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Der Balken am Trerichsweiher

Seniors
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28.12.2009
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Der Balken am Trerichsweiher

Sie gingen über den Pfad neben der Sieg entlang zur Autobahnbrücke. Der Hund folgte ihnen an langer Leine.
Das Licht der Morgensonne reflektierte auf dem träge fließenden Gewässer.
Motorengeräusche wurden lauter.
Lass hinter der Unterführung runter aufs Feld und dann durch den Wald da. Ist ne Abkürzung.
Sie gingen langsam durch den breiten Tunnel.
Auf der anderen Seite erstreckten sich abgeerntete Felder gleich neben dem Weg. Die Erde zerfurcht und hellbraun, die Parzellen getrennt durch magere Grünstreifen.
Einer der Männer trug eine dunkle Weste mit aufgesetzten Taschen, unter dem Arm einen Kunststoffkäfig. Er fuhr mit einer Hand über die Löcher in der Decke.
Gibste denen eigentlich zu fressen?
Vitaminpaste wenn ich unterwegs bin. Aber sonst rohes Fleisch, die ziehen richtig was weg, die Viecher. Innereien, Herz und Magen und alles.
Sie folgten weiter dem Pfad.
Der Hund lief voraus zu einer Böschung, hob sein hinteres Bein und nässte.
Heiko!
Ein Pfiff aus gespitzten Lippen. Der Hund bellte und kehrte zurück.
Wie viele Fallen haste mitgenommen?
Alle die im Kofferraum waren.
Ich mein, das sind so an die zehn Stück, sagte der Mann mit dem Käfig. Reicht dicke. Nich zu viel, sonst wird die Frigga müde und legt sich einfach in’n Bau. Die is auch nich anders als wir.
Was machen wir eigentlich mit den Lapuzen nachher, wenn wer die aus der Falle holen?
Warste noch nie beim Frettieren dabei?
Nee, immer nur Ansitz und paar Drückjagden als Schütze.
Tscha, sagte er und klopfte mit dem Zeigefinger gegen den Käfig. Nimmst dir n Knüppel, einmal übern Schädel, und dann machste denen mit deinem Messer da die Ader am Hals auf.
Der Pfad führte weiter in einen Hain. Die Luft wurde kühler.
Wasn das da?
Durch die Äste schimmerte die graue Wand eines großen, länglichen Gebäudes.
Sie blieben stehen.
Alte Champignonfabrik am Trerichsweiher. Kennste nich?
Nee. Nie von gehört.
Schon ewig zu. Verfällt da vor sich hin. Weiß keiner so genau, was damit los ist. Wahrscheinlich ungeklärte Eigentumsverhältnisse oder so.
Warste mal drin?
Na klar, ist aber nix Besonderes. Im Grunde nur n paar leere Hallen. Früher habn sich die Jugendlichen da immer getroffen und volllaufen lassen … aber ich glaub, ist jetzt auch schon lange nicht mehr so. Er spuckte aus und wischte sich mit dem Daumen über die Lippen. Wenn de noch nie da warst …

Die Halle war lang und hoch. Kleine Partikel schwebten durch die Luft.
Ist das Asbest?
Wat weiß denn ich Jung! Die Dinger stehen ja schon ewich leer … Seitn Siebzigern, glaub ich. Aber wurden vorm Krieg gebaut. Gabs da schon Asbest? Er zuckte mit den Achseln.

Sie gingen über eine moosbewachsene Laderampe weiter ins Innere. Die hintere Wand war eingestürzt, durch die Überreste der Mauer wuchs eine Birke.
Einmal war ich hier, da machte so n Typ Nacktfotos von ner Alten, aber die war astrein, sag ich dir … stand dahinten an der Wand, Titten raus und alles.
Und dann?
Was, und dann?
Und was haste dann gemacht, mein ich?
Na, ich hab den mal weitermachen lassen, aber der Alten, der hätt ich schon noch gerne an den Arsch gelangt, kann ich dir sagen.
Sie lachten.
Der Hund lief voraus und bog in einen im Halbdunkel liegenden Raum ab.
Das war vielleicht ne Alte, sag ich dir, richtiger Schuss … Er stellte den Käfig auf die Laderampe und schüttelte den Kopf. So was kriegste nich alle Tage zu sehn.
Sie standen nebeneinander und blickten zum Ende der Halle.
Nix Besonderes, wie ich gesagt hab.
Die Luft war stickig. Eine Amsel landete auf der Bruchkante, pickte kurz in der leeren Fuge und flog wieder davon.
Da vorne stand die, die Alte … Sie schauten auf ein Stück Mauer. Grelle, zerlaufene Farben. Die Reste eines Graffitis.
Dann begann der Hund zu bellen.
Heiko! Heiko, verdammt! Aus, aus, jetzt. Er schüttelte den Kopf. Also manchmal …
Sie stiegen über lose Steine und alte PET-Flaschen hinweg.
Der Hund tauchte hechelnd wieder auf und fiepte laut.
Was is da?
Der Große streckte die Hand aus und streichelte ihm über den Kopf.
Heiko, sagte er. Heiko, was los?
Der Hund leckte ihm über den Handrücken und drehte den Kopf in die Richtung, aus der er gekommen war.
Jetzt wart doch mal, verdammt …
Sie gingen in die nächste Halle und blieben vor dem Schatten stehen.
Ach du Scheiße!
Scheiße, ja.
Sie senkten ihre Blicke und sahen auf die Überreste eines Feuers. Verkohlte Holzscheite. Daneben ein paar zerdrückte und verrostete Bierdosen.
Was meinste wie lang der da schon hängt?
Woher soll ich das denn wissen?
Müssen die Schmier anrufen, oder?
Auf keinen Fall!
Nee?
Stellen die nachher noch Fragen, hier von wegen, kannten Sie den undsoweiter. Kommste noch in Teufels Küche. Ich hab damit nix zu tun. Nich die Schmier.
Ja, und …
Und was?
Was denn dann?
Ich weiß et doch auch nich, Jung.
Der Mann hing von einem der mittleren Deckenbalken.
So n Seil hab ich auch im Kofferraum, sagte er und stellte den Käfig auf die Rampe. Isn Abschleppseil.
An dem sind schon überall die Fliegen dran …
Was denkst du, wie schnell das geht? Ratzfatz, dann biste nur noch Dünger.
Sie schwiegen einen Moment lang.
Ich weiß nicht … ich hab vorher noch nie ne Leiche gesehen.
Musste kotzen?
Nee. Nee, das nicht, aber ich weiß nicht …
Was?
Können den doch nich einfach hängen lassen.
Der geht uns nix an, so einfach ist das. Irgendeiner findet den schon und der ruft dann die Schmier und dann kann der sich damit rumschlagen.
Er nickte.
Komm, gucken wir uns den mal an.
Könnenwer doch nicht einfach so machen, oder?
Wer will da was sagen?
Ich weiß nicht …
Ach was, stell dich nicht so an!

Der Körper hing starr vom Seil, nur die Spitzen der Schuhe bewegten sich kaum merklich.
Guck dir mal den Hals an, der sieht ja wie aufgepumpt aus, verdammte Scheiße!
Bah, ich kann da nich näher ran, sons muss ich wirklich kotzen.
Mann Mann Mann, biste dir sicher, dass die Jagd was für dich is? Wenn de mal ne Sau weich triffst …
Sie blieben kurz vor dem Balken stehen.
Arm war der ja nich - Uhr, Schuhe, schon alles vom Feinsten.
Trägt sogar noch n Ring am Finger.
Tscha, vielleicht is dem ja einfach nur die Alte weggelaufen? Manche verkraften das nich, die hängen sich dann eben weg.
Jetzt sag doch sowas nicht!
Was denn? Hört doch keiner. Der da ganz bestimmt nich. Oder glaubste nachher noch an Geister oder sowas?
Das nicht, aber …
Ja na also. Ders dud und feddich is der Lack.
Der Hund schnüffelte an den Schuhsohlen und jaulte.
Heiko, is gut jetzt. Komm da weg. Er berührte die Schuhe mit den Fingerspitzen. Sind schon gut, die Teile. Sehen richtig edel aus, wie so italienische, ich meine, hier echtes Leder und alles.
Is trotzdem nich richtig …
Stellsten dich so an, Mensch?
Was, wenn uns jemand gesehen hat?
Wer soll unsn gesehen habn? Blödsinn. Wir guckn uns den doch nur an, is nix weiter dabei. Ich sach et dir nochmal, wenn de dran denkst, die Schmier ze rufen, da is der Ärger vorprogrammiert, so is das einfach mit denen. Was habense denn hier zu suchen gehabt?, so was fragen die dich an, und dann biste nachher ganz schnell in der Bredouille.
Ja, aber …
Jetzt halt mal dein Maul, verdammt. Er legte dem Hund seine Hand auf den Kopf, holte eine Schachtel Camel aus seiner Westentasche und blickte bis ans Ende der Halle. Mich würd mal interessieren, wie der hergekommen is. Ob dem sein Auto noch irgendwo hier steht. Der Hund leckte ihm wieder über die Hand. Das Licht schnitt hell und scharf durch die eingestürzte Mauer. Na ja, sei’s drum. Er zündete eine Zigarette an, nahm einen tiefen Zug und entließ den Rauch langsam durch die Nasenlöcher. Lass mal lieber los, sonst wirds noch zu spät nachher.

Sie verließen die Halle durch die eingestürzte Mauer und gelangten auf eine Wiese voller Brennnesseln.
Hatteste vor schon mal einen gesehen?
Ja, hab ich. Erster war am Strand, Neuharlingersiel, da hatte mein Alter mal n Wohnwagen stehen, und da wurde mal n Ertrunkener angeschwemmt. Ich war noch klein, habn auch nur kurz gesehen, aber da hatte der schon keine Augen mehr und nix, kein Gesicht, da gehen die Krebse ja dran, früher haben se einem immer erzählt, das machen die Aale, aber das stimmt nicht, Aale fressen kein Aas. Und dann vor n paar Jahren auf ner Drückjagd im Königsforst, n Motorradfahrer, war von der Straße abgekommen und dann ins Gebüsch, lag schon n paar Tage so da, als wir den gefunden haben. War wohl auch nicht sofort tot. Haben se nachher gesagt. So isses eben, da machste nix.
Ich glaub, das werd ich nie vergessen, nie.
Nee?
Er schüttelte den Kopf.
Na ja … komm, haun wir besser mal ab.

Sie gingen weiter durch die kniehohen Brennessel.
Die Frigga wird schon ganz kirr da drin, die muss was zu tun bekommen. Er streichelte die Seite des Käfigs. Ja, gleich isses soweit, du Süße, dann kannste loslegen.
Wart mal grad ne Sekunde.
Ach du Scheiße!
Geht gleich wieder, is gleich wieder gut.
Pass bloß auf, dass de dir nich auf die Schuhe kotzt, sagte er und hielt einen Moment inne. Dann runzelte er die Stirn, schnalzte laut mit der Zunge und drehte sich um. Wenn de endlich feddich bist, guckste ma kurz hier nachm Käfig, ja? Bin gleich wieder da.

Er schaute dem Hund nach, der seinem Herrchen mit heraushängender Zunge folgte.
Frigga, sagte er und tippte gegen die Käfigdecke. Dunkle Tieraugen strichen an den Lüftungslöcher vorbei, das Fell schimmerte seidig. Du kleines Drecksviech. Er schlug zuerst mit der flachen Hand, dann mit der Faust gegen den Käfig. Das Frettchen rutschte mit einem dumpfen Poltern von einer Seite zur anderen und bellte aufgeregt; ein kurzer, schriller Schrei. Dann Stille. Nichts bewegte sich mehr.

Konnt ich nich einfach so da lassen. Seine Stirn war gerötet vor Anstrengung. Über der Oberlippe glitzerte Schweiß. Er hob das Paar Schuhe hoch, drehte sie langsam hin und her und klopfte mit dem Knöchel gegen die Sohle. Sind ja richtig gute Teile, sicher auch sauteuer gewesen, und der brauch se eh nich mehr. Oder?
Ich kann den Käfig nehmen, hast ja jetzt die Schuhe.
Is gut, danke dir.
Kein Problem.
Sie gingen weiter, bis sie den Pfad erreicht hatten. Keiner der beiden sah noch einmal zurück zur Halle.

 

Hey @jimmysalaryman ,

Gibste denen eigentlich zu fressen?
Vitaminpaste wenn ich unterwegs bin. Aber sonst rohes Fleisch, die ziehen richtig was weg, die Viecher. Innereien, Herz und Magen und alles.

Hier baust du geschickt nach den ersten Absätzen Spannung auf. Ich hab mir vorgestellt, dass da sonst was in den Käfigen ist ... "Vitaminpaste" ...

Alle die im Kofferraum waren.

Komma nach "alle"

wenn wer die aus der Falle holen

'wir' statt "wer"?

fragte der Kleine.

War mir nicht so ganz sicher, was ich von "der Kleine" und "der Große" halten soll. Ob es nicht ein bisschen zu einfach und vielleicht auch überflüssig ist, diese Verhältnisse durch so eine Zuschreibung im Text zu verankern. Das hierarchische Gefälle zwischen beiden wird ja durch die Dialoge und das Verhalten wunderbar klar. Ich finde auch, dass du damit, wie an einigen anderen Stellen auch fast so was Slapstick-mäßiges reinbringst, von dem ich auch nicht sicher bin, ob das gut ist für den Text. Tatsächlich so Laurel and Hardy. Andererseits hast du ja diesen außenstehenden beobachtenden, beschreibenden Erzähler und einen recht kleinen Erzählumfang. Beides spricht eher dafür das so namenlos zu belassen. Kannst du hier nicht noch mal etwas nachbohren und schauen, ob es nicht noch etwas weniger 'Einfaches' gibt als jetzt groß und klein?

durch die Überreste der Mauer wuchs eine Birke.

Überall!! Die Pionierpflanze schlechthin.

Und was?
Was denn dann?
Ich weiß et doch auch nich, Jung.
Der Mann hing von einem der mittleren Deckenbalken.

Hier und an ein paar anderen Stellen im Dialog bekommt der Text für mich eine (unfreiwillig?) komische Note. Ich glaube, du charakterisierst den Großen hier einfach als völlig abgeklärt. So ein Typ aus dem Bergischen, der das alles schon mal gesehen hat und auch ein bisschen so ein kaltes Herz hat (gerade das mit Schuhen ist grandios gemacht). Bei mir kommt durch den Sprung in den Dialekt und der vorherigen Charakterisierung der beiden als "der Große" und "der Kleine" aber wieder so ein Slapstick-Ding durch. Nur so ein bisschen. Aber diesen semantischen Türspalt würde ich im Text irgendwie zu schließen versuchen. Er konterkariert für mich das Tiefe und Archaische dieser Szenen.

Isn Abschleppseil
in’n

Manchmal schreibst du das mit Apostroph und manchmal ohne. Würde ich vereinheitlichen. Ohne Apostroph ist es etwas rotziger und urwüchsiger. Mit Apostroph finde ich es klarer und störungsfreier.

Erster war am Strand, Neuharlingersiel, da hatte mein Alter mal n Wohnwagen stehen, und da wurde mal n Ertrunkener angeschwemmt. Ich war noch klein, habn auch nur kurz gesehen, aber da hatte der schon keine Augen mehr und nix, kein Gesicht, da gehen die Krebse ja dran, früher haben se einem immer erzählt, das machen die Aale, aber das stimmt nicht, Aale fressen kein Aas. Und dann vor n paar Jahren auf ner Drückjagd im Königsforst, n Motorradfahrer, war von der Straße abgekommen und dann ins Gebüsch, lag schon n paar Tage so da, als wir den gefunden haben. War wohl auch nicht sofort tot.

Ein anderes Ding: Zwar glaube ich deinem Prot, dass er super abgeklärt ist. Aber dass da so eine Situation entsteht; die beiden vor dem Erhängten und der Große fängt dann erst mal an zu schwadronieren. Ich weiß nicht ... Macht der das wirklich? Das wäre für mich eher so der beruhigende Dialog, wenn sie dann wieder draußen sind.
Vielleicht braucht es diesen Dialog, wenn er auch viel und ja auch spannend erzählt, gar nicht. Vieles spiegelt sich ja auch in den Reaktionen, den ersten Wortmeldungen und Einordnungen wieder. Die Haltung wird sozusagen auch ohne diese Zusatzerklärung in erzählter Rückblende klar. Hier wird sie auf jeden Fall zusätzlich ein bisschen aufgepumpt.
Dabei mag ich die Beschreibungen sehr. Frage mich halt eben nur, ob die der Story letztlich nicht an Geschliffenheit nehmen.

Der Körper ging starr vom Seil

hing starr vom Seil?

Ja na also. Ders dud und feddich is der Lack.

:lol:
:lol:

Heiko, is gut jetzt. Komm da weg.

auch das :lol: Das ist in seiner Dramatik schon auch witzig.

Sie verließen die Halle durch die eingestürzte Mauer und gelangten auf eine Wiese voller Brennessel.

Wegen quasi einem Wort ist das der einzige Satz, in dem für mich der Erzähler sichtbar wird. Hochdeutsch müsste es ja Plural Brennesseln heißen. Diese, ja, elliptisierende Verkürzung auf den Singular ist für mich so ein bestimmter Sprech, der Milieu enthält. Im Zusammenhang mit Natur, fällt das hier für mich schon in diese Jägersprache. Und weil das ja eine Beschreibung von außen ist, benutzt der Erzähler hier scheinbar plötzlich diese Sprache.
Für mich ähnlich zu Wortverwendungen wie "der Russe" (für 'die Russen') oder "ins Holz gehen" (für 'in den Wald gehen').

Das Frettchen rutschte mit einem dumpfen Poltern von einer Seite zur anderen und bellte aufgeregt; ein kurzer, schriller Schrei.
Dann Stille.
Nichts bewegte sich mehr.
Kein Laut.

Das ist auch geschickt gemacht. Hier entsteht eine Spannung darüber, was ich hier eigentlich lese. Wird hier das Frettchen getötet oder sogar 'der Kleine'? Ein bisschen tricksy ist die Stelle aber schon, finde ich. Denn es wird Tod impliziert, aber der Umstand wird verschleiert. Letztlich ruckelt 'der Kleine' ja nur am Käfig. Es erklärt sich nicht, warum das Frettchen dann spitz aufschreit und dann verstummt. (Oder überlese ich was?)

Er spuckte aus.
Er lächelte.

Hier ist mir nicht klar, wer wer ist.

Wasn los?
Nichts, sagte er. Lass gehen. Ich kann den Käfig nehmen, hast ja jetzt die Schuhe.
Is gut, danke dir.
Kein Problem.
Sie gingen weiter, bi

Da hat sich eine Wandlung vollzogen. Die Prämisse lautet irgendwo auf Abstumpfung durchs Töten. Gelungen in ein paar Sätzen eingefangen.

An sich für mich eine sehr gute kurze Geschichte, die, finde ich, hier und da noch etwas geschärft werden könnte. Bis zum Ende ist auch nicht so ganz klar, was jetzt die Jagd mit dem Erhängten zu tun haben soll, warum das also parallel erzählt wird. Ich denke sogar, dass es den Erhängten vielleicht gar nicht bräuchte und man das auch weiter an dem Käfig, seinem Inhalt und der Auseinandersetzung mit dem Töten erzählen könnte. Aber das wäre dann wahrscheinlich schon in Richtung einer anderen Geschichte. So wirkt es auf mich auch ein wenig wie der Ausschnitt aus etwas Größerem.

Mein Senf soweit.
Viele Grüße
Carlo

 
Zuletzt bearbeitet:

Das hierarchische Gefälle zwischen beiden wird ja durch die Dialoge und das Verhalten wunderbar klar.

Danke dir Carlo für Zeit und Kommentar,

ich hatte es in einer ersten Fassung genau so drin, also ohne Beschreibung oder sonstwas, dachte mir dann aber, vielleicht wird das dem Leser auch zu krass und zu diffus. Da dachte ich, bau ich da mal so eine kleine große Hilfe ein, haha. Ja, ich sehe deinen Punkt jetzt auch total, das wirkt wie so eine Slapsticksache, richtig dämlich im Grunde, war eventuell auch einfach eine bescheuerte Idee von mir. Ich versuche es nochmals ohne.

Hier und an ein paar anderen Stellen im Dialog bekommt der Text für mich eine (unfreiwillig?) komische Note.
Ich finde ja, allgemein wenn man etwas im Regiolekt schreibt, wirkt es schnell komisch, wahrscheinlich weil es das auch ist. Ich hatte letztes Jahr einen Lehrling am Telefon von einem anderen Fachgeschäft aus Deutz, und der erzählte mir auf saarländisch, wie er sich in der Toilette eingeschlossen hat und einen Weinkrampf bekam, weil er den Druck nicht aushalten konnte, er konnte nicht mit Kunden reden. Das war im Grunde einfach traurig und sehr tragisch und mir tat der Junge auch leid, aber erstmal, und dafür schäme ich mich natürlich, musste ich kräftig lachen, weil er das im Dialekt erzählte und das Ganze so vollkommen bizarr wirkte dadurch. Also, so ein wenig ist das vielleicht auch Absicht, weil ich denke, wenn der Typ jetzt so was im derben Straßenkölsch sagt, dann ist das auch eine Art Inszenierung, das ist wie "der tut so als ob", wie die ganzen Bands die plötzlich Kölsch singen, du aber genau merkst, das ist nicht denen ihre Alltagssprache, das ist angelernt, antrainiert.
Das wäre für mich eher so der beruhigende Dialog, wenn sie dann wieder draußen sind.
Das ist eine sehr gute Idee. Ich denke, so mache ich das bei der Überarbeitung; das ist auch logischer.
Wegen quasi einem Wort ist das der einzige Satz, in dem für mich der Erzähler sichtbar wird.
Das ist krass, so genau habe ich das gar nicht bedacht; ich glaube dir natürlich! :D
Ein bisschen tricksy ist die Stelle aber schon, finde ich. Denn es wird Tod impliziert, aber der Umstand wird verschleiert. Letztlich ruckelt 'der Kleine' ja nur am Käfig. Es erklärt sich nicht, warum das Frettchen dann spitz aufschreit und dann verstummt. (Oder überlese ich was?)
Die kommen mit Stress nicht so gut klar, es kann also sein, dass sie an Herzinfarkt oder so durch zu rasche Aufregung sterben. Man müsste jetzt noch erklären, warum der "Kleine" das weiß, oder aber einfach vertrauen, dass das so eine Instinktsache ist, eine Art Rache und er gar nicht genau weiß, was er da anrichtet bzw angerichtet hat. Denke ich nochmals drüber nach.
Da hat sich eine Wandlung vollzogen. Die Prämisse lautet irgendwo auf Abstumpfung durchs Töten. Gelungen in ein paar Sätzen eingefangen.
Ich denke, das leitende Motiv war für mich hier das Fleddern der Leiche. Wir nehmen alles, was wir kriegen können, und fragen nicht, warum, wieso, weshalb, die Gründe für den Suizid bleiben immer Spekulation, aber das spielt auch keine Rolle, weil in dem Moment, wo jemand stirbt, bleibt nur noch das Materielle übrig. Würde, Ansehen, Stolz, das spielt alles keine Rolle mehr. Das ist jetzt natürlich sehr fatalistisch ausgedrückt, aber schau dir mal Fehden von Erben an, da wird einem speiübel. Ich denke aber auch, das so ein Verhalten bis zu einem gewissen Grade normal ist; früher wurde der Feind auf dem Schlachtfeld bis auf die Unterhose ausgeräumt. Das impliziert ja auch ein wenig die Sinnlosgkeit materiellen Besitzes, denn wir alle sterben mit leeren Taschen. Das ist nicht die optimistischste oder positivste Sicht auf den Menschen, aber oft liegt da für mich eine Diskrepanz zwischen Sein und Sollen. So ist der Mensch oft, auch wenn er es nicht sein sollte.

Bis zum Ende ist auch nicht so ganz klar, was jetzt die Jagd mit dem Erhängten zu tun haben soll, warum das also parallel erzählt wird.
Ich denke, das hat im Grunde so nichts miteinander zu tun, dass es sich nicht bedingt, das passiert einfach, es ist ein Zufall. Wie die beiden Männer sich aber dazu verhalten, das ist etwas anderes; wie sie sich gegenüber dem Toten und auch sich selbst und dem jeweils Anderen gegenüber verhalten. Das sind ja im Grunde zwei Archetypen, der eine der zweifelt, der andere der sofort handelt, der das auch gewissenlos tut. Am Ende treffen sich die beiden irgendwie auf einem Niveau wieder, finde ich, diese Rache ist wieder kleingeistig und archaisch, die beiden zeigen nie über so ein primitives Grundkonstrukt heraus, Leben und Tod, das Materielle, Ende.

Ich bin dran und bastel weiter. Ist ein kleiner Text, ich schreibe an so einer Reihe von Texten, die wieder personal sind, also mit einem reduzierten Erzähler, möglichst fettfrei und schlank.
Ja, mal sehen, wo das so hinführt.

Gruss, Jimmy

PS: Mal überarbeitet, verschoben und gekürzt. Ich finde ihn jetzt flüssiger und assoziativer.

 

Hey,

spannend, deine Rückmeldung.

Ich hatte letztes Jahr einen Lehrling am Telefon von einem anderen Fachgeschäft aus Deutz, und der erzählte mir auf saarländisch, wie er sich in der Toilette eingeschlossen hat und einen Weinkrampf bekam, weil er den Druck nicht aushalten konnte, er konnte nicht mit Kunden reden. Das war im Grunde einfach traurig und sehr tragisch und mir tat der Junge auch leid, aber erstmal, und dafür schäme ich mich natürlich, musste ich kräftig lachen, weil er das im Dialekt erzählte und das Ganze so vollkommen bizarr wirkte dadurch.

oh Mann, der Arme. Aber ich sehe die Situation und kann mir vorstellen wie unpassend komisch das war

Also, so ein wenig ist das vielleicht auch Absicht, weil ich denke, wenn der Typ jetzt so was im derben Straßenkölsch sagt, dann ist das auch eine Art Inszenierung, das ist wie "der tut so als ob", wie die ganzen Bands die plötzlich Kölsch singen, du aber genau merkst, das ist nicht denen ihre Alltagssprache, das ist angelernt, antrainiert.

ja, verstehe ich. Das wirkt auf mich schon sehr echt. Will ich dem auf jeden Fall sehr zugute halten

Ein bisschen tricksy ist die Stelle aber schon, finde ich. Denn es wird Tod impliziert, aber der Umstand wird verschleiert. Letztlich ruckelt 'der Kleine' ja nur am Käfig. Es erklärt sich nicht, warum das Frettchen dann spitz aufschreit und dann verstummt. (Oder überlese ich was?)
Die kommen mit Stress nicht so gut klar, es kann also sein, dass sie an Herzinfarkt oder so durch zu rasche Aufregung sterben. Man müsste jetzt noch erklären, warum der "Kleine" das weiß, oder aber einfach vertrauen, dass das so eine Instinktsache ist, eine Art Rache und er gar nicht genau weiß, was er da anrichtet bzw angerichtet hat. Denke ich nochmals drüber nach

ah, krass. Das habe ich nicht mitgeschnitten. Könnte man das nicht zu Anfang kurz foreshadowen? Oder wäre das zu dramaturgisch aufgeladen? Wie wenn der ihm sagt, "halt mal den Käfig gerade, sonst is der gleich dud" :D

Da hat sich eine Wandlung vollzogen. Die Prämisse lautet irgendwo auf Abstumpfung durchs Töten. Gelungen in ein paar Sätzen eingefangen.
Ich denke, das leitende Motiv war für mich hier das Fleddern der Leiche.

Ja, jetzt setzt sich das Bild zusammen. Steckt da auf jeden Fall auch drin. Ist vielleicht so ein Strang, der sich dann erst zeigt, wenn man am nächsten Tag noch mal über die Story nachdenkt. Das darf ja auch so sein, finde ich.

Das impliziert ja auch ein wenig die Sinnlosgkeit materiellen Besitzes, denn wir alle sterben mit leeren Taschen. Das ist nicht die optimistischste oder positivste Sicht auf den Menschen, aber oft liegt da für mich eine Diskrepanz zwischen Sein und Sollen.

Finde das nicht pessimistisch. Es gibt diesen Begriff "nihilistischer Optimismus", der durch einen (aus Sicht mancher) unverstellten Blick auf die menschliche Existenz zugleich deren Handlungsspielraum, den dünnen Faden Leben, der jedem von uns zusteht, würdigt.

Wie auch immer. Lese gleich noch mal die Überarbeitung. Kannst ja noch mal schreiben, falls du da noch mal grob drübergehst.

Viele Grüße

 

oh Mann, der Arme. Aber ich sehe die Situation und kann mir vorstellen wie unpassend komisch das war
Allerdings. Er ist auch nicht mehr bei uns, noch in der Probezeit war er weg. So ist das manchmal, auch wenn ich echtes Kölsch höre, dann hat das natürlich auch immer so einen gewissen Zug ins Proletarische, aber eben oft leider auch was Komödienhaftes; ich denke, speziell im Rheinischen war Tom Gerhardt dafür verantwortlich, dass man immer gleich an leicht debile Typen denkt, wenn man diesen Sound hört.
ah, krass. Das habe ich nicht mitgeschnitten. Könnte man das nicht zu Anfang kurz foreshadowen? Oder wäre das zu dramaturgisch aufgeladen?
Tja, ich weiß nicht. Ist eine Idee. Im Grunde wollte ich den Text aber auch so leise und still lassen, also das alles in diesem Auffinden des Toten mündet und sich daran messen lassen muss, deswegen wäre das foreshadowing hier ja eine Art red herring, und das würde ich hier in diesem Text gerne vermeiden.
Finde das nicht pessimistisch. Es gibt diesen Begriff "nihilistischer Optimismus", der durch einen (aus Sicht mancher) unverstellten Blick auf die menschliche Existenz zugleich deren Handlungsspielraum, den dünnen Faden Leben, der jedem von uns zusteht, würdigt.
Ist gut gesagt. Der dünne Faden Leben beziehungsweise Menschlichkeit. Ich denke, das umschreibt auch gut, was ich in Texten allgemein suche: genau diese Momente. Dieser kurz aufblitzende Moment der Menschlichkeit, spontan und authentisch, in einem ansonsten eher monotonen Hamsterrad, wo Tristesse jede Art von Kreativität und auch Genuss abtötet. Hier in dem Text ist das anders, aber diese Archetypen gibt es eben auch, die sich einfach etwas nehmen, ohne an Würde oder Anstand zu denken, die vor allem aus egoistischen Motiven handeln, bzw gar keine anderen kennen.

Danke nochmals für die Rückmeldung.

Gruss, Jimmy

 

Hallo @jimmysalaryman!

Hat mir gefallen, deine Geschichte :thumbsup:
Sie verknüpft perfekt das Dramatische mit dem Banalen. Die zwei Prots bringst du mE auch sehr authentisch rüber, was nicht zuletzt am ausgeprägten Dialekt liegt. Mit meinen beschränkten Mundartkenntnissen dachte ich erst, es ist in Friesland oder wo angesiedelt, bis ich den Weiher spaßeshalber mal gegoogelt habe ;-) Kein Plan, wie realitätsgetreu du den Dialekt widergibst, aber wie gesagt, es fühlt sich alles sehr real an und ich wurde sofort ins Geschehen reingezogen.
Nur zwei Stellen finde ich unklar, was daran liegen dürfte, dass ich kein Jagdexperte bin:

Ich sach et dir nochmal, wenn de dran denkst, die Schmier ze rufen, da is der Ärger vorprogrammiert, so is das einfach mit denen. Was habense denn hier zu suchen gehabt?, so was fragen die dich an, und dann biste nachher ganz schnell in der Bredouille.
Warum haben die so einen Bammel vor der Polizei? Sind das am Ende etwa Wilderer? Wenn ja, konnte ich das aus dem Text nicht rauslesen. Oder hängt vor der Fabrikruine ein Betreten verboten-Schild? Wenn ja, wurde das auch nicht erwähnt.
Und dann am Schluss:
Er schaute dem Hund nach, der seinem Herrchen mit heraushängender Zunge folgte.
Frigga, sagte er und tippte gegen die Käfigdecke. Dunkle Tieraugen strichen an den Lüftungslöcher vorbei, das Fell schimmerte seidig. Du kleines Drecksviech. Er schlug zuerst mit der flachen Hand, dann mit der Faust gegen den Käfig. Das Frettchen rutschte mit einem dumpfen Poltern von einer Seite zur anderen und bellte aufgeregt; ein kurzer, schriller Schrei. Dann Stille. Nichts bewegte sich mehr.
In einem deiner Kommentare schreibst du, dass man dadurch ein Frettchen umbringen kann (krass, btw...), und dass der Prot das evt. absichtlich macht. Ohne Vorwissen ist mir das mit dem Töten entgangen, habe mich nur über seine Aktion gewundert. Seine Motivation ist mir erst recht schleierhaft geblieben, da hätte ich mir einen erklärenden Hinweis gewünscht. Muss ja kein großes Foreshadowing sein, ein Satz unmittelbar vor oder nach der Aktion hätte vielleicht genügt. Und hinter an den Lüftungslöcher fehlt übrigens ein "n".
Ein kleiner Rechtschreibfehler noch, wobei du den vielleicht absichtlich begangen hast:
Reste eines Graffitis.
Graffiti ist schon der Plural, der korrekte Singular heißt Graffito :teach:
Klar sagt dass keiner in der Umgangssprache, und da der Erzähler ja ein wenig die eher prollige Sichtweise der Protas einzunehmen scheint, finde ich den falschen Plural hier sogar passend, wollte es aber mal erwähnt haben.
Soweit von mir, sonst finde ich deinen Text sehr gelungen!

Grüße
M.D.

 

Hallo @jimmysalaryman,

Gerne gelesen. Passt. Allein durch die Sprache - ist ja nur stellenweise Dialekt - wird die soziale Ebene der beiden klar definiert. Gibt es auch in allen anderen Sprachen - hab das letztes Jahr in Frankreich erlebt; auch hier wird abgeflacht, vereinfacht, gekürzt oder "falsch" (auch grammatikalisch) ausgesprochen und verdreht. Gut war, wie der ja schon, als beide noch in der Halle stehen vor dem Toten, nach den Schuhe stiert, die Spannung aufgebaut wird. Da war so richtig ein Drang spürbar - na? na? Macht er jetzt? Und dann zum Schluss die Erlösung. Warum er allerdings gegen den Karton haut und das Frettchen ärgert war mir nicht ganz klar, aber muss ja nicht.
Macht Spaß, Deine Texte zu lesen - auch dieser hier.
Liebe Grüße - Detlev

 

Sie verknüpft perfekt das Dramatische mit dem Banalen.

Hallo und danke dir für deinen Kommentar.

Ja, ist schon ganz gut zusammengefasst. Ich weiß halt nie, wann da die Grenze erreicht ist: wann wird es zu banal oder alltäglich? Ich mag das, wenn in einer Story auch viel small talk gehalten wird, weil das nur scheinbar trivial ist; es gibt so eine intime Stimmung zwischen sich bekannten Menschen, wo unfassbar viel gesagt wird, ohne es zu sagen. So muss man sehen, dass es nicht zu viel wird, weil solche Texte sich nicht graduell weiterbewegen und relativ viel Transfer vom Leser verlangen; na ja, du hast ihn zumindest gelesen!

Warum haben die so einen Bammel vor der Polizei? Sind das am Ende etwa Wilderer?
Das könnte beides sein. Ich denke, warum ist gar nicht so wichtig, weil das Vage schon auch ein gewisser Pool an Antworten liefern soll: vielleicht sind es Wilderer, vielleicht ist es verboten sich dort auf dem Gelände aufzuhalten, vielleicht ist einer von denen polizeibekannt? Ich weiß nicht, Polizei bedeutet nie was Gutes, oder? Man hält sich immer bedeckt, so kenne ich das, niemand sagt freiwillig: Natürlich, unbedingt rufen wir nun die Polizei, die klären das! Ist vielleicht auch ein wenig eigene Empirie: was ich sagen will; man würde glaube ich der Atmo etwas nehmen, wenn ich hier einen monokausalen Grund nehme. So weiß man zwar, die sind etwas halbseiden, aber man weiß nicht ganz genau, warum, das finde ich etwas mysteriöser.
Ohne Vorwissen ist mir das mit dem Töten entgangen, habe mich nur über seine Aktion gewundert. Seine Motivation ist mir erst recht schleierhaft geblieben, da hätte ich mir einen erklärenden Hinweis gewünscht.
Ja, ich weiß, ist etwas im Graubereich. Ist halt so, dass es nicht ganz klar ist, ob er die Frigga nun absichtlich tötet oder nicht; ich denke, eher nicht. Ich denke, es ist so eine Übersprungshandlung, er will dem anderen Typen etwas heimzahlen, im Rheinischen würde man sagen, der is frackig! Aus Frack hat er das gemacht, also aus Rache im Grunde, für diese unverforene, unverschämte Art, diese Würdelosigkeit. Dem Tier ist er so nah, aber diesem Toten kann er keinen Respekt erweisen, das Tier muss also stellvertretend herhalten, vielleicht auch weil er zu feige ist. Wie oft ist das so, dass man etwas sagen will - eigentlich - es dann aber nicht tut, weil man die Konsequenzen fürchtet, weil man zu feige ist? Ich denke. öfters als man wahrhaben will. Also, das interpretiere ich jetzt mal so in meinen eigenen Text, und ich denke immer, wenn man das erklären muss im Nachhinein, dann kann da was nicht passen, dann muss ich etwas an der Geschichte ändern. Nun ist es so, dass im gesamten Text auf Innenansicht verzichtet wird, und ich denke, es wäre auch inskonsequent jetzt genau für den Teil da auszuweichen, weil man dann alles erklären müsste.
Graffiti ist schon der Plural, der korrekte Singular heißt Graffito
Ja, siehste, wird geändert!

Danke dir für deine Zeit und deinen Kommentar!

Gruss, Jimmy

 

Allein durch die Sprache - ist ja nur stellenweise Dialekt - wird die soziale Ebene der beiden klar definiert.
Danke dir für deine Zeit und deinen Kommentar!

Ja, ich lese gerade Ring Lardner, der mal sagte: ein literarischer Charakter wird dann echt, wenn er echt spricht: so würden die Figuren lebendig werden, und das sei das Schwerste überhaupt. Das ist wohl richtig, finde ich. Aber ich finde eben auch, wenn ich ein Buch lese, und auf den ersten drei Seiten gibt es einen Dialog, wo ich denke: SO spricht niemand!, dann muss ich das Buch zumachen. Ich denke auch, das realistische Sprache etwas ist, was bei vielen in der Literaturszene nicht so gut ankommt, weil es eben realistisch klingt. Bei einer Lesung sagte mal einer aus der Jury, meine Texte seien voll von "sprechenden Subjekten", als sei das etwas Negatives, etwas Abfälliges. Ich habe aber verstanden, dass dieser Typ von einer vollkommen anderen Matritze ausgeht, wenn er über Literatur nachdenkt; da reden alle wie im Pro-Seminar, und das ist ja auch gut so. Nur eben bei mir nicht. Man muss das also auch schon lesen wollen, sich darauf einlassen. Schön, wenn du das kannst!

Gut war, wie der ja schon, als beide noch in der Halle stehen vor dem Toten, nach den Schuhe stiert, die Spannung aufgebaut wird.
Da musste etwas passieren, er durfte es auch nicht sofort nehmen, ihm wird ja selbst erst richtig klar, was er will, als der andere sich auf die Schuhe kotzt. Da denkt er: Moment, Schuhe! Das sollte schon was gedehnt werden, damit die Story nicht sofort mit allem, was sie hat, durch die Tür tritt.
Und dann zum Schluss die Erlösung. Warum er allerdings gegen den Karton haut und das Frettchen ärgert war mir nicht ganz klar, aber muss ja nicht.
Ja, ich verstehe. Vielleicht ein klammheimlicher Racheakt, so hatte ich es gedacht, aufgrund dieses unwürdigen Verhaltens dem Leichnam gegenüber, eine Art spontane Handlung, so denke ich es jedenfalls. Muss mal sehen, wie ich das noch deutlicher in der Aussage hinkriege, haben ja schon mehrere Kommentatoren angemerkt.
Macht Spaß, Deine Texte zu lesen - auch dieser hier.
Im Grunde kann es kein schöneres Kompliment geben, danke dir sehr!

Gruss, Jimmy

 

Hallo
@jimmysalaryman

Aber ich finde eben auch, wenn ich ein Buch lese, und auf den ersten drei Seiten gibt es einen Dialog, wo ich denke: SO spricht niemand!, dann muss ich das Buch zumachen. Ich denke auch, das realistische Sprache etwas ist, was bei vielen in der Literaturszene nicht so gut ankommt, weil es eben realistisch klingt.
Absolut! Geht mir (meist) auch so - Sachbücher ausgeschlossen :D ... Romane, die in einem Milieu agieren, müssen für mich "nachfühlbar" sein und ob das dann literarisch nicht perfekt ist, wenn sie Mundart reden - pff! Sprache ist etwas Phantastisches, unendlich Formbares ... ich mag das, wenn sie genutzt wird, um Emotionen zu erzeugen und transportieren.
Manchmal denke ich, da spielt auch Musik machen oder Bilder malen mit rein. Dieses Fühlen in die Ausdrucksform. Naja, das nebenbei :teach: ... genug getextet! Gruß - Detlev

 

Hallo nochmal,

Man hält sich immer bedeckt, so kenne ich das, niemand sagt freiwillig: Natürlich, unbedingt rufen wir nun die Polizei, die klären das!
Das würde ich jetzt so nicht unterschreiben; wenn ich einen Toten finden würde, würde ich als allererstes die Polizei rufen, allein schon, weil ich mit der Situation komplett überfordert wäre, und viele andere würden das sicher auch tun. Natürlich ich hab leicht reden, als unbescholtener Bürger, hehe. Aber ich verstehe, worauf du hinauswillst: Die beiden Prots bekommen dadurch sofort einen zwielichtigen Anstrich. Funktionieren tut das ja, und bei näherer Betrachtung finde ich es auch besser, dass du das nur andeutest. Alles andere wäre in der Tat schon wieder zu viel drum rum. Bei den vagen Beweggründen, warum er das Frettchen in die ewigen Jagdgründe schickt, würde ich dir beim zweiten Lesen auch zustimmen. Da hab ich als Jagd-Laie halt nur nicht verstanden, dass das Tier tot (sein könnte). Aber jetzt, wo ichs weiß, find ichs literatisch ok :-)

VG
M.D.

 

Romane, die in einem Milieu agieren, müssen für mich "nachfühlbar" sein und ob das dann literarisch nicht perfekt ist, wenn sie Mundart reden - pff! Sprache ist etwas Phantastisches, unendlich Formbares ... ich mag das, wenn sie genutzt wird, um Emotionen zu erzeugen und transportieren.

So, jetzt komme ich endlich dazu, mich zu melden. Ja, ich sehe das ähnlich, das kommt natürlich immer auf den Text an, manche Texte brauchen eine konstruierte Sprache, also natürlich ist irgendwie jede Sprache konstruiert, die ich in einem Text verwende, aber eben eine, die offensichtlich wenig organisch klingt, wenig oral. Aber ich denke, vor allem die Sprache ist es, die mich in einen Text reinzieht, wenn eine Figur schon so geschwollen und gestelzt redet, dann kann ich die nicht ernstnehmen. Ring Lardner sagte mal, die Qualität einer literarischen Figur hängt davon ab, wie sie spricht, und dem würde ich beipflichten.

Danke dir für deine Rückmeldung!

Das würde ich jetzt so nicht unterschreiben; wenn ich einen Toten finden würde, würde ich als allererstes die Polizei rufen, allein schon, weil ich mit der Situation komplett überfordert wäre, und viele andere würden das sicher auch tun.

Ja, ich natürlich auch. Ich denke jedoch, hier in dieser Situation wäre ich mir nicht so sicher. Niemand ist da, du bist alleine, was tust du? Ich weiß nicht. Hier herrscht ja auch von Anfang an so eine seltsame Hierarchie, die unwidersprochen bleibt, das wollte ich damit wahrscheinlich ausdrücken.
Bei den vagen Beweggründen, warum er das Frettchen in die ewigen Jagdgründe schickt, würde ich dir beim zweiten Lesen auch zustimmen.
Das ist gut. Ich denke, vieles muss auch nicht direkt verstehbar werden in einem Text; manchmal reicht es aus, wenn es im Vagen bleibt, ein wenig schwammig, nur so eine Ahnung zu bekommen. Danke auch dir für deine Rückmeldung.

Gruss, Jimmy

 

Der Hund lief voraus zu einer Böschung, hob sein hinteres Bein und nässte.

Warum „riecht“ denn ein Liebhaber des Wolfs und seiner Derivate erst jetzt den Köter? Der Hauch von Jägersprache („nässen“) kanns nicht sein, dabei hat die kleine Erzählung direkt zu Anfang nötig, dass ich mal vorbeischau, wenn es heißt
Das Licht der Morgensonne reflektierte auf dem träge fließenden Gewässer.
Passiv!, nicht das Licht reflektiert, sondern die Oberfläche des Gewässers reflektiert (einen Teil) des Licht(strahl)s

Gibste denen eigentlich zu fressen?

Ja, das ist einen Versuch wert, das Personal reden zu lassen, wie ihm der Schnabel ge- oder besser erwachsen ist, was ja von der Warte des hierorts hochgehaltenen „Authentischen“ schon befremdlich sein müsste, denn niemand spricht reine Schriftsprache, sondern immer wirken Dia- und Soziolekt zusammen, zu denen sich Versprecher gesellen und falsche Betonung – also die ganze individuelle Misere, in der gerade einer steckt. Selbst Schauspieler schaffen es nicht unbedingt, „Schrift“sprache eins zu eins durchzuhalten. In meiner Anfangszeit hierorts hab ich einfach Mittelhochdeutsch (im Althochdeutschen - ab ca. 9. Jh.) wäre mit Sicherheit die Frage gekommen, ob das Gotisch sei) gewählt und vor zwo oder drei Jahren Jiddisch für wörtl. Rede gewählt, denn das Ruhrgebietsdeutsch ist ja nix einheitliches vom Rhein bis Westfalen (bis ins Sauerland [das „Suder(Süd)lant“] der sächsischen Stämme).

Aber jenseits der Sprache gibts noch ne kleine Flusenlese,

jimmy:

AlleKOMMA die im Kofferraum waren.

Hier

Wasn das da?
empfehl ich nur ein Apostroph.
Die Begründung klingt bekloppt, aber „wasn“ wird lautschriftlich zum Plural der Vase ...

Wat weiß denn ichKOMMA Jung!
Die Dinger stehen ja schon ewich leer … Seitn Siebzigern, glaub ich.
Kleinschreibung empfehl ich, weil auch gesprochen eine Verkürzung der „siebziger Jahre“

Was meinsteKOMMA wie lang der da schon hängt?
...

Könnenwer doch nicht einfach so machen, oder?

Ich hab das jetzt auf Jeckenkölsch im Ohr: „Könnemer ...“ -
aber ob dein Appendix des Pronomens „...wer“ direkt am Wort …? Die korrekte Schreibweise des Modalverbs widerspricht dem eigentlich ...

Ich sach et dir nochmal, wenn de dran denkst, ….
selbst in Dia- oder Soziolekt – „noch mal“ bleibt ein verkürztes „noch einmal“

Dunkle Tieraugen strichen an den Lüftungslöcher[n] vorbei, ….

Dat war’t & jern jelesen vonnet

windje

 

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