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Der Mann im Spiegel

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21.05.2007
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Der Mann im Spiegel

Schimpansen brauchen im Schnitt einen Tag um zu begreifen, dass das, was sie im Spiegel sehen, sie selbst sind. Orang-Utans kommen nach drei Tagen dahinter, Gorillas nach fünf. Alle anderen Tiere erkennen sich nie. Zu dieser Sorte scheint auch Günter zu gehören. Günter hat einen akzeptablen Job als Anwalt in einer Kanzlei. Er hat zwei Autos, einen BMW und einen Volkswagen. Er hat eine Frau, mit der er schläft und Kinder, einen Sohn und eine Tochter, die er Montags bis Freitags in die Schule fährt. Er hat eine abbezahlte Doppelhaushälfte in einem guten Viertel der Stadt. Er hat viele Freunde. Manchmal, so meint er, zu viele. Mit diesen verabredet er sich zum joggen, golfen oder trinken. Mit Ausnahme eines kleinen Ticks führt er ein durch und durch normales Leben. Dieser Tick besteht darin, die halbe Nacht hindurch, wenn Frau und Kinder schlafen, im Bad vorm Spiegel zu stehen. Günter zieht sich dann aus und betrachtet den Spiegel. Die Unterhose behält er an, denn er schämt sich vor Fremden. Und so einen sieht er im Spiegel. Sicher, das ist der Anwalt mit Autos, Haus, Frau und Kindern. Aber das ist nicht er. Günter trifft den Mann im Spiegel nun schon seit Jahren, er weiß nicht genau seit wann. Er mag ihn und er glaubt, dass der Mann im Spiegel ihn auch mag. Er kennt nicht einmal seinen Namen und sie haben noch nie miteinander gesprochen. Aber das ist auch nicht nötig. Sie können sich Stunden lang tief in die Augen sehen, ohne auch nur ein Wort zu wechseln und der Mann im Spiegel weiß sofort, was Günter beschäftigt und fühlt. Heute gibt es wieder viel zu berichten.

Meine Frau hat mir zum Frühstück Kaffee und Rührei gemacht und einen Kuss aufgedrückt. Die Zeitung lag auch schon bereit. Morgen soll es ein Unwetter geben. Uninteressant. Vom Rest der Nachrichten weiß ich nichts, die Kinder waren bereit in die Schule gefahren zu werden. Kleine süße Dinger sind sie. Immer gut gelaunt. Manchmal zanken sie sich, aber wer tut das nicht? Im Büro wartete eine ganze Menge Schreibkram auf mich. Wegen dem Prozess in ein paar Tagen. Aber das interessiert dich sicher nicht. In der Mittagspause ging ich mit einem Kollegen zum Chinesen. Hat sehr gut geschmeckt. Ebenso die Zigarette danach. Ich weiß, ich weiß, ich wollte aufhören. Sag nichts. Das ist gar nicht so leicht. Nachmittags wieder Schreibkram. Abends ging ich noch mit einigen Kollegen in ein Lokal auf ein kühles Bier. Aber ich bin nicht lange geblieben, daheim wartete schon meine Frau mit den Kindern. Sie hat uns was richtig leckeres gekocht. Spaghetti mit irgendeiner weißen Soße. Ich hab mir mehrere Nachschläge geben lassen, so gut hat das geschmeckt. Im Fernsehen lief nichts interessantes, also hab' ich ein wenig durchgezappt, dann die Kinder ins Bett gebracht und mit meiner Frau geschlafen. Ich habe mich vergewissert, dass der Wecker richtig gestellt ist, morgen muss ich früh raus.

Der Mann im Spiegel sieht von Minute zu Minute gequälter aus. Günter glaubt zu verstehen und versucht zu erklären.

Ich weiß, du kannst meine Frau nicht leiden und findest die Kinder nervig. Aber sie sind mein Leben, verstehst du? Und mein Job ist gar nicht so langweilig wie du glaubst, du verstehst eben nur nichts davon. Richtig?

Der Mann im Spiegel verzog die Miene zu einer fiesen Fratze. Natürlich versteht er was von der Juristerei. Was bildet sich Günter eigentlich ein, scheint das Gesicht zu sagen. Und was findet Günter an seiner langweiligen Frau und diesen kleinen Plagen? Schreibkram ist für den Mann im Spiegel gleichbedeutend mit Langweile und von der Juristerei versteht er einiges, hält jedoch nichts davon. Und Günters Freunde sind doch im Grunde gar keine echten. Den einzigen Freund den er hat ist er. Und als Freund muss er Günter helfen. Er lässt ihn also zum ersten mal seitdem sie sich kennen allein im Bad zurück. Aus der Küche holt er ein großes Messer und schleicht die Treppe zum Schlafzimmer hinauf. Die Klinke drückt er behutsam runter. Die Tür muss er mit etwas Schwung öffnen, sonst quietscht sie. Günter hat sich schon so oft über diese Tür beschwert. Der Boden des Zimmers ist mit einem flauschigen Teppich ausgelegt, man hört also seine Schritte nicht. Günters Frau hat sich die Bettdecke beinahe bis über den Kopf gezogen. Sie schläft. Er erkennt es an der sanften Atmung. Er studiert die gewölbte Decke, bis er glaubt genau zu wissen, wo der Hals liegt. Vorsichtig setzt er die spitze Klinge auf und geht langsam tiefer, bis er auf Widerstand stößt. Dann, bevor sie aufwachen und ihre Position ändern kann, sticht er zu und wirft seinen Körper nach. Sie zappelt, aber schreit nicht. Er spürt das feuchte Blut an seiner Brust. Ihr Mund und ihre Augen sind weit geöffnet und mit jedem stummen Keuchen, stößt sie Blut auf die Matraze. Langsam wird sie schwächer. Das Keuchen, zu Beginn in schneller Folge, wird unregelmäßiger und das Blut tropft zum Schluss nur noch vom Mundwinkel herab. Dann entkrampft sie völlig und der Mensch ist aus diesem nun leblosen Körper verschwunden.
Der Mann aus dem Spiegel kehrt zurück ins Bad. Dort wartet Günter und sieht ihn entsetzt an. Er ist blutverschmiert, das Messer ebenso. Er hält es fest in seiner Hand und sein Gesicht ist hässlich verzerrt. Ein Raubtier im Blutrausch.

Was hast du getan?!
Das, was du nicht kannst. Das einzig richtige. Das längst überfällige. Nun die Kinder. Du kannst sie haben, wenn du willst.

Günter blickt an sich hinab. Er hält das Messer fest in seiner Hand.

 

Hallo Adam,
die Idee finde ich gut, aber ich würde dir raten den Anfang vlt. noch mal umzuändern? Ist zwar so originel, aber ich finds nicht so ganz passend, da es Günter ja nicht an der Inteligenz fehlt sich zu erkennen, sondern er auf diese Weise versucht, sich aus der Verantwortung zu ziehen.
Es hat mir aber sonst gut gefallen.

LG
pina colada

 

Hallo Adam,

deinen Text finde ich leider ziemlich lahm.
Dabei rollst du das Ganze ja ganz ansprechend auf. Da kommt so ein schwarzer Humor auf, als du den Vergleich mit den Primaten ud Günther bringst.
Allerdings verlässt du diesen Pfad wieder so rasch, dass ich meine, du hast diesen Humor gar nicht bewusst eingesetzt. Und wenn doch, dann passt er nicht zum Rest der Geschichte. Mehr davon wäre gut, denn diesen "Ernst", den du im Folgenden servierst, nimmt dir der Leser nicht ab. Das kommt alles viel zu unmotiviert und plötzlich. Solch überzogenen Handlungen können nur wirken - und schockieren-, wenn sie glaubhaft eingeführt werden. Aber hier fehlen alle Indizien und dadurch wirkt das Geschehen recht albern.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Adam,

leier hat mich deine Geschichte nicht vollkommen überzeugt, weil sie mir zu oberflächig geschrieben ist. Vom logischen gesehen ist sie beinahe lgisch, aber Günter bleibt für mich nur ein Name, der normal lebt und das wolltest du bestimmt nicht schreiben. Seine gefühle, seinen Splin solltest du viel mehr ausführen.

Im Einzelnen heißt das:

1.Abschnitt
Im ersten Abschnitt beschreibst du zu viel. Du versuchst hier die Person vorzustellen, aber dadurch lässt du außer Acht, dass auch etwas geschehen sollte. Das ganze Leben deines Prots zu beschreiben führt ein wenig zu weit, hier solltest du kürzen.

2.Abschnitt
Im zweiten Abschnitt lässt du den gestrigen Tag Revue passieren. Solch eine Nacherzählung eines vergangenen Tages wirkt auf mich Langweilig. Irgendwie habe ich an dieser Stelle keine Lust mehr zu lesen, weil ich weiß, dass Nichts geschehen wird.

3.und 4. Abschnitt

Zu Beginn habe ich gedacht, dass jetzt eine Handlung kommt. Aber im Anschluss erklärst du wieder. Der gequälte Gesichtsausdruck ist bisher die einzige Regung, die ich wahrgenommen habe.

5.Abschnitt
Zum ersten Mal in deiner Geschichte geschieht Handlung. Nun würde ich mir aber wünschen, dass die Handlung intensiver gesteuert wird. Dein Prot scheint gefühllos zu sein, aber das will ich selber nicht glauben. Du verleihst ihm leider nicht die Charaktereigenschaften, die ich mir wünschen würde.

6.Abschnitt
Der letzte Satz ist überflüssig. Er blickt an sich herab, lässt auf weitere Handlung schließen. Zumindest für mich. Die Geschichte ist aber danach zu Ende, also solltest du nur mit dem Wundern aufhören.

Rechtsschreib- und Vertsändnisprobleme

1. Schimpansen brauchen im Schnitt einen Tag um zu begreifen, dass das, was sie im Spiegel sehen, sie selbst sind. Orang-Utans kommen nach drei Tagen dahinter, Gorillas nach fünf. Alle anderen Tiere erkennen sich nie.

Bei dieser Aufzählung frage ich mich, was es mit der eigentlichen Geschichte zu tun hat. Ich würde umschreiben, denn schließlich möchtest du sagen, dass dein Prot nicht dahinter kommt. Wenn du direkter zum Punkt kommen würdest, wäre es interessanter.

2. Zu dieser Sorte scheint auch Günter zu gehören.

Ich stoße mich an dem Wort „scheint“. Bei der Geschichte ist es doch so, dass er es tut, oder täusche ich mich. Lass dieses Wort doch einfach weg.

3. Günter hat einen akzeptablen Job als Anwalt in einer Kanzlei. Er hat zwei Autos, einen BMW und einen Volkswagen. Er hat eine Frau, mit der er schläft und Kinder, einen Sohn und eine Tochter, die er Montags bis Freitags in die Schule fährt. Er hat eine abbezahlte Doppelhaushälfte in einem guten Viertel der Stadt. Er hat viele Freunde. Manchmal, so meint er, zu viele. Mit diesen verabredet er sich zum joggen, golfen oder trinken. Mit Ausnahme eines kleinen Ticks führt er ein durch und durch normales Leben.

Diese ganze Aufzählung ist uninteressant. Sie besagt lediglich, dass er ein normaler Mensch ist, sagt aber nicht über ihn aus.

4. Dieser Tick besteht darin, die halbe Nacht hindurch, wenn Frau und Kinder schlafen, im Bad vorm Spiegel zu stehen. Günter zieht sich dann aus und betrachtet den Spiegel. Die Unterhose behält er an, denn er schämt sich vor Fremden.

Hier fehlt die Besonderheit, mit der Günter das macht. Aus welchem Antrieb muss er es tun, wieso sieht er sich gezwungen, es zu tun. Du lässt deinen Prot zu oberflächig agieren.

5. Und so einen sieht er im Spiegel. Sicher, das ist der Anwalt mit Autos, Haus, Frau und Kindern. Aber das ist nicht er. Günter trifft den Mann im Spiegel nun schon seit Jahren, er weiß nicht genau seit wann. Er mag ihn und er glaubt, dass der Mann im Spiegel ihn auch mag. Er kennt nicht einmal seinen Namen und sie haben noch nie miteinander gesprochen. Aber das ist auch nicht nötig. Sie können sich Stunden lang tief in die Augen sehen, ohne auch nur ein Wort zu wechseln und der Mann im Spiegel weiß sofort, was Günter beschäftigt und fühlt. Heute gibt es wieder viel zu berichten.

Hier würde ich nicht mit einer normalen Beschreibung weiter machen. Hier gehen Gedanken, Vermutungen und andere Sachen durch den Kopf. Es reicht nicht aus, dass du nur beschreibst. Die Distanz, zu dem was er denkt fehlt mir komplett, die Angelegenheit, dass du nur beschreibst stört immer dann, wenn der Text länger wird.

Diese fünf Punkte sind nur über den ersten Absatz zustande gekommen. So geht es aber weiter. Die Geschichte ist leider zu oberflächig, obwohl sie mich an „Mirrors“ erinnert. Aber in einer Kurzgeschichte ist es leider so, dass es darauf ankommt, dass man mit Gefühlen und Ängsten spielen kann. Das fehlt leider und deshalb kann ich nur sagen, dass du mehr aus der Geschichte machen kannst, vielleicht sogar machen musst.

Lass dich nicht unterkriegen.

Gruß
Kyrios

 

Hallo Adam,

Ich finde deine Geschichte sehr gut.
Meiner Meinung nach könntest du ruhig so weiter schreiben.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Adam,

grundsätzlich mag ich die Idee deiner Geschichte. Leider wirkt die Erzählung nicht. Und hier liegt das Problem. Du erzählst dem Leser alles, überlässt nichts der Fantasie. Kyrios hat das ja recht ausführlich bemängelt.

Du stellst deinen Prot am Anfang als Subprimaten vor, um ihn danach wenig glaubhaft als psychopathischen Schizophreniker weiter zu entwickeln. Hättest du dich auf diesen Teil konzentiert und mich als Leser an seinem "inner Universe" teilhaben lassen, als er erkennt, dass der Mann im Spiegel ein Mörder ist, wäre die Story deutlich wirkungsvoller geworden.

Fazit: Die Geschichte verdient, ob der guten Idee, überarbeitet zu werden.

lg
Dave

 

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