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Der Lärm der Stille
‚Natürlich hatte der Gnom alles damit zu tun. Das, was Baldini in den Laden brachte und Chénier...’ „Na, Ann-Söphchen, wie geht’s denn so?“, hörte Ann-Sophie eine ihr bekannte Stimme quäken. Sie starrte verklemmt weiterhin auf die Seiten ihres Buches, dessen Sätze jetzt nicht mehr viel Sinn ergaben. ‚und Chénier nicht einmal dann geglaubt, wenn man es...und Chénier nicht..’ Die Buchstaben fielen nun komplett in sich zusammen.
Angst. Mein Magen zieht sich krampfartig zusammen. Miriam hat sich neben mich auf den Sessel im Zugabteil fallen gelassen. Die belustigten Blicke der Mitschüler stachen mich wie Messerstiche in die Brust. Mit gespielter Neugier langte sie nach meinem Buch, dass ich ihr wie ein geschlagener Hund überliess. In diesem Moment konnte ich einfach nicht an meine gut durchdachten Rachepläne und den Mut den ich darauf verwendete, ihr all meinen Zorn mal ins Gesicht zu schleudern denken. Heisser Schweiss lief mir den Rücken runter, der sich kurz darauf unangenehm kalt anfühlte, denn nun spürte ich wie sie sich mit ihrem ganzen Gewicht an mich quetschte. Ich konnte förmlich hören, wie mein Herz schier endlos durch die verschiedenen Stockwerke fiel und schliesslich mit einem Knall unten explodierte.
„Wieso tust du nichts?!“ schienen mich von allen Seiten Stimmen anzukrähen. Verzweifelt, böse und doch grinsend auf mich herniederblickend. „Wieso tust du nichts!!“ hallte es. Es lachte mich aus.
Mich traf eine unglaubliche Hitze, die mich fast zu verbrennen schien. Mit durch aufkommende Tränen verschleiertem Blick nahm ich Miriams grinsendes Gesicht wahr, sie sagte etwas, das ich nicht mehr verstand. Nein, diesen Gefallen wollte ich ihr bestimmt nicht tun, schluckend schloss ich die Augen um meine Angst zu verstecken. Es war kaum noch auszuhalten, als sie plötzlich von mir abliess.
Alleine wurde ich zurückgelassen. Ein Häufchen elend, das müde in sie zusammensank.
Wieso ich? Ich wusste es nicht. Ich war weder hässlich noch besonders hübsch. Und auch sonst bin ich einmal völlig normal gewesen, soweit ich zurückdenken kann.
Denn mein jetziger Zustand war alles andere als gewöhnlich, das war mir mit aller Härte bewusst. Manchmal brachte mich meine eigene Stille fast zum verzweifeln. Da waren diese Menschen. Eine grosse, weisse Mauer und dahinter ich.
Verzweifelt versuchte ich etwas zu sagen, nur um die Stille mit einer Heuchelei von Worten zu durchbrechen, denn niemand konnte mich verstehen. Ich wusste es. Was sollte ich zu ihnen sagen?
Mit der Zeit wurde ich auch von den neuen Schülern ignoriert. Das war normal.
Ab und zu, wenn sie gute Laune hatten, nutzten sie mich aus. Ich liess es zu, auch wenn ich es wusste. Was hätte ich sagen sollen? „Du Luise, ich habe im Fall deinen Brief gelesen, und weiss das du mich nur benutzt. Das finde ich aber gar nicht nett?“
Nichts sagte ich. Niemals. Wer würde mir auch zuhören wollen?
Eines Tages würde ich es allen zeigen! Ich werde diese arrogante Zicke, die zufällig Miriam hiess, nieder rammen! Gleich das nächste mal wenn ich ihr begegne!
‚Oh...’ Mein Bauch verkrampfte sich, mein Mund wurde trocken. Miriam. Da war dieser furchtbar interessante Fleck an der Decke (...)