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Der Traum vom Fliegen
Der Traum vom Fliegen
Heute morgen ist ein Hubschrauber in unserem Hinterhof abgestürzt. Zuerst hörte man nur ein lautes Zischen, und dann ganz plötzlich ein gewaltiges Scheppern. "Ah!", dachte ich mir, "Lydia (die schöne dunkle aus dem achten Stock) zertrümmert wieder Geschirr!" Als ich jedoch ans Fenster trat, lag er da, der fremde Himmelvogel: wie ein Schiss im Radieschenbeet von Herrn Müller.
Nach ein paar Sekunden, ich schaltete das Radio inzwischen wieder ein, kroch eine grün-rot gemusterte Gestalt unter dem Blechhaufen hervor. Zuerst meinte ich: Das muss ein Harlekin sein! Bei genauerem Hinsehen bemerkte ich, das aus den Löchern der zerrissenen Uniform meines Besuchers Blut lief.
“He!”, rief ich, “Wie ist....”
“Moment” antwortete der inzwischen halb unterm dem Wrack hervorlugende Pilot.
Ich verstand noch so was wie “...verdammter Flugwinkelabsorber, müsste eigentlich das XG-Modul unbeschadet...” und dann laut: ”Wohnen hier mehrere Familien?”
“Nein, ich bin momentan Single.”
“Nein, nicht Sie. Ich habe scharfe Explosivmunition geladen. Das Ding könnte jede Sekunde in die Luft gehen.”
Verärgert sah ich ihm zu, wie er sich das Bein schiente.
“Aber meine Plattensammlung mit Chansons aus Rumänien lagert doch in der Garage! Außerdem ist Herr Müller wegen der Radieschen immer sehr genau.”
“Wir müssen evakuieren. Die ganze Straße! Leider ist mein Funkgerät kaputt. Wir werden über ihr Telefon den BND informieren müssen. Sie sind dann im Zeugenschutzprogramm.”
Ich dachte einige Sekunden nach. Ich wollte eigentlich schon immer BND-Agent werden, außerdem dachte ich mir schon heute morgen beim Duschen, dass mein wiedergefundenes Rasiermesser mit Perlmuttgriff sich ganz wunderbar mit einer Tätigkeit im Untergrund ergänzen würde.
Natürlich hatte ich heute andere Pläne.
“Leider Nein! Heute Nachmittag kommt Herr Köhl mit seinem Hund, wir wollen den Hundeparcour in seinem Schrebergarten ausbauen. Aber kommen Sie doch am Mittwoch! 2.Stock, Maskutschek! Auf Wiedersehen!”
Der Pilot setzte seine Sonnenbrille ab. Er hatte braune Augen.
“Halt, mein Freund! Bringen sie mir eine Zange, ein Telefon und Verbandmaterial! Das ist ein Befehl!”
Inzwischen hatten sich auch die anderen Nachbarn eingeschaltet, rund um den Hinterhofgarten beobachten inzwischen fünf Gesichter aus den Fenstern das bunte Treiben.
“Dei Soldate! Dei Soldate! Immer schieße müsse, immer kämpfe müsse!”
Das war Frau Salz. Seit ihrer letzten Nierentransplantation war sie bei Ruhestörungen immer sehr empfindlich.
“Maskutscheck! Was für eine Frechheit. Der BND mitten in unserer schönen Wohnanlage. Das ist sicher auf Ihrem Mist gewachsen, Maskutscheck! Ihre Mietverlängerung können Sie vergessen!”
Mein Vermieter. Herr Müller leidet unter chronischen Halsschmerzen.
Ein Schuß zerreist unser Fenstergeplänkel. Ich ducke mich instinktiv auf den Boden und krieche hinter das Sofa.
Der Pilot schreit mit verzerrtem Gesicht: ”Aber der ganze Wohnblock ist in Gefahr! Wir müssen dringend etwas...”
Da sackt er weg. Ohnmächtig.
Plötzlich ertönt es von oben: “Das Leben ist so traurig wie ein Sack fauliges Fallobst! Das wars, Leben: Auf Wiedersehen!“
Da ich sofort weiteres Unheil erwarte, schaue ich instinktiv gen Himmel - und erstarre: Lydia steht mit ausgebreiteten Armen auf dem Dach. Sie will sich umbringen! Sie hatte schon immer diese tragische Aura.
Als unsere Runde das bemerkt, schaltet sich sofort Herr Müller ein: “Aber Frau Dorschke, machen sie doch keine Dummheiten! Was glauben sie, wie schwer es ist, einen Nachmieter für den achten Stock zu finden!”
“Kind, Kind, Ich habs ja imme gewusst, die Männe, die Männe, immer kämpfe müsse, immer...”
“Lydia”, schreie ich entsetzt, “Das kannst du mir nicht antun! Ich tue alles für Dich! Du bekommst sogar meine Plattensammlung!”
Gespannt blicken wir alle nach oben. Wird Sie es wirklich tun?
Ein leichter Windstoß kommt auf. Sie senkt die Arme - und tritt zurück. Auf einmal macht sie eine schlacksige Bewegung - sie muss ausgerutscht sein - und fällt Kopfüber über das Geländer des Daches.
“Neeeiiiiiin!!!!!“ schreie ich.
Wie in Zeitlupe verfolgen sechs Augenpaare den Fall. Das Unglück scheint unausweichlich. Doch da - kann es denn sein? - sie bleibt mit Ihrer Kapuze am Ende des vom Hubschrauber abstehenden Rotors hängen und schwingt wie ein Pendel in drei Meter Höhe über den Hinterhof.
Das löst außer unserem Erstaunen eine Kettenreaktion aus: Die verhinderte Selbstmörderin dreht sich ein paarmal wie auf einem Karussell im Kreis, da reisst die Kapuze und sie knallt in eine volle Regentonne. Diese kippt um, das Regenwasser löscht das Feuer, das kurz vor dem Munitionskasten brennt, und Lydia versucht unter Fluchen und Stöhnen, aus der nassen Tonne herauszukriechen.
Ich wische mir den Schweiß von der Stirn. Jetzt, wo alles vorbei ist, tauchen Fragen auf. Hätte ich wirklich mein Plattensammlung verschenkt - selbst für Lydia? War diese geballte Akkumulation an fernöstlicher Kultur tatsächlich in Gefahr? Und wird Herr Müller je wieder Radieschen pflanzen können?
Eines war mir auf jeden Fall klar geworden: Eine Laufbahn beim BND war wohl tatsächlich nichts für mich - bei der Pilotenausbildung...
Nach ein paar Sekunden, ich schaltete das Radio inzwischen wieder ein, kroch eine grün-rot gemusterte Gestalt unter dem Blechhaufen hervor. Zuerst meinte ich: Das muss ein Harlekin sein! Bei genauerem Hinsehen bemerkte ich, das aus den Löchern der zerrissenen Uniform meines Besuchers Blut lief.
“He!”, rief ich, “Wie ist....”
“Moment” antwortete der inzwischen halb unterm dem Wrack hervorlugende Pilot.
Ich verstand noch so was wie “...verdammter Flugwinkelabsorber, müsste eigentlich das XG-Modul unbeschadet...” und dann laut: ”Wohnen hier mehrere Familien?”
“Nein, ich bin momentan Single.”
“Nein, nicht Sie. Ich habe scharfe Explosivmunition geladen. Das Ding könnte jede Sekunde in die Luft gehen.”
Verärgert sah ich ihm zu, wie er sich das Bein schiente.
“Aber meine Plattensammlung mit Chansons aus Rumänien lagert doch in der Garage! Außerdem ist Herr Müller wegen der Radieschen immer sehr genau.”
“Wir müssen evakuieren. Die ganze Straße! Leider ist mein Funkgerät kaputt. Wir werden über ihr Telefon den BND informieren müssen. Sie sind dann im Zeugenschutzprogramm.”
Ich dachte einige Sekunden nach. Ich wollte eigentlich schon immer BND-Agent werden, außerdem dachte ich mir schon heute morgen beim Duschen, dass mein wiedergefundenes Rasiermesser mit Perlmuttgriff sich ganz wunderbar mit einer Tätigkeit im Untergrund ergänzen würde.
Natürlich hatte ich heute andere Pläne.
“Leider Nein! Heute Nachmittag kommt Herr Köhl mit seinem Hund, wir wollen den Hundeparcour in seinem Schrebergarten ausbauen. Aber kommen Sie doch am Mittwoch! 2.Stock, Maskutschek! Auf Wiedersehen!”
Der Pilot setzte seine Sonnenbrille ab. Er hatte braune Augen.
“Halt, mein Freund! Bringen sie mir eine Zange, ein Telefon und Verbandmaterial! Das ist ein Befehl!”
Inzwischen hatten sich auch die anderen Nachbarn eingeschaltet, rund um den Hinterhofgarten beobachten inzwischen fünf Gesichter aus den Fenstern das bunte Treiben.
“Dei Soldate! Dei Soldate! Immer schieße müsse, immer kämpfe müsse!”
Das war Frau Salz. Seit ihrer letzten Nierentransplantation war sie bei Ruhestörungen immer sehr empfindlich.
“Maskutscheck! Was für eine Frechheit. Der BND mitten in unserer schönen Wohnanlage. Das ist sicher auf Ihrem Mist gewachsen, Maskutscheck! Ihre Mietverlängerung können Sie vergessen!”
Mein Vermieter. Herr Müller leidet unter chronischen Halsschmerzen.
Ein Schuß zerreist unser Fenstergeplänkel. Ich ducke mich instinktiv auf den Boden und krieche hinter das Sofa.
Der Pilot schreit mit verzerrtem Gesicht: ”Aber der ganze Wohnblock ist in Gefahr! Wir müssen dringend etwas...”
Da sackt er weg. Ohnmächtig.
Plötzlich ertönt es von oben: “Das Leben ist so traurig wie ein Sack fauliges Fallobst! Das wars, Leben: Auf Wiedersehen!“
Da ich sofort weiteres Unheil erwarte, schaue ich instinktiv gen Himmel - und erstarre: Lydia steht mit ausgebreiteten Armen auf dem Dach. Sie will sich umbringen! Sie hatte schon immer diese tragische Aura.
Als unsere Runde das bemerkt, schaltet sich sofort Herr Müller ein: “Aber Frau Dorschke, machen sie doch keine Dummheiten! Was glauben sie, wie schwer es ist, einen Nachmieter für den achten Stock zu finden!”
“Kind, Kind, Ich habs ja imme gewusst, die Männe, die Männe, immer kämpfe müsse, immer...”
“Lydia”, schreie ich entsetzt, “Das kannst du mir nicht antun! Ich tue alles für Dich! Du bekommst sogar meine Plattensammlung!”
Gespannt blicken wir alle nach oben. Wird Sie es wirklich tun?
Ein leichter Windstoß kommt auf. Sie senkt die Arme - und tritt zurück. Auf einmal macht sie eine schlacksige Bewegung - sie muss ausgerutscht sein - und fällt Kopfüber über das Geländer des Daches.
“Neeeiiiiiin!!!!!“ schreie ich.
Wie in Zeitlupe verfolgen sechs Augenpaare den Fall. Das Unglück scheint unausweichlich. Doch da - kann es denn sein? - sie bleibt mit Ihrer Kapuze am Ende des vom Hubschrauber abstehenden Rotors hängen und schwingt wie ein Pendel in drei Meter Höhe über den Hinterhof.
Das löst außer unserem Erstaunen eine Kettenreaktion aus: Die verhinderte Selbstmörderin dreht sich ein paarmal wie auf einem Karussell im Kreis, da reisst die Kapuze und sie knallt in eine volle Regentonne. Diese kippt um, das Regenwasser löscht das Feuer, das kurz vor dem Munitionskasten brennt, und Lydia versucht unter Fluchen und Stöhnen, aus der nassen Tonne herauszukriechen.
Ich wische mir den Schweiß von der Stirn. Jetzt, wo alles vorbei ist, tauchen Fragen auf. Hätte ich wirklich mein Plattensammlung verschenkt - selbst für Lydia? War diese geballte Akkumulation an fernöstlicher Kultur tatsächlich in Gefahr? Und wird Herr Müller je wieder Radieschen pflanzen können?
Eines war mir auf jeden Fall klar geworden: Eine Laufbahn beim BND war wohl tatsächlich nichts für mich - bei der Pilotenausbildung...