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Die Grabvisite

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jerado

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Die Grabvisite

Er war auf dem Weg zu seinem Grab, als er mit seinem Porsche die Landstraße entlang preschte. Seine Meinung, alles sollte perfekt sein, wenn er ableben würde, veranlasste ihn schon mit 62 Jahren seine Gruft in Auftrag zu geben. Seine eigene Gruft in seinem kleinem Heimatdorf. Das hatte er sich schon immer gewünscht. Dann konnten alle sehen, was er geleistet hatte. Seine Frau wollte das Grab ungedingt in der Stadt bauen lassen, doch sein eiserner Wille, dass die Dorfbewohner immer vor Augen haben sollten, wen sie vor 50 Jahren davon gejagt hatten, zwang ihn ihre Meinung nicht zu beachten.

Er genoss es, als er mit 100 km/h durch das Dorf fuhr. Wie die Alten, die an der Straße auf ihren Klappstühlen saßen, ihm nachschauten. Dann kam das Haus. Sein Geburtshaus. Er spielte mit dem Gedanken auszusteigen, doch das wollte er den glotzenden Bewohnern nicht gönnen. Sollen sie doch weiterrätseln, wer da Woche für Woche zum Friedhof fährt. Spätestens wenn er nicht mehr unter ihnen sein wird, werden sie es erfahren. Und dann mit großem Trubel. Die Gästeliste für seine Beerdigung hatte er schon geschrieben. Vom obersten Gewerkschaftsboss bis zum Spitzenpolitiker waren fast alle Männer mit hohen Positionen aus der Region eingeladen. Seine Frau wurde immer verrückt wenn er mit neuen Details für die Feier auftauchte. Zurzeit war er am Überlegen, welche Speisen es geben sollte, doch er konnte sich nicht zwischen einem Drei-Gänge-Menü mit Straußeneiern und einigen Beilagen oder einem Vier-Gänge-Menü mit Nudeln und Muscheln entscheiden.

Nein, er hegte keine Suizid-Phantasien, doch er wollte einfach alles geplant haben. Alles soll perfekt sein. Ein Mann mit Format, braucht auch einen Abgang mit Format, das war seine Devise.

Am Friedhof endlich angekommen, ging er gleich zu seinem Platz. Dort sollte er den Bauleiter treffen, der ihm die neusten Fortschritte anhand der Pläne und der gemeinsamen Visite des bereits begehbaren Grabes erklären würde. Nach zehn Minuten war der Bauleiter immer noch nicht da und ungeduldig schaute er auf seine Rolex-Uhr. Nach weiteren fünf Minuten stieg er allein auf die Leiter, die schon für seine Besichtigung bereitgestellt wurde und begann alleine mit dem Abstieg. Doch traf er eine Sprosse nicht genau und stürzte drei Meter in die Tiefe. Er schlug mit dem Hinterkopf auf einen Stein auf, und blieb regungslos liegen.

Bloß Schade, dass er sich für das Essen für die Beerdigung noch nicht entschieden hatte.

 

Das ich gerade mal kurz für einen Moment ein bisschen zeitweise grinsen musste. Eine nette, kleine Geschichte, die mir ein wenig diesen trostlosen Abend versüßt.

 

Hallo jerado,

Deine Geschichte ist schön zu lesen, mußte schon schmunzeln, der Text zeigt aber auch wie wenig manche Dinge planbar sind.

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

Servus Jerado!

So kann es gehen im Leben. Einmal einer der sich selbst eine Grube gräbt. Hat mich beim Lesen zu der sarkastischen Bemerkung veranlasst: wunderbar, schon an Ort und Stelle - wenn sie ihn gleich liegenlassen ...

Hat mir gut gefallen. Lieben Gruß - schnee.eule

 

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