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Die Heilige Nacht
Er verfolgte sein Ziel schon seit einigen Tagen. Immer im Schatten lauernd und abwartend, sein Auftrag war klar umrissen gewesen,er musste auf den richtigen Moment warten und dann unerbittlich zuschlagen. Ohne Zweifel, ohne Skrupel und ohne Zögern. Nur so konnte verhindert werden das die Welt ins Chaos gestürzt wurde.
Sein Auftrag hatte Ihn quer durch die Wüste geführt, geleitet von einem Amulett des Lichts das Ihn immer auf den richtigen Weg führte und schlußendlich dorthin brachte wo sich sein Ziel befand. Er war kurz davon überzeugt, sofort zuschlagen zu müssen und das unausweichliche durchzuführen, aber seine innere Stimme und die genauen Anweisungen der Hüter des Ordens hinderten Ihn daran. Es war nicht der richtige Ort und nicht die richtige Zeit. Also folgte er seinem Schicksal viele Wochen unbemerkt und doch aufmerksam.
Nun stand er auf einem sandigen mit Palmen durchsetzten Hügel und blickte hinab, die Sonne war schon fast verschwunden und rotgoldenes Licht erbrach sich über die ferne Stadt. Er spürte eine innere Gelassenheit und aufkeimende Genugtuung, er wusste das heute der Tag war an dem sich das Schicksal der Welt entschied, entweder zum Guten oder zum Bösen. Er überprüfte seine Klingen, bedeckte sein Gesicht mit einem Wüstentuch und ward im Begriff seinen Auftrag auszuführen. Ein plötzlicher Schauer durchfuhr seinen Körper, als wäre ein eisiger Wind direkt durch ihn hindurchgedrungen. Seine Nackenhaare stellten sich auf und all seine Assassinensinne waren plötzlich aktiviert worden.
Gefahr!
Er spürte Blicke in seinem Rücken, böse, grausame und intensive Blicke. Er wandte sich langsam um und seine rechte Hand fuhr unbewußt an das Heft seines Schwertes. Noch eher er sah was da hinter Ihm urplötzlich und wie aus dem Nichts erschienen war, wusste er das sein Leben in ärgster Gefahr schwebte. Ein in schwarzen Stofffetzen gehüllter Hüne stand keine zehn Meter vor Ihm, der Mantel flatterte im Wind und sah aus als lebte er. Das Gesicht des Fremden war unter einer Kapuze verborgen in einer tiefen intensiven Dunkelheit die nicht natürlichen Ursprungs sein konnte. Noch niemals hatte er so eine dunkle Aura verspürt, wie sie dieser Fremde ausstrahlte. Erst jetzt bemerkte er die Klinge in der Hand des Vermummten, auch sie war schwarz und zum Angriff erhoben. Dieser Fremde, nein, dieses Wesen war erschienen um Ihn an der Erfüllung seines Auftrages zu hindern. Dessen war er sich bewußt.
Kein Wort wurde gesagt, kein Zeichen gegeben. Dann begann der Kampf!
Der Kampf war hart und schnell und schon nach den ersten Attacken erkannte der Assassine dass er den Angriffen des Fremden nicht lange standhalten konnte. Sämtliche Finten und Täuschungen wurden vom fremden Krieger scheinbar mühelos pariert, die Kraft des Assassinen begann zu schwinden und immer öfter verursachten Attacken des Fremden schmerzhafte Wunden an seinem Körper. Bis dann ein kräftiger und wirbelnder Angriff seine ungeschützte rechte Seite traf und die Verwundung dazu führte, dass ihn seine Beine im Stich ließen und er mit Schmerz verzerrtem Gesicht zu Boden ging.
Er war am Ende, er hatte seinen Meister gefunden und erwartete nun den Tod. Unter Schmerzen brachte er sich in eine aufrechte Position, der Vermummte ließ es geschehen, taxierte ihn aber mit wachsamen Blicken. Als sich der Assassine mit einer Hand an den Stamm einer Palme aufrichtete, versuchte er mit der anderen die Blutung zu stoppen, die aus einer tiefen Wunde an seiner rechten Bauchseite herrührte. Das Blut sickerte durch seine Hände und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis der Blutverlust so hoch war, dass er die Besinnung verlor.
Er hatte den besten Kampf seines Lebens bestritten, trotzdem war er seinem Gegner von Anfang an unterlegen gewesen. Seine jahrelange Ausbildung in den geheimen Künsten der Assassini reichte für diesen dunklen Krieger nicht aus. Seine Mission war gescheitert, jetzt lag das Schicksal der Welt in den Händen der wenigen Menschen, die der Prophezeiung Glauben schenkten.
Er sollte ihn aufhalten und versagte. Sein Orden versagte. Das letzte Bollwerk gegen das Böse war besiegt und lag in Trümmern. Jetzt konnte niemand mehr die Dunkelheit aufhalten, er war der letzte Assassine, die letzte Hoffnung.
Der Meister der Lügen, der Blender, der Herr der Täuschung und des wahrhaft Bösen wird sein Kind in die Welt der Menschen entlassen und sie dadurch nachhaltig verändern.
Es war Nacht, die Sterne leuchten am Firmament und in einiger Entfernung sah man ein hell erleuchtetes kleines aus Holz und Lehm gefertigtes Gebäude. Nur wenige Meter hätten ihn noch von seinem Ziel getrennt, doch dann erschien der dunkle Krieger, sein nachtschwarzer Mantel ließ ihn wie die lebendig gewordenen Dunkelheit erscheinen.
„Du verstehst den tieferen Sinn nicht“, flüsterte der dunkle Krieger und die Spitze seiner tiefschwarzen Schwertklinge schwebte bedrohlich über dem Herzen des vor ihm taumelnden Mannes.
„Alles was du getan hast wird im Endeffekt vergebens gewesen sein, die Welt wird sich wandeln und daraus entsteht Chaos und Wahnsinn, so wie es mein Meister geplant hat.“
Die letzten Worte verklangen spitz und schrill in den Ohren des gefallenen Assassinen. Das Schwert des dunklen Kriegers verharrte kurz und mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung seiner Arme zeichnete sich eine blutige Spur auf der Brust des Assassinen ab. Der Besiegte taumelte zu Boden, keuchte erschöpft, der Kampf mit dem Kutten tragenden fremden Krieger hatte ihn ausgelaugt. Niemals zuvor war ein Kampf so hart und herausfordernd gewesen wie dieser. Er, der erfolgreichste Assassine seines Ordens, wurde besiegt von einem Mann der mit dem Schwert eine Einheit bildete die seinesgleichen suchte. Sein Stil war außergewöhnlich, ja fast als elegant zu bezeichnen und doch so tödlich wie der Biss einer Natter.
"Dann töte mich und lass das Unausweichliche geschehen."
Der Assassine presste die Worte mühevoll durch die blutigen Lippen hervor, sein Atem ging schwer und die zahlreichen Wunden seines Körpers forderten stetig ihren Tribut.
"Auch wenn du mich besiegt hast, es werden andere kommen. Wir werden die Herrschaft des Bösen nicht hinnehmen."
Der Assassine blickte ohne Furcht seinem Feind entgegen und langsam erschienen rotglühende, grausame Augen die die Dunkelheit der Kapuze zu durchbrechen schienen. Die Augen des dunklen Kriegers besaßen eine unbarmherzige Intensität, die es ihm nicht erlaubten seinen Blick davon abzuwenden. Er sah die Grausamkeit und Mordlust aus diesen Augen sprechen. Es waren keine Augen eines Menschen. Er erschauerte, kalter Schweiß tropfte von seiner Stirn und je länger er in diese Augen sah desto hoffnungsloser wurde sein Ich.
Der Krieger lachte und während des Lachens stieß er sein Schwert in den Unterleib des Assassinen. Mit einem gewaltigen Ruck fuhr die schwarze Klinge durch den Körper und trat am Hals wieder aus. Der Körper des Assassinen erschlaffte, die Augen verloren ihren Glanz und als der letzte Lebenshauch entwich, hörte man in einiger Entfernung einen Säugling schreien.
Am Firmament erschien eine Sternschnuppe, leuchtete hell und verging innerhalb von wenigen Sekunden. Der dunkle Krieger blickte auf den Leichnam seines Gegners, säuberte sein Schwert an der Robe des Toten und schob es in die Scheide. Er begann eine sanfte Anhöhe zu erklimmen und blickte auf eine kleine Stadt.
„Er ist weit gekommen“, erklang eine tiefe Stimme hinter ihm.
„Ja, Meister“, der Krieger senkte seinen Kopf. „Aber Bethlehem war sein Untergang.“