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Serie Die Abenteuer des Harry Harrison - Weltendämmerung (3)

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25.08.2004
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Die Abenteuer des Harry Harrison - Weltendämmerung (3)

"Um Himmels Willen! Bitte beeilen sie sich doch endlich.", zeterte Dr. Puyco hinter mir, während ich meinen Pullover überstreifte und in meine Stiefel sprang. Gähnend schaute ich auf meinen Wecker, der unerbittlich seine nachtschlafende Zeit anzeigte.
"Hören sie endlich auf, Puyco. Ich weiß gar nicht, warum ich immer wieder auf ihre maßlosen Übertreibungen hereinfalle.", brummte ich übellaunig. "Seit ich sie seinerzeit mal aus der Patsche befreit habe, traktieren sie mich immer wieder mit ihren seltsamen Einfällen und aberwitzigen Geschichten. Es reicht langsam!"
Meine Einwände prallten ungehört an seinem krummen Rücken ab. Jedenfalls zerrte er weiter an mir und klapperte dazu mit seinem überdimensionalen Pferdegebiß.
"Keine Zeit zum Erklären, keine Zeit! Wir müssen ins Labor fahren, so schnell es geht. Oder die Welt wird untergehen."
"Ho!", schnaubte ich verächtlich, "das ist ja mal ganz was Neues. Wieso geht die Welt unter? Oder ist das nur wieder einer ihrer üblen Motivations-Tricks?"
Wir rannten aus meiner Wohnung heraus und stiegen auf seinen Schweber, der sich auch sofort in Bewegung setzte.
"Die anderen Kontinente sind bereits nicht mehr erreichbar. Das Internet und TV3 sind zusammen gebrochen. In Kürze wird es auch Europa treffen, und zum Schuss wird nichts mehr existieren!" Halsbrecherisch jagte Puyco mit mir quer durch die Stadt. Hätte ich mich nicht fest an ihn gekrallt, wäre ich schon mehrmals vom Schweber gefallen.
"Oh Gott, es geht schneller als ich dachte!", jammerte der Doktor und sah sich hektisch um. Plötzlich wurde es dunkel, überall gingen die Lichter aus, als wir das Labor erreichten. In weiter Ferne sah ich ein unnatürliches Wetterleuchten, das schneller näher zu kommen schien. Im Labor gingen die Lichter wieder an. Das Notagreggat musste angesprungen sein.
"Puyco, was haben sie angestellt?", murmelte ich ungläubig und jagte hinter ihm her in sein Labor. Über Kabelstränge stolpernd gelangten wir in die große Halle, in der die Zeithelix stand. Puycos verrücktes Reich...
"Bei meinem letzten Besuch tief in der Vergangenheit muß es passiert sein", zeterte der Doktor und zitterte wie Espenlaub. "Als ich am Strand entlang lief, bin ausgerutscht und hingefallen."
Er kramte eine Vielzahl an Utensilien aus versteckten Staufächern und warf sie mir zu. "Einstecken!", brüllte er hektisch und kramte noch mehr hervor. So viele Taschen besaß ich ja gar nicht...
"Ich muß dabei ein Tier zerdrückt haben, welches für unsere Evolution wichtig war", jammerte Puyco weiter. "Als ich zurück in unsere Gegenwart reiste, kam ich in eine Welt ohne Tiere und Menschen. Es gab nur Pflanzen."
Der Doktor schob mich in die Zeithelix und hantierte an seinen Instrumenten. Ein Rauschen wurde hörbar, das lauter und lauter wurde.
"Ich muß ein Paralleluniversum geschaffen haben. Zum Glück hatte ich den Zeitfixator bei mir und konnte so zu meinen Startkoordinaten zurückkehren. Doch das Paralleluniversum wird immer realer und hat begonnen, unser Universum zu absorbieren."
Ich wollte gerade die Zeithelix verlassen und einen Psychiater herbei holen, um Puyco einweisen zu lassen, als das Rauschen zu einem Getöse wurde. Die Wände des Labors brachen auf seltsame Weise ein. Es sah aus, als würden sie ins Innere der Erde gezogen und dahinter... dahinter war nichts! Nur eine blaugrüne, sich bewegende und tosende Masse.
"Oh Gott! Der Fixator bricht zusammen!", jaulte Puyco gegen den Sturm und drückte die verschiedensten Knöpfe seiner Apparatur. "Versuchen sie mein Missgeschick rückgängig zu machen! Und hören sie sich unbedingt meine Notfallinstruktionen an..."
Im gleichen Moment, in dem der Doktor die Zeithelix endgültig startete, wurde er vom Getöse verschluckt. Um mich herum brauste es fürchterlich und mit einem Knall schoss mich die Helix aus der Raumzeit. Bewußtlos sackte ich zusammen.

*​

Als ich zu mir kam, hörte ich mich selber wild husten. Kein Wunder, denn ich bekam einfach keine Luft.
Um mich herum hatte sich die Landschaft stark verändert. Anstelle des Labors befand ich mich draußen im Freien. Vor und hinter mir verstreut im Sand lagen die Sachen, die Poyco mir mit auf die Reise gegeben hatte.
Mein Atem ging schnell und stoßweise, und der nächste Hustenreiz überfiel mich. Irgendwas stimmt nicht mit der Luft, die ich einatmete. Panik stieg in mir hoch, als mein Blick auf den Atmer fiel, der zwischen den anderen Utensilien lag. Ich nahm ihn an mich und legte ihn mir um den Hals. Sofort konnte ich wieder atmen und sog die aufbereitete Luft gierig ein.
"Die Atmosphäre enthält erhöhte Konzentrationen an Ammoniak, Kohlendioxyd, Stickstoff, Methan und verschiedenen Schwefelgasen. Der Sauerstoffgehalt ist relativ gering. Er beträgt..."
"Später!", unterbrach ich die Computerstimme des Atmers. Für den Moment war es nur wichtig, dass ich wieder Luft bekam.
Ich sammelte die Utensilien auf, die ich mitbekommen hatte. Irgendwie schaffte ich es schließlich, sie alle zu verstauen. Das Diktiergerät mit der Aufschrift 'Im Notfall anhören' ließ ich in meiner flachen Hand liegen.
Ich sah mich um, und was ich sehen konnte, gefiel mir sogar. Wohin ich auch blickte, überall um mich herum Sonne, Sand, Wasser und Palmen. Na ja, zumindest palmenartige Gewächse. Kein Zweifel, ich befand mich direkt am Meer. Was fehlte, waren die leichtbekleideten Mädchen und Stände mit Eis und kalten - alkoholischen - Getränken.
Seufzend schaltete ich das Diktiergerät ein und Puyco's fiepende Stimme zerstörte endgültig meine Urlaubsstimmung.
"Irgendwas ist schief gelaufen, deswegen hören sie jetzt meine Notfallinstruktionen. Zunächst sollten sie sicher stellen, dass sie den Echogeber der Zeithelix besitzen. Eine Fernbedienung mit roten Tasten und einem kleinen Display..." Ich angelte das Ding aus meiner Tasche, was mir schon beim Verstauen der Sachen aufgefallen war.
"...während der Knopf ganz unten das Zeitfeld aktiviert und sie zu den angegebenen Koordinaten bringt..." Ich lauschte den Instruktionen weiter, wobei ich gemächlich den Strand entlang schlenderte. Puycos Stimme machte mich irgendwie müde und nur das zwischenzeitliche Klappern seiner Zähne sorgte wohl dafür, dass ich nicht im Laufen einschlief. "...so die Einstellungen bis auf die Sekunde genau vorgenommen werden können. Ich hoffe, dass sie soweit alles verstanden haben. Jetzt liegt es wohl an ihnen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. -klack-"
Für einige Zeit beobachtete ich die Bewegungen des Wassers. Kleine Wellen kamen und gingen. Ansonsten war nichts zu sehen und auch nichts zu hören. Kein Vogelgeschrei, kein Pfeifen eines Nagetiers im nahen Ufergebüsch, nichts.
Irgendwie kam ich mir verloren vor. Allein inmitten einer fremden Welt, ohne ein Ziel vor den Augen. Was erwartete Puyco hier von mir zu tun? Das hatte er mir nicht verraten, in seiner Eile.
Weit vor mir registrierte ich plötzlich eine Bewegung. Fast unsichtbar am Horizont erblickte ich etwas, einen Menschen! Ja, das musste ein Mensch sein, der dort stand. Aber sicher war ich mir nicht, dafür war die Distanz einfach zu groß. Trotzdem jagte ich los. Brüllend und winkend ackerte ich mich durch den losen Sand, kam dabei aber nicht wirklich schnell voran. Auch meine Rufe verhallten wohl ungehört. Jedenfalls war nach einiger Zeit die Gestalt verschwunden. Ich blinzelte gegen das Sonnenlicht. Wo war sie hin?
Als ich schließlich an der Stelle angekommen war, musste mindestens eine Stunde vergangen sein. Ich schwitzte stark, aber noch nach Atem ringend suchte ich nach Spuren des Menschen, den ich gesehen hatte. Und kurze Zeit später fand ich die ersten Fußspuren, und... ein Butterbrot-Papier mit einigen Krikeleien darauf.
Klasse, der Typ hatte hier gefrühstückt und war dann weiter gelaufen. Ich folgte seiner Spur. Dann stieß ich auf Zeichen im Sand, die mit einem Stock dort hinein gekritzelt worden waren. 'Paolo Puyco was here' stand dort in schiefen Lettern.
Puyco! Er war es also gewesen. Jetzt ergab das Ganze zumindest eine gewisse Logik. Hier musste passiert sein, was Puyco mir versucht hatte zu erklären. 'Bei meinem letzten Besuch tief in der Vergangenheit...' hatte er gesagt... ich befand mich in der Urzeit! Und was noch schlimmer war: Ich war zu spät gekommen! Es war bereits passiert.
Fieberhaft suchte ich das Tier, von dem Puyco gesprochen hatte und fand es schließlich halb im Sand vergraben. Ein seltsames fischartiges Lebewesen, ähnlich einem Molch. Und es lebte noch! Vorsichtig zog ich es aus dem Sand setzte es zurück ins flache Wasser. Mühsam schleppte es sich ein Stück vorwärts und blieb dann kraftlos stehen. So wurde das nichts. Also nahm ich es, und warf es vorsichtig zurück ins Meer. Und hoffte, dass es sich dort wieder erholte.
"Um Himmels Willen! Harrison, was machen sie da?", rief eine fiepende Stimme hinter mir.
Ich drehte mich um und sah Dr. Puyco auf mich zulaufen. Sein gelbes Pferdegebiß klapperte ärgerlich und drohend baute er sich vor mir auf.
"Wie kommen sie hier her?", blaffte er aufgeregt. "Ich hatte gleich den Verdacht, dass an der Zeithelix hantiert worden ist und einige meiner Sachen fehlen. Sie sind nicht nur ein Einbrecher und Lügner, sondern auch ein ganz gemeiner Dieb und Saboteur. Und wer weiß, was sie hier in dieser Zeit alles angestellt haben. Wohlmöglich haben sie schon unser aller Zukunft verändert."
Ha-ho! Jetzt reichte es aber langsam! Der Kerl verdrehte die Wahrheit, wie es ihm passte.
"Als ich sie das letzte Mal richtig gesehen habe, haben sie sich wie ein Geist aufgelöst. Genau wie der Rest der Welt. Ich bin hier, um ihr eigenes Missgeschick zu beheben, und wie es aussieht, habe ich es auch geschafft. Ich bin kein Saboteur und Lügner, ich bin der Retter unserer bekannten Zivilisation! - Überhaupt, wieso sind sie schon wieder hier in dieser Zeit?"
Puyco stutze und schon erheblich freundlicher sagte er: "Ich habe etwas verloren, ein... Dokument aus meiner Tasche. - Bitte erzählen sie mir alles. Detailgetreu, aber bitte ohne ihre sonst üblichen Übertreibungen."
Und den Gefallen tat ich ihm natürlich. "Ich erzähle es ihnen, während sie ihr Butterbrot-Papier suchen. Also los..."

Weitere Infos zu Harry Harrisons Stahlratten-Zyklus sind hier zu finden. Meine "Abenteuer-des-Harry-Harrison-Serie" lehnt sich daran an, zumindest schreibtechnisch.

 

Hallo Nordwind.

endlich.", zeterte
Punkt weg.

Meine Einwände prallten ungehört an seinem krummen Rücken ab.
Sprachlich gutes Bild, aber optisch nicht so, weil die Einwände ja erst einen Bogen um ihn herum fliegen müssen. ;)

"Ich muß dabei ein Tier zerdrückt haben, welches für unsere Evolution wichtig war", jammerte Puyco weiter.
:lol:

Jetzt ergab das Ganze zumindest eine gewisse Logik.
*hust*

Ein seltsames fischartiges Lebewesen, ähnlich einem Molch. Und es lebte noch! Vorsichtig zog ich es aus dem Sand setzte es zurück ins flache Wasser.
Hm, das kommt mir so bekannt vor, wie hieß diese Serie doch gleich ... Hast du dich da zufällig von "Immer Ärger mit Newton" inspirieren lassen? Soweit ich mich erinnere, gab es da auch eine Folge, wo die in der Vergangenheit aus Versehen eine Fliege zerdrückt hatten. xD

Also grob gesehen ist die Geschichte ganz unterhaltsam, aber bei genauerem Hinsehen eröffnen sich ein paar Ungereimtheiten. Z.B. warum wird der Prot in die Vergangenheit geschickt, wieso geht der Doc nicht selbst? Und wenn er sich auflöst, wie am Ende gesagt wird, wieso löst sich der Prot nicht auf?

Und wenn ich es so recht überlege, ist es auch Quatsch, dass von einem Lebewesen der Fortbestand der Menschheit abhängt. Immerhin muss es sowieso immer mehrere Tiere einer Art geben (zur Fortpflanzung, zumindest ab Molchgröße), da würden andere die Stelle ausfüllen, die durch den toten Molch freigeworden ist. Und selbst wenn es der einzige wäre (und er sich sowieso nicht hätte fortpflanzen können), dann spricht nichts dagegen, dass ein paar seiner Vorfahren den selben Evolutionsweg einschlagen und die Stelle ausfüllen. (Hab zuviel SimEarth gespielt. xD)

Und das mit dem Paralleluniversum, dass die Wirklichkeit verschlingt klingt ebenfalls wie an den Haaren herbeigezogen.

Ein paar sprachliche Stolperstellen sind auch vorhanden, z.B.

Wieso geht die Welt unter? Oder ist das nur wieder einer ihrer üblen Motivations-Tricks
Klingt blöd.

Ach, mehr mag ich nicht suchen, ist schon so spät. :Pfeif:

Grüße von Jellyfish

 

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