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Der Traum vom Fliegen

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21.04.2008
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Der Traum vom Fliegen

Der Traum vom Fliegen

Heute morgen ist ein Hubschrauber in unserem Hinterhof abgestürzt. Zuerst hörte man nur ein lautes Zischen, und dann ganz plötzlich ein gewaltiges Scheppern. "Ah!", dachte ich mir, "Lydia (die schöne dunkle aus dem achten Stock) zertrümmert wieder Geschirr!" Als ich jedoch ans Fenster trat, lag er da, der fremde Himmelvogel: wie ein Schiss im Radieschenbeet von Herrn Müller.
Nach ein paar Sekunden, ich schaltete das Radio inzwischen wieder ein, kroch eine grün-rot gemusterte Gestalt unter dem Blechhaufen hervor. Zuerst meinte ich: Das muss ein Harlekin sein! Bei genauerem Hinsehen bemerkte ich, das aus den Löchern der zerrissenen Uniform meines Besuchers Blut lief.
“He!”, rief ich, “Wie ist....”
“Moment” antwortete der inzwischen halb unterm dem Wrack hervorlugende Pilot.
Ich verstand noch so was wie “...verdammter Flugwinkelabsorber, müsste eigentlich das XG-Modul unbeschadet...” und dann laut: ”Wohnen hier mehrere Familien?”
“Nein, ich bin momentan Single.”
“Nein, nicht Sie. Ich habe scharfe Explosivmunition geladen. Das Ding könnte jede Sekunde in die Luft gehen.”
Verärgert sah ich ihm zu, wie er sich das Bein schiente.
“Aber meine Plattensammlung mit Chansons aus Rumänien lagert doch in der Garage! Außerdem ist Herr Müller wegen der Radieschen immer sehr genau.”
“Wir müssen evakuieren. Die ganze Straße! Leider ist mein Funkgerät kaputt. Wir werden über ihr Telefon den BND informieren müssen. Sie sind dann im Zeugenschutzprogramm.”
Ich dachte einige Sekunden nach. Ich wollte eigentlich schon immer BND-Agent werden, außerdem dachte ich mir schon heute morgen beim Duschen, dass mein wiedergefundenes Rasiermesser mit Perlmuttgriff sich ganz wunderbar mit einer Tätigkeit im Untergrund ergänzen würde.
Natürlich hatte ich heute andere Pläne.
“Leider Nein! Heute Nachmittag kommt Herr Köhl mit seinem Hund, wir wollen den Hundeparcour in seinem Schrebergarten ausbauen. Aber kommen Sie doch am Mittwoch! 2.Stock, Maskutschek! Auf Wiedersehen!”
Der Pilot setzte seine Sonnenbrille ab. Er hatte braune Augen.
“Halt, mein Freund! Bringen sie mir eine Zange, ein Telefon und Verbandmaterial! Das ist ein Befehl!”
Inzwischen hatten sich auch die anderen Nachbarn eingeschaltet, rund um den Hinterhofgarten beobachten inzwischen fünf Gesichter aus den Fenstern das bunte Treiben.
“Dei Soldate! Dei Soldate! Immer schieße müsse, immer kämpfe müsse!”
Das war Frau Salz. Seit ihrer letzten Nierentransplantation war sie bei Ruhestörungen immer sehr empfindlich.
“Maskutscheck! Was für eine Frechheit. Der BND mitten in unserer schönen Wohnanlage. Das ist sicher auf Ihrem Mist gewachsen, Maskutscheck! Ihre Mietverlängerung können Sie vergessen!”
Mein Vermieter. Herr Müller leidet unter chronischen Halsschmerzen.
Ein Schuß zerreist unser Fenstergeplänkel. Ich ducke mich instinktiv auf den Boden und krieche hinter das Sofa.
Der Pilot schreit mit verzerrtem Gesicht: ”Aber der ganze Wohnblock ist in Gefahr! Wir müssen dringend etwas...”
Da sackt er weg. Ohnmächtig.
Plötzlich ertönt es von oben: “Das Leben ist so traurig wie ein Sack fauliges Fallobst! Das wars, Leben: Auf Wiedersehen!“
Da ich sofort weiteres Unheil erwarte, schaue ich instinktiv gen Himmel - und erstarre: Lydia steht mit ausgebreiteten Armen auf dem Dach. Sie will sich umbringen! Sie hatte schon immer diese tragische Aura.
Als unsere Runde das bemerkt, schaltet sich sofort Herr Müller ein: “Aber Frau Dorschke, machen sie doch keine Dummheiten! Was glauben sie, wie schwer es ist, einen Nachmieter für den achten Stock zu finden!”
“Kind, Kind, Ich habs ja imme gewusst, die Männe, die Männe, immer kämpfe müsse, immer...”
“Lydia”, schreie ich entsetzt, “Das kannst du mir nicht antun! Ich tue alles für Dich! Du bekommst sogar meine Plattensammlung!”
Gespannt blicken wir alle nach oben. Wird Sie es wirklich tun?
Ein leichter Windstoß kommt auf. Sie senkt die Arme - und tritt zurück. Auf einmal macht sie eine schlacksige Bewegung - sie muss ausgerutscht sein - und fällt Kopfüber über das Geländer des Daches.
“Neeeiiiiiin!!!!!“ schreie ich.
Wie in Zeitlupe verfolgen sechs Augenpaare den Fall. Das Unglück scheint unausweichlich. Doch da - kann es denn sein? - sie bleibt mit Ihrer Kapuze am Ende des vom Hubschrauber abstehenden Rotors hängen und schwingt wie ein Pendel in drei Meter Höhe über den Hinterhof.
Das löst außer unserem Erstaunen eine Kettenreaktion aus: Die verhinderte Selbstmörderin dreht sich ein paarmal wie auf einem Karussell im Kreis, da reisst die Kapuze und sie knallt in eine volle Regentonne. Diese kippt um, das Regenwasser löscht das Feuer, das kurz vor dem Munitionskasten brennt, und Lydia versucht unter Fluchen und Stöhnen, aus der nassen Tonne herauszukriechen.
Ich wische mir den Schweiß von der Stirn. Jetzt, wo alles vorbei ist, tauchen Fragen auf. Hätte ich wirklich mein Plattensammlung verschenkt - selbst für Lydia? War diese geballte Akkumulation an fernöstlicher Kultur tatsächlich in Gefahr? Und wird Herr Müller je wieder Radieschen pflanzen können?
Eines war mir auf jeden Fall klar geworden: Eine Laufbahn beim BND war wohl tatsächlich nichts für mich - bei der Pilotenausbildung...​

 

Hallo geschmeido,

herzlich willkommen in der Runde! Einen sauberen Einstand hast du dir hier bei kurzgeschichten.de geleistet. Wenn das nicht Alltag in Reinkultur ist, was dann...

Wenn ich mir Orthografie, Syntax und Aufbau angucke, denke ich mal, das ist nicht deine erste Geschichte. Wirkt ein wenig so, als wärst du Poetry-Slam-erfahren, denn der Rhythmus, der surreale Einschlag und die kleinen Winkel wirken ideal, um sie mündlich zu präsentieren. Und ich bin sicher, dass du mit solchen Texten bei Slams regelmäßig vorne landest.

Nach Logik muss ich wohl nicht fragen bei dem hier geschilderten Abenteuer. Wenn der Helikopter frisch abgestürzt ist, wird es mit den Rotorblättern nicht so weit her sein. Junge sturzwütige Frauen damit aufzufangen halte ich für unwahrscheinlich. Und ob der nette Pilot, der von der Explosionsgefahr weiß, nun in aller Ruhe sein Bein schienen würde - naja, ist wohl die stahlharte Ausbildung.

Aber sie liest sich nett, deine Geschichte, ist äußerst kurzweilig und zeugt von einem sehr eigenen Sinn fürs Absurde. Wie gesagt, falls du noch nicht bei Slams aktiv bist, solltest du das mit dieser Story einmal ausprobieren. Ideal für diesen Zweck.

Herzliche Grüße,
Ennka

 

Hallo geschmeido
und willkommen auf kg.de :)

Eine abstruse Geschichte bietest du hier zum Einstand an. Daran ist an sich nichts zu kritteln, außer an der Wahl deiner Rubrik. ;) In Alltag hat deine Vision nichts zu suchen.
Schreib mir eine PM, ob du sie nach Humor oder Sonstige verschoben haben möchtest. Auch wenn dies nicht unbedingt der Humor ist, über den ich lachen muss, so würde ich für erstere Rubrik plädieren.

Ansonsten recht sauber geschrieben, sind aber noch einige Schnitzer drin.
Gelungen finde ich die Idee des Endes, das hat mich ein bisschen an Tom Holt erinnert. Allerdings machst du es dir in meinen Augen etwas zu einfach, dass die Dame einfach nur eine Regentonne anstößt und diee dann umfällt. Vielleicht reit die Kapuze, sie knallt die letzten Meter auf den Boden und wirft dabei die Tonne um?
Ansonsten würde ich die vermeintliche Selbstmörderin gleich zu Beginn einmal erscheinen lassen, dann würde die Sache ruder wirken und weniger willkürlich. Vielleicht in der Art, dass dein Prot zunächst den Lärm des abstürzenden Hubschraubers ignoriert, weil er denkt, es handele sich dabei wieder um einen Versuch der Dame aus dem 8. Stock, Aufmerksamkeit zu erregen oder so...

So oder so noch viel Spaß auf kg.de :)

grüßlichst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Guten Abend, geschmeido!

Das ist eine tolle Geschichte.
Deine eigentümlichen, souverän hingeschmissenen Wortgirlanden sind für sich schon klasse und transportieren perfekt den schrägen Humor, der mir wunderbar paßte. Auch am Verlauf der Geschichte habe ich nichts auszusetzen, rein garnichts.
Und ich hatte beim Lesen des Titels schon befürchtet, es könne sich um eine tragisch-romantische Erzählung handeln. Lydias Selbstmord hingegen ist ein Selbstmord nach meinem Geschmack.
Wunderhübsch: Die Radieschen, die Mietverlängerung, das faulige Fallobst, das Zeugenschutzprogramm, ach, und die Männe, Kind, Kind! -So hübsch.
Am meisten mochte ich die Plattensammlung. Ein creeping gag.

Natürlich muß ich jetzt noch ein paar Rechtschreibfehler bewedeln, damit es morgen Schönwetter gibt:

die schöne Dunkle
Bei genauerem Hinsehen bemerkte ich, das aus den Löchern
daß oder dass
“...verdammter Flugwinkelabsorber, müsste eigentlich das XG-Modul unbeschadet...”
Abstand zwischen Wort und ...
Wir werden über Ihr Telefon den BND informieren müssen.
“Leider nein! Heute Nachmittag kommt Herr Köhl mit seinem Hund, wir wollen den Hundeparcours
Ein Schuß zerreisst unser Fenstergeplänkel.
“Aber Frau Dorschke, machen Sie doch keine Dummheiten! Was glauben Sie,
Gespannt blicken wir alle nach oben. Wird sie es wirklich tun?
und fällt kopfüber
sie bleibt mit ihrer Kapuze

Bei ß oder ss hatte ich den Eindruck, daß Du Dir noch nicht schlüssig bist, ob Du alte oder neue Rechtschreibung benutzen sollst. Auf keinen Fall solltest Du auf mich hören und bei der alten bleiben.

Ansonsten bin ich gespannt auf Deine nächste Geschichte und melde mich freiwillig zur Zielgruppe, falls Du noch eine brauchst.

Freundliche Grüße!
Makita.

 

Hallo!
Hab mich königlich amüsiert!!!!!!
Das Absurde finde ich einfach herrlich!
Bin schon neugierig auf deine nächste Geschichte.

grüße Kröte

 

Danke erst mal für eure Kritiken.
Die Story war von mir zunächst für die Rubrik Alltag/Satire angedacht. Vor allem da die Personen sehr alltäglich sind und auch auf das einschneidende Erlebnis alltäglich reagieren. weltenläufer (Danke nochmal für die Konstruktive Kritik, hat auch Beachtung gefunden!) legte mir allerdings nahe die Geschichte in Humor zu verschieben. So soll es dann auch bleiben.
Vielen Dank auch an Makita und kröte72 für eure Aufmerksamkeit.
Ist meine erste Kurzgeschichte, deshalb die orthographische Schnipslerei.
Zur Zeit geistern auch Ideen zu etwas eher Experimentellen in meinem Kopf herum, vielleicht ließe sich das in den Humormeister-Contest Thema "Labyrinth" integrieren.
Schaut vorbei, es lohnt sich!
Danke und Grüße,
geschmeido

 

Hallo geschmeido!
Deine absurde, von Ereignissen und Zufällen überladenen Geschichte gefällt mir. Mach weiter so! ;)
Liebe Grüße, 12Kapitel

 

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