Die Gefallenen
Eine laute Explosion jagt die nächste.
Larry hechtet in letzter Sekunde hinter die Überreste einer Mauer. Sackgasse. Ein kurzer Blick zu Will, der sich ebenfalls gerade so in Deckung retten kann.
„Alles ok?“ ruft ihm Will zu, während er das Feuer erwidert. Larry zögert nicht und bestätigt sofort. „Bestens.“
Er darf sich die Nervosität nicht anmerken lassen. Will zählt auf ihn. Wieder eine Explosion gefolgt von mehreren Schusssalven.
Larry zuckt zusammen, bevor auch er zu einem Feuerstoß ansetzt. Die feindliche Übermacht ist nun nicht mehr zu übersehen. Ein weiterer Blick zu Will, der nun sein letztes Magazin herausholt. Larrys Hoffnung schwindet mit jedem Schuss, jeder Detonation, jedem verzweifelten Schmerzensschrei in der Umgebung.
„Nur noch eine Frage der Zeit bis wir hier drauf gehen“, denkt er. Auch seine Munition nähert sich dem Ende. Ein letzter Gedanke an seine gefallenen Kameraden. Warum musste es auch der Irak sein?
„Es ist ein nicht enden wollender Kampf in der Stadt Kirkuk, der bereits zahlreiche Männer das Leben gekostet hat.“ Das waren die ersten Worte der Einsatzbesprechung nahe Mosul. In Mosul waren sie einen Tag vorher noch im Einsatz gewesen. Freddy hatte es dort erwischt. Eine Splittergranate hatte ihm seine rechte Körperseite komplett zerfetzt so dass er noch an Ort und Stelle starb.
Steve und Shane kamen bei den Feuergefechten nach der Landung nahe Kirkuk um. Der Verlust von Shane machte Larry besonders zu schaffen. Sie kannten sich schon seit dem Kindergarten und waren wie Brüder gewesen.
Wut kommt in ihm hoch.
Larry dreht sich aus der Deckung und feuert ein halbes Magazin in Richtung der Feindbelagerung. Prompt die Antwort. Feuersalven am laufenden Band. Beton platzt von den Wänden und Scheiben zerspringen. Larry geht in die Hocke mit starrem Blick auf das Einschussloch fast genau vor ihm.
In Kirkuk selbst begann dann das wahre Chaos. Es schien als würde jeder auf jeden schießen. Erst nach etlichen Schusswechseln und dem weiteren Vorstoß ins Stadtzentrum, begann sich die Situation etwas zu beruhigen. Jedoch nicht für lange Zeit.
Selbstsicherheit und Übermut machte sich in der Truppe breit. Letzterer wurde sogar noch verstärkt als sie auf eine zweite Einheit trafen, welche sich ihnen anschloss. Sie war aus Bagdad hier her beordert worden.
Larry erinnert sich an Dwayne, der zu ihm sagte: „Wow, Bagdad! Harte Hunde. Mit denen als Unterstützung wird das hier ein Klacks.“
Etwa Zehn Minuten später wurde eben dieser von einem feindlichen Scharfschützen erschossen.
Er ging nur ein Paar Schritte hinter Dwayne, als die Kugel dessen Kopf regelrecht durchschlug und er zu Boden viel.
Der Anfang vom Ende.
Nach dem Todesschuss an Dwayne, dauerte es keinen Wimpernschlag und der ganze Übermut und die Selbstsicherheit waren vom Feindlichen Kugelhagel wie weggeblasen.
Die Hälfte der Truppe viel der Überrumpelung zum Opfer. Larry erkannte aus seiner Deckung, welche er sich Reflex artig suchte, noch den überraschten Ausdruck auf den mit Blut überzogenen Gesichtern seiner toten Kameraden.
Will und er wurden von den Anderen getrennt. Sie versuchten, gejagt von Maschinengewehrfeuer und Granaten einen Weg durch die verwinkelten Gassen Kirkuks zu finden. Vergebens. Sackgasse. Der Funk zum restlichen Trupp war nun auch ausgefallen. Sie waren allein. Sie sind allein.
Larry wirft einen letzten Blick zu Will. Dessen Waffe gibt soeben ein leises “Klick“ von sich. „Keine Munition mehr“, ruft ihm Will zu. Das feindliche Gewehrfeuer übertönt ihn fast.
Larrys Blick wandert nun auf seine Waffe. Er überprüft die Munition. Ein letztes Magazin. Seine Nervosität ist verflogen und wird durch Verzweiflung ersetzt.
Er erhebt sich aus der Deckung.
Ein verstörtes „Was tust du denn da?“ kommt aus Wills Richtung.
Larry spricht mit sarkastischem Unterton noch ein letztes „Man sieht sich“, bevor er in Feindliche Richtung stürmt.
Die Kugeln fliegen ihm um die Ohren. Er feuert sein letztes Magazin gnadenlos herunter und nimmt noch vier feindliche Soldaten mit, ehe er von einem neuerlichen Kugelhagel regelrecht niedergeschossen wird.
Larry sieht wie Blut vor seinen Augen herunterläuft. Tod.
Tod steht auf dem blutrot gefärbten Computer Bildschirm. Larrys Mutter kommt ins Zimmer.
„Und wie gefällt dir dein neues Spiel, Schätzchen?“
Frustriert über die Niederlage im Online-Shooter, knallt Larry seine kabellose Maus in die Ecke und beschwert sich:
„Es ist viel zu schwer und total unrealistisch, Mom.“