Was ist neu

Die ersten Kolonisten

Werdendes Mitglied
Beitritt
18.12.2006
Beiträge
37
Zuletzt bearbeitet:

Die ersten Kolonisten

Der Schiffsalarm weckte ihn aus seinem Halbschlaf. Erschrocken richtete sich Dr. Sean Miller auf und stieß, wie jedes Mal, mit dem Kopf an die Decke seiner viel zu engen Schlafnische. Er verfluchte die Ingenieure dieses verdammten Schiffes, was jedoch nutzlos war, da sie bereits seit langem tot waren. In diesem Moment leuchtete der Videoschirm an der Wand gegenüber auf und das Mondgesicht von Dr. Elmar Culp blickte auf ihn herab.
Miller rieb sich den Schädel. „Was ist los Culp?“ fragte er. “Haben wir einen Asteroiden gerammt?“
„Sehr witzig Dr. Miller! Das ist nur ein Alarm der Stufe zwei, es besteht also keine akute Gefahr für das Schiff. Sollten Sie eigentlich wissen. Svensson möchte uns sofort im kleinen Konferenzraum sehen – vielleicht können Sie ihr Erscheinen ja auch kurzfristig einrichten ... Und übrigens: Mein Name ist Dr. Culp, bitte merken Sie sich das.“
Der Bildschirm wurde schwarz, bevor Miller etwas erwidern konnte.
“So ein Arschloch!“ entfuhr es ihm.
Culp war wie er Wissenschaftler, Archäologe, doch seine Reputation war eher durchschnittlich - um es freundlich auszudrücken. Er hingegen galt trotz seiner fünfunddreißig Jahre bereits als eine Institution unter den Planetologen auf der Erde. Nicht umsonst hatten sie ihn für diese historische Mission ausgesucht. Vierhundert Jahre war das nun schon her. Obwohl er seine Karriere nie bewusst vorangetrieben hatte, musste sich Miller eingestehen, dass er darauf trotzdem ein wenig stolz war. Im flogen die Dinge einfach zu, dem Wunderkind aus Harvard, genial aber auch etwas faul. Ganz im Gegensatz zu Culp, der hartnäckigen Gerüchten zufolge, nur aufgrund von Beziehungen in dieses Projekt hineingerutscht war.
Miller betrachtete sein digitales 3D-Abbild auf dem Bildschirm über dem Waschbecken und musste lächeln. Immer noch ganz ansehnlich für einen Vierhundertjährigen, stellte er fest. Seine Freunde hatten ihm damals oft gesagt er würde mit seinem rotblonden Bürstenhaarschnitt und den blaugrünen Augen aussehen wie ein bekannter Schauspieler, was er jedoch jedes Mal energisch bestritten hatte - er konnte diesen Typen damals nämlich nicht ausstehen. Er machte sich frisch, schlüpfte in seine Uniform und verlies seine Kabine. Das Kaltlicht der Gangbeleuchtung schmerzte in seinen müden Augen, als er sich seinen Weg durch die von Menschen wimmelnden Gänge der PROMETHEUS bahnte. Der Konferenzraum lag drei Ebenen über seiner Kabine, im vorderen Teil des Koloniekreuzers. Als er ihn endlich erreicht hatte und sich die hydraulische Tür lautlos vor ihm öffnete, musste er feststellen, dass er wieder einmal der Letzte war. Alle anderen hatten bereits Platz genommen. Miller zog den Kopf ein, als er durch die geöffnete Tür trat.
„Schön, dass Sie sich zu uns bemühen konnten, Dr. Miller“, begrüßte ihn Mark Svensson.
Den zuweilen beißenden Sarkasmus war Miller vom Captain gewöhnt, aber der angespannte Ausdruck in Svenssons Gesicht ließ in ihm eine dunkle Vorahnung aufsteigen. In dem kahlen Raum herrschte eine angespannte Stille, der Alarm war mittlerweile verstummt.
„Nehmen Sie sich einen Stuhl von der Seite, Dr. Miller, dann können wir anfangen“, sagte Svensson, der am Kopfende des Konferenztisches saß.
Graue Haare, ein kantiges Gesicht und dazu Augen so klar wie Polareis. Man konnte sich bei ihm mühelos einen jener Männer vorstellen, die vor Jahrhunderten auf Dreimastern die Weltmeere durchkreuzt hatten. Allerdings passte seine eng geschnittene Kunststoffuniform überhaupt nicht zu diesem Bild. Außer Svensson saßen bereits der leitende Ingenieur Larry Cohan, ein Berg von einem Mann mit kurzen blonden Haaren, die sich an einigen Stellen bereits lichteten, die Meteorologin Dr. Liz Conelly und natürlich sein spezieller Freund Dr. Elmar Culp mit am Tisch. Was Miller zusätzlich beunruhigte, war das Erscheinen von Lieutenant Robert Maxwell. Er war einer der kommandieren Offiziere unter den fünfhundert Soldaten an Bord der PROMETHEUS, die zum Schutz der fünftausend Kolonisten mit auf diese Reise geschickt worden waren. Maxwell war ein durchtrainierter Hüne, dessen Haarfarbe man aufgrund des extrem kurzen Militärhaarschnittes nur erahnen konnte. Seine aufgeweckten, graugrünen Augen waren das einzige Zeichen von Leben in einem ansonsten unbeweglichen Gesicht. Bis zu diesem Moment war Miller davon ausgegangen, dass er zu einer rein wissenschaftlichen Besprechung gerufen worden war. Wie ein schwarzer Nachtfalter, der langsam aus seinem Kokon kroch, verwandelte sich seine Vorahnung allmählich in düstere Gewissheit: Irgendetwas stimmte nicht.
Liz lächelte ihm kurz zu, als er etwas ungelenk versuchte einen Stuhl von der Wand an den Konferenztisch zu schieben, um sich neben sie zu setzen. Ihr fein geschnittenes Gesicht mit den großen, fast schwarzen Augen, ihre langen schwarzen Haare – ihr Anblick ließ ihn für einen Moment den verächtlichen Blick übersehen, den ihm Culp über den Tisch hinweg zuwarf.
„Wie geht es dir?“ fragte Liz leise. „Bin mir noch nicht sicher“, raunte Miller. “Muss erstmal wach werden, dann kann ich dir die Frage vielleicht beantworten.“
Svensson betätigte eine der bunt leuchtenden Funktionstasten, die vor ihm in die durchsichtige Tischplatte eingelassen waren. Die gesamte Wand hinter ihm verwandelte sich daraufhin in einen Bildschirm, während gleichzeitig das Licht im Raum gedämpft wurde.
Svensson faltete die Hände vor seinem Kinn. „Wie Sie alle wissen, ist der zweiwöchige Abbremsvorgang, der die PROMETHEUS auf Orbitalgeschwindigkeit bringen sollte, vor zwölf Stunden abgeschlossen worden. Seit acht Stunden befinden wir uns nun in einer Umlaufbahn um Leonis ß. Mr. Cohan wird ihnen hierzu weitere Details liefern.“
Larry Cohan ergriff das Wort und beschrieb das komplizierte Manöver, das die PROMETHEUS in den letzten Tagen und Stunden durchgeführt hatte. Was Miller anging, so tat er das leider in einer Sprache, die nur Ingenieuren und Mathematikern zugänglich war. Millers Gedanken schweiften ab. Seit vierhundert Jahren reisten sie nun schon an Bord der PROMETHEUS von der Erde zum vierten Planeten von LEONIS ß, einen weiß leuchtenden Stern der Spektralklasse A3 im Sternbild des Löwen, sechsunddreißig Lichtjahre von der Erde entfernt. Für diesen langen Zeitraum war dieser gigantische, von Fusionstriebwerken auf ein Zehntel Lichtgeschwindigkeit beschleunigte Koloniekreuzer ihr Zuhause gewesen. Und doch hatten sie keinen besonderen Bezug zu dem Schiff aufgebaut, da ihnen die Reise aufgrund des langen Kälteschlafs wie eine mehrwöchige Kreuzfahrt vorgekommen war. Die Motivation diese aufwendige Mission durchzuführen, gründete nicht alleine auf reinem Forscherdrang. Die Nord- und die Südallianz kooperierten zwar schon seit Jahrzehnten eng miteinander, die Spannungen zwischen beiden Parteien nahmen jedoch langsam, aber stetig, zu. Ursachen gab es viele. Vor allem aber das außer Kontrolle geratene Wachstum der Weltbevölkerung und die damit verbundene Knappheit an Rohstoffen und Nahrungsmitteln machte das friedliche Zusammenleben auf der Erde immer schwieriger. Das Leonis-Projekt stellte wahrscheinlich die letzte Chance für die Menschheit dar, dauerhaft zu überleben – wenn auch nicht auf der Erde. Miller erinnerte sich an seine Bewerbung für diese Mission, die monatelangen physischen und psychischen Tests, das schier endlos wirkende Auswahlverfahren. Das Projekt durfte nicht scheitern.
„Langweilt sie unser Vorhaben, Dr. Miller?“ fragte Svensson plötzlich. Miller zuckte zusammen und hätte fast sein Notepad fallen gelassen. Liz kicherte leise, während die anderen am Tisch weiter bemüht waren, den leeren Videoschirm anzustarren. Svensson warf Liz einen Blick zu, der einen Fusionsreaktor zum Erliegen gebracht hätte, worauf sie augenblicklich ihren kleinen Ausbruch an Heiterkeit unterdrückte.
„Sind sie mit dem ersten Teil fertig, Mr. Cohan?“ fragte Svensson.
„Ja, Sir.“
„Schön, fahren sie bitte fort. Ich denke, dass das was Mr. Cohan uns jetzt berichten wird, dürfte jeden der hier Anwesenden interessieren, sie eingeschlossen verehrter Dr. Miller.“
Svenssons Augen funkelten bedrohlich durch das Halbdunkel in Millers Richtung.
Danke für den Arschtritt, Sir, dachte Miller. Aus Culps Richtung, drang ein leises Grunzen zu ihm herüber.
Cohan blickte auf sein Notepad und setzte seine Ausführungen fort. „Vor einigen Stunden haben wir im Rahmen einer Standardroutine einen CERBERUS auf die Planetenoberfläche geschickt, um erste Daten von dort zu erhalten. Die Zielkoordinaten lagen dort, wo aufgrund unserer bisherigen Analysen die Errichtung unseres ersten Stützpunktes erfolgen sollte.“ Er kratzte sich kurz am Kopf. „Was sie jetzt gleich sehen werden, ist eine Videoaufzeichnung, die der CERBERUS unmittelbar nach seiner Landung aufgenommen hat.“
Svensson betätigte einen weiteren Schalter in der Tischplatte, woraufhin auf dem Bildschirm eine Videoaufzeichnung startete. Miller kniff unbewusst die Augen zusammen, denn die Bildwiedergabe war sehr schlecht, was nicht an der mangelhaften Qualität der optischen Sensoren des Roboters, sondern an den Wetterbedingungen auf dem Planeten lag. Als der CERBERUS die Bilder aufnahm, schien ein Sandsturm um ihn herumgetobt zu haben. Miller erkannte eine trostlose Wüstenlandschaft. Auf dem Bildschirm breitete sich eine mit Steinen und Felsbrocken übersäte Ebene aus. Einige dieser Felsen waren größer als die Landefahrzeuge, die in den Hangars der PROMETHEUS auf ihren Einsatz warteten. Sie lagen willkürlich über die Fläche verteilt, so als ob ein Riese sie aus seinem Rucksack verloren hätte. Die Erde dazwischen war durch die Trockenheit in gebogene Polygone zerrissen. Miller stellte sich den mannshohen, einer Spinne ähnelnden, Landeroboter vor, wie er versuchte, sich einen Weg durch das unwegsame Gelände und den Sturm zu bahnen. Die Karbon-Zirconium-Legierung, aus der er bestand, galt als praktisch unzerstörbar. Miller begann sich zu fragen, warum Cohan ihnen diese Videoaufzeichnung vorführte. Seit Minuten war auf dem Bildschirm nichts aufgetaucht, was auch nur ansatzweise von Interesse gewesen wäre. Doch dann wurde sein Zweifeln abrupt beendet. Aus den Schwaden des Sandsturmes tauchten plötzlich gezackte Umrisse auf. Sie konnten nicht weit vom CERBERUS entfernt sein, denn die Sichtweite betrug maximal fünfzig Meter.
„Mein Gott Sean“, flüsterte ihm Liz von der Seite zu. „Das da sieht aus wie der Rest einer Mauer. Und dort in der Mitte, diese rechteckigen Öffnungen? Wofür hältst du das?“
„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen Ruinen.“ Erwiderte er leise „aber das kann nicht sein. Außerdem ist die Bildqualität viel zu schlecht. Es könnte sich auch um eine Felsformation handeln.“
„Kann es nicht sein oder darf es nicht sein?“
Miller war sich darüber plötzlich selbst nicht im Klaren. In dem Moment leuchtete auf dem Bildschirm ein grüner Blitz auf. Liz und Miller betrachteten erschrocken die Aufzeichnung. Noch ein Blitz. Die Intensität des Sandsturms nahm mit einem Mal dramatisch zu. Durch das Rauschen in der Übertragung war kaum noch etwas zu erkennen. Dann wurde der Bildschirm schwarz, bis auf einen weißen Balken in der Mitte, der sich zum Zentrum hin zu einem gleißenden Punkt zusammenzog. Nach ein paar Sekunden erlosch auch dieser. Der CERBERUS hatte die Aufzeichnung abgebrochen.
Das Licht ging wieder an, doch gleichzeitig schien jedes Geräusch aus dem Raum gewichen zu sein.
„Was halten sie davon?“ durchbrach Svensson die Stille und blickte dabei in die Runde.
Miller versuchte eine bequemere Sitzhaltung einzunehmen. „Mr. Cohan, haben sie seit der Aufzeichnung wieder Kontakt zum CERBERUS herstellen können?“
„Nein, bisher nicht.“
Miller beugte sich etwas vor. „Haben sie eine Ahnung, was den Ausfall des Roboters verursacht haben könnte?“
„Auch hier muss ich passen. Wir sind immer noch dabei das Datenmaterial zu analysieren, das der CERBERUS gesendet hat“, Cohan blickte zu Svensson. „Leider sind die Daten nicht besonders ergiebig. Ich fürchte wir werden daraus keine weiteren Erkenntnisse gewinnen können.“
„Was ist mit diesen seltsamen Strukturen, die kurz zu sehen waren? Wenn sie mich fragen, sah das nach einem Ruinenfeld aus. Können sie wenigstens darüber etwas Genaueres sagen.“ fragte Culp.
„Ich muss mich wiederholen, Dr. Culp. Wir arbeiten daran“, antwortete Cohan gereizt.
Culp sprang von seinem Stuhl auf. „Ja aber … wie können sie alle nur so ruhig auf ihren Stühlen sitzen. Sind sie sich denn nicht über die fantastischen Konsequenzen im Klaren. Ich meine, sollten das da unten tatsächlich Ruinen sein, dann wäre das ...“
„Dr. Culp, sollte, wäre ... Wir wissen doch noch überhaupt nichts Genaueres.“ sagte Miller. „Wir könnten es genauso gut mit einem natürlichen Phänomen zu tun haben. Das Bildmaterial ist viel zu schlecht, um verlässliche Aussagen treffen zu können.“
„Es waren Ruinen!“ blaffte Culp. „Wer von uns beiden ist hier der Fachmann für Altertumsforschung, Dr. Miller? Sie oder ich? Ich habe im Laufe meiner Karriere schon hunderte derartiger Strukturen gesehen. Es waren Ruinen.“
„Das können sie eben nicht mit letzter Sicherheit sagen“, konterte Miller. „Wenn sie ein seriöser Wissenschaftler sein wollen, dann …“
Plötzlich schlug Svensson mit der flachen Hand so heftig auf den Tisch, dass alle Gegenstände, die darauf lagen in die Höhe sprangen. „Ruhe jetzt!“ bellte er. „Alle beide. Und sie setzen sich wieder hin Dr. Culp!“ Er musterte beide mit einem eisigen Blick. Miller zuckte zusammen. Einen derartigen Ausbruch war er von ihrem Captain nicht gewohnt.
Svensson atmete tief ein und lehnte sich zurück. „So kommen wir nicht weiter, meine Herren“ seine Stimme klang jetzt wieder kontrolliert. „Wir müssen handeln. Es sind zwei Dinge zu klären. Erstens, was hat den CERBERUS außer Gefecht gesetzt. Zweitens, worum handelt es sich bei den merkwürdigen Strukturen, die der Roboter entdeckt hat.“
Millers Magen schien sich zu einem Knoten zusammenzuballen. Das Gefühl war bei ihm ein verlässlicher Vorbote, wenn sich unangenehme Entwicklungen anbahnten.
„Wir werden ein Team auf die Planetenoberfläche schicken, das den Fragen auf den Grund gehen wird“, fuhr Svensson fort.
„An wen, äh, haben Sie denn dabei gedacht ...“, fragte Miller unsicher, obwohl er die Antwort eigentlich schon wusste.
„An Sie Dr. Miller, unter anderem an Sie. Lieutenant Maxwell wird die Leitung des Teams übernehmen. Dr. Miller, Dr. Conelly und Dr. Culp sind für den wissenschaftlichen Teil verantwortlich. Zusätzlich wird sie noch einer von Lieutenant Maxwells Männern begleiten“, Svensson musterte jeden in der Runde mit einem durchdringenden Blick.
„Wann werden wir starten, Captain“, fragte Liz, deren Hautfarbe einen ungesunden Graustich angenommen hatte.
Svensson legte die Hände auf den Tisch und richtete sich in seinem Stuhl auf. „In einer Stunde. Dort wo der Landeplatz des CERBERUS liegt, herrscht noch für ein paar Stunden Tageslicht. Das müssen wir ausnutzen. Also finden sie den Roboter und klären Sie die Sache auf. Der Erfolg der Mission könnte von Ihnen abhängen, das ist Ihnen doch wohl allen klar?“
Sonnenklar, dachte Miller. Er hatte sich zwar immer gewünscht den Planeten als einer der Ersten zu betreten, aber nicht unter solchen Umständen. Eine innere Stimme flüsterte ihm unablässig zu, dass wesentlich mehr hinter dem Ausfall des CERBERUS steckte, als ein gewöhnlicher Sandsturm. Etwas weitaus Gefährlicheres.

Seit einer viertel Stunde saßen sie bereits in dem schwer gepanzerten Geländewagen. Maxwell hatte das Shuttle bewusst in einiger Entfernung von der Kapsel des CERBERUS landen lassen. Er sagte etwas davon, dass er das Risiko möglichst gering halten wolle, was Millers Abenteuerlust nicht sonderlich förderlich war. Sie durchquerten eine Ebene zu der Stelle, wo ein Peilsignal die Position der leeren Kapsel anzeigte. Das Heulen des Hochleistungs-Elektromotors war das Einzige, was zu hören war. Die stickige Luft im Fahrzeug roch nach Metall und heißem Synthetiköl. Niemand sprach ein Wort. Sergeant Banks, einer von Maxwells Leuten, saß am Steuer. Ein stiernackiger Koloss, dessen Narben im Gesicht von unzähligen Kämpfen und Toden zeugten. Maxwell saß neben ihm auf dem Beifahrersitz. Miller und die anderen drei hatten sich im Fond des Fahrzeuges, fest an ihre Schalensitze geschnallt. Liz saß in der Mitte, Miller und Culp jeweils links und rechts daneben.
Miller schaute aus dem kleinen Fenster neben seinem Sitz. Durch die dünne, bleigraue Wolkendecke viel ein diffuses Licht, das keine Schatten gebar. Der Sturm hatte mittlerweile nachgelassen. Die Sicht war aber immer noch schlecht, da ein kräftiger Wind blies, der Billiarden von Staubpartikeln daran hinderte, einen Ruheplatz am Boden zu finden. Am Horizont glaubte Miller schemenhafte Hügelketten ausmachen, die den Rand der Ebene markierten. Die tote, staubige Einöde, die an den Fenstern vorbeizog, hatte sich seit Beginn der Fahrt nicht verändert. Der Wagen schaukelte wie wild bei der Fahrt durch das Gelände, das viel unwegsamer war, als sie vermutet hatten. Im Minutentakt setzten sie mit einem metallischen Knall auf einem großen Felsbrocken auf, was so klang, als würde ein Riese mit einem Hammer auf das Fahrzeug einschlagen. Miller kam es so vor, als würde die Zeit im Schneckentempo dahin kriechen. Er konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass sie mit jedem Meter einer tödlichen Gefahr entgegenfuhren. Die Verkrampfung in seiner Magengegend wurde von Minute zu Minute unangenehmer.
„Wann werden wir die Kapsel erreichen, Lieutenant?“ fragte Miller.
Wichtiger als dessen Antwort war ihm die Möglichkeit seine düsteren Gedanken zu zerstreuen.
Maxwell betrachtete das Peilgerät, dass er seit Beginn der Fahrt in der Hand hielt und auf dem unablässig ein roter und ein weißer Punkt blinkten. Er drehte sich so gut es der fest sitzende Sicherheitsgurt zuließ zu Miller um.
„Nur noch ein paar Minuten“, erwiderte Maxwell, wobei er ihn mit einem mitleidigen Blick musterte. “Wir haben es gleich geschafft, Doktor.“
„Haben Sie schon einen Plan, wie wir vorgehen werden?“ fragte Liz sichtlich nervös und etwas grün im Gesicht.
„Sie werden mir doch nicht seekrank, Dr. Conelly?“ Über Maxwells Gesicht schien ein kurzes Lächeln zu huschen. „Sobald wir die Kapsel gefunden haben, fahren wir zu den Koordinaten, von wo aus der CERBERUS zum letzten Mal gesendet hat.“
„Wie weit ist das?“ fragte Miller.
„Circa eine Meile. Luftlinie allerdings.“
Zehn Minuten später tauchte schräg vor ihnen, in etwa hundert Metern Entfernung, die Kapsel hinter einem großen Felsen auf. Sie fuhren bis auf wenige Meter heran und hielten längsseits, sodass Miller von seinem Fenster aus einen ungehinderten Blick darauf werfen konnte. Die metallisch schimmernde, vier Meter hohe Kugel, stand auf ihren drei Landefüßen und sah völlig unversehrt aus. Abgesehen von den hitzebedingten Verfärbungen an der Unterseite, die vom Eintritt in die Atmosphäre herrührten. Die Luke, deren Klappe gleichzeitig als Rampe für den CERBERUS gedient hatte, stand immer noch offen. Dahinter gähnte die Schwärze des Kapselinneren, in der Miller absolut nichts erkennen konnte.
„Fahren wir weiter“, sagte Miller zu Banks, der daraufhin den Motor wieder anließ.
„Wollen wir nicht aussteigen?“ fragte Liz.
Maxwell antwortete, ohne sich umzudrehen. „Wozu? Wir müssen den CERBERUS finden und uns läuft allmählich die Zeit davon. Hier gibt es nichts mehr zu sehen.“
Fünf Minuten später stoppte Banks abrupt den Wagen, nachdem Maxwell ihm ein Zeichen gegeben hatte. Maxwell schaltete den Bildschirm ein, der an der Decke vor der Frontscheibe angebracht war; das Bild zeigte einen Ausschnitt der Wüstenlandschaft.
„Was ist los, Lieutenant? Haben sie etwas Interessantes gesehen?“ fragte Miller, der die ganze Zeit aus seinem Fenster gestarrt hatte.
„Könnte sein. Ich möchte mal ein Blick durch die Hochleistungsoptik auf dem Dach werfen.“
Maxwell drehte an einem Regler auf dem Armaturenbrett, woraufhin der Bildausschnitt langsam nach rechts wanderte. Als das Bild stehen blieb, hielten alle erschrocken den Atem an.
„Um Gottes willen, was ist das denn?“ Culps Stimme klang etwas hysterisch.
„Sieht aus wie ein ... Tornado“, sagte Miller, mehr zu sich selbst als zu den anderen.
„Ja, aber ein merkwürdiger Tornado“, wandte Liz ein. „Ich sehe keine Gewitterwolken und er scheint sich auch nicht von der Stelle zu bewegen.“
Maxwell studierte kurz die Anzeige auf seinem Peilgerät. „Tja, und es befindet sich ziemlich genau da, wo wir hin wollen.“
Miller betrachtete das Bild auf dem Monitor. Durch den Staub in der Luft war die Aufnahme verschwommen. Aber das was er sah, ließ ihm einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen. In der Mitte des Bildes war ein riesiger blauschwarzer Trichter zu sehen, der sich mit einer ungeheuren Geschwindigkeit um seine eigene Achse drehte. Das Gebilde war mindestens hundert Meter hoch.
„Ich möchte Sie jetzt alle bitten die Helme ihrer Schutzanzüge aufzusetzen und mit ihren Sauerstoffgeräten an ihren Gürteln zu verbinden. Und vergessen Sie nicht die Kommunikationssysteme in Ihren Helmen einzuschalten“, durchbrach Millers Stimme das angespannte Schweigen, das für einen Moment eingetreten war.
„Wieso das denn?“ fragte Culp. „Soviel ich weiß ist die Atmosphäre auf dem Planeten doch hundertprozentig atembar.“
„Ja, das ist richtig“ sagte Maxwell. „Aber nicht alle Analysen der Atmosphäre sind bisher abgeschlossen worden, vor allem nicht die Bakteriologischen. Betrachten Sie es als reine Vorsichtsmaßnahme, für den Fall, dass wir das Fahrzeug schnell verlassen müssen.“
Culp verzog sein Gesicht, befolgte dann aber Maxwells Anweisungen, wie die anderen.
Das Fahrzeug setzte sich wieder in Bewegung und Maxwell schaltete zusätzlich zu der Dachkamera die Außenmikrofone an. Das Heulen des Windes erfüllte plötzlich die Kabine – und noch ein anderes Geräusch. Für Miller hörte es sich an, wie ein Kreischen, das jedoch vom Windgeräusch überlagert wurde. Vielleicht eine Störung, dachte Miller. Mit dem Einschalten des Außenmikrofons schien die Temperatur in der Kabine um zwanzig Grad gefallen zu sein. Sie fuhren minutenlang geradewegs auf das Zielgebiet zu. Mittlerweile konnte Miller den Wirbel deutlich durch die Frontscheibe erkennen. Er war gigantisch. Das Kreischen war inzwischen so stark angeschwollen, dass es die Windgeräusche übertönte. Miller war sich jetzt sicher, dass es vom Wirbel erzeugt wurde; er bekam eine Gänsehaut davon. Maxwell schaltete den Bildschirm und die Mikrofone aus und drehte sich zu den drei Wissenschaftlern um. „Wir werden jetzt so nah wie möglich an den Wirbel heranfahren. Ich gehe davon aus, dass wir den CERBERUS dort irgendwo in seiner Nähe finden werden.“
Und wenn nicht wäre mir das auch sehr recht, dachte Miller. Er wäre am liebsten aus dem Fahrzeug gesprungen und zurück zum Shuttle gerannt. Liz neben ihm schien ähnliche Gedanken zu hegen. Als sie noch zweihundert Meter von dem Wirbel entfernt waren, tauchte vor ihnen plötzlich etwas aus dem Dunst auf, das sie alle kurz das Atmen vergessen ließ. Hinter einer Felsengruppe erschienen dieselben gezackte Strukturen, die sie schon einige Stunden zuvor bei der Videoaufzeichnung im Konferenzraum gesehen hatten. Nur diesmal gab es für Miller keinen Zweifel mehr – das, was dort vor ihnen aus dem Wüstensand herausragte, waren die Reste alter Gebäude.
Culp reagierte zuerst. „Das sind Ruinen, ich habe es von Anfang an gewusst. Es sind Ruinen. Glauben sie mir jetzt Dr. Miller?“ er warf Miller einen Blick zu, so als hätte er soeben den Nobelpreis verliehen bekommen.
Auch das noch, dachte Miller und verdrehte die Augen.
In der Nähe der Felsengruppe hielt Banks das Fahrzeug an. Der diffuse Schatten des Wirbels fiel auf den Wagen. Als sei es so abgesprochen worden, ertönte in diesem Moment ein Signal, dass eine Nachricht von der PROMETHEUS ankündigte. Maxwell schaltete den Com-Kanal ein und eine Sekunde später erfüllte Captain Svenssons Stimme die Kabine des Fahrzeugs.
„Außenteam ... Lieutenant Maxwell können Sie mich hören?“
„Ja, Sir, die Übertragung ist sehr gut“, antwortete Maxwell, während er durch die Seitenscheibe den Wirbel beobachtete.
Eine kurze Pause trat ein.
„Brechen Sie die Mission unverzüglich ab“, war Svenssons energische Stimme jetzt zu hören. „Hören Sie Lieutenant, das ist ein Befehl.“
„Aber Sir, wir haben den CERBERUS noch nicht gefunden.“
„Der CERBERUS ist nicht mehr wichtig. Kommen Sie sofort zurück.“
„Sir, bei allem Respekt, darf ich den Grund für den Abbruch unserer Mission erfahren?“ fragte Maxwell irritiert.
Im Hintergrund war kurz die Stimme von Cohan zu hören. Dann sprach wieder Svensson. „Ja, natürlich. Cohan und seine Team haben nach der Auswertung der neuesten Daten festgestellt, dass es in bestimmten Regionen auf dem Planeten eine große Ansammlung von Wirbeln gibt, deren Ursache wir uns nicht erklären können.“
„Ich weiß was sie meinen, Sir“ erwiderte Maxwell „wir stehen direkt unter einem.“
„Was ... ?“ Zum ersten Mal seit Miller den Captain kennen gelernt hatte, nahm er in dessen Stimme einen Anflug von Panik war. „Verdammt! Sehen sie zu, dass sie von dort verschwinden. Wir gehen davon aus, dass einer der Wirbel den CERBERUS zerstört hat.“
Noch einmal trat eine kurze Pause ein.
„Also Maxwell, kommen sie zurück. Wir ändern jetzt unsere Vorgehensweise. In drei Stunden beginnen wir mit einer Bombardierung der betreffenden Regionen. Wir werden Gamma-Bomben einsetzen, sie wissen, was das bedeutet. Sollten Sie bis dahin nicht wieder zurück sein, muss ich davon ausgehen, dass sie es nicht geschafft haben. So lange auch nur einer dieser Wirbel da unten noch existiert, werden wir kein weiteres Team auf den Planeten schicken. Viel Glück – over“.
Die Verbindung brach ab und Millers Herz rutschte endgültig unter die Gürtellinie. Doch im nächsten Moment war er auch erleichtert. Endlich kehrten sie um, er hatte genug von diesem Ausflug.
„Banks, sie haben den Befehl des Captains gehört. Kehren wir um“, sagte Maxwell. Auch er schien alles andere als enttäuscht darüber zu sein.
Banks wollte gerade wieder den Motor anlassen, als Culp plötzlich aufschrie. „Nein, niemals! Das Bombardement würde alle Artefakte hier zerstören; das lasse ich nicht zu!“ Er schloss sein Helmvisier, öffnete blitzschnell mit der einen Hand die Schnallen seiner Sitzgurte und entriegelte mit der anderen Hand die Fahrzeugluke auf seiner Seite. Bevor die anderen reagieren konnten, war er bereits aus dem Wagen gesprungen und rannte auf die Ruinen zu.
„Culp!“ brüllte Maxwell. „Lassen sie den Blödsinn, kommen Sie zurück. Das ist ein Befehl.“
„Nein. Es ist noch genügend Zeit. Vorher werde ich die Ruinen eingehend untersuchen.“
„Wir lassen Sie zurück, wenn Sie nicht auf der Stelle umkehren!“
„Das tun Sie nicht“ höhnte Culp.
Miller konnte das Knirschen von Maxwells Zähnen beinahe hören.
„Ok, alle raus“ zischte der Lieutenant. „Wir müssen den Kerl wieder einfangen.“
„Wie bitte?“ Miller kam es so vor, als hätte man ihm gerade befohlen, aus einem fahrenden Zug zu springen.
„Raus, sofort!“ brüllte Maxwell. „Wir suchen Schutz hinter den Felsen. Dann versuchen wir diesen Idioten wieder einzufangen.“
Sie öffneten die restlichen Luken, sprangen aus dem Fahrzeug und rannten zu den Felsen. Das Kreischen des Wirbels war so laut, dass es bereits physisch zu spüren war. Jeder suchte sich eine Felsnische, um darin Deckung zu finden. Danach drehten sie alle die Empfindlichkeit der Außenmikrofone an den Helmen herunter; der Lärm wäre sonst unerträglich gewesen. Miller wurde übel, sein Schädel war kurz davor zu zerspringen.
Links neben ihm hockte Maxwell, rechts, in einer Ausbuchtung der Felsen kniete Liz. Etwas weiter entfernt, hinter Liz, ging Banks mit einem Impuls-Plasma-Werfer in Stellung und überprüfte die Aufladung an dessen Energieanzeige. Diese berüchtigten Waffen waren ohne weiteres in der Lage, einen Panzer auf der Stelle zu atomisieren, das wusste sogar Miller.
Maxwell löste seinen Trilinear-Scanner vom Gürtel, hob den Kopf über die Felskante direkt vor ihm und beobachtete durch das Gerät das Ruinenfeld und den Wirbel.
„Was sehen Sie, Lieutenant?“ fragte Miller aus seiner Deckung heraus.
„Ruinen. Das hier muss mal so was wie eine Siedlung gewesen sein.“ Er machte eine kurze Pause. “Das Gerät zeigt mir einen Abstand von siebzig Metern bis zum Wirbel an. Fünfzig Meter links vom Wirbel steht der CERBERUS. Sieht übel aus. Man könnte meinen das Ding hätte hundert Jahre lang in einem Sandsturm gestanden.“
„Oh Gott“ sagte Liz bestürzt. „Was ist mit Dr. Culp? Können sie ihn irgendwo entdecken?“
„Ja, er läuft vor dem Wirbel zwischen den Ruinen herum.“ Er kniete sich neben Miller hin und reichte ihm den Scanner. „Aber das merkwürdigste von allem habe ich noch gar nicht erwähnt. Schauen sie selbst, Doktor“.
Die wissenschaftliche Neugier in Miller überwand die Angst, die ihn bis zu diesem Moment beinahe gelähmt hatte; er war selbst davon überrascht. Er hob seinen Kopf aus der Deckung, setzte den Scanner vor sein Helmvisier und blickte hindurch. Er musste sich kurz orientieren, denn das Display war angefüllt mit wechselnden Zahlenkolonnen und Diagrammen. Doch dann sah er, direkt unter dem Zentrum des Wirbels, einen rund fünf Meter hohen Zylinder stehen. Die Oberfläche schimmerte perlmuttartig, wie das Innere einer Muschelschale. So etwas hatte Miller noch nie zuvor gesehen. Der Zylinder war eindeutig die Quelle des Wirbels. Er zoomte das Objekt noch näher heran. Er erkannte Schriftzeichen auf der Oberfläche, doch er konnte sie nicht entziffern, weil sie größtenteils auf der ihm abgewandten Seite angebracht waren. Miller setzte den Scanner ab und überblickte die nähere Umgebung. Jetzt entdeckte er Culp, der wie ein Wiesel zwischen den Ruinen umherhuschte und sich dabei Notizen machte.
Miller wollte gerade Maxwell etwas zu sagen, doch er kam nicht mehr dazu.
So unvermittelt wie ein Gewitterblitz, leuchtete plötzlich ein gleißendes Licht auf der Oberseite des Zylinders auf und ein grüner Lichtstrahl erfasste Culp. Der blieb wie angewurzelt stehen.
„Verdammt was ist das?“ stammelte er. Seine Angst war nicht zu überhören.
“Was ist los, Doktor?“ rief Maxwell in sein Helmmikrofon.
„Keine Ahnung, das Ding hat mich irgendwie anvisiert. Ich spüre den Strahl aber gar nicht. Er ist nicht mal warm. Möchte mal wissen ...“
“Ein Leitstrahl zur Zielerfassung “sagte Maxwell leise, jedoch laut genug, dass die anderen ihn hören konnten. Dann schrie er “laufen Sie Culp, gehen sie in Deckung, versuchen Sie von dem Strahl wegzukommen!“
“Wieso, aber ich ...“ Es sollten die letzten Worte sein, die sie von dem Wissenschaftler hörten. Er rührte sich noch immer nicht, starr vor Angst. Dafür passierte etwas mit dem Wirbel. Zuerst schwoll der Lärm weiter an. Außer Miller hatten mittlerweile auch die anderen drei die Köpfe aus ihrer Deckung gehoben. Ein rhythmisches Pulsieren durchlief den Wirbel. Plötzlich löste sich eine schwarze Wolke vom Hauptwirbel und raste, dem grünen Leitstrahl folgend, auf Culp zu. Der konnte sich endlich aus seiner tödlichen Starre befreien und versucht sich in Sicherheit zu bringen, aber er hatte keine Chance mehr. Als ihn die Wolke erreichte, wurde er von ihr augenblicklich umhüllt. Ein paar Sekunden Später begannen seine Schreie. Wortfetzen, ersticktes Gurgeln und Schluchzen. Die Wolke bewegte sich noch ein paar Meter mit ihm weiter, als sein Körper versuchte sich aus der Gefahr zu schleppen. Die letzten Überlebensinstinkte in seinen Nervenzellen trieben ihn noch voran.
In diesem Moment wurde Banks aktiv. Er kam aus seiner Deckung hervor, legte seinen Impuls-Phasen-Werfer an und zielte auf den Zylinder.
„Nein, Banks, verdammt nein ...“, schrie Maxwell, doch Banks hatte bereits abgedrückt. Ein die Netzhaut versengender Strahl schoss aus der Waffe und traf den Zylinder – jedoch ohne Wirkung. Banks feuerte noch einmal, wieder nichts. Er hatte das Spiel verloren, sein vermeintlicher Trumpf war verpufft. Der Zylinder erfasste ihn mit seinem Leitstrahl. Genau in diesem Moment war von Culp ein letzter animalischer Schrei zu hören und zusammen mit seinem leblosen Körper sackte auch die Wolke in sich zusammen. Eine zweite Wolke trennte sich vom Hauptwirbel und schoss auf Banks zu, der sofort in Deckung ging. Die anderen drei schauten gebannt zu ihm hinüber. Durch den schützenden Felsen konnte ihn der Zylinder nicht mehr direkt anpeilen. Miller spürte, wie Hoffnung in ihm aufkeimte, doch im nächsten Augenblick wurde daraus blankes Entsetzen. Banks wurde mit einem Schlag von der zweiten Wolke eingehüllt. Er schrie gellend auf und durch den Partikelsturm hindurch sahen sie ihn verzweifelt mit den Armen rudern. Dann sprang er auf und versuchte zum Fahrzeug zu rennen. Die Wolke wurde dabei durchsichtiger. Miller erkannte sofort den Grund dafür und er hätte sich beinahe in seinen Helm übergeben. Tausende von Partikeln hatten sich durch unzählige kleine Löcher einen Weg in das Innere des Schutzanzuges gebahnt und vielen nun über Banks Körper her. Dünne Rinnsale aus Blut ergossen sich aus den winzigen Öffnungen. Er schrie nicht, man hörte nur ein asthmatisches Röcheln, während seine Schritte immer kürzer wurden. Schließlich blieb er stehen und drehte sich zu den anderen um. Hinter der Scheibe seines Helms tobte ein Schneesturm – aber der Schnee war rot. Banks Gesicht, oder das, was von ihm übrig geblieben war, konnte Miller nicht mehr erkennen. Der Sergeant sackte auf die Knie, verharrte so eine Sekunde und viel dann nach vorne über, um sich nie wieder zu bewegen.
Sofort danach löste sich der Leitstrahl von dem Leichnam, durchschnitt die Luft und peilte das nur wenige Meter entfernt stehende Fahrzeug an. Sekunden später schoss eine dritte Wolke auf den Wagen zu und hüllte ihn ein. Miller zog sie Luft ein. Innerhalb weniger Augenblicke schien der gepanzerte Transporter regelrecht verdaut zu werden. Die Scheiben wurden milchig, sämtliche Lackierungen verschwanden und blank poliertes Metall kam zum Vorschein. Die Kanten der Metallpanzerung rundeten sich immer stärker ab; danach begannen die ersten Schweißnähte aufzubrechen. Zwanzig Sekunden später lag nur noch ein glänzender Haufen Schrott vor ihnen im Wüstensand. Jetzt wussten sie, welches Schicksal wenige Stunden zuvor den CERBERUS ereilt hatte.
Miller saß da wie gelähmt, mit dem Rücken an einen Felsen gelehnt und konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Er schaute zu Liz hinüber, die in ihrer Felsnische kauerte. Ihr schien es nicht anders zu gehen. Nur Maxwell, der zwischen ihnen hockte, hatte seine Nerven anscheinend noch im Griff.
„Dr. Miller!“ rief er und schüttelte Miller so heftig, dass der fast mit dem Helm gegen den Felsen gestoßen wäre. „Dr. Miller!“ das Rauschen in Millers Ohren ebbte allmählich ab.
“Ja ...?!“
Maxwell hielt ihm ein Kästchen hin, das er vorher von seinem Gürtel losgeschnallt hatte. Miller erkannte darauf mehrere kleine Dioden und ein Display.
„Wissen sie, was das ist?“ fragte Maxwell.
„Nein“, Millers Stimme zitterte.
Er sah mit Entsetzen, wie der grüne Leitstrahl über sie hinweg die Umgebung abtastete.
„Das ist ein Omega-Quanten-Detonator“, fuhr Maxwell fort und drückte Miller das Kästchen mit Nachdruck in die Hand „Hören sie mir beide jetzt genau zu. Wir haben vermutlich nur noch diese eine Chance.“ Seine Stimme war durch den Lärm des Wirbels kaum noch zu verstehen. Miller spürte, wie sich kalter Schweiß auf seiner Stirn sammelte und in seine Augen zu laufen drohte.
“Passen sie auf, wir gehen folgendermaßen vor.“ Ich werde versuchen, die Zielerfassung des Zylinders abzulenken. Ich weiß zwar nicht ob es funktionieren wird, aber es könnte klappen.“
“Wozu?“ fragte Miller.
“Ganz einfach. Ich versuche ihnen die Sekunden zu verschaffen, die sie benötigen werden, um den Detonator an dem Zylinder anzubringen.“
“Was ...? Ich soll ... nein Maxwell, das klappt niemals. Ich bin Wissenschaftler und kein Sprengstoffexperte.“
“Dann werden sie jetzt ganz schnell einer. Wir haben keine andere Wahl, Doktor.“ Maxwell deutete auf das Kästchen in Millers Hand.
„Es ist kinderleicht. Der Detonator ist selbst haftend. Sobald er den Kontakt mit der Oberfläche hergestellt hat, wird automatisch der Countdown aktiviert. Er ist auf dreißig Sekunden eingestellt.“
“Dreißig Sekunden, soll das ein Witz sein?“ schnaubte Miller und sah Maxwell mit großen Augen an.
„Mehr Zeit wird er ihnen nicht lassen.“ Maxwell richtete seinen Blick auf Liz. „Dr. Conelly, Sie versuchen das Shuttle zu erreichen. Kommen Sie danach wieder hier her und holen Sie uns ab. Aber nur, wenn sie den Wirbel nicht mehr sehen können.“ Liz antwortete nicht, nickte Maxwell aber zu.
„Also sind sie beide bereit?“ Jeder hörte, wie die anderen noch einmal kräftig durchatmeten. Liz berührte Miller am Arm. Durch die Helmscheiben hindurch sah er ihr noch einmal in die Augen “Viel Glück“, flüsterte sie. Auf ihrer Wange glitzerte eine Träne.
„Dann los!“ rief Maxwell und sprang auf. Er lief in geduckter Haltung zu der Stelle zwischen den Felsen, wo Banks die Waffe fallen gelassen hatte. Miller musterte noch einmal den Sprengsatz in seiner Hand. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Liz sich vorsichtig davonschlich. Maxwell hatte jetzt das Gewehr aufgehoben, sprang aus der Deckung und begann im Laufen gezielte Feuerstöße auf den Zylinder abzugeben. Geschmeidig wie ein Panther schlug er dabei immer wieder Haken. Es funktionierte. Der Zylinder hatte Schwierigkeiten ihn mit seinem Strahl zu erfassen. Das war Millers Startsignal. Er riss seinen ganzen verbliebenen Mut zusammen, sprang auf, kletterte über die Felsen und rannte direkt auf den Zylinder zu. Er hatte siebzig Meter zu überwinden und das auch noch in unwegsamem Gelände. Er rannte. Nur nicht stolpern, sonst war’s das, dachte er. Er sprang wie ein Hürdenläufer über Felsen und Mauerreste, wich scharfen Vorsprüngen aus, die dort überall herausragten. Noch dreißig Meter. Miller begann zu schwitzen. Sein Helmvisier fing an zu beschlagen und brennender Schweiß lief ihm in die Augen. Er rannte weiter. Zehn Meter. Noch immer hatte ihn der Zylinder nicht erfasst. Er hörte, wie sein Atem zu rasseln anfing, die Ausrüstung schien Tonnen zu wiegen. Über ihm türmte sich, der Wirbel auf, wie ein Zyklop. Geschafft! Er war da. Zeit zum Nachdenken hatte er nicht. Miller befestigte den Detonator an der Außenwand des Zylinders, sah, wie sich der Countdown auf dem Display einschaltete, drehte sich um und rannte um sein Leben. Er nahm alles nur noch verschwommen wahr, wodurch er Mühe hatte, den Hindernissen vor ihm auszuweichen. In seinem Helmmikrofon hörte er halb im Unterbewusstsein Maxwell voller Panik schreien. Er lief weiter und weiter und ... stolperte.
Miller fiel kopfüber in eine rund einen Meter tiefe Grube, die er hinter einem Mauervorsprung übersehen hatte. Er landete flach auf den Bauch und schlug mit dem Helm gegen einen Stein. Gerade als er sich wieder aufrappelte, um aus dem Loch zu klettern, wurde die Gegend um ihn herum in gleißendes Licht getaucht und die Druckwelle einer gewaltigen Detonation schleuderte ihn wieder zurück auf den Boden der Grube. Trümmer und Erde vielen auf ihn herab. Beerdigung inklusive, war Millers letzter Gedanke, dann umfingen ihn die dunklen Schwingen der Ohnmacht und er schloss die Augen.

Das Erste was er sah, als er das Bewusstsein wieder erlangte, war ein winziger Lichtstrahl, der in seinen Helm fiel. Miller lag auf dem Bauch und hatte den Kopf zur Seite gedreht. Die Elektronik in seinem Helm war vollständig ausgefallen. Da auch die Zeitanzeige davon betroffen war, konnte er nicht sagen, ob er fünf, zehn oder dreißig Minuten so da gelegen hatte. Er erinnerte sich wieder daran, wie er von Schutt begraben wurde und begann sich vorsichtig zu bewegen. Zumindest schien nichts gebrochen zu sein. Unter größten Anstrengungen gelang es ihm schließlich, sich aus den Trümmern zu befreien. Er kletterte aus der Grube, versuchte auf seinen zittrigen Beinen das Gleichgewicht zu halten und schaute sich um. Von Maxwell und Liz fehlte jede Spur. In diesem Moment viel ihm der Zylinder wieder ein und er drehte sich voller Panik um, in der Erwartung jeden Moment von dem Leitstrahl angepeilt zu werden. Doch nichts geschah. Dort wo vorhin noch der Zylinder mit dem sich darüber auftürmenden Wirbel gestanden hatte, gähnte jetzt ein Krater, aus dem die Dämpfe geschmolzenen Gesteins aufstiegen.
Um den Krater herum lag in einem Radius von etwa fünfzig Metern eine mehrere Zentimeter dicke, blauschwarze Staubschicht. Miller ging zu der Vertiefung und betrachtete sich das Pulver aus der Nähe. Er war sich sicher, dass es sich um die Partikel aus dem Wirbel handelte, die nach der Zerstörung des Zylinders zu Boden gesunken sein mussten. Er beschloss die Substanz zu analysieren, Zeit hatte er jetzt mehr als genug. Miller schnallte sein portables OMICRON-Labor vom Gürtel, das von außen nichts weiter war, als ein kleiner, grauer Kasten mit einigen Tasten sowie einem Display auf der Oberfläche. Er füllte etwas von dem Staub in den Proben-Slot und drückte anschließend die Taste Mikroskop. Das Bild auf dem Display, eine tausendfache Vergrößerung der Partikel, ließ ihn erschaudern. Miller starrte auf Insekten mit scharfen Schneidewerkzeugen an den Kopfenden. Sensorstacheln ragten aus ihren blauschwarzen Panzern in alle Richtungen. Sie waren aus Metall. Nanoroboter! Miller schaltete das Gerät ab und befestigte es wieder an seinem Gürtel. Das erklärte zumindest die schrecklichen Vorfälle, nicht jedoch, wer diese Zylinder gebaut hatte und wie alt sie waren. Sein Blick schweifte über die Ruinen, beziehungsweise das, was von ihnen übrig geblieben war. Die Detonation war so heftig gewesen, dass im näheren Umkreis Mauerreste eingestürzt und Dünen weggefegt worden waren. Er verharrte, als er in einiger Entfernung ein sonderbares Objekt zwischen den Mauerresten ausmachte. Er ging darauf zu, um es näher in Augenschein zu nehmen. Was er sah, verwirrte ihn zunächst. Vor Miller ragte ein dickes Metallrohr einen halben Meter hoch aus dem Boden. Es war mit einem nach oben gewölbten Stahldeckel verschlossen, auf dem in der Mitte ein Verschlussrad mit vier Speichen angebracht war. Der Anblick kam Miller sonderbar vertraut vor. Er versuchte an dem Rad zu drehen und stellte mit Erstaunen fest, dass es sich tatsächlich bewegte. Es knirschte metallisch, dann gab es einen lauten Schlag im Inneren. Miller hielt den Atem an; außer dem Heulen des Windes war kein Laut zu hören. Er ging in die Hocke und versuchte den Deckel nach oben zu stemmen. Er lässt sich anheben! Dem Wüstenklima sei Dank! Dachte Miller und klappte den Deckel unter Aufbringung all seiner verbliebenen Kraft vollständig auf. Die Schwärze eines Schachtes öffnete sich unter ihm. Er nahm seine zur Standardausrüstung gehörende Plasmalampe und leuchtete hinab. Miller schätzte die Breite des Schachtes auf einen Meter. An der Wand war eine Sprossenleiter angebracht, die bis auf den Boden in rund fünfzehn Meter Tiefe reichte. Miller überlegte nicht lange und stieg hinab. Außer seinem Leben konnte er nicht mehr viel verlieren und das war mittlerweile nicht mehr viel wert. Zum Ende der Leiter hin öffnete sich der Schacht zu einem Raum. Als Miller festen Boden unter den Füßen hatte, leuchtet er mit der Lampe in die Dunkelheit und fuhr zusammen. Der Anblick, der sich ihm bot, ließ ihm gleich mehrere Schauer den Rücken laufen. Er stand in einer Ecke eines kleinen Raumes, eher einer Kammer, die ringsum voll gestopft war mit elektronischen Geräten. Es sah aus wie ein Kommandobunker. Miller erkannte Tastaturen, Bildschirme und diverse Kontrollanzeigen; mit Staub bedeckt und tot – genau wie die vier mumifizierten Leichen, die auf Drehstühlen vor den Terminals saßen. Es waren Menschen! Drei Männer und eine Frau, den Haaren nach zu urteilen, die noch immer an den Schädeln klebten. Mit ihren leeren Augenhöhlen starrten sie vor sich auf die Instrumente, die Zähne durch die Mumifizierung zu einem dämonischen Grinsen gebleckt. Miller kam es so vor, als würden sie ihn auslachen. Sie trugen Uniformen, die aufgrund der trockenen Luft zwar gut erhalten waren, die aber zahllose kleine Löcher aufwiesen. Sein Magen ballt sich zusammen. Genau wie bei Sergeant Banks, dachte Miller. Schlagartig wurde ihm klar, dass der Staub in dem Raum, derselbe war, wie der, den er draußen am Krater untersucht hatte. Ist er euch also auch zum Verhängnis geworden. Er überwand seine Abscheu und trat näher an eine der Leichen heran. Er fuhr zurück, als er das Abzeichen an der Uniform des Toten sah; es war das Zeichen der Südallianz. Das heftige Bedürfnis diesen Raum sofort verlassen zu müssen durchdrang ihn plötzlich und er stieg so schnell er konnte die Leiter wieder hinauf. Als er wieder an der Oberfläche war, setzte er sich kurz auf den Rand des Schachtes. Danach begann er ziellos durch die Ruinen zu wandern. Erst jetzt entdeckte er Dinge, die er vorhin in seiner Panik übersehen hatte: korrodierte Teile von Kriegsdrohnen, Knochen, Uniformreste und Waffen. Miller war sich sicher, dass zwischen den Ruinen eine Schlacht getobt hatte. Doch gegen wen? Und wie kamen Menschen hierher, noch vor der PROMETHEUS? Millers Kopf war leer. Es hatte auch keinen Sinn weiter darüber nachzudenken. In wenigen Minuten würde Svensson damit beginnen den Planeten mit Gamma-Bomben einzudecken und sein geschundener Körper würde innerhalb eines Wimpernschlages in subatomare Teilchen zerlegen werden. Liz und Maxwell waren vermutlich tot und er hätte es in der noch verbleibenden Zeit niemals bis zum Shuttle geschafft. Davon abgesehen, hätte er es ja nicht einmal fliegen können.
Das war’s, mein Junge!
Ein Dröhnen erfüllte in diesem Moment die Umgebung und ließ den Boden unter seinen Füßen beben. Er drehte sich um und traute seinen Augen nicht. Es war das Shuttle! Ein überwältigendes Gefühl der Hoffnung keimte in Miller auf und setzte bei ihm die letzten Energiereserven frei. Er hatte es überhaupt nicht kommen hören, was wohl daran lag, dass das Außenmikrofon seines Helms immer noch auf die niedrigste Stufe eingestellt war. Jetzt aber waren die Landungsdüsen des Shuttles nicht mehr zu überhören. Mein Gott, dachte Miller, Liz war also doch noch am Leben. Er dankte insgeheim dem Militär für ihre Ausbildung zur Sanitätsfliegerin, die sie dort vor ihrer wissenschaftlichen Karriere absolviert hatte. Miller schaute nach oben. Der Himmel über ihm war auf einmal von Kondensstreifen erfüllt, die auf die Planetenoberfläche gerichtet waren. Es sah aus als würden die Trümmer eines Mondes auf den Planeten herabregnen, jedoch waren das keine Trümmer. Die PROMETHEUS hat mit dem Bombardement begonnen, schoss es Miller durch den Kopf. Sein Taxi kam keine Sekunde zu früh. Jetzt musste es schnell gehen. Das Shuttle setzte mit einem metallischen Kreischen auf und die Eingangsluke öffnete sich. Zu Millers Erleichterung war es nur wenige Meter von ihm entfernt gelandet. Er rannte los. Als er die Luke erreicht hatte, sprang er mit letzter Kraft durch das dunkle Oval der Öffnung und rollte auf den Rücken. Eine Sekunde Später brüllten die Triebwerke wieder auf, die Luke schloss sich automatisch und das Shuttle hob ab. Miller lag im Halbdunkel der Kabine auf dem Boden und rang nach Luft. Er neigte den Kopf zur Seite und sah Maxwell, notdürftig verbunden und bewusstlos auf einer Pritsche liegen. Er war fachmännisch an verschiedene medizinische Geräte angeschlossen worden. Nach dem, was passiert war, hätte er nicht gedacht, ihn noch einmal lebend wieder zu sehen. In Gedanken hörte Miller wieder Maxwells Schreie kurz vor der Explosion.
Jemand schob sich in Millers Sichtfeld. Es war Liz.
„Gott sei Dank! Du glaubst nicht, wie froh ich bin, dich zu sehen“, sagte er.
„So schnell kriegt man mich nicht klein“, erwiderte sie lächelnd und begann vorsichtig damit seinen ramponierten Helm vom Schutzanzug zu trennen. Miller setzte sich aufrecht hin und blickte verstört zum Cockpit.
„Keine Angst“, sagte sie “momentan fliegt Mr. Autopilot.“ Sie lachte. Miller merkte, wie plötzlich eine ungeheure Anspannung von ihm abfiel.
“Was ist da unten passiert?“ fragte er.
Sie bekam endlich den verkanteten Helm aus dem Bajonettverschluss geschraubt. Die abgestandene Luft in der Kabine kam Miller herrlich frisch vor.
„Gleich nach der Detonation bin ich umgekehrt“, sagte sie und warf den Helm in eine Ecke. “Zuerst habe ich Maxwell gefunden. Er hatte wahnsinniges Glück. Er wurde von einer Wolke angegriffen. Nur eine Sekunde länger und er würde jetzt auch da unten liegen. Du hast den Zylinder gerade noch rechtzeitig zerstört.“
“Schätze mal ich bekomme von ihm demnächst ein Bier spendiert.“
“Kann schon sein„, sie grinste. „Er war zwar verletzt, konnte aber noch selbstständig laufen. Wir haben dich überall gesucht, aber nirgendwo gefunden. Dann haben wir beschlossen, erst das Shuttle zu holen und danach weiter zu suchen.“
„Nett von euch.“
“Keine Ursache. Zum Glück warst du ja wieder auf den Beinen, als wir kamen. Kaum hatten wir das Shuttle erreicht, brach Maxwell zusammen. Ich weiß nicht, ob ich dich alleine gefunden hätte.“
Miller blickte besorgt zu Maxwell, der regungslos auf seiner Pritsche lag.
„Er wird es schaffen“, beruhigte ihn Liz.
“Ich habe eine erschreckende Entdeckung gemacht“, sagte Miller “die Siedlung stammte nicht von Außerirdischen sondern von ...“
“Menschen“, unterbrach sie ihn. „Ja ich weiß. Maxwell und ich haben interessante Dinge entdeckt, als wir durch die Ruinen gegangen sind, um dich zu finden.“
„Und bei den Staubpartikeln handelte es sich um Nanoroboter,“ sagte er.
„Ich weiß, ich habe den Staub auch analysiert.“
„Habt ihr auch den Bunker gesehen. Ich war unten. Du wirst es nicht glauben. Da saßen noch vier tote Soldaten der Südallianz drin. War ziemlich gruselig.“
„Wow, nein,“ Sie nickte nachdenklich mit dem Kopf „das wird einige unserer Kollegen auf der PROMETHEUS brennend interessieren. Vielleicht übersteht der Bunker ja das Bombardement.“
Miller kratzte sich am Kopf. „Ich möchte nur mal wissen, von wem der Zylinder stammte ...“
„Von der Nordallianz“ Liz schmunzelte und Miller verdrehte die Augen. „Wir haben bei unserer Suche nach dir ein Trümmerteil des Zylinders gefunden. Das Logo war noch deutlich darauf zu erkennen. Diese Dinger haben nur eine Aufgabe – zu zerstören.“
„Aber wie kann es sein, dass der Planet bereits lange vor uns kolonisiert wurde?“
„Cohan hat schon eine Theorie. Wir haben vorhin mit ihm gesprochen. Seiner Meinung nach kommt dafür nur eine Erklärung in Frage“.
“Und die wäre?“ fragte Miller erstaunt. Sie lächelte ihn immer noch erschöpft an. Auch bei ihr hatten die Ereignisse ihre Spuren hinterlassen.
“Hört sich unglaublich an. Während wir in unserem Kälteschlaf süße Träume von einer neuen schönen Welt träumten, ging die Entwicklung auf der Erde weiter. Vermutlich hat man einen Antrieb entwickelt, der viel schneller war als unserer und andere Missionen sind uns zuvor gekommen.“
Miller war verblüfft. Doch die Erklärung war logisch. Die technische Entwicklung auf der Erde hatte innerhalb der letzten vierhundert Jahren vermutlich noch einmal einen Sprung gemacht und man hatte sie buchstäblich überholt. Andere Missionen hatten auf diese Weise schon lange vor der PROMETHEUS den Planeten erreicht – und einen Krieg mitgebracht. Miller stand auf und ging zu einem Seitenfenster. Viele Kilometer unter ihnen sah er unzählige Feuerbälle aufleuchten, die ihr tödliches Werk vollbrachten. Er blickte zu Liz, in ihr trauriges Gesicht und dann zu Maxwell. Die Menschheit war dabei einen neuen Planeten zu kolonisieren und das Erste was sie mitbrachte waren Tod und Zerstörung. Die Geschichte wiederholt sich immer wieder, hatte irgendein schlauer Mensch einmal gesagt. Miller fiel der Name nicht ein.

ENDE

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo

Möchte als Neuer hiermit hallo sagen. Habe in dieses Forum schon ein paar Mal hineingeschnuppert und weiß auch, dass Ihr sehr kritisch seid, was ich sehr gut finde. Das hier ist meine erste Kurzgeschichte überhaupt, nur zur Information. Sie ist ziemlich lang, ich weiß. Das war aber beabsichtigt, da ich einige Dinge ausprobieren wollte. Ich hoffe sie gefällt dem einen oder anderen wenigstens ein bisschen. Würde mich freuen, wenn sich wenigstens ein paar von euch da durchkämpfen würden, um mir danach einige Ratschläge zu geben.

 

Hallo Wood,

Da ich heute mal der Erste bin (muhahahaaa!) möchte ich dich erstmal in der SF-Sparte von Kg.de willkommen heißen, quasi als Freak unter Freaks:D.

Dann nehmen wir uns mal deinen Erstling zur Brust:read: .

Erster Eindruck zur Story:

Durchdacht, ein wenig Detailverliebt, durchaus spannend und zu einen gesunden Teil geklaut (Man erinnere sich an LEMs "Der Unbesiegbare");) .

Doch zuerst etwas zum Titel: Der klingt wie ein drittklassieger B-movie und passt außerdem nicht zur Geschichte. Das lässt sich zwar jetzt nicht mehr ändern, aber ich wollts mal gesagt haben:dozey: .

So, dann mal was zur Sprache. Du schreibst sehr bildhaft und benutzt reichlich Adjektive, ich mache das selbst gerne mal und beziehe Haue dafür, also immer fein darauf achten, dass es nicht überhand nimmt. Ausführlichkeit: ja gern, aber manchmal drückt es doch arg aufs Tempo.

Beispiel:

und sich die hydraulische Automatiktür lautlos vor ihm öffnete
Die Tür ist Automatisch und lautlos, dass sie auch noch hydraulisch ist, muss man wirklich nicht mehr wissen.

Dann schaffst du es meistens, die Technologie passend einzubauen, trotzdem holpert es ab und zu etwas.

Beispiel:

von Dr. Elmar Culp füllte das hauchdünne Dioden-Plasma-Display über dem hoch geklappten Wandtisch
Lass das Display einfach ein Display sein.

Dazu hinken einige Vergleiche etwas.

Beispiel:

Sie sah jetzt aus wie eine apokalyptische Reiterin, die den Untergang der Welt zu verkünden hatte.
Sooo weit ist es ja noch nicht.

Und hier gibts eine kleine Unstimmigkeit:

Der Antrieb diese gigantische Mission durchzuführen, basierte nicht alleine auf reinem Forscherdrang. Die Situation auf der Erde spitzte sich von Jahr zu Jahr zu. Ein bewaffneter Konflikt zwischen der Nord- und der Südallianz schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Die Ursache war das außer Kontrolle geratene Wachstum der Weltbevölkerung und die damit verbundene Knappheit an Rohstoffen und Nahrungsmitteln, vor allem Wasser. Das Leonis-Projekt stellte wahrscheinlich die letzte Chance für die Menschheit dar, dauerhaft zu überleben – wenn auch nicht auf der Erde. Miller erinnerte sich an seine Bewerbung für diese Mission, die monatelangen physischen und psychischen Tests, das schier endlos wirkende Auswahlverfahren. Das Projekt durfte nicht scheitern.
Wenn Nord- und Südallianz schon kurz vor einem Krieg stehen, dann kann ich mir kaum vorstellen, dass sich die ganze Menschheit (und mit weniger geht es wohl kaum) zu so einem gigantischen Projekt zusammenrauft.
Aber das nur im Nachhinein, die Info ist ja wichtig für das Ende, also Scheiß drauf:Pfeif: .

Ach ja, und Svensson spricht den Prot immer nur mit "Miller" an, während er den anderen ja immerhin ihren Doktortitel zusteht.

Aber trotz allem eine schöne Debut-Geschichte. Hat mir gefallen, besonders das Ende. Der Plot ist stimmig und wirkt nicht konstruiert. Dabei bleibt der moralische Zeigefinger unten :thumbsup: .
Man freut sich auf mehr:schiel: .

Grüße aus dem schwarzen Jenseits

omnocrat

 

Doch zuerst etwas zum Titel: Der klingt wie ein drittklassieger B-movie und passt außerdem nicht zur Geschichte. Das lässt sich zwar jetzt nicht mehr ändern, aber ich wollts mal gesagt haben

Doch, der Titel lässt sich noch ändern. Einfach einen der Moderatoren anPMmen. Nur so zur Info :D

 

Doch, der Titel lässt sich noch ändern. Einfach einen der Moderatoren anPMmen. Nur so zur Info

Oiski Poiski! Ich fühle meinen Horizont expandieren... Ja dann nehme ich hiermit alles zurück und behaupte das Gegenteil!:Pfeif:

thx Uwe

 

Also das ging ja wirklich schnell...:)

Ich hätte nicht gedacht, dass sich da einer soooo schnell durchwühlt, ist ja doch ein ganz schöner Batzen.
Also omnocrat, vielen Dank für Deine aufbauende und konstruktive Kritik. So sehr ich mich auch anstrenge ich kann Dir in keinem Punkt so richtig widersprechen. Dass Lem’s „Der< Unbesiegbare“ in der Story mitschwingt ist durchaus möglich, war aber nicht beabsichtigt, das hat sich einfach so ergeben. Habe das Buch vor zwanzig Jahren gelesen. Da sieht man mal, was für einen Einfluss seine Geschichten auf einen ausüben können. Etwas Crichton („Beute“) mag auch darin mitschwingen. Aber wie hat A. Eschbach gesagt: Es dauert eine ganze Weile, bis man sich gedanklich von vorhandenem und bekanntem Storymaterial freigeschwommen hat. Also weiterschwimmen.

Es freut mich jedenfalls riesig, dass Dir meine Story unter dem Strich gefallen hat. Werde Deine Ratschläge v.a. bezüglich Adjektivitis und übertriebener Detailverliebtheit bei zukünftigen Projekten beherzigen.

Das mit dem Titel ärgert mich im Nachhinein selber am meisten. Werde das mal angehen.

So, bin jetzt mal gespannt auf den ersten Totalverriss:lol:

 

So hier noch einmal eine leicht überarbeitete Version, nach den ersten Vorschlägen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Brav gemacht:D.
Wie heißt es so schön? Kleine Dinge erhalten die Freundschaft. Liest sich schon viel besser.

Nur noch eins: Der Titel steht doppelt da. Der kommt nur in den Kopf des Themas, sonst kommt das so unästhetisch.
Und der Uwe hat dir (okay, mir auch) ja verraten, wie's geht.

Lg omnocrat

 

THX omnocrat:)
Werde das Ganze in den nächsten Tagen nochmal komplett "sanieren". Ist eine schöne Übung. Nur mal eine Frage dazu: soll ich es dann als neues Thema reinstellen oder einfach nur das bestehende Thema verändern?:confused:

 

Ändern, mein Lieber!

Erst der Inhalt und dann:

Zitat Uwe:

Doch, der Titel lässt sich noch ändern. Einfach einen der Moderatoren anPMmen. Nur so zur Info :D

Ansonsten haben wir hier unnötige Fast-Dopplungen, die das Forum verstopfen. Nochmal reingestellt werden nur Geschichten, die wirklich stark in der Substanz verändert wurden (und da lag immer eine gewisse Zeit zwischen den Postings, deshalb war es da sinnvoll).
Ansonsten immer fleißig editieren!

Lg omnocrat

 

So liebe Leute, es war viel Arbeit, aber ich habe mir die Mühe gemacht und die Geschichte noch einmal komplett durchsaniert. Ob es sich gelohnt hat müßt ihr mir sagen, vor allem Du omnocrat, da Du ja die erste Version netterweise auch schon kommentiert hast.

Der grundlegende Plot wurde nicht geändert. Die Story wurde allerdings am Anfang gestrafft, dadurch ergab sich im Schlußteil die Möglichkeit noch ein atmosphärisches Element hinzuzufügen. Insgesamt ist die Geschichte trotzdem etwas kürzer geworden.

Den Titel möchte ich noch ändern lassen in "Die ersten Kolonisten".

Wäre nett, wenn sich jemand damit nochmal befassen würde. Nach der Arbeit, die ich da reingesteckt habe kann man schon fast sagen, dass es bereits meine 2. Geschichte ist. ;)

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom