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Der verlorene Weihnachtself

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01.07.2003
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Der verlorene Weihnachtself

Kalt war die Nacht. Dunkel und sehr kalt. Der Wind wehte kräftig und in starken Böen den Schnee in jeden Winkel. Die Vorhersage der Wetterexperten, die eine grüne Weihnacht prophezeit hatten, hatte Frau Holle wohl als Herausforderung angenommen. Der viele Schnee und die niedrigen Temperaturen waren ungewöhnlich für dieses Gebiet.

Das Heulen des Windes ließ das Rauschen des durch die Luft rasenden Gespanns unhörbar werden. Der dichte Schneefall verhinderte selbst den Blick auf die Gefährten. Der Weihnachtsmann, in seinem warmen, dicken, roten Mantel gehüllt, saß vorn und verließ sich ganz auf den Orientierungssinn seiner Rentiere, die sich mit ihrer Last abmühten, gegen den Sturm anzukommen und sich nicht zu weit von ihrer Route wegtreiben zu lassen.

Der große Schlitten war vollgepackt mit Säcken, Paketen, kleinen und großen Päckchen, großen Plüschteddys, kleineren Schlitten und Skiern, Wollmänteln, Stiefeln und all dem anderen, was die Kinder auf ihre Wunschzettel geschrieben und an den Weihnachtsmann geschickt hatten.

Es ist jedes Jahr wieder ein Wunder, wie all die vielen Geschenke auf dem Schlitten Platz finden und warum alles trotz des Sturmes an seinem Platz bleibt. Gut, letzteres liegt oft in der Reaktion der Elfen, die den Weihnachtsmann auf seiner Tour begleiten und sich strategisch günstig auf dem Schlitten verteilen. Da saß einer neben dem Weihnachtsmann, der den Schlitten lenkte. Doch sah der kleine Elf nicht in die Richtung, in die der Schlitten raste, sondern mit dem Rücken dorthin. Er bewachte die Ladung. Und jedes Mal, wenn eines der Päckchen auch nur den Hauch einer Bewegung machte, gab er seinen Gefährten einen Wink und einer von ihnen warf sich sofort auf das bewusste Geschenk. Doch immer darauf bedacht, das nichts kaputt ging.

Zwei Elfen standen jeweils an einer Seite des Schlittens auf den Kufen. Ein weiterer hockte hinten auf der Rückwand und hatte große Mühe, sich festzuhalten. Der letzte lag flach oben auf dem großen Haufen und versuchte seine Hände und Füße auf möglichst vielen der Geschenke gleichzeitig zu haben.
Der Elf, der sich an die Rückwand klammerte und die Aufgabe hatte, jedes Geschenk, welches sich doch vom Schlitten zu entfernen versuchte, einzufangen und zurück an seinen Platz zu legen, war Sibbi. Sibbi war schon ein alter Hase auf den Touren des Weihnachtsmannes. Er hatte ihn auf vielen Reisen rund um die Welt begleitet und er war auch der älteste und erfahrenste Elf auf diesem Schlitten.

Aber auch dem ältesten Elf konnte einmal ein Missgeschick unterlaufen. Abgelenkt von einer in einiger Entfernung vorbeifliegenden Passagiermaschine, achtete Sibbi gerade eine Sekunde nicht auf die wertvolle Fracht. Und so sah er auch nicht das Paket, welches sich unter dem Knie des auf dem Geschenkeberg liegenden Elfen herausreckte und dann plötzlich frei über dem Schlitten schwebend direkt auf Sibbi zuschoss. Das Paket traf den Elfen mitten ins Gesicht. Es tat nicht einmal weh, doch der Schreck ließ Sibbi kurz eine Hand vom Schlitten nehmen um sich das Gesicht zu reiben. Doch schon rutschte auch die andere Hand vom Schlitten und Sibbi fiel.

*

Da die Nacht recht dunkel war und der Schnee sehr dicht fiel, konnte der kleine Elf lange nicht sehen, wohin er fiel. Da er schwerer war als die Schneeflocken, überholte er diese und so langsam sammelte sich ein Schneekissen unter seinem Hinterteil. Einige Zeit saß er fast schon vergnügt auf seinem weichen Kissen. Was konnte ihm auch schon passieren? Er war nun einmal ein Weihnachtself. Und hatte es jemals irgendeinen Weihnachtself gegeben, dem etwas passiert war? Nun gut. Bisher war auch noch nie einer vom Schlitten gefallen.

Aber dieser Elf war gefallen und er fiel weiter. Mehr als das er es sah, ahnte Sibbi, dass sein Flug sich dem Ende neigte und ihm eine doch recht unsanfte Landung bevorstand. Und so kam es dann auch. Mit dem Hintern auf dem Schneekissen, plumpste der Elf oben auf ein Dach, rutschte an der einen Seite hinunter und konnte sich gerade eben noch mit seinen beiden Händen an der Regenrinne festhalten. Doch lange sollte diese Verschnaufpause nicht währen. Schon rutschten seine Finger an der vereisten Rinne ab und Sibbi fiel erneut. Diesmal dauerte es aber gar nicht lang und er fiel auf ein niedrigeres Dach einer Garage, die an das Haus angebaut worden war. Und wieder rutschte der Elf das Schrägdach hinab, hielt sich diesmal nicht erst damit auf, sich irgendwo fest zu halten, da es hier überhaupt keine Möglichkeit dazu gab, und landete direkt auf einen grossen Schneemann, den die Kinder des Hauses einen Tag vorher mit grosser Mühe gebaut hatten. Sie würden schon Augen machen, wenn sie am Morgen den Schneeberg sehen würden, der gestern noch ihr Schneemann gewesen war. Selbst die Karotte, die als Nase gedient hatte, würden sie nicht wieder finden. Denn diese verspeiste Sibbi erst einmal zur Beruhigung seiner Nerven.

*

Nun saß der kleine Elf auf diesem Schneehaufen und knabberte die Reste seiner Karotte, die der ehemalige Schneemann unter ihm nicht mehr benötigte. Dabei machte er sich Gedanken, wie es nun weiter gehen sollte. Es hatte ihn niemand darauf vorbereitet, wieder zurück zum Nordpol zu gelangen, da niemand davon ausgegangen war, das jemals so eine Situation eintreten könnte. Aber sie war nun eingetreten und Sibbi war auf sich allein gestellt.

Also schluckte er den letzten Bissen hinunter, erhob sich und klopfte den Schnee von seinen Hosen. Wenn doch nur jemand vorbei käme, der ihm sagen konnte, in welche Richtung er laufen musste, um schnell wieder zum Nordpol zu gelangen. Es musste natürlich sehr schnell gehen, denn er wurde ja gebraucht. Der Schlitten musste in dieser Nacht noch so oft bepackt werden. So viele Male musste der Nikolaus wieder auf Tour gehen und die vielen Kinder beschenken. Da wurde jeder Elf gebraucht.

Aber so einfach schien die Sache nicht zu werden. Also ging Sibbi erst einmal die angrenzende Straße hinab auf eine große Kirche zu. Denn Kirchen, so wusste Sibbi, waren meist der Mittelpunkt eines Dorfes. Und am Mittelpunkt musste früher oder später jemand vorbei kommen. An der Kirche angekommen schlug es gerade elf Uhr. Eine schlechte Zeit, jemanden auf der Straße antreffen zu wollen. Und schon gar nicht bei diesem Wetter. Da schickte man ja keinen Hund vor die Tür. Doch gerade dieser Umstand half Sibbi. Ein Hund muss nun einmal vor die Tür. Ob es regnet, stürmt oder schneit. Ein Hund will seinen Stammbaum gießen.
Etwas weiter entfernt sah der Elf nun einen jungen Mann, der einen kleinen Hund an der Leine führte. Also lief Sibbi dem Mann entgegen und blieb genau vor ihm stehen. Der junge Mann bekam große Augen und fing dann herzhaft an zu Lachen. Er schien, als wolle er überhaupt nicht mehr aufhören mit dem Lachen. Der kleine Elf war verwirrt. War er doch dazu da, um auf die Gesichtern der Kinder ein Lächeln zu zaubern, doch war er noch niemals dermaßen ausgelacht worden.
Doch langsam ließ der Lachkrampf nach und der Mann deutete mit dem Finger auf Sibbi. Prustend versuchte er zu sprechen, was nach einer ganzen Weile dann auch wirklich gelang;

“Wo willst du denn in diesem Aufzug hin? Für Karneval ist es doch wirklich noch reichlich zu früh.“
Sibbi schaute an sich hinab, konnte aber nichts ungewöhnliches an seiner Elfenkleidung erkennen. Und dann ging ihm ein Licht auf. Inmitten von Geschenken, dem Nikolaus, dem Schlitten und den Rentieren, fiel ein grün-rot gekleideter Elf nicht sehr auf, aber hier ganz allein auf der Straße musste er schon ein merkwürdiges Bild abgeben. Also versuchte er den jungen Mann aufzuklären, warum er in diesem Anzug vor ihm stand:

„Ich bin ein Weihnachtself. Auf der Reise bin ich aus dem Schlitten des Weihnachtsmannes gefallen und nun muss ich ganz schnell zurück zum Nordpol. Da werden sie sich schon Sorgen machen.“

Und wieder ertönte das laute, fast dröhnende Lachen, als der Mann sich nicht zurück halten konnte.
„Das ist gut, das ist gut!“ rief er und schlug sich dabei auf seine Schenkel. „Damit solltest du im Fernsehen auftreten.“ Sagte es, zog an der Leine und ging lachend weiter die Straße entlang. Zurück blieb ein trauriger Sibbi.

*

Plötzlich hörte Sibbi einen Zug pfeifen.
Ein Zug, dachte Sibbi, ist doch auch nicht schlecht. Vielleicht kann ich mit dem zum Nordpol fahren.
Also musste der Elf nur noch den Bahnhof finden. Doch diesmal hatte er Glück. Gleich auf der anderen Straßenseite stand ein Schild, welches in Richtung Bahnhof wies. Und so machte sich Sibbi auf den Weg zum Bahnhof, wo er hoffentlich einen Zug fand, der ihn zum Nordpol bringen würde.

Am Bahnhof angekommen suchte Sibbi nach dem Plakat mit den Abfahrtzeiten. Da standen ja Hunderte von Städtenamen, doch nirgendwo das Wort Nordpol. Gab es von diesem Bahnhof vielleicht gar keinen Zug, der direkt zum Nordpol fuhr? Musste er vielleicht irgendwo in einen anderen Zug umsteigen? Aber auch davon stand nichts auf dem Aushang. Und so ging Sibbi in das Bahnhofsgebäude. Hier musste doch irgend jemand herumlaufen, der ihm weiter helfen konnte.

Auf den Bänken sah Sibbi ein paar alte Männer liegen. Doch wollte er sie nicht stören, denn sie schliefen tief und fest. In einem kleinen beleuchteten Raum, hinter einer Glasscheibe, saß ein Mann mit einer roten Schirmmütze. Der sah so aus, als wüsste er Bescheid. Und so ging der kleine Elf zu dem Mann und klopfte leise gegen die Scheibe.

Der Mann sah mürrisch auf. Doch schon bekam er ein freundliches Gesicht und sein Mund verzog sich zu einem Grinsen.

„Bitte nicht lachen,“ bat Sibbi den Mann, der sich sogleich bemühte, ein Lachen zu unterdrücken, was ihm aber sichtlich schwer fiel.

„Womit kann ich dir denn helfen?“ wollte der Mann hinter der Glasscheibe wissen.
„Ich muss dringend zum Nordpol. Der Weihnachtsmann und die anderen Elfen werden schon auf mich warten.“
„Zum Nordpol?“ quetschte der Mann grinsend heraus. „Bist wohl aus dem Schlitten gefallen?“
„Richtig. Gut, dass sie mich verstehen.“

Und jetzt konnte der Mann sich doch nicht mehr zurück halten und fing laut an zu lachen. So laut, das die anderen alten Männer auf den Bänken wach wurden, aufblickten und beim Anblick des Elfen ebenfalls anfingen zu lachen.

Sibbi aber drehte sich schnell um und lief den nächsten Gang entlang und eine Treppe hinauf. Nun befand er sich auf einem Bahnsteig. Aber kein Zug war zu sehen. Fragen wollte er aber auch niemanden mehr. Sibbi wollte nicht mehr ausgelacht werden. Traurig schlich er den Bahnsteig entlang zu einer abgelegenen Bank. Er setzte sich darauf, zog die Beine an und schmollte vor sich hin. Was sollte er nun tun? Er war ja nicht mit Absicht aus dem Schlitten gefallen.

*

„Hallo, bist du ein Clown? Du hast ja gar keine rote Nase?“
Sibbi sah verschreckt auf. Ein kleines Mädchen in einem dunkelblauen Mantel stand vor ihm und strahlte ihn an. Mit ihren kurzen Locken und der Schleife in ihren Haaren sah sich richtig lieb aus.
„Ich bin kein Clown“, entgegnete Sibbi trotzig.
„Aber warum bist du dann so lustig angezogen?“ wollte das kleine Mädchen wissen.
„Ich bin ein Weihnachtself und wir tragen solche Sachen. Du brauchst mich gar nicht auszulachen.“
„Ich lach dich doch gar nicht aus. Aber du siehst so lustig aus mit deinen grünen Hosen und dem grünen Umhang. Und die grüne Kappe ist auch lustig. Und die vielen kleinen goldenen Glöckchen sind noch viel lustiger.“

So ganz langsam konnte der Elf die Menschen verstehen, die über ihn gelacht hatten.

„Warum sitzt du denn hier auf dem Bahnhof? Wartest du auf den Weihnachtsmann?“ wollte das kleine Mädchen wissen.
„Nicht direkt“, entgegnete Sibbi. „Ich bin aus dem Schlitten gefallen und nun muss ich wieder zurück zum Nordpol. Kannst du mir nicht sagen, wie ich dahin komme?“
„Bestimmt nicht von diesem Bahnhof aus. Hier hält nur die S-Bahn. Und die fährt nur in die Stadt. Aber auf dem großen Bahnhof in der Stadt halten die ganz großen Lokomotiven mit den ganz vielen Wagen hinten dran. Da fährt bestimmt eine von zum Nordpol.“ Das kleine Mädchen nickte so eifrig, dass das kleine Schleifchen auf ihrem Kopf wackelte.
„Und wie komme ich dahin, ohne das alle Leute über mich lachen?“
Auch hier wusste das kleine Mädchen Rat.
„Du musst nur die Glöckchen von deiner Kleidung abmachen und die Kappe abnehmen. Dann brauchst du noch einen Mantel. Und schon sieht keiner mehr was von der grünen Farbe.“
„Wo bekomme ich denn nun einen Mantel?“
Doch hier endete das Gespräch. Von der Treppe her rief ein Mann das kleine Mädchen.
„Lisa! Komm endlich her. Du sollst doch nicht weglaufen. Und du sollst auch nicht mit Fremden reden!“
Lisa verabschiedete sich noch mit einem artigen Knicks von dem Weihnachtselfen und lief zu ihrem Papa, der sie sofort an die Hand nahm.

Der kleine Weihnachtself machte sich sofort daran, die kleinen goldenen Glöckchen von seiner Kleidung zu entfernen. Er sammelte sie zusammen und verstaute sie in seiner Kappe, die er von nun an erst einmal in der Hand tragen wollte, bis er wieder am Nordpol war.

*

Mit lautem Getöse fuhr die nächste S-Bahn in den kleinen Bahnhof ein. Sibbi schaute sich um, aber niemand achtete auf ihn. Schnell schlüpfte er durch die sich vor ihm öffnende Tür und sah sich im Waggon um. Er war ganz allein in dem Wagen. Kein Mensch war zu sehen. Nur eine graue Regenjacke mit Kapuze lag auf einer Ablage. Die hatte wohl ein Kind vergessen. Ohne weiter nachzudenken zog Sibbi die Jacke über seinen grünen Umhang und zog den Reissverschluss bis zum Hals. Nun würde niemand mehr über seine Kleidung lachen. Beruhigt setzte sich der kleine Elf auf eine Bank und sah durch das Fenster, wie der Zug den kleinen Bahnhof verließ.

Leise ratternd fuhr der Zug durch die Nacht. Sibbi sah viele bunte Lichter vorbeihuschen. Straßenlaternen, beleuchtete Fenster, strahlende Weihnachtsgirlanden, leuchtende Weihnachtsbäume in den Vorgärten. Und überall lag der weiße Schnee. Mittlerweile hatte es zwar aufgehört zu schneien, doch es war genug da, damit sich die Kinder morgen freuen konnten. Das ruhige Fahren machte Sibbi müde und ohne es zu merken, schlief er ein.

*

Die laut quietschenden Bremsen rissen den kleinen Weihnachtself unsanft aus seinen Träumen. Buntes Spielzeug hatte er gesehen, die vielen leckeren Plätzchen gerochen. Fröhlich und lustig ging es zu am Nordpol. Doch er saß hier allein im Zug und wusste nicht, wie er zurück kommen sollte.

Die Größe des Bahnhofs ließ ihn vermuten, dass er nun in der Stadt angekommen war. Schnell stand er auf und sprang aus dem Zug. Da er nicht wusste, wohin er sich wenden sollte, folgte er erst einmal dem Strom der Menschen, die mit ihm im Zug gesessen hatten und nun dem Ausgang zustrebten. Niemand achtete auf ihn. Zusammen fuhren sie die Rolltreppe hinunter in eine Unterführung. Dann ging es weiter in den großen Bahnhofsaal.

Hier strahlte alles. Riesige Weihnachtsbäume leuchteten um die Wette. Lange Lichtergirlanden waren unter der Decke gespannt worden. Leise Weihnachtsmusik untermalte die in jedem Bahnhof vorhandene Geräuschkulisse. Und überall liefen Menschen hektisch umher.

Wieder suchte Sibbi nach dem Aushang mit den Abfahrtszeiten. Aber auch diesmal fand er das Wort Nordpol nirgends. Der Weihnachtself versuchte sich in dem Schilderwald zurecht zu finden. Da ging es zu den Toiletten. Weiter hinten ging es zu anderen Gleisen. Rechts war ein Geschäft für Tabakwaren und Zeitschriften und daneben eins mit Blumen. Aber dann fand der Elf doch noch, was er suchte: REISEBÜRO stand in großen leuchtenden Lettern über einer Glastür. Die Tür war vollgeklebt mit bunten Stickern der verschiedenen Reise- und Fluggesellschaften. Fast alle warben für Sommer, Sonne, Strand und Meer. Aber ein paar vereinzelte zeigten Schneebedeckte Berge und warm angezogene Menschen. Dies machte Sibbi Mut und zielstrebig ging er auf das Reisebüro zu. Ein hellleutendes Glockenspiel ertönte, als er die Glastür aufstieß und warme Luft strömte ihm entgegen. Eine junge Frau hinter einem großen modernen Schreibtisch, der mit Telefon, Computer, Taschenrechner, verschiedenen Prospekten und Katalogen überhäuft war, lächelte ihm freundlich entgegen. Mit einer leichten Handbewegung wies sie ihm einen Platz auf einen unbequem aussehenden, leicht wippenden grauen Plastikstuhl zu. Sie selbst saß in einem großen bequemen Bürostuhl aus schwarzem Lederimitat.

Sibbi setzte sich vorsichtig auf den Stuhl. Mit einer Hand hielt er seinen Regenjacke zu, damit auch nicht ein bisschen von seiner grünen Elfenkleidung herausschimmerte. Er wollte nicht schon wieder ausgelacht werden.

„Guten Abend, wo soll es denn hingehen?“
„Zum Nordpol“, antwortete Sibbi leise.
„Also eine Rundreise?“
„Nein, direkt zum Nordpol.“
„Aber da ist doch alles voller Eis“, meinte die Dame verwundert. „Da fährt doch gar kein Zug hin?“
„Aber ich muss zum Nordpol“, sagte Sibbi mit fester Stimme und sehr ernstem Gesicht.
„Da können Sie sich aber doch nur einer Expedition anschließen. Anders wüsste ich nicht, wie Sie zum Nordpol gelangen könnten.“
„Und wo finde ich so eine Expedition?“
Was eine Expedition ist, wusste Sibbi. Auch zu diesen Menschen kam der Weihnachtsmann.
„Einen Moment, da muss ich mich mal erkundigen.“ Die junge Frau griff nach dem Telefonhörer und wählte eine Nummer.

Nach ein paar Minuten legte sie wieder auf und wandte sich mit einem traurigen Blick dem Elfen zu.
„Die nächste Expedition ist erst für März geplant. So lange werden Sie sich gedulden müssen.“
März? Sibbi wäre vor Schreck beinahe vom Stuhl gerutscht. Was sollte er bis zum März tun? Und was sollten die am Nordpol ohne ihn tun? Jetzt wurde er gebraucht, nicht erst im März.

Der kleine Weihnachtself bedankte sich höflich und ging mit gesenktem Kopf aus dem Reisebüro. Langsam schlich er zum Ausgang des Bahnhofs und schritt durch die kalte Nacht. Um ihn herum wurde es immer einsamer. Die Menschen befanden sich ja in den Wohnstuben und bescherten sich gegenseitig. Oder sie saßen in der Kirche und feierten die Geburt des Christuskindes.

*

„Heh, Kleiner?“ hörte Sibbi plötzlich eine Stimme hinter sich. Aber er kannte auch die schlechten Menschen und achtete gar nicht darauf.

„Zwerg?“ kam es dann schon etwas fordernder. „Du hast nicht zufällig so´n kleinen grün gekleideten Clown mit Mütze und vielen goldenen Glöckchen gesehen?“
Jetzt wurde es Sibbi doch recht mulmig. Woher wusste der Fremde von seiner grünen Kleidung? Und woher von den Glöckchen?

Nun ließ der Fremde einen schrillen Pfiff erklingen. „Würdest du wenigstens stehen bleiben, wenn ich mit dir rede? Oder willst du noch länger allein durch die kalte Nacht laufen? Ich hätte da eine bequeme Mitfahrgelegenheit. Und wenn du brav bist, bringe ich dich auch nach Hause zum Nordpol.“
Sibbi wurde doch neugierig. Er blieb stehen und drehte sich vorsichtig um. Ein paar Meter entfernt stand ein alter Mann mit einem langen weissen Bart. Der dicke Bauch schien zu beben, als der Weihnachtsmann nun anfing zu lachen. Aber er lachte den kleinen Elfen nicht aus. Es war ein lautes, dröhnendes, glückliches Lachen. Glücklich, den verlorenen Elfen wieder gefunden zu haben.

Auch Sibbi war überglücklich. Seine Augen glänzten, als sie sich mit Freudentränen füllten. Schnell zog er den grauen Regenmantel aus und lief dem Weihnachtsmann entgegen. Gemeinsam gingen sie zum nun leeren Schlitten, der auf einem abgelegenen Lagerplatz einer Möbelfirma stand. Hier wurde Sibbi von den anderen Elfen herzlich begrüßt. Alle hatten sich schon Sorgen gemacht und jeder von ihnen war glücklich, daß nicht ihm dieses Missgeschick passiert war.

Der Weihnachtsmann setzte sich auf den Kutschbock und winkte Sibbi neben sich. Mit einem lauten Pfiff trieb er die Rentiere an. Nun musste Sibbi allen genau erzählen, was er erlebt hatte. Am Ende meinte der Weihnachtsmann nur noch:

„Wir haben auch den Schneemann wieder aufgebaut, den du kaputt gemacht hast. Haben die nicht normalerweise eine Karotte als Nase?“

* * * * *
E N D E

 

Hallo Holli Would

Eine nette Geschichte, finde ich. Die Geschichte ist für ältere kinder geeignet, sie erzählt lebendig und mit vielen Einfällen. Kommst Du aus der Schweiz, weil Du ganz konsequent alle ß gemieden hast?
Das Ende hat mir gut gefallen, vor allem, da die Stelle mit der Karotte schon vorher so schön war. ;)
Und dass der Weihnachtsmann seinen Elfen zurückholt, irgendwie konnte ich da richtig wetten. :)

"Der dichte Schneefall verhinderte selbst den Blick auf die Gefährten auf dem Schlitten" - das doppelte "auf" wirkt etwas ungeschickt

"Da er schwerer war als die Schneeflocken, überholte er diese und so langsam sammelte sich ein Schneekissen unter seinem Hinterteil. Einige Zeit sass er fast schon vergnügt auf seinem weichen Kissen. Was konnte ihm auch schon passieren? Er war nun einmal ein Weihnachtself. Und hatte es jemals irgendeinen Weihnachtself gegeben, dem etwas passiert war? Nun gut. Bisher war auch noch nie einer vom Schlitten gefallen." - ein lustiges Bild in meiner Vorstellung.

"Mehr als das er es sah, ahnte Sibbi, das sein Flug sich dem Ende neigte" - diese Forumluierung sit etwas umständlich, meiner Meinung nach

"Selbst die Karotte, die als Nase gedient hatte, würden sie nicht wieder finden. Denn diese verspeiste Sibbi erst einmal zur Beruhigung seiner Nerven." :lol:

"zurück zum Nordpo." - l

"Gut, das sie mich verstehen.“ - dass

schöne Grüße
Anne

 

Hallo Maus,

danke für deinen Kommentar. Habe die Rechtschreibfehler gleich geändert.

liebe grüsse
Holli-Would

 

Hallo Holli-Would!

Auch diese Geschichte hat mir gefallen (hehe, besonders die schon von Maus erwähnte Stelle mit der Karotte ;) ).

Ich finde, es ist eine schöne Geschichte für Kinder. Ein Elf, verloren in der großen weiten Welt, der sich auf den Weg zum Nordpol macht, um wieder nach Hause zu kommen. Am Ende wird er von seinem "Chef" wieder aufgegabelt und ist um ein paar Erfahrungen reicher ;)

Auch hier sind mir ein paar Fehler zwischendurch aufgefallen - und wieder beim Lesen nicht rausgesucht *pfeif*. Wobei ich sagen muss, dass ich auf der Arbeit noch die "Ursprungsfassung" hatte, sprich, ohne Maus' Verbesserungen. Ich denke mal, dass Maus das Wesentliche rausgesucht hat. :)

Greetinx
Alisha

 

Hallo Holli-Would!

Zunächst mal herzlich willkommen auf kg.de! :)

Ich fand die Geschichte nett und angenehm zu lesen. Die Storyidee, dass es einen "Mitarbeiter" des Weihnachtsmannes versehentlich zu den Menschen verschlägt, ist zwar nicht neu, aber – vor allem für Kinder – recht kurzweilig aufbereitet.

Sprachlich ist sie ordentlich gelungen, wobei du den einen oder anderen Satz noch ein klein wenig umbauen könntest.

Aufgefallen ist mir, dass du sämtliche "ß" durch "ss" ersetzt hast. Da du deinem Profil nach kein Schweizer bist, die ja kein "ß" haben, ist das oftmals falsch.
Auch sonst sind noch ein paar kleine Flüchtigkeitsfehler im Text, z.B.:

"und nun muss ich ganz schnell zurück zum Nordpo."
:D

"Da er schwerer war als die Schneeflocken, überholte er diese und so langsam sammelte sich ...
Doch so langsam liess der Lachkrampf scheinbar nach ...
So ganz langsam konnte der Elf die Menschen verstehen"
>>> "So langsam" verwendest du recht häufig. Meines Erachtens ist diese Redewendung eher umgangssprachlich, ich würde es anders formulieren.

"Mit dem Hintern auf dem Schneekissen, plumpste der Elf oben auf ein Dach ...
Diesmal dauerte es aber gar nicht lang und er plumpste auf ein niedrigeres Dach ...
und plumpste direkt auf einen grossen Schneemann"
>>> In diesem Absatz häuft sich das "plumpsen"; als Wortwiederholung nicht so schön

"Denn es musste natürlich sehr schnell gehen, denn er wurde ja gebraucht."
>>> zweimal der gleich Satzanfang liest sich auch nicht gut

:xmas: Viele Grüße :xmas:
Christian

 

Danke an alle für eure Hilfe und die guten Ratschläge. Ich hoffe ich habe nun alle Fehler aus der Story entfernt. Sollte noch jemandem etwas auffallen, bitte melden. Ich lerne immer gerne dazu. :D

 

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