Der Keller
Kommen Sie herein! Kein Problem, ich hoffe die feuchten Wände drücken sich nicht so auf ihr Asthma. Ja! Nein, nur weiter, halten Sie Sich am Besten hinten bei mir an. Hoppala, ja, das ist kein Problem, nein, lassen Sie die zerbrochenen Flaschen nur liegen... Jaja, nein, sonst schneiden Sie Sich noch. Die Dr. Jankova wird das dann später wegräumen. Kein Problem, jaja... Nein, die Frau Dr. Jankova ist sowas wie meine Putzfrau, hier im Keller. Jaja, ich meine, Putzfrau sag ich eben nur zu ihr, weil sie den Keller zusammen räumt, schaut, ob sie noch ein paar Sachen hier unten findet, die ich schon vor langer Zeit weggeräumt habe. Sie sehen, nicht wirklich Putzfrau, da hätte sie nicht den Doktor machen müssen, verstehen Sie?
Aber kommen Sie nur weiter! Das erste, was die Frau Doktor herausgefunden hat ist, dass da der... Moment, Ja! Dass da der Lichtschalter ist! Früher hab ich den Keller nie jemanden zeigen können, da war es viel zu dunkel! Da wollt ich nicht einmal selber runtergehen, aber jetzt ist es ganz anders. Da sehen Sie, dass die Frau Doktor doch für etwas gut ist. Studiert hat sie ja zumindest und bezahlen tu ich ihr ja auch viel. Aber kommen Sie jetzt weiter!
So, das ist er, der Keller! Das Haus haben Sie ja schon gesehen. Danke, danke, aber das ist bei den meisten Häusern so: Von außen 1 A, von innen super, aber der Keller... Da dürfen Sie gar nicht hinschauen. Kennen Sie Ihren Keller? Ach egal, das spielt jetzt gar kein Rolle. Aber im Keller gibt es keine Fassaden, keine Tapeten, keine Teppiche, keine Möbel... Hier ist alles echt!
Sehen Sie Sich doch einmal um! Was gefällt Ihnen denn am Besten hier? Der Schaukelstuhl? Sehn Sie, dass ist eine gute Wahl! Denn da kann ich Ihnen gleich erklären warum etwas so schönes bei mir im Keller steht. Das hat nämlich mit der Symbolik zu tun, hat die Frau Doktor gesagt. Wissen Sie, ein Schaukelstuhl ist ja an sich etwas feines, da kann man, wenn man alt ist und sich nimmer viel bewegen kann, doch noch etwas zu Bruce Springsteen wippen. Gute Erfindung. Da könnte man den doch glatt hinauf ins Wohnzimmer stellen.
Aber ganz so toll ist er dann doch nicht. Wissen Sie, der hat eigentlich meinen Großvater gehört. Der war ein alter Kriegsveteran im ersten Weltkrieg. War auf dem Pferd und so. Kavallerie. Und im ersten Weltkrieg natürlich Geheimwaffe: Kampfflugzeuge. Und ein Kampfflugzeug hat einmal seinen Kameraden getötet. Und danach wie er wieder zu Hause war, hat er immer so komische Zustände bekommen, immer wie ein Flugzeug gehört hat. Da ist ihm seitlich immer der Speichel runtergeronnen und der hat immer „Grrrr.. Grrrr...“! gesagt! Das war ein Theater! Ha! Nein, nein, das war eigentlich kein schöner Anblick. Nein.
Mein Gott, wir waren dumme Buben damals! Wir haben dann extra die alte Janis Joplin Platte aufgelegt, von Woodstock, und wenn man den Applaus langsam abgespielt hat, dann hat es auch wie ein Flugzeug geklungen...
Der Doktor Reimsfeld, sein Chiropraktiker hat gesagt, dass zu viel Aufregung für seine Schlaganfälle verantwortlich waren. Darum der Schaukelstuhl im Keller.
Haben Sie noch Lust weiterzugehen? Na dann kommen Sie. Hier um die Ecke, da ist... WAS IST???
Schrecken Sie mich doch nicht so! Das sind nur ein paar Körperteile. Naja, da macht man schon ein paar dumme Sachen, wenn man klein ist. Das sind aber meistens nur Katzenschwänze drinnen, eine Hasenpfote, ich weiß. Das war grausam, wenn ich mich daran zurückerinnere, aber was soll man im nachhinein machen? Da muss sogar noch.. Ja, sehn Sie? Der Finger vom Robert Wallsinger! Den hab ich ihm damals beim Eislaufen abgefahren. Der hat geblutet wie ein Schwein. Wow! Das war Wahnsinn!
So, aber weiter, hier haben wir ein paar alte Joints, Handschellen...!
Oje, dass wollte ich Ihnen aber nicht unbedingt zeigen, na ja, wissen Sie, ich war jung und solche Bilder haben damals sehr viel Geld gebracht. Das war aber ziemlich nett vom Herrn Pfarrer, dass er da gleich so gut gezahlt hat. Aber legen Sie es bitte weg!
Wie bitte? Was das ist? Das sind, ja das sind... Da schau her! Die hab ich schon ganz vergessen... Die alten Briefe. Christine, ja sie war es. Ihr hab ich all die Briefe geschrieben und es kam nie eine Antwort. Tja so ist das, auf Winterromanzen darf man nicht soviel geben. Damals im Winder ´79. Ja, da ist sie gestanden, mit blonden Haaren, wunderschönen blauen Augen und dem Arm, der aussah als hätte er zwei Ellenbogen.
Sie war wunderschön damals, sogar noch am Ambulatorium war sie schön. Ich hab mich damals wirklich verliebt in sie und sie in mich. Doch irgendwie hat sie mir, absichtlich oder unabsichtlich, eine falsche Adresse gegeben und ihr Name stand nicht im Telefonbuch. Naja, he, habe eine Zeit lang an nichts anderes denken können als an sie, bis ich angefangen habe, diese Briefe zu schreiben. Ich habe mir alles von der Seele geschrieben. Alles, wissen Sie? Über Liebe, Hoffnung, Glück, Trauer, Zukunft,... Ich habe ihr dann alle Briefe geschickt, aber nie irgendwas von ihr gehört. Tja, so kann’s gehen...
Wissen Sie, ich hätte schon öfters mal mit jemanden hier her gehen können, dann hätte ich mir vielleicht die Frau Doktor erspart. Hat mich sehr gefreut. Danke, dass die mit mir hergekommen sind.
Ja bitte? Warum ich die Briefe hier habe, wenn ich doch alle weggeschickt habe? Tja wissen Sie, das ist der Keller, hier gibt es alles!