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Der grün/blaue Weihnachtsmann

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19.06.2002
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Der grün/blaue Weihnachtsmann

Im dichten Schneetreiben sieht man, wie sich die rote Nase heftig hin und her bewegt.
„Nein! Und nochmals Nein!“ Kräftig stampft Rudolph mit seiner Vorderhufe auf die feste Schneedecke des Deiches. Immer wieder schüttelt er dabei seinen mit dem Geweih verzierten Kopf. „Ich habe vom hohen Norden her den schweren Schlitten gezogen, bin durch verschneite Wälder gelaufen, über zugefrorene Teiche, habe der Kälte getrotzt. Das ist die Aufgabe des Rentieres, das den Schlitten des Weihnachtsmannes zieht. Aber nun ist Schluss! Das mache ich NICHT!“
Entschieden setzt sich Rudolph auf sein kurzes Stummelschwänzchen, schüttelt noch einmal trotzig sein Geweih und ist durch nichts zu bewegen, weiter zu marschieren.
„Hmmmh“, brummt der Weihnachtsmann durch seinen langen weißen Bart. „Das verstehe ich ja, lieber Rudolph. Aber, nun müssen wir in das kleine Boot umsteigen, das uns zu den Halligen übersetzt. Wie sollen wir denn die Kinder bescheren, die dort hinter den hellen Fenstern auf den Weihnachtsmann warten?“
„Ich mache alles mit, lass mir vieles gefallen“, schnieft das Rentier, „aber in das kleine Schiff steige ich nicht.“ Dabei blickt er durch den Schneesturm über die Deichkrone auf den kleinen Hafen, an dessen Kaimauer ein Fischkutter vertäut ist, der sich im Sturm heftig auf und ab bewegt.
„Nun denn“, seufzt der Weihnachtsmann resignierend, stapft zum Schlitten und wirft sich einen der Säcke über den Rücken. Tiefe Spuren zeichnen seinen Weg vom Deich hinunter zum schaukelnden Schiff. Der Fischer hilft ihm an Bord, löst die Leinen und dann tuckert das Boot gegen den Wind hinaus ins Wattenmeer. Kaum ist es um die schützende Hafenmole gebogen, als es heftig zu schlingern anfängt. Es bäumt sich auf, der Bug ist gen Himmel gerichtet, verharrt einen Herzschlag in dieser Position, um dann in rasender Geschwindigkeit vornüber zu kippen. Mit einem lauten Platsch knallt es zurück auf die Wasseroberfläche, dass alle Planken beben. Dann stürzt sich eine große Welle auf den kleinen Kutter, türmt sich vor dem Schiff auf, zögert einen winzigen Augenblick und bricht dann mit Urgewalt über die Aufbauten herein. Es scheint, als würde sie den Mast und die Aufbauten zerschmettern. Mit einem Gurgeln läuft das Wasser über das Deck.
Der Weihnachtsmann hält sich krampfhaft an der Reling fest. Seine Kleidung ist klitschnass. Dort, wo über dem weißen Bart sonst lustige Augen hervor blinzeln, funkeln zwei angstvoll aufgerissenen Pupillen aus einem grünen Gesicht.
Das, so glaubt er, ist das Ende des frommen Mannes. Nie wieder werden die Kinder zu diesem heiligen Festtag auf den guten Alten mit dem Sack voller Geschenke warten können. Bei diesem Unwetter stirbt er glatt den Seemannstod.
Hinter der Glasscheibe des Steuerhauses steht der Fischer und hält sich am Ruder fest. Immer wenn das ablaufende Wasser einen Blick auf sein Gesicht frei gibt, kann man das breite Grinsen sehen, das ihn beim Anblick des erbärmlich zitternden seekranken Weihnachtsmannes befällt.
Doch jede Seefahrt hat einmal ein Ende. Als der Kutter am sturmumtosenden Landungssteg der Hallig festmacht, hilft der Schiffer dem laut mit den Zähnen klappernden Weihnachtsmann von Bord. Mit schlürfenden Schritten schleicht sich der Brave mit seinem Sack auf dem Rücken zu ersten Warft, den Hügeln, auf denen die Häuser der Halligbewohner errichtet sind.
Dankbar nimmt er das Angebot der Familie an, sich erst einmal am bullernden Kachelofen aufzuwärmen und seine Kleidung ein wenig zu trocknen, bevor er zu den anderen Warften weiter ziehen kann, um dann... Aber daran mag der Weihnachtsmann nicht denken, dass ihm auch noch der Rückweg durch das Wattenmeer bevorsteht. Schließlich muss er ja die Kinder auf dem Festland auch noch beschenken.
Ein warmer Rum würde ihm sicher gut tun, meint der fürsorgliche Familienvater. Und ehe der Weihnachtsmann protestieren kann, hat er ein halbvolles Glas vor sich stehen. Laut bekundet er, dass er bei seinem wichtigen Auftrag doch keinen Alkohol trinken dürfe.
„Aber“, erwidert der Vater, „wem nützt ein Weihnachtsmann, der sich bei diesem Schneesturm einen heftigen Schnupfen zugezogen hat?“
„Nun gut“, antwortet der Weihnachtsmann. „Ich trinke den Rum aber nur verdünnt. Mit warmen Wasser vielleicht. Und ein wenig Zucker, weil der Alkohol doch recht streng ist...“
Der Halligbewohner schüttelt den Kopf. Das hat er noch nie erlebt, dass jemand den kostbaren Rum mit Wasser verdünnt. Aber, bitte, wenn es denn sein Wunsch ist...
Kurz darauf erfüllt ein herrlicher aromatischer Duft den Raum, so dass auch die Einheimischen neugierig werden und etwas von dem eigentümlichen Gebräu probieren. Es schmeckt in der Tat sehr aromatisch, so dass man sich gemeinsam mit dem Gast ein zweites Glas gönnt. Beim dritten stoßen alle fröhlich miteinander an; während der nächsten vier herrscht ein munteres Palaver vor dem warmen Kachelofen, dann fangen alle gemeinsam an zu singen und selbst der Weihnachtsmann hat in der Zwischenzeit vergessen, dass ihm die fürchterliche Rückfahrt durch die sturmgepeitschte Nordsee eigentlich noch bevor steht.
Keiner der fröhlichen Leute hat die folgenden Gläser mitgezählt, als der Weihnachtsmann plötzlich einen lauten Rülpser von sich gibt, nach hinten umfällt und dabei vor sich hinlallt:
„Jetscht bün ich aber – hicks – toootal groggy!“
Bestürzt halten die trinkfesten Halligbewohner ein. Das haben sie nicht gewollt. Wer soll jetzt die Geschenke zu den vielen anderen Kindern bringen, die noch sehnsüchtig auf den Weihnachtsmann warten?
„Wir müssen ihn wieder wecken“, stöhnt angstvoll der Vater und rüttelt am roten Mantel.
Doch dem Weihnachtsmann ist außer einem tiefen Schnarchen nichts zu entlocken.
„Flensburg ist ganz in der Nähe. Und wenn der gute Mann mit soviel Alkohol am Zügel erwischt wird, darf er bestimmt nächsten Jahr keinen Schlitten fahren.“, meint die kluge Mutter.
„Ja, und jetzt? Wo er doch so – wie sagte er noch gleich – groggy ist von dem... ähhh Grog – was machen wir jetzt?“
„Tja“, zuckt die Mutter mit den Schultern. „Für dieses Jahr wird seine Bescherungsreise wohl hier enden.“

Das Drama um den müden Weihnachtsmann ist natürlich auch im Himmel nicht verborgen geblieben.
„Und was soll nun mit den Kindern geschehen, die noch nicht beschert wurden?“ will Petrus wissen.
Der liebe Gott lächelt weise. „Die können natürlich nicht darunter leiden, dass den Überbringer der schönen Dinge dieses neue Getränk - wie nannte er es noch gleich? – außer Gefecht gesetzt hat. Da wird ganz schnell jemand für den Weihnachtsmann einspringen und die Kinder beschenken müssen.“
„Oh nein!“ Petrus schüttelt heftig den Kopf. „Bei dem Wetter, Chef, bekommst du mich nicht hinunter auf die Erde.“
„Das verstehe ich nicht“, antwort Gott. „Du selbst hast doch dieses Wetter gemacht...“
Immer wieder schüttelt Petrus sein Haupt und klammert sich an einem stabilen Laternenpfahl in der Milchstrasse fest, auf dem ein großer leuchtender Stern befestigt ist.
„Nun, dann müssen wir jemand anders auf die Erde schicken, der die Tour des Weihnachtsmannes übernimmt und die Geschenke austeilt. Ich habe auch schon eine Idee, wen wir damit beauftragen...“
Und so kommt es, dass im Norden der Weihnachtsmann die Kinder besucht, während im Süden das Christkind die Gaben verteilt.

 

Hallo Hannes,

endlich habe ich verstanden, wie sich Christkind und Weihnachtsmann die Arbeit teilen.

Allerdings hat m. W. nach das Christkind die älteren Rechte. Der Weihnachtsmann ist erst im letzten Jahrhundert als Marketinggag von Coca-Cola erfunden worden.

Aber im Ernst: die Vorstellung, dass der Weihnachtsmann die Halligen besucht, ist lustig und auf jeden Fall eine Geschichte wert. Ein Problem ist, dass du recht häufig die Erzählperspektive wechselst. Erst Rudolf, dann der Weihnachtsmann, der Halligbewohner und am Ende Petrus. Das verhindert, dass man sich mit dem Prot. identifizieren kann.

Beste vorweihnachtliche Grüße
knagorny

 

Hallo lieber Hannes,

also du warst schon mal besser! Deine Geschichte ist zwar schnurrig, aber du hast sonst noch mehr Stimmung von Land und Leuten erzeugt gehabt. Laß doch noch vielleicht ein paar Möwen was machen oder eine Eidergans gackert wo rum oder was auch immer. Es ist ein wenig sehr zielorientiert und damit karg von der Stimmung her geschrieben.
Die Szene mit dem Rum ist ebenfalls unausgewogen, wenn du auf diese Weise die Erfindung des Rumgrogs darstellen wolltest, hab ich eine bessere Idee. Das mit dem Groggysein ist schon recht gut, ok. Aber das Vorher ist nicht rund.
Wie wäre es, wenn man dem Weihnachtsmann eigentlich gerne den Rum pur geben möchte, weil man das für gesund hält,jedoch sich nicht traut, weil man ja weiß, der trinkt während der Arbeit keinen Alk. Also tut man so als sei es ein Tee und mischt Wasser dazu und, weil er seinen Tee mit Zucker trinkt, natürlich auch Zucker dazu. Sieht so braun aus wie Tee, ist aber naja...Grog.
Und weil dieser besondere "Tee" dem Weihnachtsmann besonders gut schmeckt, passiert das, was du sonst noch beschrieben hast.
Das Aufgreifen der Bezeichnung groggy müßte auch noch gediegener geschehen, das haste ein wenig sehr schlicht dargestellt. Die Ableitung von Groggy auf Grog fehlt noch.
Hoffe, du bist nicht traurig, weil ich dir die Geschichte so zerzägt habe.

Lieben Gruß
elvira

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Knagorny,

ja, du hast Recht. Meine Geschichten liegen häufig (ein ganz klein wenig) neben der Wahrheit. Das Christkind war natürlich früher da, während der Weihnachtsmann eine Mutation des kleinasiatischen Bischofs Nikolaus ist (Santa Claas). Dass Coca Cola irgendwann "zugegriffen" hat, gewährt ihnen aber keine Erstgeburtsrechte. So bleibe ich bei meiner Behauptung (*schmunzel*), dass sich die Geschehnisse wie von mir geschildert zugetragen haben. Schließlich war ich (fast) dabei.

Vielen Dank auch für deinen Hinweis auf die aus deiner Sicht, wechselnden Perspektiven. Es ist für mich immer wieder spannend, als Feedback die Sichten der Kollegen aufzunehmen.

Mit einem fröhlichen Hinweis darauf, am Sonnabend ja das Stiefelputzen nicht zu vergessen...

Glühweinduftende Grüße aus Münster
Hannes

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Elvira,

hmmh! Mit deiner Einleitung sagt es erst einmal "Boing".

Ich finde es mehr als interessant, wenn du mit guten Gedanken zu einer Geschichte konstruktive Kritik übst. Deine Anregungen zum "Aufpeppen" sind immer wieder Anlass zu Überlegungen, wie man(n) seine Storys besser ausgestalten kann.

In den Vorschlägen muss ich dir allerdings widersprechen. Ich hoffe, als doch relativ weit südlich geborenes Mädchen nimmst du mir diese "Aufklärung" nicht übel.

Möwen können in der kalten Jahreszeit eine sehr anheimelde Stimmung verbreiten. Wer kennt nicht an kalten klaren Wintermorgen das aufreizende Geschrei der Flugkünstler, das einen wunderbaren Tag bei klirrender Kälte und zugefrorenen Sielen verspricht. (Leider hat es am Schnee häufig gemangelt).

Nur zur Uhrzeit, die der Weihnachtsmann die seine nennt (und bei Dunkelheit) ist der Flugverkehr der Möwen längst eingestellt. Ob es an den Lärmschutzbestimmungen der Kurorte an der Küste liegt? Ebenso gibt es ein Problem mit den Eiderenten. Jene, die nicht als Daunen in Federbetten weitere Verwendung gefunden haben, sind bereits im Herbst gen Süden geflogen.

Bleibt noch die Sache mit dem Tee. Es wäre ein Sakrileg, Grog und Tee in einen "Topf" zu werfen. Richtig, ein winterlicher Tee, zumal am Kachelofen, bedarf eines Schusses Rum. Doch in meiner Geschichte wird dem Weihnachtsmann "Rum pur" angedient. Erst nach Protest des dienstbaren Mannes erfolgt die Verdünnung mit Wasser.

Um mir in der Rubrik "Weihnachten" keine Schreibsperre einzuhandeln (ich denke dort an die Kinder), habe ich auf die Beschreibung des "friesischen Grogs" verzichtet. Bei diesem wird jeder von der Urpsrungsmischung abgetrunkene Schluck durch heißen Rum (pur) ersetzt. Das wärmt nicht nur durch, sondern muntert auch auf. Und du trinkst garantiert nicht mehr als EINEN.

Die Geschichte hätte sicher mehr Atmosphäre eingefangen (Kachelofen, heulender Wind in der Traufschalung, an die Tür klopfender Blanker Hans), wenn nicht das weihnachtliche Ambiente den Rahmen vorgegeben hätte.

Dennoch danke ich dir für deinen erhobenen Zeigefinger. Der Hinweis, sich stets neu bemühen zu sollen, ist sicher ein guter Ansporn für weitere Arbeiten.

Im Übrigen hatte ich nicht das Gefühl, dass du meine Geschichte "zersägt" hast. Wer nur Honig mag, sollte Imker werden und die Finger vom Federkiel lassen.

Ein liebes Dankeschön und ebensolche Grüße (ja wohin denn nun? Aus der Sicht des Schreiberlings in die "südliche" Hanseatenmetropole oder vom Standort meines Keyboards Richtung Norden?)

Ein schönen zweiten Advent wünscht
Hannes

 

Lieber Hannes,

ich habe deine Geschichte nochmals daraufhin überflogen und nirgendwo einen Hinweis gefunden, dass es schon nachts ist.Vielleicht müsstest du diesen Hinweis noch irgendwo unterbringen, es reicht ja z.B. wenn du von beleuchtetem Haus sprichst oder von der milchig im Dunst untergehenden Sonne, was auch immer.
Die Tatsache, dass die Möwen wegen der Kurgastmussruhehabenverordnung nachts nicht ihre Palaver veranstalten dürfen, ist mir ja bekannt und insoweit stimme ich dir zu, dass nachts keine Möwen zur Erzeugung nordfriesischer Stimmung in deine Geschichte gekippt werden können. Auch die Eidergans hat wohl Probleme bei Dunkelheit und wir wollen ja nicht noch Unfälle herbeischreiben. Das alles seh ich ein.
Dennoch hast du die Sache mit dem Grog höchst schlicht gelassen und ich wage erneut anzumerken, dass du gewiss sonst pfiffigere Lösungen zu finden vermochtest.
Nunja, man kann nicht immer ...;)

Lieben Gruß in den Süden nach Münster
elvira

 

Ha! Liebe Elvira,

irgend ein Schlagerbarde hat einmal den Text auf die Rille gebracht: hast du alles vergessen? Der Weihnachtsmann kommt doch erst bei Dunkelheit (zumal es im Norden ja bereits in der Mitte des Nachmittags düstert). Außerdem sind die studentischen Hilfstruppen (das ist jetzt der Text für Erwachsene) ja noch bis in de Nachmittag hinein in den Einkaufszentren beschäftigt.

Die Kritik mit der zu schlichten Lösung werde ich mir allerdings hinter die Ohren schreiben.

Und da Weihnachten ein überaus christliches Fest ist, lasse ich den Kommentar "Nunja, man kann nicht immer..." einfach unbeantwortet.

Liebe Grüße aus dem Süden
Hannes

 

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