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Die Freude meines Bruders

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06.04.2023
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Die Freude meines Bruders

Sie kam raus. Ein Pullover, rot wie Leber, dazu eine Jeans, die hellblau und teilweise zerrissen von Mode war. „Ah Kreuzberg, hier sehen sogar die Ärztinnen wie Punks aus“, sagte ich mir.
Während sie erzählte, versuchte ich erfolglos, meine Gähnkette zu unterbrechen.
Dieses Spiel mache ich mit, seitdem ich hier bin: nur einen Teil zu verstehen und gleichzeitig so zu tun, als ob ich alles verstanden hätte. Sie redete sehr schnell und kompliziert, das kenne ich aus dem Heimatland. Ärzte wollen nicht verstanden werden. Es geht um Macht — sowohl die schlechte und unlesbare Schrift als auch die Ver wendung von nichtexistierenden Wörtern.
In weniger als 5 Minuten hat sie alles gesagt, für sie völlig belanglos darüber nachzudenken, dass ich nur zwei Sätze aufgenommen habe. Erstens, Ayshe hat einen Suizidversuch in der Öffentlichkeit unternommen, deshalb wird sie nicht entlassen, und zweitens hat sie Paranoia und Schizophrenie! Ob diese Ärztin wegen des Piercings in der Zunge irgendwelche Schwierigkeiten beim Aussprechen haben könnte und welche Wörter ihr schwer fallen würden, waren meine Gedanken und es war eine Herausforderung, mich nicht ablenken zu lassen und konzentriert zu bleiben. Ich dachte, irgendwas müsste in meinem Hirn gestört sein, es ist doch anormal genau in dem Moment, in dem jemand über die Krankheit meiner Mutter redet, über sowas nachzudenken. „Sollte ich sie danach fragen?“, ging mir durch den Kopf.
Er stand neben mir, rechts. Spielte mit den Fingern in seinem Bart. Er sah dabei nicht besonders nachdenklich aus. Seine Augen kenne ich gut. Ich bin mit diesen Augen aufgewachsen. Jeden Tag habe ich diese Augen gesehen. Ich kann vermuten, womit er beschäftigt ist. Wenn er traurig oder überrascht ist, werden die Augen rund. Zwei runde braune Kugeln. Wenn er in der Vergangenheit schwimmt, werden sie tief und klein. Zwei kleine Tunnel, deren Beginn 1997 ist. Dunkler als sonst. Sich jetzt nicht ablenken lassen, besonders jetzt, das habe ich von ihm erwartet.
„Hast du was verstanden?“, fragte ich ihn trotz meines Wissens, dass mein Deutsch besser ist als seins. Die Schreie der Patienten, ihr lautes Lachen, die Schimpferei, während andere weinen. Es machte mich sauer, dass ich meine Mutter ab Morgen jeden Tag auf einer geschlossenen Station besuchen sollte. Unerträglich.
„Sie wollte sich in der Öffentlichkeit umbringen, deshalb lassen sie sie nicht raus“, sagte mein Bruder lächelnd und zeigte mir Ayshe hinter der Glasscheibe der Tür. Ich wollte hingehen und sie umarmen, ihre grauen Haare streicheln, während ich mit der anderen Hand ihren weichen

Rücken an mich drücke. Ich wollte hingehen und ihr sagen, dass ich sie auch früher geliebt habe und sagen „Ba Miwant bm ', du bist erst 44 Jahre alt, das kann nicht sein.“ Ich ging nicht.
„Warum lachst du denn? Gibt’s was zum Lachen?“, fragte ich aufgeregt, um von mir selbst und meinen Gedanken abzulenken.
„Wo ist dein Humor, Mann? Kannst du nicht sehen, dass in Europa Suizid in der Öffentlichkeit verboten ist? Mit anderen Worten, wenn du zuhause ganz ruhig und zivilisiert zweihundert Schlaftabletten in Wasser aufiöst und trinkst, infolgedessen für immer tief schläfst und niemanden störst, ist das in Ordnung. Aber du darfst nicht auf der Straße so tun, als ob du dich umbringen willst, da dann ein Krankenwagen anfahren muss, Menschen es sehen müssen und natürlich viele traumatisiert werden und danach Therapie brauchen, all das kostet Geld. Sogar im Fall unserer Mutter denke ich, sie hätte gelobt werden können, wenn sie versucht hätte, sich in der Wohnung umzubringen, da es zwei Zwecke erreicht hätte: einerseits gäbe es eine Ausländerin weniger, andererseits hätte sie ihre erfolgreiche Integration in die zivilisierte Gesellschaft beweisen können, wenn sie sich im Privaten umgebracht hätte“, sagte er mit einem teuflischen Gesicht.
„Hör auf, Baban! Jetzt ist nicht die beste Zeit, um deine Analyse über das böse Europa zu hören. Ist dir nicht bewusst, dass wir jeden Tag in dieses verrückte Haus kommen müssen, um Ayshe zu besuchen? Schau dich eine Sekunde um, wir werden auch krank, wenn wir jeden Tag solche Menschen sehen müssen!“, sagte ich wütend und laut.
Als das Lächeln von seinen Lippen verschwand, liefen wir im Stillen zum Aufzug. Ich drückte den Knopf ,Erdgeschoss‘. Dieser Aufzug ist größer als ein OP-Zimmer im Iran, dachte ich. Die Tür öffnete sich. Ich ging hinaus, drehte mir eine Zigarette und steckte sie an. Ob ich ein anderes Leben mit einer anderen Familie verdient hätte, war wieder in meinem Kopf. Menschen kommen nach Europa mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. Wenn ich den Iran nicht verlassen hätte, wenn ich auch wie die anderen ein normales Leben geführt und mich nicht mit Idealismus verdorben hätte, wäre ich dageblieben und hätte nichts von alledem geschehen sehen, wäre Ayshe nicht krank geworden. Aber ich wollte eben etwas Besseres als das Bestehende, dachte ich.
Auf der Admiralsbrücke waren zwei küssende Menschen zu sehen. Nur 500 Meter weiter, im siebten Stock des Krankenhauses sind über hundert Menschen inhaftiert, in Geschrei und Lärm, damit hier Liebe ausgedrückt werden kann, dachte ich, während ich Neid spürte.
„Du bist meine Seelenwanderungskraft bevor ich dich sah


1 Ein kurdischer Liebesausdruck, wörtliche Übersetzung aus Sorani (Kurdisch) „Ich wünsche mir dein Gast zu sein“

war ich eine einsame Schildkröte
sah dich und verkroch mich im Schild flog raus als eine Nachtigall“
Ich kann es ihr sagen, wenn ich sie wieder sehe, dachte ich mir.

Wir gingen langsamen Schrittes nebeneinander Richtung Kottbusser Tor. Dass ich nun jeden Tag diesen Weg gehen muss, löste Mitleid mit mir selbst aus.
Ich sah mich, wie mein eiliger Onkel mich rennend mitschleifte. Meine Beine waren kürzer als seine. Mein linker Schuh ging verloren. Unter seinem bösartigen Blick zog ich ihn wieder an. Er schlug auf meine rechte Schulter und zog mich weiter, ich hörte, dass er Ayshe leise „unwürdig” nannte.
„Wohin gehst du?”, fragte Baban. „Du solltest wirklich darauf achten, geh zum Arzt! Dass du plötzlich weggehst und deine Wahrnehmung verlierst und anscheinend in Erinnerungen versinkst, ist Dissoziation. Mein Therapeut hat es mal so beschrieben, dass man nicht präsent ist. Man ist zwar hier, aber fühlt sich absolut woanders und wannanders, das ist sehr gefährlich! Du kannst sogar überfahren werden! Denn du siehst nicht, ob die Ampel rot oder grün ist, ob es der Bürgersteig ist oder die Straße!”, sagte Baban und ich fühlte auch eine brüderliche Sorge in seinen Worten.
„Dein Therapeut wusste nicht, dass nicht alle Menschen die ganze Zeit dissoziieren? Diejenigen die immer bei vollem Bewusstsein sind, tragen auch mehr Verantwortung, Bruder.” sagte ich zynisch und schlug vor, einen Kaffee am Kotti zu trinken.
Wir gingen die Treppen hoch und sahen einander gegenüber an einem Tisch. Wir bestellten einen Kaffee und einen Pfefferminztee. Ohne Wortwechsel steckten wir Zigaretten an. „Was denkst du?”, fragte ich.
„Erinnerst du dich an diesen Abend?”, sagte er, während er seine Augen wegen des Rauches zukniff.
Ich lief vor den Erinnerungen weg, aber Baban ließ mich nicht. Ich wusste welchen Abend er meinte. Wir hatten viele gemeinsame Abende miteinander erlebt. Aber nur einer ist so tief in unseren Köpfen geblieben, als ob jemand aus der Antike ihn mit Knochenkeil und Steinhammer in unser Hirn gemeißelt hätte.
„Sein Gesicht ist mir immer noch präsent, ich sehe ihn immer noch, wie er aussah, als er uns diesen Weg zeigte und wartete, dass wir weiter und weiter in den Sumpf gingen”, sagte ich.

„Nein. Kannst du einmal diesen alten Mann aus Serbien vergessen? Du denkst immer noch darüber nach, warum ein Mann im Nirgendwo auf der Grenze zwischen Serbien und Ungarn eine Gruppe von Menschen in den Sumpf schicken wollte? Lieber Wafa, ist Rassismus für dich immer noch kein Thema? Vergiss diese Geschichte, er war bloß ein Mann in Serbien. An diesem Abend sah er mehr als zwölf Muslime, die ins christliche Europa gingen. Der konnte nicht ertragen, Muslime einfach dort hingehen zu lassen. Optimistisch gesehen, war es seine erste, impulsive Idee, dass er Flüchtlinge in diesen Sumpf schicken wollte. Oder es war von vorneherein sein schrecklicher Plan“, sagte Baban ernsthaft, wie ein Er wachsener, der einem Kind etwas erklärt.

„Ich meine diesen Abend, aber nicht den alten Mann und die Möglichkeit, in einem Sumpf ertränkt zu werden. Nein Wafa, ich meine ungefâhr eine halbe Stunde davor“, sagte Baban, als ob er ein Rätsel für mich auflösen wollte.

„Erinnerst du dich, als wir aus Versehen in den Hinterhalt der österreichischen Polizei geraten waren? Das ist auch lustig, dass Polizisten aus Österreich sich erlauben, in ein anderes Land, das nicht einmal das Nachbarland, nicht EU-Land ist...“. Ich unterbrach ihn.

„Baban, bitte fahre ohne deine Analyse fort. Ich habe deine Art zu reden satt, dass du in allem Rassismus entdeckst“, sagte ich und trank einen Schluck Kaffee. „Ich fühle mich schuldig, wegen mir wurdest auch du zur Flucht gezwungen. Bestraft ohne Tat. Hasst du mich wegen dieses ungewünschten Schicksals im Exil?“, fragte ich trotz Angst vor einem Ja, aber er antwortete nicht und ignorierte die Frage.

„Du bist langweilig geworden. Ja, wie gesagt, Polizisten aus Österreich sitzen in Serbien im Hinterhalt, gleichzeitig reden EU-Staaten Tag und Nacht über die Souveränität der Länder. Egal. Als die Schlepper geschlagen wurden und wir wie eine zersprengte Kette auseinander rannten und Ayshe verloren ging, weißt du worüber ich heute im Krankenhaus nachdachte, als diese hübsche Ärztin uns über Ayshes Situation berichtete? Ich dachte, wie ich an diesem Abend, in diesem Hinterhalt der Polizei, in dieser Sekunde, in der Ayshe verloren war, mich freute.“ Das sagte er!

 

Hallo @Ardalan,
Klasse, als nicht Muttersprachler eine Geschichte einzustellen (sehr fehlerfrei, auf echt hohem Niveau für meinen Geschmack) und sie errreicht mich total. Allerdings sehr unterscheidlich, nun ist bei mir die Frage, wo willst Du damit hin? Ich werde Dir meinen ganz persönlichen Leseeindruck schildern und habe ein paar Stellen herauszitiert.
Und bitte dran denken, es geht um die Geschichte, nicht um Dich als Autor!

Sie kam raus. Ein Pullover, rot wie Leber, dazu eine Jeans, die hellblau und teilweise zerrissen von Mode war. „Ah Kreuzberg, hier sehen sogar die Ärztinnen wie Punks aus“, sagte ich mir.
Der erste Satz ist erschreckend kurz, bringt keine richtige Verortung, auch wenn es sich anschließend klärt. Ich persönlich würde auf: Sie trat vor die Station oder ähnliches ändern.
Und aus der Kleidung auf Punks schließen, der Erzähler wertet recht schnell.

Während sie erzählte, versuchte ich erfolglos, meine Gähnkette zu unterbrechen.
Das verstehe ich rein inhaltlich nicht, warum gähnt er?

Sie redete sehr schnell und kompliziert, das kenne ich aus dem Heimatland. Ärzte wollen nicht verstanden werden. Es geht um Macht — sowohl die schlechte und unlesbare Schrift als auch die Ver wendung von nichtexistierenden Wörtern.
Hier gehe ich als Leserin das erste mal in Opposition! Man kann doch nicht alle Ärzte so über eine Kamm scheren. Das ist extrem Vorurteilslastig, ich bin gespannt, wo es hinführt.
Aber ich kann mir denken, das der Erzähler aus einem anderen Kulturkreis kommt.

In weniger als 5 Minuten hat sie alles gesagt, für sie völlig belanglos darüber nachzudenken, dass ich nur zwei Sätze aufgenommen habe.
Zweiter Stutzer! Kennst Du das, wenn Dir jemand sagt, was Du denkst! Also nach dem Muster: Du hast jetzt Mitleid mit mir, weil ich körperlich eingeschränkt bin. Sorry, aber keiner kann in meinen Kopf schauen, und nein, ich habe kein Mitleid, sondern sehe, das das Leben für manche von uns wesentlich größere Herausforderungen stellt.
Also woher weiß der Erzähler, warum die Ärztin so spricht? Nicht darüber nachdenkt? Außerdem hat er ja alles mitbekommen. Ich vertraue an der Stelle dem Erzähler nicht mehr, meine Infos und mein Wissensstand reichen nicht, und er gibt mir nicht genügend Infos, dass ich ihm folgen kann.

Ob diese Ärztin wegen des Piercings in der Zunge irgendwelche Schwierigkeiten beim Aussprechen haben könnte und welche Wörter ihr schwer fallen würden,
Tja, das nennt man im besten Falle unterschiedlichen Geschmack, im weniger netten dann wohl Vorurteile.

über sowas nachzudenken. „Sollte ich sie danach fragen?“, ging mir durch den Kopf.
Rein formel: Vorher sind die Gedanken nicht extra gekennzeichnet, ich würde es konsequent machen.

Er stand neben mir, rechts. Spielte mit den Fingern in seinem Bart. Er sah dabei nicht besonders nachdenklich aus. Seine Augen kenne ich gut. Ich bin mit diesen Augen aufgewachsen. Jeden Tag habe ich diese Augen gesehen. Ich kann vermuten, womit er beschäftigt ist. Wenn er traurig oder überrascht ist, werden die Augen rund.
Das gefällt mich super gut! Ich kann auch so erraten. das es sich um einen Famileinangehörigen handelt, eine gute Beschreibung/Charakterisierung.

„Ba Miwant bm ', du bist erst 44 Jahre alt, das kann nicht sein.“
Hier kann ich nicht folgen, also nicht die fremde Sprache, sondern das folgende.

Sogar im Fall unserer Mutter denke ich, sie hätte gelobt werden können, wenn sie versucht hätte, sich in der Wohnung umzubringen, da es zwei Zwecke erreicht hätte: einerseits gäbe es eine Ausländerin weniger, andererseits hätte sie ihre erfolgreiche Integration in die zivilisierte Gesellschaft beweisen können, wenn sie sich im Privaten umgebracht hätte“,
Uff! Das ist ein so harter Vorwurf, ich gehe als Leserin gefühlt sofort in Verteidigungshaltung. Wenn Du das erreichen wolltes, Glückwunsch! Allerdings würde ich es für sinnvoller halten, wenn ich es dem Erzähler glauben würde, dafür fehlen mir hier aber die Möglichkeiten. Da werden hoffentlich bessere Autoren als ich sagen können, was helfen würde. Gefühlt, fehlt mir einfach ein Erlebnis/eine Szene warum er so krass denkt.

Dieser Aufzug ist größer als ein OP-Zimmer im Iran, dachte ich.
Woher kennt er ein OP-Zimmer?

Menschen kommen nach Europa mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. Wenn ich den Iran nicht verlassen hätte, wenn ich auch wie die anderen ein normales Leben geführt und mich nicht mit Idealismus verdorben hätte, wäre ich dageblieben und hätte nichts von alledem geschehen sehen, wäre Ayshe nicht krank geworden.
Interessanter Blickwinkel und ich versuche es jetzt unter dem Aspekt zu verfolgen - Aus meiner bisherigen Erfahrung heraus hätte ich ja das Leben im Iran nicht als "normal" für viele und den Wunsch nach einem "besseren" Leben nicht als Idealismus, sondern als menschlich eingeordnet. Ich versuche diesen anderen Blickwinkel im Kopf zu behalten.

Nur 500 Meter weiter, im siebten Stock des Krankenhauses sind über hundert Menschen inhaftiert, in Geschrei und Lärm, damit hier Liebe ausgedrückt werden kann, dachte ich, während ich Neid spürte.
Okay! Auch ein anderer Blickwinkel, ich hätte das nur in Ausnahmefällen als Inhaftirung interpretiert. Außerdem fehlt mir die Reaktion der Mutter, also zumindets als Beobachtung, sie ist ja die Betroffene, um sie müsste es den Brüdern ja gehen, aber sie sind nur mit sich beschäftigt.
Den letzten Teil verstehe ich inhaltlich nicht - womit soll Liebe ausgedrückt werden? Worauf ist er neidisch?

„Du bist meine Seelenwanderungskraft bevor ich dich sah
1 Ein kurdischer Liebesausdruck, wörtliche Übersetzung aus Sorani (Kurdisch) „Ich wünsche mir dein Gast zu sein“

war ich eine einsame Schildkröte

Hier ist ein Absatz an einer sinnlosen Stelle. Die Erklärung steht mittendrin, ich denke, da ist beim reinkopieen etwas schief gegangen.

Dass ich nun jeden Tag diesen Weg gehen muss, löste Mitleid mit mir selbst aus.
Ich sah mich, wie mein eiliger Onkel mich rennend mitschleifte. Meine Beine waren kürzer als seine.
Ja, er denkt halt vordergründig an sich. Den zweiten Satz habe ich schon als Flashback oder Erinnerung gelesen, aber es fehlt der Zusammenhang. Somit kann ich nicht mitfühlen.

einen Kaffee am Kotti zu trinken.
Wir gingen die Treppen hoch und sahen einander gegenüber an einem Tisch.
Nach dem zweiten Lesen fiel mir ein, dass der Platz Kotti genannte wird, das passt schon. Wenn Du hier wirklich sahen/sehen meinst, dann würde ich umformulieren. Aber bei Kaffee trinken war ich kurz raus, da ich von einem Cafe oder ähnlichem ausging. Kann man so lassen, Du könntest aber auch dem Leser etwas helfen und es konkretisieren.

Aber nur einer ist so tief in unseren Köpfen geblieben, als ob jemand aus der Antike ihn mit Knochenkeil und Steinhammer in unser Hirn gemeißelt hätte.
Gutes Bild, wobei ich gestehe, da es sich um Flucht aus einem sehr harten Lebensumfeld handelt, würde ich eventuell erwägen, es eher mit etwas aus dem Iran oder dem muslimischen Hintergrund zu verbinden.

Lieber Wafa, ist Rassismus für dich immer noch kein Thema? Vergiss diese Geschichte, er war bloß ein Mann in Serbien. An diesem Abend sah er mehr als zwölf Muslime, die ins christliche Europa gingen. Der konnte nicht ertragen, Muslime einfach dort hingehen zu lassen.
Da ich dem Erzähler skeptisch folge, würde mir hier eine Szene und keine Behauptung helfen. Auch in den Kopf des Serben konnte niemand sehen! Entweder wird es für mich erlebbar, dass es Absicht war, Bösartigkeit! Oder es ist offen und ich kann mir diese Idee selbst erschließen. Mir persönlich fehlt ja jede Erfahrung mit solch krassen Situationen, aber meine Fantasie ließe mich durchaus folgen.

Egal. Als die Schlepper geschlagen wurden und wir wie eine zersprengte Kette auseinander rannten und Ayshe verloren ging, weißt du worüber ich heute im Krankenhaus nachdachte, als diese hübsche Ärztin uns über Ayshes Situation berichtete? Ich dachte, wie ich an diesem Abend, in diesem Hinterhalt der Polizei, in dieser Sekunde, in der Ayshe verloren war, mich freute.“ Das sagte er!
Hier merke ich dann, dass ich nicht verstanden habe, was Du erzählen möchtest. Warum ist die Ärztin mit ein Mal hübsch? Ayshe/die Mutter ging verloren - was ist ihr in der Zeit passiert? Liegt die Begründung für den Selbstmordversuch dort, denn er wird ja nie thematisiert (ode rich habe etwas völlig überlesen) Worüber hat er sich gefreut?
Entschuldige, wenn ich etwas völlig falsch verstanden habe, aber das sind meine Gedanken beim Leser der Geschichte.
Freue mich auf Deine Antwort
witch

 

Hallo @Ardalan ,

willkommen hier und danke für deinen Text!
Ich habe ihn vor ein paar Tagen gelesen und wollte unbedingt reagieren, habe aber gerade nur sehr wenig Zeit.
Also ganz knapp: Ich habe deinen Text sehr gern gelesen. Wie Greenwitch schon schrieb, ist allerdings nicht ganz klar, worum es dem Autoren eigentlich geht. Als Leserin fühle ich mich zwischen verschiedenen Themen hin- und hergeworfen, dem Outfit einer Ärztin, dem Gesundheitssystem in Deutschland, der Familiengeschichte bzw der Beziehungen der drei - und dann plötzlich ein Onkel? - miteinander, der Flucht, dem Fremdsein in einem anderen Land.
Dadurch entsteht ein Gefühl von Überforderung bei mir, das wieder zu der Situation des Erzählers / Protagonisten passt, aber doch auch wieder halb unfreiwillig wirkt.
Was mich am meisten interessiert hat, ist die Geschichte der Gedanken, die durch die Köpfe der Brüder gehen. Der Erzähler verwendet Ausdrücke wie "das ging mir durch den Kopf" als wäre er selbst überrascht von dem, was ihm so durch den Kopf geht. Als würde er seinen Gedanken zuschauen und ab und zu ein "komisch, dass ich das denke" hinzufügen. Eine Art Entfremdung, die ich nachvollziehbar finde. Und am Ende ist es dem Bruder offensichtlich wichtig, etwas auszusprechen, was er gedacht hat, etwas ganz Unmögliches: ein Gefühl von Erleichterung, die Mutter verloren zu haben. Ich kann mir vorstellen, dass das eine mit dem anderen zusammenhängt, aber ich weiß nicht, wie. Falls das für dich stimmig ist, könntest du genauer den Gedanken folgen, z.B. ... dachte ich, wie kam ich darauf? Warum denke ich das jetzt? Dass die Geschichte gut formuliert ist, lenkt vielleicht ein wenig vom Zentrum ab: eine witzige Bemerkung über eine kaputte Hose zum Beispiel, wenn nicht die Hose wichtig ist, sonders die Irritation, die die Trägerin der Hose auslöst.
Das gilt auch für die Frage, ob man sich in Deutschland im stillen Kämmerlein umbringen darf. Natürlich nicht! Die Selbstgefährdung bringt dich in die Geschlossene, unabhängig von Ort und Methode. Wenn du zum Ausdruck bringen willst, dass die Brüder das nicht wissen, dass es ihnen nicht erklärt wird, kannst du sie darüber spekulieren lassen, vielleicht fragen sie die Ärztin, aber die ist schon halb aus dem Raum oder versteht die Frage nicht.
Mir gefällt sehr die Einführung des Bruders, das ist schön, poetisch. Auch wie die Brüder kommunizieren oder zu kommunizieren versuchen, Bruchstücke aus Therapiejargon, der Versuch, Erlebtes einzuordnen.
Ich weiß nicht, ob diese Art von breitem Feedback hilfreich ist, ich gehe gern ins Detail, wenn du magst, sobald ich wieder mehr Zeit habe.

Herzliche Grüße
Placidus

 

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