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Die Festung

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25.05.2002
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Die Festung

Die Festung

Nun hatte er sie voll in der Hand. Er liebte dieses Spiel. Am Anfang musste er ihnen geben, wonach ihr beschränkter Geschmack verlangte. Er musste sie überfüttern mit dem Mist, den sie wollten, sanft in seine eigene Richtung lenken, bis der Moment kam. Wenn die Stimmung umschlug, hatte er sie in der Hand.

Das „Fortress“ war – wie an an jedem Öffnungstag – völlig überfüllt. Es hatte ein einzigartiges Ambiente, weil wirklich im übrig gebliebenen Haus einer früheren Festung untergebracht. Eine Festung, die vor undenkbar langer Zeit in einem vergessenen Krieg zu Asche zerfallen war. Schon zum Tanzlokal umgestaltet, als quengelige Denkmalschützer noch gar nicht existierten, um diesen Frevel an Kulturgut aufzuhalten.

Das In-Publikum aus nah und fern bewegte sich schwitzend zu einer ausgefeilten Lightshow im Takt der Musik. Die Einrichtung war ein krasser Kontrast aus futuristischem Stahl und altertümlicher Wucht. Das Fortress bebte und meist hatte sein Fingergeschick an Plattentellern und CD-Playern es vollbracht. Er war eine Legende. Im Fortress stimmte alles. Die knackigen Bedienungen an den Tresen - wohlproportioniert ihre Körper. Von sanft bis frech das Lächeln in den bildschönen Gesichtern. Intelligente Frauen, die wussten, wie man Gästen jeden Heller von selbst aus der Tasche zog. Die Türsteher , Hünen wie übrig geblieben aus alten Festungstagen.

Er überlegte gerade, womit er nun seine Freiheit bei der Wahl des nächsten Liedes auskosten würde, als er sie sah. Sie stach ihm trotz so vieler wohlgeformter Frauenkörper sofort ins Auge. Sie musste noch sehr jung sein. Die atemberaubende Unschuld in ihrem Blick, ihre schlanke Taille, die elegante Gestalt. Jeder Zentimeter ihres Körpers war perfekt. Trotz tiefem Dekollté und starkem Make-Up wirkte sie wie ein Engel. Ein Engel, der sich an diesem Abend aufgemacht hatte, zu fallen - die Sünde zu kosten. Ihm zu verfallen, dem Meister der Nacht.
Sie weckte aber auch ein Verlangen in ihm, das er schon lange nicht mehr in dieser Weise gespürt hatte. EsIn diesem Moment begegnete ihm ein alter Traum, den er schon vor so vielen Jahren vergessen glaubte. Mit einem Mal war die ganze übrige Meute unwichtig. Sie würden nun ohnehin schlucken, was man ihnen vorsetzte. Die Kanonade hatte ihre kümmerlichen Geschmacksnerven getötet. Mit einem kleinen Wink übergab er das Kommando am Pult an seinen Gehilfen und bewegte sich auf sein Verlangen zu.

+++

Was tat er hier? Verkrampft krallten sich seine Finger an das soeben bestellte Wasser. Stillos hatte man es ihm in einer Plastikflasche serviert. Offenbar war Koffein zugesetzt. Es sollte wohl nichts in dieser Höhle des Lasters geben, was nicht auf irgend eine Art berauschend wirkte. Wie eine Kinderflasche war sie konzipiert und gab ihren Inhalt nur frei, wenn man ihn selbst aus dem Inneren sog.
Ein Höllenlärm herrschte überall. Im Takt der Musik zuckende Körper, die sich wie in einer ekstatischen Krankheit hin und her wanden. Junge Frauen, deren Bekleidung mehr zeigte, als sie verhüllte. Immer wieder zogen sie gegen seinen Willen seine Blicke auf sich. Der Mann im DJ-Pult verließ gerade seinen Arbeitsplatz und bewegte sich auf ein junges Mädchen zu, das eigentlich gar nicht mehr hier sein sollte. Es hatte diesen schon bemerkt und es war ihm von Anfang an nicht möglich, die Faszination für diesen Mann in seinen unschuldigen Augen zu verbergen. Nachdem er sein übles Werk an dieser mutierten Masse vollendet hatte, wollte er nun wohl ein weiteresein weiteresein weite an dieser fallenden Unschuld vollbringen.

Angewidert wandte sich der Mann an der Bar ab. Er war mit Anfang 30 einer der älteren hier. Noch einige anderen Gäste, auch der DJ, der nun ein Gespräch mit diesem Mädchen begann, wirkten aber ebenfalls nicht wesentlich jünger. Was sie alle in diesem Alter noch hier machten, war ihm schleierhaft. Schon seit Jahren war er nicht mehr in solch einem Etablissement gewesen.

Warum hatte es ihn hierher gezogen? Es war wohl der Abenteuergeist aus seiner Jugend gewesen, die verpassten Chancen. Seine Weihe war nur gerade eine Woche her. Hoffentlich war niemand von der Kirchenjugend hier. Er konnte sich denken, dass sich unter derem braven Auftreten einiges verbarg, was sie ebenso in diese zuckenden Monster hätte verwandeln können. Sein Besuch in diesem verrufenen Laden würde sich in der neuen Gemeinde sofort herumsprechen.

Die Kirchenjugend. Ein dunkler Gedanke kam in ihm auf. Schnell schaute er noch einmal zu der Gesprächspartnerin des DJs und schaute sie konzentriert an. Er blickte hindurch durch ihr üppiges Make Up und schaffte es auch nach einer gewissen Weile, sich von ihrem jugendlichen Busen, von dem sie heute so viel zeigte, nicht mehr allzu sehr ablenken zu lassen. In der Tat, sie war es. Im Kirchenchor letzten Sonntag, in der ersten Reihe. Das Mädchen mit der goldenen Stimme. Diese Kehle, die dem göttlichen Herrn auf so wunderbare Weise Lobpreis zuteil werden ließ. Die ihn in seinem Weihegottesdienst verzaubert hatte. Mit ihrer selbst hier unübersehbaren makellosen Schönheit. Dieser irdische Engel, er hätte ihn hier im Zwielicht unter dieser Maskerade beinahe nicht erkannt.
Was sollte er tun? Das Gespräch zwischen ihr und dem Verführer der Massen verlief mehr als harmonisch. Es lag eine unheimliche Faszination zwischen den beiden. Sie würde ihm in ihrer Unschuld schon heute verfallen. Ihre wunderschönen Augen blickten wie hypnotisch in das Gesicht ihres Gegenübers, obwohl dies im Halbdunkel kaum zu erkennen war. Nun flüsterte er ihr etwas ins Ohr und wenig später gingen sie in die Richtung, in der sich ein mit kaltem Schwarzlicht beleuchtetes Toilettenzeichen befand.

Was sollte er tun? Wie konnte er aus dieser Situation herauskommen? Er kannte die Eltern dieses Mädchens, brave gottesfürchtige Leute. Gar kein strenges, verknöchertes Paar, wie so viele andere im Pfarrgemeinderat, sondern eine harmonische, glückliche Familie. Die einzige Tochter.
Nun ja, er verspürte ohnehin gerade einen heftigen Druck in der Blase. Er sollte ihm nun wohl nachgeben und den beiden wie zufällig nach gehenhinterhergehen. Er griff nach seiner Plastikflasche und drängelte sich mühevoll durch die Menge zur noch weit entfernten Toilette.

+++

Ihre zugleich so unendlich faszinierenden und faszinierten Augen fixierten ihn unaufhörlich. Sie war ihm unwiderruflich verfallen. Es war einer jener Momente, die vielleicht nur einmal in Jahrhunderten geschahen. Er hätte eine unheilvolle Vorfreude verspüren müssen, denn sie ging mit ihm auf sein Refugium zu, seine uralte Wohnstatt. Doch diese Augen, voller Unschuld und voller Gefühl. Zugleich faszinierten, zugleich beunruhigten sie ihn. Dieser Ausdruck, dieses unergründliche Blau passten überhaupt nicht zu ihm, zu seinem Dasein.

Schon waren sie am hinteren Ende des Saals angekommen, an dem schmalen Gang. Doch er wählte nicht die hinterste Tür, wie er es eigentlich vorgehabt hatte, sondern die davor. Die dortige Kammer war mit dem Refugium verbunden und so stand ihm der Weg noch offen, nachdem er wieder Herr seiner Gefühle geworden war.
Er öffnete und gemeinsam traten sie ein, nachdem er ein schwaches Licht entzündet hatte. Der Raum wirkte altertümlich, wie aus den Festungstagen, jedoch zerstörte eine große Menge Kehr- und Putzwerkzeug seine Atmosphäre.

Im Plauderton hatten sie sich auf dem Weg hierher über Belanglosigkeiten unterhalten, während ihre Augen eine andere Sprache gesprochen hatten, die in ihm so zwiespältige Gefühle hervorrief. Nun war Schweigen eingekehrt, das sich nach dem Schließen der Tür und Aussperren der Musik in erwartungsvolle Stille verwandelte. Bevor er überhaupt realisierte, was geschah, schmiegte sich ihr weicher, warmer Körper vollendet in seinen Armen, während sich sein Blick in ihren blauen, hilflosen Augen verlor. Er spürte noch kurz ihren sanften Atem in seinem Gesicht, bevor sein Blick von ihren tiefroten Lippen wie magisch angezogen wurdenwurde, die sich bebend unaufhörlich auf die seinen zu bewegten. Dann sah er nichts mehr, denn seine Augen schlossen sich, bevor er die Weichheit und Wärme dieser unendlich schönen Lippen schmeckte und sich einen langen Moment wie in einer endlosen Weite befand.

Doch während sich nun auch ihre Zungen wie im Tanz vereinigten, erwachte wieder sein eigentliches Selbst, das, wie einen Moment unter dem Eindruck des Augenblicks, verstummt war. Es bohrte sich durch ihn hindurch und beherrschte ihn wieder. Doch es vermochte dieses tief empfundene Gefühl für dieses liebliche Geschöpf nicht mehr zu verdrängen. So verbanden sich sein Trieb und das Gefühl und formten einen Plan. Sie sollte seine Gefährtin sein. Seine Gefährtin auf ewig, eins mit ihm in dieser nicht enden wollenden Nacht. Er spürte das Aufkeimen dieses starken Triebs, dieses existenziellen Verlangens. Er ergriff Besitz von ihm und verband sich mit seiner neuen, tiefen Leidenschaft. Er spürte die Veränderung an seinen Reißzähnen, das Gleiten seines Mundes zu ihrem zarten, makellosen Hals. Er öffnete seinen Mund und vergrub seine Fänge tief in dieses Geschöpf um ihr köstliches, unschuldiges Blut zu trinken. Wie immer spürte er zunächst bei dieses kurze Erschrecken, dieses Beben wegen des Schmerzes, mit dem ihre Adern geöffnet wurden. Doch dann war alles anders. Kein allmählich erschlaffendes sich wehren. Sie gab sich ihm hin. Sie leistete keinerlei Widerstand und ließ ihn ihren warmen, roten Lebenssaft in genüsslichen Schlucken trinken.

+++

Sie waren in die vorletzte Tür entschlüpft. Nun stand er schon seit einer ganzen Weile unschlüssig davor. War es Zeit, hier eine Unschuld zu retten, wie in einem alten Film?

Nach einigen Minuten des Überlegens öffnete er die Tür. Was er danach sah, überstieg seine schlimmsten Alpträume. Blut, überall Blut! Ein auf dem Tisch liegendes, unendlich schönes und schwaches Mädchen und an seinem Hals eine entstellte, sich dort festsaugende Kreatur. Sie trank sein Blut. Sie trank wirklich Blut! Starr vor Schreck stand er da und hätte eigentlich heilfroh sein können, dass jene Kreatur ihn in ihrem Mahl noch nicht bemerkt hatte. Dann war da eine wuchtige Hand und die Tür fiel wieder zu. Neben ihm stand einer der Türsteher, der das Treiben drinnen wohl nicht gesehen hatte. Konzentriert war sein Blick vielmehr auf den Jungpfarrer gerichtet.

„Gästen ist der Zutritt hier verboten!“, tönte es mit tiefer Stimme. Nur langsam drang der Sinn des Gesagten zu seinem Gehirn. Dieses lieferte dazu die Information, dass er diesen Menschen am Eingang erblickt hatte. Dann öffnete sich die Tür vor ihm und der DJ schaute heraus.
„Was ist denn hier los? Mike, schaff diesen Typ hier weg und setze ihn erst mal fest“ befahl er kurz. Dann ging die Tür wieder zu. Besagter Mike ergriff den bleichen Priester und beförderte ihn kurzerhand hinter die Kulissen.

„Ein ... ein Vampir ... ein ... ein echter Vampir“, stammelte der Priester, während er von Mike durch das Gebäude geschleift wurde. Doch dieser schüttelte nur die Kopf. „Scheiß Junkies“, murmelte er, „keinen Bock auf die Cops. Hoffentlich gibt´s nur ein Hausverbot.“.“
Nach einer Weile endete die Reise kurz darauf irgendwo in der Nähe des Eingangsbereichs. Eine Tür wurde aufgerissen, der Priester hinein geschubst, die Tür schloss sich wiederzugeschlagen. Völlige Dunkelheit um ihn. Dunkelheit. Angstschweiß bildete sich auf seiner Stirn. Er wühlte in seiner Tasche, zog eine winzige Taschenlampe hervor. Mattes Licht fiel in den Raum, beleuchtet gestapelte Stühle, eine Tür aus Metall. Er lauschte daran. Kein Laut drang von außen herein. Sollte er hier für die Kreatur aufgehoben werden? Vorsichtig drückte er die Klinke herunter. Die Türe war un unverschlossen. Er öffnete sie einen Spalt. Draußen stand Mike und unterhielt sich angeregt mit der Bedienung von der Eingangstheke.

Vorsichtig schloss der Priester wieder die Tür. Unmöglich, ungesehen an den beiden vorbeizukommen. Sonst existierte kein weiterer Fluchtweg. Die Gedanken des Geistlichen überschlugen sich. Raus. Erst einmal raus musste er. Den Rest konnte er sich dort überlegen.
Leise öffnete er erneut die Tür. Mike saß halb mit dem Rücken zu ihm. Das diesem gegenüber stehende Barmädchen konnte ihn sehen, doch er musste es riskieren. Vorsichtig schlüpfte er aus seinem Verließ. Die junge Frau sah zu ihm herüber. Gelangweilt blickte sie den Priester an, drehte den Kopf wieder zu Mike, der weiter mit ihr flirtete.

Mit einem Satz war der Priester draußen in der Nacht. Verbarg sich im nächsten Gebüsch. Dort sprang er in ein Gebüsch. Was nun? Diese Geschichte würde ihm niemand glauben. Sollte er diese Kreatur besiegen? Alte Vampirfilme spukten in seinem Kopf herum. Er war Priester, hatte Er Er hatte den idealen Beruf dafür. Was half gegen solche Bestien? Kruzifixe, Sonnenlicht, Weihwasser, Knoblauch, Pflöcke durchs Herz? Nun ja, es war mitten in der Nacht. Er blickte auf die Plastikflasche in seinen Händen. Das Koffeinwasser. Er hatte es immer noch dabei.

Sofort begann er mit der ErEr machte sich an die Arbeit. Sein geweihter Kreuzanhänger, die notwendigen Segnungsformeln und schon müsste sich eigentlich Weihwasser in der Flasche befinden. Ob das Koffein störte?
Plötzlich ein Quietschen. Die Tür an derAufAuf der Rückseite des Fortress ging eine Tür auf. Hatte die Kreatur seine Fährte entdeckt? Doch nur eine gelangweilte Küchenhilfe schlurfte über den Hof und öffnete einen Schuppen. Mit einem großen Fass kam sie wieder zurück und ging in die Diskothek. Er atmete auf. Das war seine Chance. Mit einem Ruck öffnete er dieselbe Tür und stand der überraschten Küchenfrau gegenüber..

„Ich brauche Knoblauch“ , sagte er. . . Ein Gedanke schoss ihm in den Kopf. War sie ebenfalls im Bunde des Bösen? „Sieht das aus wie ein Geschäft?“, entgegnete ihm die Frau. Sie schien keine Angst zu haben. „Ich will nichts böses, nur Knoblauch, Knoblauch brauche ich dringend.“ Er riss einen der Küchenschränke auf. Eine große Menge Gastronomische Fertiggerichte fielenen ihm entgegen. Er schaute sich nervös um. Die Küchenhilfe war alleine. inmitten von Schränken, Mikrowellen und Kühlschränken. Der Kühlschrank! Er öffnete einen Schrank. Trendige Flaschenbiere. Einen weiteren Schrank. Instantpulver-Dosen.

„Hier gibt es kein frisches Essen. Nur Tütenessen. Keinen Knoblauch“, erklärte die Frau. Der Priester öffnete die Tür Richtung Disco und befand sich mit einem Mal im Gaststättenbereich. Hier saßen eine Menge ausgehungerter Tänzer und stärkten sich beim Verzehr vorgefertigter Pizzen und chinesischer Reisgerichte. Niemand nahm von ihm Notiz und so begab er sich unauffällig auf den Weg zum Toilettengang. Dort angekommen hielt er seine Flasche im Anschlag und versuchte erst die beiden benachbarten Türen zu der mit der grausamen Szene zu öffnen. Bei der vorderen Nachbartür erntete er wütenden Protest von einigen Mädchen, es handelte sich um die Damentoilette. Die ganz hinten wiederum war fest verschlossen und so konzentrierte sich unser Priesterheld auf das Zentrum des Geschehens und öffnete mit einem Rück die Pforte zum Ort des Grauens.

+++

Endlich war er hier mit ihr in seinem Refugium im Keller angekommen. Sie würden die erste Zeit zusammen in seinem Sarg verbringen, aber später würde er ihr sicher eine eigene Schlafstatt für die unselige Tageszeit besorgen.
Leblos lag sie über seinen Armen. Er hatte sie noch lange nicht leer gesaugt. Irgend etwas hatte sich nach der Unterbrechung seines Mahls in ihm gemeldet – wieder dieses Gefühl. Ein Gewissen? Wohl kaumEr konnte sich nicht mehr daran erinnern, was das war. Nein, zunächst wollte er seine Liebe nur in sein Heim tief in den Kellern und alles in Ordnung bringen, bevor er sie auf ewig zu seinesgleichen machte.

Dann war da noch der DeDen Störenfried von vorhin musste er noch ihn erunauffällig beseitigen. Seine Gedanken gingen bereits zu den vielen netten Instrumente im Festungskeller, die er an ihm ausprobieren würde. Nur durfte dessen Blut natürlich auf keinen Fall verloren gehen. In In IFlaschen abgefüllt würde es könnte es die magere Kost von Tierblut vom aus dem – man konnte ja nicht unauffällig ständig Leute umbringen – und abgestandenen Blutkonserven etwas auffrischen. Für solche Zwecke hatte er sich wiederverschließbares Leergut – eine exzellent abgefüllte Biermarke – abgezweigt.

Vorsichtig legte er den schlaffen Körper des Mädchens auf einen in der Mitte des Raums liegenden Steintisch. Ein flaches Heben und Senken ihrer Brust zeigte das immer noch vorhandene Leben ihr Atmen und löste in ihm wieder eine Welle von Gefühl und Verlangen aus. Wunderschön sah ihr entspanntes, blasses Gesicht im Licht einiger Fackeln aus, die diese Gruft beleuchteten. Für das eigene Heim bevorzugte er noch immer die traditionelle Art der Erhellung gegenüber den modernen, kalten, elektrischen Licht. Bewundernd blieb er stehen und betrachtete ihre sanften Gesichtszüge. Dieses seltsame, beunruhigende Gefühl, das er vor langer Zeit schon einmal empfunden haben musste, aber nie in dieser Stärke. Es ergriff wieder Besitz von ihm. Dann erinnerte er sich an die bevorstehenden Aufgaben und wandte sich widerwillig ab. Irgendetwas schmeckte seinem Denken an all dieser ungewohnten Gefühlswallung nicht.

Als er sich unwandte, sah er ihn: Den Mann, der schon oben Zeuge seines wahren Ichs gewesen war. Dieser zitterte vor Angst. In der einen Hand hielt er mit der Öffnung nach vorne eine Plastikflasche, in der anderen einen Besen, dessen Holzstil wie ein Speer am oberen Ende etwas ungeschickt angespitzt war. Was für ein lächerlicher Anblick. Der Vampir hatte gleich erkannt, dass es sich in der Flasche um Weihwasser handelte und der Mann auch über ein geweihtes Kreuz verfügte. Beides würde bei Berührung auf ihn wie eine starke Säure wirken. Doch das sollte schon alles sein? In früheren Jahrhunderten waren die Jäger versierter gewesen.

Der Vampir ließ ein Zischen vernehmen, dasdem Priester den Angstschweiß auf die Stirn trieb. Ungeschickt versuchte er eine Spritzattacke. Doch der Vampir hatte viel zu schnelle Reflexe, als dass so ein Angriff eine Chance gehabt hätte. So klammerte er sich verzweifelt an seinen ebenso improvisierten Holzspeer. Der Vampir umkreiste ihn lauernd. Der Pfarrer hielt ihn mit dem spitzen Ende des Besens auf Distanz, versuchte, sich zwischen den Untoten und das auf dem Tisch liegende Mädchen zu bewegenzu schieben.

Den Vampir beeindruckte sein Gegner nicht. Sein Sein Blick ruhte auf seiner Geliebtennnn. Sie schien zu sich zu kommen, ließ ein leises Stöhnen vernehmen. Ihre Finger erzittertenzuckten leicht, dann öffnete sie die Augen und blickte ihn an. Liebe und Ergebenheit lag in diesem Blick. Sie würde mit ihm gehen, egal wohin er sie führte.
Doch er las noch etwas anderes in ihrem Blick. Er sah es ganz deutlich. Er verstand sie, als hätte sie ihn durch all die Jahrhunderte begleitet.. Es lag ein Vorwurf in ihm, eine fragende Enttäuschung, die ihn bis ins Mark traf. Sie ahnte, welche Zukunft er ihr bereiten würden. Der Blick versetzte ihn zum ersten Mal seit vielen Jahren in die Lage, noch einmal so zu denken, wie einst als normaler Mensch. Er würde sie, die er vorgab zu lieben, in die Dunkelheit zerren. Er würde sie nicht, wie er es sich vorgemacht hatte, zu deren Fürstin machen, sondern zu ihrer Sklavin. Ausschließen vom Licht. Und er würde sie in ihrem tiefsten Inneren verwandeln. So wie er sich durch sein Dasein gewandelt hatte, würde aus ihr eine ewige Sklavin dieses Triebs machen. Der ihm die Fähigkeit genommen hatte, mit dieser wunderbaren Frau durch ein erfülltes Dasein zu ziehen.

Für einen Augenblick hielt er inne im Kampf. Doch der Priester war so ungeübt in einer solchen Auseinandersetzung, dass er nicht einmal diese Chance für sich nutztewahrnahmnutzte. Der Vampir war wie betäubt. Was sollte er tun? Jetzt war dieser lichte Moment und er wusste, er würde nicht lange dauern. Zu stark wurde er beherrscht vom Grund seines Daseins, dem er nun zum ersten mal seit undenklicher Zeit für wenige Momente entrissen wurde. In wenigen Augenblicken würde er ihn wieder im Griff haben, ihn, i,, ihm mit dem Traum von Fürstin und Fürst der Dunkelheit die Sinne vernebeln. Es gab nur einen Ausweg.

Beherzt stürzte er sich auf den Priestergriff der Vampir seinen Gegner an. Doch er zermalmte ihn nicht. Mit voller Wucht stürzte er sich auf den angespitzten Speerersatz in dessen Händen, warf sich direkt mit seiner Brust darauf und ließ sich durchbohren. Der Pfarrer Der Priester hatte sich völlig verkrampft an den Stil geklammert und so drang er tatsächlich ein und durchbohrte den Körper des Untoten. Auf seinem Rücken trat er wieder aus. Kraftlos sank der Vampir zusammen, fiel zu Boden und regte sich nicht mehr.

Der Priester erstarrte. Dann taumelte er ein wenig rückwärts und stieß dabei an das Mädchen. Er sah auf es herunter. Es lag regungslos da. Vorsichtig hob er den zarten, zerbrechlichen Körper an und trug ihn ihn durch eine Tür. Müde und erschöpft stapfte der Priester mit der jungen Frau in die Dunkelheit.

+++

Das Fortress war wie immer überfüllt. Katja – oder wenn es nach ihr ginge – Djane Kat – hatte Mühe, überhaupt vorwärts zu kommen. Drei Monate war nach dem plötzlichen Tod des Vorbesitzers, um den sich viele Gerüchte rankten, der angesagteste Laden der Stadt geschlossen gewesen. Nun hatte er seit zwei Wochen wieder eröffnet. Es könnte doch sein, dass sie noch einen DJ suchten? Immerhin legte der neue Besitzer im Gegensatz zum alten nicht selbst auf. Wer weiß, ob sich nicht Leute der alten Besatzung andere Läden gesucht hatten.

Noch aus einem anderen Grund machte sich Katja Hoffnungen, mit ihrer Demo-CD ein offenes Ohr zu finden. Der neue Besitzer war eine Frau. Katja hatte immer das Problem, dass sie als junge Frau es in diesem Geschäft schwer hatte. Wenn man sie überhaupt ernst nahm oder ihre Vorsprachen nicht gar nur als reine Gelegenheit zu Annäherungsversuchen auffasste.

Sie fragte eine Bedienung nach der Chefin. Diese zeigte auf eine Tür im Hintergrund und wies sie an, hinein zu gehen. Bei all den durstigen Gästen hatte sie keine Zeit, sich länger mit Katja zu beschäftigen. Katja klopfte an die besagte Tür und als sie keine Antwort hörte, fasste sie sich ein Herz und trat einfach ein.
Der Raum dahinter sah ganz anders aus, als sie ihn sich vorgestellt hatte. Kein stylischer Backstage-Bereich. Eher einfach und altertümlich wirkte das Zimmer. Auf Anrichten und einem Tisch brannten sogar eine Reihe echter Kerzen in mehreren Leuchtern und tauchten den Raum in ein düsteres Zwielicht. Zuerst dachte Katja, da sei gar niemand, doch dann sah sie, dass auf einem Stuhl im Halbdunkel jemand saß und sich unter einer kleinen Lampe über eine Liste gebeugt hatte.

„Was gibt es?“, tönte es. Katja konnte das Gesicht der Frau nicht erkennen. nur ihren Umriss. Sie musste gesprochen haben, denn sonst war niemand da. Katja war durch die merkwürdige Umgebung etwas verunsichert.
„Ich wollte fragen, ob Sie noch einen DJ brauchen.“
„Wo hast du denn bis jetzt aufgelegt?“
Das war der wunde Punkt.
„Im Sputnik. Vorher auch auf all unseren Obsterstufenfeten an der Schule.“
„Na, da ist ja doch der Hund begraben, oder was meinst du? An welcher Schule warst du Du denn?“
„Im Felsergymnasium. Ich hab damals auch bei allen größeren Festen zusammen mit den anderen Oberstufen aufgelegt.“
„Oh, ich kenne die Feten von damals. Ich war nur immer noch zu jung und meine Eltern haben mich nicht hingelassen.“ Die Frau am Tisch stand auf und kam zu Katja nach vorne. Nun konnte sie ihr Gesicht besser erkennen. Es war unglaublich. Sie war mit Sicherheit fünf Jahre jünger als sie selbst, gerade mal volljährig. Wie sollte das gehen, dass sie schon in diesem Alter so einen Laden leitete? Ihre Augen strahlten einen irgendwie beunruhigenden, unheimlichen Glanz aus.
„Die Musik damals war legendär. Leg die CD auf den Tisch dort.“ Die junge Frau zeigte auf das Tischchen. Jetzt fiel Katja auf, dass dort ein Karton mit einer großen Menge CDs stand. Ihr Mut begann zu sinken.
„Ich hab mir ein ganz neues Konzept überlegt. Im Sputnik konnte man ja gar nichts ausprobieren“, versuchte sie sich verzweifelt abzuheben.
„Leg die Scheibe neben den Karton, nicht oben drauf. Meine erfahrenen Leute werden sie sich anhören, da kannst du sicher sein. Sie werden nicht wissen, von wem sie ist und dann wird entschieden, ob wir mal unter der Woche einen Abend mit dirdir als Zweitbesetzung versuchen.“
Die junge Frau kam näher an Katja heran. Sie war zwar sehr freundlich, aber irgendwie fühlte diese sich in ihrer Gegenwart im Moment etwas unwohl. Aber es hörte sich nach einer fairen Chance an. Also legte sie ihre CD und Papiere auf den Tisch und wollte sich gerade verabschieden. Da bemerkte sie etwas am Hals der Frau.

Es war ein goldenes Kreuz an einer Halskette. So eins hatte sie schon die ganze Zeit überall gesucht. Wo hatte diese merkwürdige Disco-Chefin das nur her?
„Dieses Kreuz da um deinen Hals, wo hast du es her? Ich suche genau so einen Anhänger schon seit Monaten!“ Die Frau lächelte. Sie war sehr hübsch. Vorne in der Disco hätte sie wohl kaum ihrer Arbeit nachgehen können, da sie Ziel zu vieler aufdringlicher Männer gewesen wäre.
„Das hat mir ein Priester geschenkt. Es ist sogar geweiht, stell dir vor.“ Die junge Frau lachte. Katja lachte mit und nun war ihre Anspannung verflogen. Diese Jungchefin war doch sehr nett. „Sag Babsi an der Theke, dass sie Dir einen Freicocktail geben soll. So hast du wenigstens eine Entschädigung dafür, dass du wohl auch durch mich keinen solchen Anhänger findest.“

Irgendwie hatte Katja ein gutes Gefühl, als sie den Raum wieder verließ. Eine sympathische Frau. Wahrscheinlich deswegen klappte es auch unter ihrer Führung im Fortress gut.
Man durfte auch nicht zu viel geben auf all das Gerede, das nach der Schließung des Ladens entstanden war. Von Mord war zunächst die Rede, dann hieß es, es seien keine fremden Spuren gefunden worden waren. Dann wurde es immer abenteuerlicher. Der tote Vorbesitzer habe mit seinem Blut auf den Kellerboden geschrieben, wer das Fortress nach ihm besitzen solle. Er sei schon viel länger tot gewesen, da man seinen Leichnam schon wie seit langem verwest aufgefunden hätte – obwohl man ihn am Tag seines Verschwindens gesehen habe. Die Leute denken sich viel aus, wenn etwas Anlass zu Spekulationen gab. Die neue Besitzerin war wohl einfach seine Freundin gewesen und nun ein Glückspilz, da sie ein Vermögen geerbt hatte.

Katja beschloss, noch ein wenig der Musik zuzuhören. Danach ging sie voller Zuversicht in die Nacht hinaus.

 
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Hallo Kagul,

die drei Sachen, die mir vornehmlich aufgefallen sind:

1. Du bist um einen sehr verschnörkelten Stil bemüht, fasst dich nie kurz und bündig und sagst Dinge wie "Er öffnete die Tür PUNKT". Das liest sich teilweise etwas anstrengend, und es wirkt, als hättest du Angst, einfache Sätze könnten irgendwie unliterarisch wirken. Eine sehr verbreitete Furcht bei Leuten, die die ersten Schritte als Schreibende machen. In der Natur der Sache liegt es da schon fast, dass die stilistischen Unterhaltungshöhepunkte grandiose Momente unfreiwilliger Komik sind:

Nun stand er schon seit einer ganzen Weile unschlüssig davor. Sollte er oder sollte er nicht. Auch seine Blase hatte er noch nicht entleert. Vielleicht sollte er vorher das tun? Oder war es höchste Eisenbahn, hier eine Unschuld zu retten, wie in einem alten Film?

2. Die Story ansich fand ich gar nicht schlecht. Der Selbstmord des Vampirs war mir zu kitschig, aber sonst okay.

3. Der Epilog ist zu lang im Verhältnis zum Rest der Geschichte.

Konkretes:

„Ich brauche Knoblauch“ sprach er sie an

"sagte er" ist eigentlich nie so richtig falsch und sehr, sehr oft die bessere Alternative zu "konstatierte er", "gab er zu verstehen" usw.

Verließ - Verlies

"Das aussehen wie Geschäft"

Klingt eher nach einem Stammtisch, an dem sich über Ausländer lustig gemacht wird, als nach einem tatsächlichen Deutschlerner aus Südeuropa.

Doch während sich nun auch ihre Zunge wie in einem nicht enden wollenden Tanz vereinigten, erwachte wieder sein eigentliches Selbst, das wie einen Moment unter dem Eindruck des Augenblicks verstummt war. Es bohrte sich durch ihn hindurch und beherrschte ihn wieder, doch es vermochte dieses tief empfundene Gefühl für dieses schwache und doch so starke Geschöpf nicht mehr zu verdrängen. So verbanden sich sein Trieb und das Gefühl und es formte sich ein Plan, den er so noch nie gehabt hatte. Sie sollte seine Gefährtin sein. Seine Gefährtin auf ewig, eins mit ihm in seinem Refugium, eins mit ihm in dieser nicht enden wollenden Nacht. Er spürte das Aufkeimen dieses unendlich starken Triebs in ihm, dieses existenziellen Verlangens. Der Trieb ergriff Besitz von ihm und verband sich mit seiner neuen, tiefen Leidenschaft. Er spürte die Veränderung an seinen Reißzähnen, das Gleiten seines Mundes zu ihrem zarten, reinweißen Hals. Er öffnete seinen Mund und vergrub seine Fänge tief in den Hals dieses unschuldigen Geschöpfes um ihr köstliches, unschuldiges Blut zu trinken. Wie immer spürte er zunächst in ihr dieses kurze Erschrecken, dieses Beben wegen des Schmerzes, mit dem ihre Adern geöffnet wurden. Doch dann war alles anders. Kein allmählich erschlaffendes sich wehren wie bei anderen. Sie gab sich ihm hin. Sie gab sich ihm mit ihrem ganzen Körper und ihrer Seele hin, leistete keinerlei Widerstand und ließ ihn ihren köstlichen roten Lebenssaft in genüsslichen Schlücken trinken.

Vampirgeschichten-Baukastenset. Enthält alle wichtigen ausgesaugten Begriffe. Batterien und Originalität nicht enthalten.

heiße Rhythmen

Klingt nach der Ankündigung einer duften Fete in der Dorfzeitung. Hier und an vielen anderen Stellen verfällst du in einen unangemessenen, umgangssprachlichen Stil, der sich besonders mit den Versuchen beißt, aus jeder Kleinigkeit ein Kunstwerk von einem Satz zu drehen.

Zum Schluss noch ein bisschen Grammatik:

Sie waren zu gutmütig und großzügig gewesen, als sie ihrem Engel den Besuch in dieser Hölle erlaubten.

erlaubt hatten. Passiert noch an anderer Stelle. Verwendung der Vorvergangenheit sollte nachgeschlagen werden.


Grüße
JC

 
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Hallo JC,

vielen dank für die konstruktive Kritik. Einige Sachen hab ich schon überarbeitet, andere sind durchaus ebenfalls berechtigt. Der Epilog ist echt viel zu lang und ich werde morgen nochmals Hand daran legen.

Ich muss zugeben, es ist eigentlich kein früher Schreibversuch von mir. Allerdings hab ich noch nie etwas in Richtung Horror geschrieben, sondern tob mich, wenn schon Belletristik (kommt schon sehr selten vor), GANZ woanders aus (bei Märchen). Vielleicht hätte dabei bleiben sollen - und es hat mich zu verschnörkselt gemacht.

Diese Geschichte hab ich geschrieben, weil ich in einer Horror-Ausschreibung gesehe habe: "Bitte keine Vampir-Geschichten mit Disco-Aufrissen." Das fand ich sehr diskriminierend gegenüber Vampiren und Discos und so hab ich das mal einfach so im Urlaub runter geschrieben.

Mit dem Abschnitt, wo sich der DJ als Vampir entpuppt, bin ich ebenfalls nicht glücklich. Aber wie soll man diese Szene anders beschreiben? Natürlich ist sie so voll klischeehaft, aber die Geschichte ist auch nicht bierernst gemeint. Kommt das für den Leser nicht rüber? Deshalb übrigens der oft umgangssprachliche Ton. Außerdem spielt die Geschichte in einer Disco, der zweite Grund. Sie sollte trotz Disco-Aufriss eines Vampirs (nicht mehr und nicht weniger) eben nicht langweilig und austauschbar sein. Vielleicht hat noch jemand einen Tip?

Auch für mehr Verbesserungsvorschläge von Leuten, die mehr in der Richtung schreiben, bin ich dankbar. Den Vampir-Selbstmord werde ich aber lassen, da mir andere Varianten für einen Schluss nicht gut genug zum inneren Kampf des DJs gepasst haben.

 

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