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Der Tempel des Salamanders

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15.09.2003
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Der Tempel des Salamanders

Lange bevor die Menschen in Städten lebten, bewohnten Drachen in einer fernen Wüste die Schluchten und Höhlen des Feuergebirges, das an der Küste eines Meeres im Westen steil aufragte und im Osten seinen letzten Ausläufer wie einen Fuß in ein anderes Meer setzte. Viele Nomaden zogen am Feuergebirge vorbei. Sie spürten die Hitze des Drachenatems und das Beben der Erde, wenn sich Lindwürmer durch ihre Stollen wanden.
Bei ihren Wanderungen entdeckten die Menschen aber auch einen Fluss, der in den Bergen entsprang. Die Drachen taten den Menschen kein Leid an, so ließen sich die Menschen am Flussufer nieder und errichteten Hütten aus Rohrgeflecht.

Jahrhunderte verstrichen. Die Menschen sahen einzig die Silhouetten der Drachen über den Gipfeln der Berge, bis sich an einem kühlen Morgen ein kräftiger Wind in einem der Dörfer erhob. Die bemalten Keramiken in den Lehmhäusern erzitterten, doch keiner der Dorfbewohner erwachte. Der Wind wurde heftiger. Klirrend stießen die Werkzeuge aus Kupfer aneinander. Davon geweckt öffneten manche Bewohner ihre Augen. Schlaftrunken blickten sie ins Zwielicht, das plötzlich von auflodernden Flammen erhellt wurde. Aus Furcht um ihr Getreide stürzten die Bauern nach draußen. Die Kultstätte für ihren Gott brannte. Aber keiner dachte daran, zum Fluss zu laufen, um Wasser zu holen, denn sie alle starrten ehrfürchtig auf ein fremdes Wesen, das mitten im Feuer saß. Im züngelnden Schein lag ein winziges Tier mit grün schimmernder Haut strampelnd auf seinem Rücken. Es öffnete und schloss seinen Schnabel. Dabei quietschte es und streckte seinen langen Hals gen Himmel.
Der Drache war erst geschlüpft, aber seine verklebten blauen Augen waren weitaus schärfer als die eines jeden Menschen. Er blickte den Schwingen seiner Mutter hinterher, deren blaue Schuppen sich kaum vom Himmel unterschieden. Als er sie nicht mehr sah, versuchte er angestrengt auf seine Hinterbeine zu kommen. Nach langem hilflosen Kreischen in die verdutzten Gesichter der Menschen, stützte sich das Drachenjunge mit den Flügelansätzen auf seinem Rücken ab und erhob sich. Auf wackligen Beinen stand er nun vor den Bauern, die sofort auf die Knie gingen. Für sie war der Drache ihr Gott, der aus dem Feuer geboren worden war.

Zuerst betete nur dieses Dorf zu dem Kleinen, der den Namen Surris erhielt. Dann reisten immer mehr Menschen an. Schließlich wurde um den Drachen eine der ersten Städte gebaut. Die Stadt vergrößerte sich Bezirk um Bezirk, während Surris in seinem Palast kaum zu wachsen schien. Er kannte bereits alle Sprachen und das Wissen der Menschen, als er nach seiner ersten Häutung gerade so groß war wie ein erwachsener Mann. Tausende pilgerten zu ihm und baten ihn um Rat. Er half ihnen allen. Gleichzeitig musste er ständig an das Feuergebirge denken, von dem ihm so oft erzählt wurde. Es zog ihn zu seinem Volk, aber er wusste nicht, wie er zu ihnen gelangen sollte.
Es folgte eine Häutung nach der anderen, bis Surris fast zu gewaltig war für das Gotteshaus. Die Spitzen seines Rückenkammes bohrten sich in die Wände des Palastes und seine Krallen hatten den Steinboden ruiniert. Seit er Feuer spucken konnte, näherte sich ihm keiner seiner Anhänger mehr.
Lange lebte er alleine, bis ihm nach einer weiteren Häutung Flügel wuchsen. Als Surris seine neu gewonnenen Schwingen ausbreitete, brachen die Wände um ihn zusammen. Die Menschen auf den Straßen beobachteten, wie er in den Wolken verschwand. Von da an hielt sich unter ihnen der Glaube, Surris sei in den Himmel aufgefahren, damit er das Geschick aller Menschen leiten könne.

In Wahrheit strebte Surris den Ort an, dem er entstammte. Mit seinen scharfen Augen erblickte er sein Volk aus der Ferne. Lindwürmer krochen über die schroffen Felsen des Gipfels. Flugdrachen kreisten um den höchsten Berg. Es dauerte, bis Surris unter ihnen seine Mutter fand – ihre Haut starrte vor Schmutz und ihr Leib war von Moos überzogen.
Sie schaute auf und zeigte keinerlei Gefühlsregung angesichts ihres heimgekehrten Sohnes. Ihren leeren Blick richtete sie zur Bergspitze. Sie redete leise vor sich hin. Sie sprach aber nicht mit Surris. Es war so als würde sie die Worte wie im Schlaf murmeln:
„Wir warten auf den Ruf unseres Schöpfers. Der Salamander lebt dort in seinem Tempel. Er hat uns nach seinem Abbild erschaffen. Wenn er uns für würdig hält, wird er uns zu sich holen – an einen Ort, wo goldene Flammen lodern. In dem Feuer werden wir all die Schönheit der Welt, all die Landschaften und Kunstwerke auf einmal erblicken. Der Salamander wird uns verwandeln. Dann vermögen auch wir aus einem einfachen Funken Leben zu schaffen, wie er es kann.“
Sie drehte immer die gleiche Runde um den Berg. Die anderen Drachen machten es genauso. Surris hatte viele Fragen. Er konnte kaum darauf hoffen, dass ihm irgendjemand zuhörte. Das Gemurmel seiner Mutter klärte ihn wenigstens darüber auf, warum er bei den Menschen aufwachsen musste:
„Drachen sind unsterblich. Wir sind zu viele, um überhaupt Platz in dem Tempel zu finden. Unsere Ältesten haben erlassen, dass keine weiteren Kinder mehr gezeugt werden sollen. Wird ein Ei gefunden, zerschellt es auf Stein. Nur wenige wurden von Eltern weggebracht, weil sie es nicht übers Herz bringen konnten, ihre Nachkommen zu töten ... Nichtsdestotrotz dient alles einem höheren Zweck. Bald werden wir würdig sein ...“

Surris wollte nicht darauf warten, er wurde doch selbst von den Menschen als Gott verehrt. Daher erachtete er sich als erhaben genug, den Salamander zu treffen. Mit einem kräftigen Flügelschlag stieg er hoch zum Eingang des Tempels – einer Felsspalte – und glitt hindurch. Diese Blasphemie erweckte die Drachen aus ihrer Umnachtung. Brüllend folgten sie Surris, der sich in der nahezu leeren Höhle umsah. Unter Surris Krallen knisterte es. Vor ihm lag eine riesige gefleckte Haut. Die Höhlenwände vibrierten von der herannahenden Drachenhorde. Surris packte die Haut mit seinen Krallen so fest, dass sie zerbröselte wie eine ausgetrocknete Blume. Nun drangen die ersten Drachen in die Höhle. Sie fauchten und rissen ihre Fänge auf, als wollten sie Feuer speien. Bestürzt vom Anblick des kahlen Tempels kam nur Rauch aus ihren Nasenlöchern.
Surris wartete, bis die Höhle voller Drachen war, die verzweifelt heulten und schrieen. Dann breitete er seine Flügel aus und schwebte nach oben. Es wurde still. Die Drachen hatten Jahrhunderte auf eine Predigt gewartet, auf Worte, nach denen sie sich richten konnten. Surris gab ihnen diese Worte und, da die Drachen so begierig danach waren, sprach sich keiner dagegen aus.
„Das ist übrig von eurem Gott. Eine Haut, aus der er herausgewachsen ist. Er ist aufgestiegen zu einer anderen Existenz, vermutlich vor Jahrhunderten. Was habt ihr in dieser Zeit gemacht? Nur eines: Eure Kinder getötet! Ich bin das eine Kind, das überlebt hat. Ich habe bei den Menschen gelebt. Ich habe gelernt. Mit der Zeit bin ich nicht nur körperlich, sondern auch geistig gewachsen. Ich sage euch: Wenn wir uns nicht ändern, wenn wir diesen Ort nicht verlassen, werden wir nie zu höheren Wesen werden.“

So zogen die Drachen weg von ihrem Gebirge und verteilten sich auf der ganzen Welt.
Die Menschen der Gegenwart glauben nun, dass die Drachen, wenn auch unsterblich, auf ewig verschwunden sind. Doch die Menschen irren sich. Die alten Drachen hat seit langem keiner mehr gesehen, da sie unter der Erde leben. Wo der Boden aufbricht und Lava herausströmt, befindet sich ihre Heimstatt. Dort zeugen sie auch ihre Kinder, welche uns jeden Tag begegnen. Es sind Schlangen im Gras, Krokodile in Flüssen und Eidechsen, die aus Erdlöchern hervor kriechen.
Sie alle sammeln ihre Erfahrungen. Manche von ihnen sterben in der feindlichen Umgebung, wenn sie noch jung sind. Doch die meisten kehren immer wieder zu ihren Eltern zurück, um sie über das Leben an der Oberfläche zu belehren und so selbst an Weisheit zu gewinnen.
Dabei wachsen sie. Bald, wenn der Unterricht sein Ende hat, wird die Eidechse, die gestern noch auf einem Stein in der Sommerhitze gehockt ist, vor unser aller Augen als Achtung gebietender Drache am Himmel fliegen. Ob wir vor ihm flüchten müssen oder ihn freundlich empfangen können, hängt ganz davon ab, was er aus dem Verhalten der Menschen gelernt hat.

 

Hallo Markus,

ich bin mir bei deiner Geshcichte unschlüssig. Irgendwo hat sie mir schon gefallen, aber irgendwo auch nciht.
Das fängt schon auf der sprachlichen Ebene an. Manche Sätze finde ich sehr schön formuliert, so wie zum Bsp.den Einstieg

Lange bevor die Menschen in Städten lebten, bewohnten Drachen in einer fernen Wüste die Schluchten und Höhlen des Feuergebirges, das an der Küste eines Meeres im Westen steil aufragte und im Osten seinen letzten Ausläufer wie einen Fuß in ein anderes Meer setzte. Viele Nomaden zogen am Feuergebirge vorbei. Sie spürten die Hitze des Drachenatems und das Beben der Erde, wenn sich Lindwürmer durch ihre Stollen wanden.
hier kam für mich gleich die richtige Stimung auf.
Dann geht es jedoch gleich los:
Bei ihren Wanderungen entdeckten die Menschen aber auch einen Fluss, der in den Bergen entsprang. Die Drachen taten den Menschen kein Leid an, so ließen sich die Menschen am Flussufer nieder und errichteten Hütten aus Rohrgeflecht
zu rasche Wortwiederholung.
An vielen Stellen hast du es dir ein wenig zu einfach gemacht,wie ZB hier:
Für sie war der Drache ihr Gott, der aus dem Feuer geboren worden war
das geht mir ein bisschen plötzlich
Zuerst betete nur dieses Dorf zu dem Kleinen, der den Namen Surris erhielt
hier passt der Kleine einfach nicht. Wer würde seinen Gott schon so nennen?
Auch bei der Wahl des Namens hätte ich mir eine Erklärung gewünscht. Das Wort sollte schon eine Bedeutung haben...

Mehr dieser Art liste ich jetzt nicht auf, aber mehr für mich störende Passagen haben den Text bis zum Ende durchzogen.
Was mich auch gestört hat ist die Wahl deiner Perspektive. Für mcih kommt sie zu sehr von außen. Ich kann weder mit den Menschen mitfühlen, da sie grau bleiben, noch mit dem Drachen, den du nicht genügend Leben einhauchst. So bleibt es einfach nur eine Erzählung über Drachen, von denen es zahllose gibt. Außerdem habe ich eine gewisse Grundspannung vermisst. Alles plätschrt so vor sich hinund plötzlich ist der Text zu Ende. Nicht ohne dem Leser noch eine leichte Mahnung mit auf dem Weg zu geben. Überhaupt kommt mir dieses Moralische Die-Drachen-beobachten-dich etwas sehr seltsam rüber, da die Lindwürmer auf mich keinen sonderlich erhabenen Eindruck gemacht haben (die eigenen Kinder umbringen zeugt von keiner hohen Weisheit :shy:)

Nun ja, meiner Meinungn nach könntest du aus der Geschichte noch einiges herausholen.

grüßlichst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Markus,

ganz wie Weltenläufer finde ich es auch schade, dass die Protagonisten, sofern sie überhaupt etwas deutlicher herausgearbeitet werden, also Surris und seine Mutter, einem fremd und letztlich egal bleiben. So wirkt deine Geschichte wie eine bloße Nacherzählung und etwas überhastet. Vielleicht solltest du dir da nen Spannungsbogen zurechtlegen: Was ist denn der Höhepunkt der Geschichte?

Mir geht auch vieles zu schnell: die Zeit im Tempel, seine Entscheidung, statt dem Salamander zu sprechen, oder die Rede der Mutter. Da kann überall etwas mehr ... naja, Substanz rein ;-)

Ach ja, und eins noch: Wenn die Kinder der Drachen also Echsen und Schlangen und so sind, sind die dann statt auf eine höhere auf eine "niedrigere" Stufe geraten? Also, nicht dass ich Echsen oder Schlangen nicht toll fände, aber so rein größentechnisch?

Ansonsten liest sich es meiner Meinung nach flüssig, und einige Passagen sind wirklich hübsch formuliert, die Idee ist gut, da kann noch ne ganze Menge draus werden.

LG
Alexandra

 

Hallo Markus,
ich schließe mich der Meinung meiner Vorkritiker an. Die Idee ist wirklich gut, aber es bleiben zu viele Fragen offen, und der Leser wird außenvor gelassen. Meinst du nicht, du könntest ihn viel tiefer in deine Geschichte ziehen?
So, wie sie da jetzt steht, handelt es sich um eine bloße Nacherzählung des Geschehens, nicht um eine Geschichte mit Spannungsbogen, die den Leser packt. Vielleicht wolltest du das gar nicht, ich finde es jedenfalls schade. Du verschenkst viel Potential.

gruß
vita
:bounce:

 

Hallo Weltenläufer, ardandwen und vita!

Danke für eure konstruktiven Kommentare, die mir zeigen, inwiefern ich die Geschichte bearbeiten muss. Genau das habe ich mir auch erhofft.

Falls euch die Geschichte zur Geschichte interessiert:
Der Text stammt aus meiner Schreibschublade, ist vier Jahre alt und war damals für einen Märchen-Wettbewerb gedacht. Die Zeichenbeschränkung war ca. 8000 Zeichen, daher ergibt sich auch die gedrängte Struktur.
Als ich den Text vor zwei Wochen wieder ausgegraben habe, ist mir das schon negativ aufgefallen. Mir war klar, dass ich den Text ganz radikal umschreiben muss. Nur war ich mir unsicher, ob ausbauen oder verdichten der richtige Weg ist. Ersteres werde ich dann wohl so bald als möglich in Angriff nehmen.

lg,
Markus

 

Hallo Markus,

Erst Mal,
Vergiss die 8000 Zeichen beschränkung. Wenn eine Geschichte mehr Worte braucht, dann ist sie vielleicht beim falschen Wettbewerb ..

Auch mir hat die Grundidee gefallen und auch ich bin einer Meinung mit meinen Vorrednern. Daraus kannst du etwas machen. Auch mir verlief alles viel zu statisch und nirgends gab es echten Widerstand gegen die Pläne des Drachens. Dabei ist der Widerstand doch genau dass, was die Spannung ausmacht.

Seit er Feuer spucken konnte, näherte sich ihm keiner seiner Anhänger mehr.
Dieser Satz stört mich doppelt. Erst Mal kommt er nachträglich, da der Drache vorher schon zu groß für den Tempel geworden ist. Und zum anderen wird da ganz lapidar beschrieben, dass ein Drachenkult zusammenbricht ???
Da glaube ich eher, dass der Drache recht schnell seinen Feueratem unter Kontrolle halten kann. Und für die versengten Leute gibts sicher eine Ausrede. Von wegen nicht gläubig und unterwürfig genug und so ...

L.G.
Bernhard

 

Hallo Markus Grundtner,
Nach Weisheit suchende Erddrachen sind eine schöne Grundidee, besonders weil ihre Erkenntnisse in Verbindung mit dem Verhalten der Menschen gebracht werden.

Die Umsetzung erinnert mich ein wenig an die Geschichten von der Art Aber es begab sich zu einer Zeit...bla bla bla.
Toll geschrieben aber zu oberflächlich.
Vielleicht solltest du dich auf eine Perspektive/Person konzentrieren. Das vermittelt dem Leser eher das Gefühl näher am Geschehen zu sein.

Dann ist mir hier noch ein Detail aufgefallen:

Bald, wenn der Unterricht sein Ende hat, wird die Eidechse, die gestern noch auf einem Stein in der Sommerhitze gehockt ist,
Schreibt sich das nicht gestern... hockte?

Viele Grüße

A.Merg

 

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