Mitglied
- Beitritt
- 08.10.2001
- Beiträge
- 32
Der Insektologe oder endlos lange Sätze
Martin Herger, Insektologe, begann seinen Morgen wie jeden Tag um 6:23 mit einer kühlen Dusche bei 16°C, einem säuberlich halbierten Brötchen belegt mit je einer Scheibe Edamerkäse, einem 6 Minuten Ei, einem 0,4 Glas Orangensaft mit 60% Fruchtgehalt, einem Becher probiotischen Lactobacillus - Kultur Joghurt und einer Tasse koffeinfreien Kaffee Haag. Danach im Wohnzimmer 20 Liegestützen, 3 Minuten Joggen auf der Stelle, einer kurzen Ruhepause um den meditativen Zustand für seinen Yoga-Handstand zu erlangen, in dem er an guten Tagen bis zu 5 Minuten verharren konnte. Dann die Morgennachrichten um 6:45 mit einer anschließenden geistigen Reflektion der Weltgeschehnisse, einem ersten Kontrollgang, um das Offenstehen oder Anlehnen von Fenstern und Türen nach dem Verlassen des Hauses zu verhindern, dem Füttern seiner prächtigen preisgekrönten Diskusfische und schließlich und endlich der Gang zurück zu seiner Tasse Kaffee Haag um sich den letzten lauwarmen Schluck vor dem Aufbruch ins Biologische Institut, Abteilung Insektologie 2B, zu gönnen. Und eben hier geschah es! Martin Herger, 36, Insektologe hob die Tasse, führte sie langsam zum Mund, setzte sie an seiner Unterlippe an, sog den letzten Schluck mehr gewohnt als genüsslich in seinen Mund ein, fühlte etwas kleines gribbelig, flatterndes in seiner linken Backentasche zappeln, konnte gerade noch das Schlucken verhindern und spuckte den Kaffe samt dem Kleingetier zurück in seine "Guten Morgen Martin" Tasse, die er zum 5jährigen Jubiläum im Institut von seinen Kollegen geschenkt bekommen hatte. Er hob die Tasse ins Licht, blickte hinein und entdeckte ein schwimmendes Insekt in seiner Tasse, das er so noch nie gesehen hatte. Sein Insektologenehrgeiz packte ihn. Das dieses Vier-Flügel-Insekt aus der Familie der Brummeronen stammen musste daran gab es keinen Zweifel. Doch dieser stramme, voluminöse Körperbau und die riesigen Augen liesen entweder auf eine Mutation oder auf eine völlig neue bisher unentdeckte Art schließen. Und beides war für einen Insektologen seines Kalibers äußerst interessant. Er ging an seinen schwarzen Plastiklederimitat - Koffer, öffnete ihn mit der Kombination 1932, dem Geburtsjahr seiner verstorbenen Mutter und holte seine vergoldete Pinzette, mit den Widerhaken an den Greifspitzen, um die ihn die Kollegen der 2B so beneideten, heraus um damit das Insekt aus seinem Kaffe zu fischen. Doch als er gerade zurück zu seiner Tasse ging, sah er wie es aus der selben davonschwirrte. Und so begann eine äußerst dramatische Verfolgungsjagd durch Martin Hergers 52 Quadratmeterwohnung in der Kolpingstraße 7c. Über Stühle, Tische, hinter Regale und darunter hindurch, auf Schränke, unter Betten, auf Lampen, ins Badezimmer, durchs Wohnzimmer zurück durch die Küche ins Schlafzimmer, wieder auf den Schrank. Als das große, fette 4Flügel-Brummeronen-Insekt auf Martin Hergers Bett sitzen blieb, schlich er sich an, stolperte und bohrte sich die schwarze Eisenstange seines Bettes, die am Ende mit einer Spitze versehen war quer durch sein jahrzehntelan studiertes Hirn. Er zappelte noch kurz, so wie das Insekt in der Tasse gezappelt hatte und starb dann relativ schnell und schmerzfrei. Das Blut rann aus seinem Kopf. Und so starb Martin Herger, 36, Insektologe der Abteilung 2b des Biologischen Instituts kurz vor seiner Beförderung mit einem völlig unbekannten Insekt auf seinem Kopf, das genüslich sein Blut leckte und ihn in alle Insektologen - Fachzeitschriften dieser verdammten Welt gebracht hätte. Der Mayer (2000)
Anmerkung:
An dieser Stelle möchte ich da es das letzte mal zu Streitigkeiten kam sagen das ich offen für jede noch so vernichtende Kritik bin.