straßenlaterne? Etwas unheimlich wirkte diese Szenario auf sie, da der Regen stärker wurde und der Sturm zunahm. Eine Mülltonne fiel krachend um und ergoss ihren Inhalt auf den Bürgersteig. Da würde morgen nichts mehr von da sein, dachte sie als ihr plötzlich eine nasse, umherfliegende Zeitung an den Beinen klebte. Ich hätte doch bei Heike bleiben sollen, überlegte sie. Eine leere Kunststoffflasche fliog auf sie zu und verfehlte sie nur um Zentimeter. Ute ging nahe an den Hauswänden um sich so ein wenig vor dem peitschenden Regen zu schützen. In einem Hauseingang stand jemand. Ute erschrak, als sie den Mann, offensichtlich stark angetrunken, plötzlich im Hauseingang stehen sah.
Er wird sich zum Schutz gegen den Regen und den Sturm untergestellt haben, sagte sie sich. Ich sollte nicht so viele Krimis lesen machte sie sich nun selbst Mut. Noch fünf Minuten bis zur eigenen Haustür. Fünf Minuten konnten lang sein. Da hörte sie wieder dieses Tack-tack-tack-tack. Waren das nun Schritte? Quatsch, dachte sie, um sich selbst zu beruhigen. Die Nacht war feucht und ungemütlich. Der prasselnden Regen wollte einfach nicht aufhören. Inzwischen war sie völlig durchnässt.

Kaum wahrnehmbar meinte sie wieder, diese Schritte zu hören. Ihr war eine solche Situation voller Angst bisher erspart geblieben. Sie hasste es, wenn Sie Dinge nicht einzuordnen vermag. Wie oft konnte man von Vergewaltigern oder nächtlichen Raubüberfällen in der Zeitung lesen. Was war, wenn das nun nicht Tölle war sondern ein Vergewaltiger? Vielleicht war Tölle ein Vergewaltiger. Vielleicht waren es sogar zwei. Ich habe nicht viel Geld bei mir. Das wissen die aber nicht. Warum muss ich auch um zwei Uhr morgens zu Fuß nach Hause laufen? Nur weil ich mir diese dämlichen zwölf € für´ s Taxi sparen wollte. Sie war schon einige Male mit dem Taxi gefahren und hatte stets zwölf € bezahlt. Was sind zwölf €? Nichts. Sollte sie schreien? Warum schreien? Wer würde mich hier hören, denkt sie. Hörte sie überhaupt Schritte? Utes Gedanken überschlagen sich.
Mache Dich nicht selbst verrückt, Ute. Gehe ruhig nach Hause, versuchte sie wieder sich zu beruhigen. Sie hätte das Taxi nehmen sollen. Der Tölle bekommt morgen von mir was zu hören. Sagt sie zu sich selbst. Jetzt machte sie sich selbst Vorwürfe. Angst wanderte vom Bauch über die sich zuschnüren wollende Brust bis zum Hals. Gleichmäßiges, ruhiges Atmen fiel ihr schwer Da waren sie wieder. Klack-klack-klack-klack. Die Schritte hinter ihr wurden schneller. Ihre auch. Der Selbstverteidigungskurs, den sie mit 20 Jahren belegt hatte kam ihr in den Sinn. Das waren jetzt 9 Jahre her. Konnte sie das damals Gelernte noch anwenden? Versuchen kann ich es ja, dachte sie. Immerhin gab ihr der Gedanke an den Kurs ein wenig ihrer Sicherheit zurück.
Die Straße wurde dunkler, jetzt kam ein kleiner Tunnel für Fußgänger, der seit Jahren nicht beleuchtet wurde. Noch immer fast vier Minuten bis zur Haustüre. Die S-Bahn fuhr hier über die Straße. Kaum noch Häuser, darum standen hier auch weniger Laternen. Laufen mit dem engen Rock ging nicht. Rennen erst recht nicht. Ihre Gedanken überschlugen sich. Dieser Rock. Warum hatt sie nur diesen Rock angezogen? Scheiß Schuhe! Sollte sie die Schuhe ausziehen? Nein, dann lief sie vielleicht in eine Glasscherbe oder verletzte sich an einem Stein und kam gar nicht mehr weg.

Ute keuchte vor Anstrengung und kämpfte an gegen die immer wieder aufkeimende Angst. Die Schritte kamen jetzt näher. Nimm Deinen Mut zusammen und stelle Dich der Gefahr entgegen. Angriff ist die beste Verteidigung. Dachte sie sich. Hastig drehte sie sich um und stolperte dabei über einen Karton den der Wind hierher geblasen hatte. Sie verlor den Halt, fiel im Umdrehen auf den Hintern und wollte sich ihrem Schicksal nicht ergeben. Aufstehen, bevor sich gleich jemand auf dich stürzt, sagte sie sich.
Doch da war niemand. Wo war er denn? Warum ich? Die Gedanken überschlugen sich wieder während sie aufstand und weiterlief. Schaffe ich das? Es waren nur noch knapp zwei Minuten bis zur Haustür. Warum habe ich nicht auf Heike gehört und mir ein Taxi gerufen?

Weiter. Schnell weiter. Sie spürte wieder die vermeintlich drohende Gefahr hinter sich. Im Laufen drehte sie sich um. Sie konnte aber absolut niemanden sehen. Durch den Regen bedingt, waren es nur maximal 20 weite Sicht. Vielleicht würde sie es doch bis zur Türe schaffen. Dann würde sie den Nachbarn aus dem Bett klingeln. Er würde ihr sicher helfen. Hoffentlich ist er zu Hause.
Nicht daran denken, jetzt an nichts mehr denken, nur noch die Haustür erreichen. Schaffe ich es? Wieder überschlugen sich ihre Gedanken. Noch zwei Minuten. Wenn der Nachbar nicht aufmachte? Dann würde sie ihren Bruder anrufen. Oh nein, er könnte nicht helfen. Italienurlaub. Warum ich? Warum ausgerechnet ich? Panische machte sich wieder bei ihr breit.

Noch eine Minute bis zur Tür.

"Hallo schöne Frau….." Die Stimme klang ekelhaft blechern und wiederholte sich.
"Hallo schöne Frau….."
Endlich war sie an der Tür angekommen und warf sich mit voller Wucht dagegen. Manchmal ging sie auch ohne Schlüssel auf. Manchmal. Nicht jetzt.

Sie fiel wieder, dieses Mal jedoch aus dem Bett.
Der Wecker schellte. Zu früh. Viel zu früh.

Diese beknackten Weckrufe aus dem IPhone. Scheiß Gerät, dachte sie.

Wieder ertönte dieses „Hallo schöne Frau“ und dann ein blöder Spruch. „Aufstehen schöne Frau“ Danach wieder das eintönige Klack-klack-klack-klack. Der Telefonklingelton. Dieses Geräusch war der Telefonklingelton den ihr Neffe Ihr auf das IPhone geladen hatte. Sie würde morgen einen anderen Klingelton wählen. An Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken. Sie stand auf. Schweißgebadet zog sie sich die Turnschuhe ihrer Freundin an - man weiß ja nie. Sie nahm den alten Schirm und wollte sich auf den Heimweg machen. Es waren zwar nur knapp 10 Minuten Fußweg bis in die eigene Wohnung, aber heute rief sie sich ein Taxi.
Auf dem Weg nach Hause erzählte sie dem Taxifahrer von dem schlimmen Traum, den sie kurz zuvor hatte. Der Taxifahrer hatte bereits die Hälfte seiner Schicht hinter sich und freute sich über die willkommene Abwechslung und das Gespräch mit Ute. Er fuhr langsam. Eigentlich zu langsam aber die Straßen waren bei dem Unwetter nicht gut einzusehen und die Scheibenwischer hatten die besten Zeiten ebenfalls hinter sich. Er lachte laut und rat ihr, zukünftig ein Glas weniger zu trinken. Zu Hause angekommen kramte sie die zwölf € aus Ihrer Geldbörse und wollte sie dem Taxifahrer gerade geben, als beide ein fürchterlich lautes Krachen hörten und entsetzt auf den sich neigenden Baum vor sich sahen. Genau vor der Eingangstür ihres Wohnhauses, warf das seit dem frühen Abend wütende Unwetter eine 150 Jahre alte Kastanie um. Direkt auf das Taxi.
Beide Insassen, las man später in der Zeitung, wurden von dem Baum, im Auto sitzend, erschlagen. Die Notärzte hatten noch am Unfallort vergeblich eine Reanimation der beiden Opfer versucht. Dabei fielen Ute zwölf € aus der inzwischen nasskalten Hand. Die spätere Obduktion ergab, dass der Tod unmittelbar eingetreten sein musste. Wenigstens hatten beide Insassen nicht leiden müssen.

Dieter Tölle meldete sich am nächsten Morgen bei seinem Arbeitgeber krank. Er war stark erkältet. Nie wieder, schwor er sich, nie wieder würde er nachts bei einem solchen Unwetter einer Frau nachstellen. Dabei, so meinte er, holt man sich nichts als den Tod.

 

Hallo Horst!

Liest sich wie eine Geschichte mit dem Thema: kausaler Determinismus. Finde ich gar nicht schlecht, so was auch mal in die Spannungsrubrik zu bringen, statt unter Philosophie einzuordnen.

Ihren „ersten Tod“ träumt die Protagonistin. Eigentlich immer unschön, jedoch in diesem Fall ist das okay so, denn in dieser Rubrik darf ja nicht von der bekannten Biologie, Physik und Technik der realen Welt abwichen werden.

Aber leider finde ich die Ausarbeitung nicht so gelungen. Ich habe nicht das Gefühl, dass der Erzähler sich in die Idee zu der Geschichte verliebt hat. Der Text ist dafür zu knapp und die Handlung wenig originell ausgearbeitet. Da steckt auch wenig Gefühl für die Protagonistin drin. Nur so Banalitäten, die jedem nach ein paar Sekunden einfallen.

Ein paar Beispiele zur Textarbeit:

Sie geht nervös die Straße hinunter.
Als Einstieg nicht schlecht. Nur, „nervös“ ist zu vieldeutig. Sie kann nervös sein, weil sie vorher eine Doppelschicht im Krankenhaus gearbeitet hat, usw.
Ich würde da schon was Passenderes nehmen. Vielleicht ängstlich.
Sich ängstlich umblickend geht eine junge Frau die Straße hinunter. Oder so ähnlich.

Noch ungefähr 400 Meter, dann wird sie zu Hause angekommen sein.
dann wird sie zu Hause angekommen sein“ klingt zu hoffnungsvoll.
Bis zu ihrer Haustür sind es noch mindestens vierhundert Meter. Das klingt schon fast unerreichbar, oder? Da kommt Spannung auf.

Regen klatscht ihr auf den an einigen Stellen durchlöcherten, alten Schirm.
An einigen Stellen, na klar, nur Löcher ergeben keinen Schirm! Ein Schirm mit vielen Löchern ist meist alt. Außerdem ist es egal, auch ein neuer Schirm mit Löchern taugt wenig. Und das es ihr Schirm ist und nicht der ihrer Freundin … Es genügt zu schreiben:
Regen klatscht auf den durchlöcherten Schirm.

Einfach die Sätze genauer und in Ruhe anschauen. Dann findet man nebenbei auch die Kommafehler.

Gruß

Asterix

 
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Hallo Horst

Wir waren uns noch nie in die Quere gekommen, deshalb vorab ein Herzlich Willkommen im Forum hier.

Eine gewisse Witzigkeit birgt die Geschichte schon, doch spannend, fand ich sie nicht unbedingt. Es liegt nicht allein am Thema, sondern auch daran, wie es sich darstellt, eine äusserst dürftige Handlung. Da rein eine Erzählstimme spricht, fehlt mir auch Unmittelbarkeit. Kein einziger Gedanke, den die Frau selbst fasst –wie ist eigentlich ihr Name? -, kein Wort, das sie mit dem Taxifahrer wechselt. Und ihre Freundin, in deren Wohnung sie schläft, - warum eigentlich? -, ist rein formal vorhanden. Da fehlt das Fleisch am Knochen, alles nur auf die Pointe ausgerichtet, und diese ist noch halbwegs unbrauchbar, doch dies später.

Sie geht nervös die Straße hinunter. Noch ungefähr 400 Meter, dann wird sie zu Hause angekommen sein. Regen klatscht ihr auf den an einigen Stellen durchlöcherten, alten Schirm.

Der Einstieg wirkt mir etwas gezwungen und unnötig kompliziert formuliert. Warum ist sie nervös? Wer bewahrt einen durchlöcherten Schirm auf, das ist doch Humbug. Der Einstieg sollte den Leser möglichst vereinnahmen, ihm Neugierde auf Kommendes wecken. Es hätte vielleicht so eröffnen können: Irene trat aus dem Haus ihrer Freundin. Mehr als eine Viertelstunde hatte sie es nicht nach Hause, doch der nächtliche Regen erlaubte kaum ein paar Meter Sicht und gab der Dunkelheit einen bedrohlichen Anstrich. Als sie um die Ecke der Häuserzeile trat, fetzte ihr eine Windböe den Schirm beinah aus der Hand. Ein Stab des Schutzdaches war gebrochen, sodass er sie nur noch knapp decken konnte.

Sie wird trotz des Schirmes nass und zudem[KOMMA] ist ihr unheimlich zumute.

Ein Schirm ist immer nur ein begrenzter Schutz. Auch würde ich ihr aufkommendes Gefühl von Unheimlichkeit begründen. Es muss seine Ursache haben. Hier liessen sich vermeintliche Schritte hinter sich einbringen, doch wie sie sich umdreht, ist niemand zu sehen. Das würde doch Atmosphäre geben.

Jedes von ihr jetzt wahrgenommene Geräusch treibt ihr den Angstschweiß auf die Stirn, trotz der Kühle des Abends und des prasselnden Regens.

Ist der Regen nicht ein Schalldämpfer, der Schritte hinter sich eher intuitiv wahrnehmen lässt? „Angstschweiß“ klingt mir hier etwas überzeichnet, panische Gedanken wären da heftiger.

Kaum wahrnehmbar sind erneut[KOMMA] diese Schritte zu hören. Als Frau ist man in solchen Situationen besonders sensibilisiert.

Statt sind würde ich da eher meinte sie verwenden, das Ungewisse ist oft ein böserer Feind als die Realität. Der nachfolgende Satz, wieder diese leidige Erzählstimme, gefällt mir auch nicht so recht. Lass ihre eigenen Gefühle bei ihr aufkommen, ihre Fantasie spielen.

Warum musste sie auch um 2 Uhr morgens zu Fuß nach Hause laufen? Nur weil sie sich diese dämlichen 12 € für´ s Taxi sparen wollte. Was sind 12 €, wenn man dafür ein Leben lang traumatisiert ist, falls sie einen Überfall um diese Zeit überhaupt überlebt. Sollte sie schreien?

Zahlen bis zwölf schreibt man in Texten i. d. R. in Buchstaben aus. Es gibt da wenige Ausnahmen, die du einem Lexikon der Sprachlehre entnehmen kannst. Das fürs bedarf weder eines Apostrophs noch eines Leerschlages vor dem s. Die letzten beiden Sätze wirken mir nicht authentisch, so denkt die Frau doch nicht selbst. Versetze dich in ihre Lage, nimm ihre Empfindungen wahr die sie in einer solchen Situation quälen könnten. An Traumatisierung denkt sie kaum, je nach Angstfantasie eher an einen Lustmörder, einem Räuber mit Holzscheit oder einen Vergewaltiger. Ihre Furcht lässt sich durchaus konkretisieren und nicht nur so vage ausdrücken.

Angst. Höllische Angst schleicht sich in Ihr Gehirn. Da sind sie wieder. Klick-klick-klick-klick. Die Schritte hinter ihr werden schneller. Ihre auch.

Reine Theatralik, die du hier vorlegst. Wie gesagt, mach es für den Leser greifbarer, lass ihn leidend mitfühlen.

Der Selbstverteidigungskurs, den sie mit 20 Jahren belegt hatte[KOMMA] kommt ihr in den Sinn. Das ist jetzt 9 Jahre her. Könnte sie das damals Gelernte noch anwenden?

Nicht mit dem Rock. Zu eng.

Quatsch! Ein Handkantenschlag lässt sich auch im engen Mini verpassen. Je nachdem welche Tricks sie gelernt hatte, kennt sie den Handgriff, der einen Bullen von Mann in die Knie zwingt und winseln lässt. Allerdings ist dies ein Griff den Polizisten für Notfälle bereithaben, ob der an solchen Kursen preisgegeben wird, ist fraglich.

Scheiß Schuhe!! Soll sie die Schuhe ausziehen? Nein, dann läuft sie vielleicht in eine Glasscherbe oder verletzt sich an einem Stein und kommt gar nicht mehr weg.

Ein Ausrufezeichen genügt! Auch hier finde ich es störend, dass es nicht ihre unmittelbaren Gedanken sind.

Sie keucht vor Anstrengung und Angst. Die Schritte kommen immer näher. Jetzt allen Mut zusammen nehmen und sich der Gefahr entgegen stellen. Angriff ist die beste Verteidigung.

zusammennehmen (in einem Wort)

Sie dreht sich hastig um und verliert dabei den Halt, fällt im Umdrehen auf den Hintern und will sich ihrem Schicksal ergeben.

Diese Szene und die der folgenden Abschnitte haben nahezu etwas Komikartiges, da kann ein Leser – wenn er das mag – allenfalls lachen. Dabei könnte man dies durchaus in spannungsgeladene Momente verwandeln, wenn es authentisch wirkte.

"Hallo schöne Frau….." Die Stimme klinkt ekelhaft blechern und wiederholt sich.

Ab hier folgt eine ganze Serie von falschem Umgang mit Auslassungszeichen. Abgesehen davon, dass es nicht sinnvoll ist, mehr als unbedingt notwendig zu verwenden, bringst du sie falsch ein. Auslassungspunkte, und immer nur drei, werden immer mit einem Leerschlag vor oder nach den Worten gesetzt. Ausnahme bildet ein unvollendetes Wort wie etwa Verd…! [DUDEN K17 ff.]

Einer dieser beknackten, neuartigen, besprechbaren Wecker.

Diese Wortwahl ist unglücklich und falsch. Ich verstehe durchaus, was du meinst, aber du solltest es anders umschreiben.

Es sind zwar nur einige hundert Meter bis in die eigene Wohnung, aber heute ruft sie sich ein Taxi.

Hundert

Beide Insassen, wird man später in der Zeitung lesen, wurden von dem Baum, im Auto sitzend, erschlagen. Der Tod trat unmittelbar ein. Wenigstens hatten beide Insassen nicht leiden müssen.

Komma überflüssig nach Insassen.

Noch während man versuchte sie zu reanimieren, fielen Ihr 12 € aus der Hand.

Wer zum Teufel ist man? Zudem ist ein Reanimationsversuch bei Toten Unsinn und würde keinem Arzt oder Rettungssanitäter einfallen. Wie bereits zu Beginn angetönt, geht deine Pointe damit halbwegs im Regen baden.

Geschichten, die mit Träumen in Verbindung stehen, sind etwas Delikates, da sie sich meist unnütz von der Realität entfernen. Deine Verwendung eines solchen Mittels finde ich nicht grundsätzlich schlecht, doch leider für meinen Geschmack als Leser nicht zureichend umgesetzt. Versuche es nach den Kriterien von Spannung, Realität und Einfühlungsvermögen, gepaart mit Unmittelbarkeit, in eine interessante KG zu formen. Vorab solltest du aber die Fehler bereinigen, ich weiss nicht, ob ich beim Lesen auch alle bemerkte.

Auf eine spannende Fassung des Themas wäre ich schon neugierig.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Horst,

Dein Text hat schon einige gute Zutaten für eine Spannungsgeschichte. Aber wie es eben beim Kochen so ist: Zutaten müssen in der richtigen Weise verarbeitet werden, damit das Gericht am Ende gut schmeckt.

Hier eine kleine Liste der Probleme, die ich in Deinem Text sehe:

1) Du schilderst Deine Geschichte in der Gegenwartsform. Ich finde, die Vergangenheitsform ist grundsätzlich besser geeignet. Aber das ist Geschmackssache und ein Thema, über das man lange meditieren kann.

2) Den Beginn der Geschichte solltest Du dramatischer gestalten. Jedes Genre besitzt seine speziellen Regelcodizes. Im Bereich der Spannungsgeschichten ist es wichtig, den Leser mit einem Maximum an Spannungselementen in die Geschichte hineinzuziehen. Viele Leser verzeihen, wenn die Geschichte im Verlauf spannungsmäßig ein wenig nachlässt, aber der Anfang muss aufhorchen lassen.

Du hast es von der Wahl des Szenarios her schon ganz gut gemacht, aber die Formulierungen sind zu umständlich, als dass starke Spannungen aufkommen könnten: "… dann wird sie zu Hause angekommen sein" – das ist zu lang und lenkt den Leser von den entscheidenden Aspekten der Eröffnung ab.

Außerdem: " … ist ihr unheimlich zumute" – das ist nicht so gut, denn Du musst es als Autor schaffen, konkret zu beschreiben, was sie fühlt. Unheimlich ist zu allgemein.

3) Sprachliche Schwächen bringen den Leser aus dem Fluss und provozieren Gedankengänge, die vom Thema ablenken: "Als Frau ist man in solchen Situationen besonders sensibilisiert." Diese Frau-man Konstellation beißt den Leser. "Höllische Angst schleicht sich in ihr Gehirn." Das ist zu dick aufgetragen und außerdem eine unschöne Phrase. Suche immer nach dem konkreten Begriff, vermeide umgangssprachliche Formulierungen wie "höllische Angst".

4) Die Formatierung ist problematisch. Nimm Dir doch einen beliebigen Krimi zur Hand und übertrage die Formatierung auf Deinen Text. Du hast zu viele Leerzeilen drin, da zerfasert die Geschichte.

Empfehlung: Wenn Du im Bereich der Spannungsliteratur so schreiben willst, dass es eine größere Leserschaft begeistert, musst Du erforschen, was einen langweiligen Text von einem spannenden Text unterscheidet. Das kann man anfangs nicht wissen, auch wenn man viele Geschichten gelesen hat. Erst beim Schreiben stellt man sich die Frage, wie ein Autor eigentlich Spannung erschafft. Was ist Spannung überhaupt? Wenn Du so daran gehst, wirst Du viel Freude beim Schreiben haben, denn es ist wie das Entdecken eines neuen Landes.

Gruß Achillus

 
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Hallo Achillus.
Vielen Dank für Deine Kritik. Sie hilft mir sehr weiter. Die Geschichte werde ich an einigen Stellen überarbeiten und Formulierungen knapper, präziser und stimmiger wählen. Auch den Einstieg in das Geschehen versuche ich prickelnder zu gestalten.

Vielen Dank nochmals.
Herzliche Grüße Horst

Hallo Anakreon.

Vielen Dank fürs Lesen und die wirklich konstruktive Kritik.
Ich werde mir einige Zeit nehmen um die Geschichte zu modifizieren und natürlich die Fehler zu beseitigen.

Mit nochmaligem herzlichem Dank Horst

Hallo Asterix.

Danke auch Dir für die Kritik. So bringt mich das weiter. In Kürze ist alles überarbeitet, modifiziert und sicherlich lesbarer.

Würde mich dann über eine weitere Kritik freuen.

Herzliche Grüße mit bestem Dank Horst

 

Zum Beitrag Deja vu

Ich bitte nun einmal die Geschichte neu zu lesen, da sie sowohl in der Erzählweise wie in der Zeitform und Handlung geändert wurde.

Die Charaktere sind mehr herausgestellt und auch die einzelnen Protagonisten teilweise mit in die Geschichte als handelnde Personen eingefügt.

Vielleicht gibt es noch mehr Verbesserungsvorschläge?
Würde mich freuen etwas zu erfahren.

Gruß an alle Horst

 

Hallo Horst,

Ich bitte nun einmal die Geschichte neu zu lesen, ...

Kleiner Tipp am Rande. Bitten dieser Art gibt es hier zu viele für die wenigen aktiven Kritiker. Die effektivste Art um Rückmeldungen zu bitten ist, den Leuten, von denen Du gern eine Kritik hättest, selber eine zu schreiben. Das erhöht deine Chance auf 50 % ;).

In diesem Sinne, beste Grüße Fliege

 

Hallo Horst,

in der neuen Version hast Du einige Mängel des Originals behoben. Insbesondere fällt mir auf, dass Du die Charaktere deutlicher gezeichnet hast. So wird das Ganze anschaulicher.

Zwei Kritikpunkte:

1) Die Konstruktion der Geschichte wirft bei mir Fragen auf. Hilf mir mal auf die Sprünge. Wie ist der genaue Handlungsablauf? Ich lese es so: Ute geht abends feiern -> auf dem Heimweg (zu ihrer Wohnung) wird sie vom Unwetter überrascht und außerdem wird sie verfolgt -> sie wacht im Bett in der Wohnung ihrer Freundin auf/ noch immer tobt das Unwetter -> sie ruft ein Taxi, um in ihre Wohnung zu fahren -> tödlicher Unfall

Die Ereigniskette ist für mich undurchsichtig. War die Party und die Verfolgungsszene ein Traum? Wieso wacht Ute dann bei ihrer Freundin auf? Warum beschließt sie, mitten in der Nacht aus der Wohnung ihrer Freundin abzuhauen und wo ist Heike überhaupt?

2) Es ist gut möglich, dass Du die Hinweise für diese Fragen schon im Text gegeben hast. Ich muss sie überlesen haben, und damit komme ich zum Problem der Weitschweifigkeit. Es ist nur mein persönlicher Eindruck, aber ich glaube, der Text sollte knapper gehalten werden. Es ist schwierig, gleichzeitig knapp und präzise zu schreiben. Noch schwieriger ist es, den Text dann auch noch sprachlich gewandt zu verfassen. Aber das ist eben die Aufgabe eines Geschichtenschreibers.

Fazit: In der Fülle Deiner Beschreibungen und Erläuterungen ist mir beim Lesen der Handlungsverlauf verloren gegangen. Ich begreife die Pointe nicht. Das kann entweder auf meine Beschränktheit oder auf einen Fehler in der Handlungskonstruktion des Textes oder aber eine Überfülle an Beschreibungen hindeuten.

Soviel erst mal von mir.

Gruß Achillus

 

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