Die Buchhaltung ist abgeschlossen
Die Buchhaltung musste abgeschlossen werden
Wenn der Winter auszieht, dann zieht langsam der Frühling ein. Er schaute aus dem Fenster – die neblige nasse Landschaft – ein trüber Blick. Er nahm den Mantel, verliess die Wohnung, stieg ins Auto und fuhr auf der nassen Strasse dem Waldstück entlang. Die Bäume verrenkten ihre Aeste gegen den Himmel – Krüppel der Natur. Er fuhr die Bergstrasse hinauf, der matten Sonnenscheibe entgegen. Oben würde das Licht scheinen – den Nebelschleier zerreissen – voller Kraft am Himmel stehen – ein Vorgeschmack des nahenden Frühlings. Er niesste, konzentrierte sich auf die Kurven. Es erforderte seine gesamte Konzentration. Er lächelte still vor sich hin. Georg würde staunen, wenn er jetzt an der Türe läuten wird. Gestern hatte er die Buchhaltung abgeschlossen – fein säuberlich, wie es sich gehörte. Es war ihm schon seit längerer Zeit aufgefallen, dass Konten vorhanden waren, die vorher nicht da waren. Er brauchte nicht lange zu grübeln, um zu wissen, dass er reingelegt worden war. Einfach so – von seinem Freund. Freunde sind da, dass man ihnen vertraut – dass man sie mag, dass man füreinander da ist. Dies alles zerbrach im matten Licht der Schreibtischlampe – an einem Sonntagabend. Heute war es soweit. Er wollte die Schatten dieser Konten los werden. Man betrügt keine Freunde. Hupend kam ihm das Postauto entgegen. Er fuhr weiter, der Sonne entgegen. Der Nebel verschluckte ihn,. Dann brach die Sonne hervor – ein neues Leben – der Frühling war – hinter ihm die Nebellandschaft. Er bog in die Seitenstrasse ein. Ein holpriger Weg. Er hasste ihn. Das Rütteln tat dem Auto nicht gut. Eine grosse Baumallee zur linken Seite – eine Ewigkeit bis zum Haus. Alles flog so schnell vorbei. Dann war er angekommen. Dreihundert Metern vor dem Haus stellte er das Auto unter einer grossen alten Tanne und machte sich auf dem Weg zum Haus. Georg würde ihn jetzt nicht erwarten. Er stand vor dem alten Holzhaus, läutete, vernahm die Schritte von Georg. Er kannte diese Schritte gut, wenn Georg zu ihm kam - die Buchhaltung brachte. Er kannte dieses Lächeln auf dem Gesicht. Dann ging die Türe auf. Die Sonne brandete in den Hauseingang.
„Du? So früh?“, fragte ihn Georg – erstaunt – von der Frühlingssonne geblendet.
„Ja – ich – was hast du gemacht? Warum hast du es gemacht?“, fragte er ihn, blickte in die Augen – in das Gesicht mit dem künstlichen Lächeln.
„Was habe ich gemacht? Was?“, fragte Georg – ahnte irgendetwas.
„Mich betrogen hast du – einfach so – die Konten – das Geld – warum????“, fragte er ihn langsam. Er spürte die Kraft der Sonne. Bald würde der Frühling mit dem Gesang der Vögel da sein – mit der Pracht der Blumen – mit dem Leben.
„Man betrügt keine Freunde..............!!!!!!!!!“, sagte er ruhig.
Im Wald war es still. Dann riss er die Hand aus der Manteltasche und stach zu. Das Messer drang in den Bauch von Georg – tödlich – tief – wie in die Butter auf dem Morgentisch. Georg riss die Augen weit auf – riss den Mund auf, als wolle er in den Wald schreien. Ein verzerrtes Gesicht. Doch der Schrei kam nie. Das verzerrte Gesicht hinterliess etwas Unvollentetes. Georg taumelte in den Hauseingang, fiel zu Boden. Das Messer bohrte sich noch tiefer ins Fleisch – beendete das Leben von Georg.
Er blickte auf den gekrümmten Mann, schloss die Türe und machte sich auf dem Weg zum Auto. Bald würde es wärmer werden. Der Frühling war. Er liebte den Frühling. Morgen würde er das Flugzeug nehmen und nach Las Palmas fliegen - in die Wärme – weit weg. Er lächelte still vor sich hin und ging zum Auto. Die Buchhaltung war abgeschlossen – das letzte Konto geschlossen. Er wusste, die Wärme würde ihm gut tun.
© Franz Ludin
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