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Der Fluch der ewigen Liebe
Rot wie die Wangen eines kleinen Kindes stand die Abendsonne über den stachligen Tannen im Westen. Die Luft war warm und erfüllt vom Gesang der Vögel. Keine Wolke verdunkelte die weite Ebene und goldene Sonnenstrahlen reflektierten auf den Schilden, Speeren und Rüstungen. Ich führte das Heer gegen die Mauern der Festung, ich trieb die Soldaten dem Feind entgegen, und bald standen die nachrückenden Krieger knietief im Blut ihrer Brüder. Das alles für einen Krieg, den die Funken meiner brennenden Seele entfachten. Wie so oft in solchen Kriegen war der Auslöser ein Weib. Eine holde Maid, wie sie die Barden mit ihren Stimmen übermütig und ausführlich in ihren Liedern besangen. Ein Weib von elfengleicher Schönheit, deren Anblick dich niederstreckt wie der mächtigste Speerstoß und dich betrunken macht wie der stärkste Wein von den Südhängen der Cal'ras.
Ich hätte die Soldaten gegen alles und jeden geführt, hätte sie gegen den Teufel persönlich gehetzt. Und ich hätte hinter den Reihen gethront, so wie ich es an jenem Tag tat, und hätte in meiner glänzenden, goldverzierten Rüstung dem Ende des Kampfes geharrt, selbst, wenn die Flammen der Hölle mein Schwert zum Schmelzen brächten.
Ich wusste dort, an diesem Tag, zu dieser Stunde, in der die Leidenschaft den Damm meiner Vernunft machtvoll durchbrach, wofür dies geschah. Ich wusste, dass ich es für SIE tat. Als die Soldaten die erste Mauer genommen hatten, und der Feind im Rückzug von meinen berittenen Bogenschützen niedergemetzelt wurde, fühlte ich IHR Haar, wie es leicht mein Gesicht streichelte. Als hunderte meiner Männer von den Zinnen der inneren Burg mit heißem Pech überschüttet wurden und einen qualvollen Tod starben, und mit wildem Geschrei ihren Weg in die Hallen der Ahnen antraten, da sah ich IHRE Augen, groß und braun, für einen kurzen Moment im Dunkeln aufflackern. Als der besiegte Burgherr zu meinen Füßen kniete, und ich ihm mit dem Dolch die Kehle durchschnitt, da spürte ich, während dem Dreckskerl dunkles Blut über die Brust lief, IHRE Lippen auf meinen. Ich nahm das Weib und brachte es in meinen Palast. Tausende Soldaten ließ ich zurück auf dem Schlachtfeld, tausende Körper, und gab sie langsam der Verwesung preis. Ein Tauschgeschäft mit dem Tod, das sich für mich damals gelohnt hatte.
Das alles ist lange her. Ich bin ein alter Herrscher. Das Weib ist tot, und ihre Schönheit ging mit ihr. Nun throne ich hier, in meiner glänzenden, goldverzierten Rüstung und harre dem Zeitpunkt, an dem ich den vielen tausend geopferten Seelen entgegentrete. Und irgendwo werde ich dort, auf der anderen Seite, die schöne Maid finden. Ich werde sie wiederbekommen. Und wenn ich die Geister meiner Soldaten gegen die Festung des Himmels führen muss.