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Die Insel

Monster-WG
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04.03.2018
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Die Insel

Heute könnte der perfekte Sommertag sein, wenn Jerome nicht wäre. Über die Tasse in meiner Hand schaue ich zu ihm hinüber, sehe ihm dabei zu, wie er den Rest Wermut in seinen Hals kippt. Mit lautem Klacken stellt er das Glas in die Lache, die seine vorherigen Drinks auf der Marmorplatte hinterlassen haben.
»Weißt du, kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort«, bellt er und wischt mit dem Handrücken über das nasse Kinn. Als er damit fertig ist, grinst er und zeigt auf meine Hose.
Die Möwe fliegt weg, über den ausgetrockneten Springbrunnen, ihr Schatten streift helle Hüte und luftige Sommerkleider, verschwindet Richtung Meer.
Weiter draußen sind der mit Quadern befestigten Küste Sandbänke vorgelagert. Dort auf der Landzunge mit der ehemaligen Sardinenfabrik befindet sich eine große Möwenkolonie, die einst von den Abfällen lebte. Auf dem Geländer direkt an der Rückseite der Fabrik hocken sie dicht an dicht, aufgereiht wie eine Perlenkette mit Federn. Niemand ist mehr dort, der sie vertreiben könnte und so sind sie geblieben.
Die neue, nützliche Plage sind Tagesgäste, von kleinen bis mittleren Fähren an Land gespült. Sie drücken sich die Treppen vom Hafen zum Marktplatz hoch, fluten die traditionellen Läden in den nahen Gassen der Stadt und landen bei einem Cappuccino im bestuhlten Schatten unter den Markisen. Wie die Gezeiten schwemmen sie von den Booten in die Stadt und wieder hinaus aufs Meer. Ihr Gemurmel ist ein pulsierender Fluss, schlägt den gleichen Takt wie der rhythmische Signalton vom Funkturm, der aus der Inselmitte ragt. Eine schnelle Signalfolge löst sich aus dem Takt, die Touristen scheinen es nicht wahrzunehmen, doch ich weiß was nun folgt, weil es das immer tut. In meiner linken Hand zieht es kalt und der Tag löst sich auf in warmer buttriger Sonne.

Als ich aufwache, ist es Nacht und nachts ist die Insel beinahe tot. Dieselgeneratoren tuckern zahm vor sich hin, die Straßen gehören den Katzen, durch die schrägen Lamellen der geschlossene Läden dringen warme Lichtstreifen, meine Schritte hallen von kahlen Mauern zurück. Wie endlose Würmer ziehen sich die schwarzen Lücken zwischen den Häusern die Hänge hoch, verkräuseln sich jenseits der Gärten mit ersten Ausläufern des Waldes. Unten im Hafen knarzen die Leinen und Fender der Boote, wenn das Meer sie aneinander reibt. Ich weiß das nur, hören kann ich sie hier oben nicht und zum Hafen hinunter kann und darf ich nicht gehen.
Kalt ziehen Winde durch die Gassen, ein jeder von ihnen besitzt eine eigene Flüsterstimme. Sie verflechten sich zu einem Bündel, zu einem pulsierenden Strom, der ein Grundrauschen erzeugt, das auch nicht aufhört, wenn ich mir die Ohren zuhalte. Das Warnsignal vom Funkturm ertönt gleichmäßig und leise, hypnotisiert mich wie ein auf Zeitlupe eingestelltes Metronom, bis ich wieder wegdämmere.

Jerome steht die Sonne im Rücken, ich sitze wieder auf dem Stuhl. Als ich zu ihm hinüberschaue, muss ich mit den Lidern blinzeln. Warum habe ich keine Sonnenbrille? Der Zigarrenschneider liegt vor ihm auf dem Tisch. Trotzdem beißt er die Kappe ab, spuckt sie zur Seite und ein paar braune Reste hinterher. Übelkeit kriecht meinen Hals hoch. Ich setze die Tasse ab und zupfe eine Serviette aus dem Spender.
»Scheiß auf Sünde, scheiß auf deinen Gott«, sage ich. Die Serviette lege ich doppelt über den Möwenkot auf meiner Shorts. Jerome lacht. Köpfe drehen sich zu uns. Ich spüre wie es langsam kippt. Was für ein Gott soll das sein, der Kleinigkeiten bestraft und großes Elend gleichgültig geschehen lässt? Ein der Welt entrückter Erbsenzähler?
Mit spitzen Fingern drücke ich die Serviette zusammen. Was auf der Hose bleibt, stinkt bestialisch. Ich spreize das Bein weit ab und hoffe, dass der Fleck in der Sonne schnell trocknet. Die Serviette werfe ich unter den Tisch, wo Jeromes ölverschmierte Flip-Flops stehen.
Auf seinem verblassten Poloshirt zeichnet sich ein weißer Schweißrand ab. Eine zerbrechliche Kette aus Salzkristallen, die wie ein Collier unter seinem filzigen grauen Bart liegt. Seine fleischigen Füße hat er ins gusseiserne Tischgestell gedrückt. Die schmutzigen Zehen wachsen wie Früchte aus den rostigen Blattornamenten. Violette Trauben mit rissiger Haut und gelben Rändern.
Ich schiebe die Tasse zur Seite, kann nicht trinken, nicht mit dem Gestank in der Nase und den Bildern vor Augen. Der Kellner lässt seinen Blick über die Köpfe schweifen, ich hebe die Hand, reibe Daumen und Zeigefinger aneinander. Wie jeden Tag ignoriert er mich als wäre ich Luft.
Ich stehe auf und taste die Taschen meiner Shorts ab, weder Portemonnaie noch Schlüssel sind darin, wo hab ich nur meinen Kopf?
»Du solltest zum Hotel gehen und dich frischmachen«, sagt Jerome. Er ist ebenfalls aufgestanden, steht vor mir, ich kann über ihn drüber spucken, so klein ist er. Mit ausgestreckten Armen will er mir den Weg zeigen. Und dann begeht er einen Fehler.
»Wenn du alles befolgst, wirst du Mona wiedersehen.«
An uns vorbei geht eine Frau, die das gleiche Sommerkleid trägt, das Mona an jenem Tag trug, Himmelblau, darauf verteilt rehbraune Jakobsmuscheln.

Es saugt mich weg und ich stehe vor dem schmiedeeisernen Tor. Zu der warmen Quelle geht es zwischen Büschen drei Felsstufen hinunter, eine Terrasse wurde in den Stein gehauen, das Wasser speist ein niedriges gemauertes Bassin. Wo es überläuft, hat sich wulstiger Kalk abgelagert. Wie aufgereiht steigen kleine Luftbläschen empor, es riecht streng, erinnert an Klinik. Wir sind allein.
Mona setzt sich auf den Rand, schüttelt die Sandalen ab und schwingt die Füße ins Wasser, lacht. Sie klopft mit der Hand auf die Mauer. »Komm!«
Ich schüttele den Kopf und habe damit nicht nur Nein gesagt zu dieser Einladung, ich habe viel zu oft nein gesagt und noch öfter habe ich das bedauert.
»Du hast es so gewollt, auch das war deine Entscheidung«, sagt Jerome und saugt an seiner Zigarre, bis die Spitze aufglüht wie eine feurige Turbine.
Wie stehen immer noch voreinander, er zwischen mir und dem Hafen. Ich sehe die Wachsamkeit in seinen Augen, er ist auf dem Sprung.
Mittagshitze kriecht aus der Stadt herunter, bringt auf ihrem Weg durch die verwinkelten Gassen den Geruch von Kakao, Chili und alten Steinen mit.
Ich drücke mich an ihm vorbei, gehe zur altersgrauen Balustrade und schaue herab in den Hafen. Es ist Mittag und Touristenebbe. Unten im sichelförmigen Hafenbecken liegt der Anlegesteg der Fähren verwaist. Die mir verbotene Zone.
Daneben dümpeln ausgeblichene Fischerboote, auch das von Jerome, das ich nicht betreten kann, da der ganze Hafen für mich unerreichbar bleibt. Ein jedes Boot tanzt seinen eigenen Rhythmus, schüttelt die seitlichen Netze wie lose Zöpfe, um das gleißenden Sommerlicht einzufangen, doch das Glitzern schlüpft immer wieder durch die Maschen. Mit zusammen gekniffenen Augen verschwimmen die Farbkleckse mit den Sonnenreflexionen auf dem Wasser, laufen ineinander und werden eins. Manches Mal, wenn ich blinzele, verschwindet der Hafen und ich peile mit einem Aussichtsfernrohr über die Kante auf ein leeres Meer. Ganz hinten im Dunst lässt sich das Festland ausmachen, ein geschwungener Kohlestrich, der in der Luft hängt. Was hilft es, ich kann nicht über Wasser gehen.
»Fick dich, Jerome«, sage ich leise und gehe. Obwohl er Meter entfernt steht, lacht er mir hinterher und wir beide wissen, er wird es mir nicht übelnehmen, weil das nicht geht, weil wir uns schon sehr bald wiedersehen werden.

Ich kann nicht sagen, wie lange ich schon hier bin, wann ich das erste Mal einen Fuß auf dieses Eiland gesetzt habe, das mich seitdem an sich saugt wie ein Magnet. Regelmäßig sendet der Funkturm seine Signale. Wenn er aus dem Takt gerät und stolpert, pocht der Schmerz in meiner linken Hand, Stunden und Tage zerfließen danach zu einem buttrigen Sonnenbrei, die Zeit dehnt sich aus, als ob sie mir keinen eigenen Raum geben will.
Seit dem ersten Tag schmeichelt die Insel mir mit berauschendem Meer und unfassbarem Licht, erfreut mich mit gutem Essen und dem Gezwitscher aus hundert Fenstern. Doch ebenso erstickt mich die Schwere der alten Mauern, die rauschende Einsamkeit der schwarzen Nächte und das konstante Signal vom Funkturm.
Der einzige Ort, wo ich dem Signal entkommen kann, ist die graue Kirche, errichtet mit dem, was der stillgelegte Steinbruch auf dem Weg zur Inselmitte einst hergegeben hat. Sie ist älter als die älteste Zeder der Insel und meine Zuflucht.
Die Insel spricht mit mir in einer rauen, herben Sprache, die nicht meine Muttersprache ist und doch ahne ich, was sie sagt. Dass ich sie nicht verlassen soll, weil es mir doch gut ergeht, dort wo ich bin, und ob denn das, was mich dort erwartet, wo ich hingehen will, tatsächlich besser sei?
Was ich spüre, ist eine Sehnsucht nach meinem alten Leben, eine seelische Unterernährung, ohne dass ich mich daran erinnern könnte, wie es dort war, wo ich vorher war. In meinem Kopf versammeln sich lauter blinde Flecken, als hätte die Insel mich als Ganzes verschluckt und als Wesen ohne Erinnerungen wieder ausgespuckt. An manchen Tagen fühle ich mich auf die Insel geworfen wie ein Neugeborenes, sorglos und dumm, gebettet in dickflüssige Tage eines ewigen Sommers. Würde sich das ändern, wenn ich Festland betrete? Wie soll ich jemals dorthin gelangen?

Die Insel weiß jeden meiner Schritte, noch bevor ich selbst den Gedanken dazu gefasst habe. Knurrt mein Magen, höre ich das Klappern von Besteck und das Schnattern an Tischen, deren Bretter von Tellern voller Köstlichkeiten verdeckt werden. Die Menschen an den Tischen sind jedes Mal neu, doch ein freundlicher Platz ist für mich immer frei.
Halte ich mir die Ohren zu, weil ich das Signal und das metallische Surren nicht mehr ertrage, öffnet sich hinter der nächsten Hausecke der Kirchplatz. Schon im Schatten der Turmspitze wird es ruhiger, aus dem großen Portal strömt Weihrauch und Frieden. Für einen kleinen Moment bin ich der Insel und dem verrückten Erbsenzähler dafür dankbar.
Werden meine Schritte schwer, führt mich mein Weg aus der Stadt hinaus auf einen Hügel, ich schaue aufs Meer, das Gesicht im Wind, Salbeiduft und Salz in der Lunge. Strengt mich die Hitze an, führt sie mich zu einem duftenden Hain voller Zitronen und Orangen, in deren Halbschatten ich zur Besinnung komme.
Und ja, wenn ich ein blaues Kleid mit rehbraunen Jakobsmuscheln sehe, denke ich an Mona und stehe vor dem Tor. Nach drei Stufen hinunter zum Bassin sind wir wieder alleine, sie klopft auf den Platz neben sich. Wieder und wieder, Tag für Tag aufs Neue – bis ich mich irgendwann setzte, meine Sandalen ausziehe und mit ihr um die Wette trampele. Wie erwartet prickelt das Aufsteigen der Luftbläschen an meinen Beinen, doch der Rest schmerzt, weil über dem ganzen blinden Fleck namens Erinnerung eine unverrückbare Gewissheit steht: Es ist nicht wahr! Und weil es nicht wahr ist, kann es auch nicht bleiben. In Wahrheit ist Mona tot, das Bassin mit dem Lebenswasser eine wässrige Lüge, das kann ich jetzt sehen und wenn es das Einzige ist.
Außer Mona ist Jerome der einzige Mensch auf der Insel, der jeden Tag aufs Neue erscheint. Niemanden sonst erkenne ich wieder, niemand sonst ist halbwegs real, nur Jerome, der Fischer und Botschafter der Stadt, geformt aus dreckiger Inselerde, mein ungefragter Begleiter.

Was Jerome als kleine Sünde bezeichnet, ist maßlos übertrieben und belanglos: Damit ist mein Sprung hinunter zum Hafen gemeint. Genauer gesagt habe ich mich von der Balustrade fallen gelassen, in der irren Hoffnung, mich mit gebrochenen Beinen auf eines der Touristenboote zu schleppen. Dieses einzige Mal war ich schneller als mein Aufpasser, weil ich es einfach getan habe, ohne groß darüber nachzudenken.
Überrascht wie er war, hat er zwar versäumt, den Fall zu verhindern – dennoch ist es kein Wunder, dass ich nie auf dem Boden des Hafens landete, sondern mich auf dem Bistrostuhl sitzend wiederfand, wo ich mich immer wiederfinde an einem Tisch mit Jerome und seinem Spott. Jetzt bin ich sicher, die Insel wird mich niemals gehen lassen!
Jerome grinst mich an und hebt den Daumen. »Jetzt hast du's.«
Sie zwingt mich zu einem Umweg, den ich nicht zu laut denken darf, den ich im Leerlauf gehen muss als wandelnder blinder Fleck, sonst kommt die Insel mir zuvor.

Sonntag. Ich schaue auf die Kirchturmuhr, acht vor elf. Die Pflastersteine sind dunkel vor Feuchtigkeit. Salz und schwarzer Sand knirscht unter meinen Sandalen. Aus dem Gewirr an grünen Türen, geschlossenen Fensterläden und dem ewig südlichen Mauerocker schält sich die Fabrik. Der Schriftzug auf dem schmalen Giebel ist lange verblichen, darüber eine offene Luke mit steil ausgestelltem Flaschenzug ohne Seil. Müll und gestapelte Paletten wachsen auf der Rückseite die Wände hoch, wie ein Panzer, der sich mit der Zeit über die Fabrik stülpen will. Ich steige über den kniehohen Draht und die letzten Gräser vor dem Meer und wende mich zur Schattenseite. Der salzige Geruch gewinnt an Schärfe. Meine Gedanken sind leer, kein Grund meine Schritte zu lenken.
In das Geländer hat der Rost ein Loch gefressen, das von zwei Wespen bewacht wird, die nervös mit den Flügeln schlagen, weil ich mit meiner Hand über den Rost gestrichen bin. Ihr Summen ähnelt dem Grundgeräusch, das ich fortwährend höre. Vorsichtig schlage ich einen Bogen und gehe weiter auf die Landzunge hinaus.
Dennoch spüre ich den Stich auf meiner Hand, dort wo das Leben in mich hineinläuft.
Der Funkturm meldet sich mit ersten stolpernden Signalen, doch bevor sie die bekannte Wirkung entfalten können, schlägt die Glocke im Kirchturm, übertönt das Signal soweit, dass sich das Gefühl der Betäubung nicht einstellt.
Ich sehe Jerome vor mir, er raucht im Schatten der Fabrik, sein rechter Fuß ist an die Wand gelehnt. »Du bist noch nicht dran«, sagt er und lässt die Turbine zwischen den Zähnen glühen.
»Ja, ich weiß …«, sage ich, zwinge mir ein Lächeln ins Gesicht und ziehe langsam meinen Blick von ihm weg. Kein Widerspruch. Mein Kopf ist leer, weiche Gedankenlosigkeit, deshalb lässt er mich gehen. Endlich lasse ich ihn hinter mir, das Signal verebbt und das Läuten, ebenso das Grundrauschen und der Schmerz auf meinem Handrücken lässt nach.
Erste Möwen steigen in die Luft, je weiter ich gehe, desto größer wird ihre Zahl. Ich kann nicht sagen, ob das, was meine Ohren betäubt, Schreien oder Lachen ist.
Ich schließe die Augen, setzte Schritt vor Schritt, weiter und weiter, breite die Arme aus und spreize die Finger, mehr habe ich nicht dabei. Zuerst höre ich das Flattern. Als sie anfliegen, zieht wilde Luft an meinem Gesicht vorbei, erste Krallen greifen zu mit spitzen Schmerzen, ich heiße sie willkommen. Mehr und mehr greifen in meine Arme, knabbern an Fingern und Ohren, ziehen Furchen durch mein Haar. Sie stimmen ein in den vielstimmigen Gesang, bevor sie mich in die Lüfte heben, ein weißgrauer Ballon mit zerfasernder Hülle aus streichelnden Federn, gelben Augen und Schweben.
»Zurück …«, flüstere ich, »... nur zurück« und schlage seit einer Ewigkeit die Augen auf.

 

Ja super ... hab grade den Kommentar mit all den Anmerkungen gelöscht - also dann auf ein neues (in der Hoffnung, dass ich nichts vergesse.)

Hallo @linktofink,

einen schönen Stil hast du. An manchen Stellen war's mir persönlich ein wenig zu viel mit den Beschreibungen/Bildern, aber an sich fand ichs gut. Ich hatte ursprünglich ein paar Stellen herauszitiert, die mir besonders gut gefielen. Auf die schnelle fällt mir nur das Bild mit den Zehen als Trauben ein. Sehr schön. Da kam mir fast das Kotzen. :)

Der Inhalt selbst ließ mich beim ersten Mal lesen etwas ratlos zurück, beim zweiten Mal hatte ich mir noch ein paar Stellen rauszutiert gehabt, ich schau mal, wie viel ich davon jetzt noch finde, wenn ich dann noch mal in den Text schaue. Weil ich's jetzt halt nochmal rauszitieren muss. ^^"

Zum Aufbau/Beschreibungen:

»Weißt du, kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort«, bellt er und wischt mit dem Handrücken über das nasse Kinn. Als er damit fertig ist, grinst er und zeigt auf meine Hose.
Die Möwe fliegt weg, über den ausgetrockneten Springbrunnen, ihr Schatten streift helle Hüte und luftige Sommerkleider, verschwindet Richtung Meer.

Weiter draußen sind der mit Quadern befestigten Küste Sandbänke vorgelagert. Dort auf der Landzunge mit der ehemaligen Sardinenfabrik befindet sich eine große Möwenkolonie, die einst von den Abfällen lebte. Auf dem Geländer direkt an der Rückseite der Fabrik hocken sie aufgereiht wie Perlen auf einem rostigen Draht. Niemand ist mehr dort, der sie vertreiben könnte. Die neue nützliche Plage sind Tagesgäste, von kleinen bis mittleren Fähren an Land gespült.
Beim zweiten Mal lesen ergab das natürlich Sinn, Vogelkacke auf der Hose. Beim ersten Mal verstand ich nicht, was der Ausflug in die Vogelkolonie hier soll. Also, ich hab nicht gecheckt, dass er angekackt wurde und aus dem Grund kam mir die Beschreibung vor wie ein Puzzleteil, das noch nicht ganz sitzt.

Nachts ist die Insel beinahe tot. Dieselgeneratoren tuckern zahm vor sich hin, die Straßen gehören den Katzen, durch geschlossene Läden flimmern warme Lichtstreifen, meine Schritte hallen von kahlen Mauern zurück. Wie endlose Würmer ziehen sich die schwarzen Lücken zwischen den Häusern die Hänge hoch, verkräuseln sich jenseits der Gärten mit ersten Ausläufern des Waldes. Unten im Hafen knarzen die Boote, wenn sie aneinander reiben. Ich weiß das nur, hören kann ich sie hier oben nicht und zum Hafen komme ich nicht.
Kalt ziehen Winde durch die Gassen, ein jeder von ihnen besitzt eine eigene Flüsterstimme und jeder birgt eine andere Botschaft. Sie verflechten sich zu einem Bündel, zu einem pulsierenden Strom, der ein Grundrauschen erzeugt, das auch nicht aufhört, wenn ich mir die Ohren zuhalte. Hinzu kommt der rhythmische Signalton vom Funkturm, der aus der Inselmitte ragt. Der einzige Ort, wo ich dem entkomme, ist die graue Kirche, errichtet mit dem, was der stillgelegte Steinbruch auf dem Weg zum Funkturm einst hergegeben hat. Sie ist älter als der älteste Baum der Insel und meine Zuflucht.
Die beiden Erzählblocke wirkten für mich auch beim zweiten Mal lesen noch off. Wir starten mit dem Ich-Erzähler und Jerome am Tag an einem Tisch. Und dann kommen hier zwei Erzählblöcke. Der erste beschreibt, wie die Insel in der Nacht ist, der zweite (der für mich auch so wirkte, als wäre er nur an den zweiten rangesetzt worden, mir kams so vor, als würde da der Übergang fehlen) dann den Funkturm, der später noch vorkommt. Ich würd die beiden Blöcke eventuell noch auf das wichtigte kürzen, zusammenfügen und dann vielleicht auch etwas runder in die Geschichte einweben? VIelleicht kams aber auch nur mir so vor.

Jerome steht die Sonne im Rücken. Ich muss blinzeln, als ich zu ihm hinüberschaue. Der Zigarrenschneider liegt vor ihm auf dem Tisch. Trotzdem beißt er die Kappe ab, spuckt sie zur Seite und ein paar braune Reste hinterher.
Was für ein Gott soll das sein, der Kleinigkeiten bestraft und großes Elend gleichgültig geschehen lässt? Ein der Welt entrückter Erbsenzähler?
Seine fleischigen Füße hat er ins gusseiserne Tischgestell gedrückt. Die schmutzigen Zehen wachsen wie Früchte aus den rostigen Blattornamenten. Violette Trauben mit rissiger Haut und gelben Rändern.
Das sind drei Stellen, die mir sehr gut gefielen. Grade auch der Gedanke mit dem erbsenzählenden Gott, den der Ich-Erzähler später ja auch wieder aufgreift, gefällt mir sehr gut.

Was den Inhalt angeht, da war ich beim ersten Mal lesen lost. Mir fiel aber auf, dass bei Mona was mit Spritzen stand und dann beim zweiten Mal lesen auch, dass da relativ oft der Schmerz in der Hand vorkommt. Daher dacht ich mir dann, vielleicht ja ne Art Drogengeschichte? Wobei die Insel quasi seine Sucht ist, die ihm vorgaukelt bzw. gibt, was er haben will, sobald er daran denkt, da gabs ein paar Stellen, die mich auf den Gedanken brachten, ich schau mal, ob ich sie finde.

Ich kann nicht sagen, wie lange ich schon hier bin, wann ich das erste Mal einen Fuß auf dieses Eiland gesetzt habe, das mich seitdem an sich saugt wie ein Magnet. Regelmäßig pocht der Schmerz in meiner linken Hand, Stunden und Tage zerfließen dann zu einem buttrigen Brei, die Zeit dehnt sich aus, als ob sie mir keinen eigenen Raum geben will.
Seit dem ersten Tag schmeichelt die Insel mir mit berauschendem Meer und unfassbarem Licht, erfreut mich mit gutem Essen und dem Gezwitscher aus hundert Fenstern. Doch ebenso erstickt mich die Schwere der alten Mauern, die rauschende Einsamkeit der schwarzen Nächte und das konstante Signal vom Funkturm.
Was ich spüre ist eine Sehnsucht nach meinem alten Leben, eine seelische Unterernährung, ohne dass ich mich daran erinnern könnte, wie es dort war, wo ich vorher war. In meinem Kopf versammeln sich lauter blinde Flecken, als hätte die Insel mich als Ganzes verschluckt und als Wesen ohne Erinnerungen wieder ausgespuckt.
Werden meine Schritte schwer, führt mich mein Weg aus der Stadt hinaus auf einen Hügel, ich schaue aufs Meer, das Gesicht im Wind, Salzluft in der Lunge. Strengt mich die Hitze an, führt sie mich zu einem duftenden Hain voller Zitronen und Orangen, in deren Halbschatten ich zur Besinnung komme.

Da hörte sich die Insel so ein wenig an, wie das High.

Woraus ich nicht wirklich schlüssig wurde war Jerome, seine Aussagen und auch die Leute um sie herum, dass der Kellner ihn ignoriert, die Kippende Stimmung, als er sagt "Scheiß auf deinen Gott".

Oder auch diese Stelle hier:

Mona setzt sich auf den Rand, schüttelt die Sandalen ab und schwingt die Füße ins Wasser, lacht. Sie klopft mit der Hand auf die Mauer. »Komm!«
Ich schüttele den Kopf und habe damit nicht nur Nein gesagt zu ihrer Einladung, sondern offenbar auch zu allem weiterem.
Das klingt, als hätte er zu Mona nein gesagt und nicht mit ihr um die Wette gespritzt und so, als wäre es danach schlimm geworden. Als nächster erfahre ich als Leser, dass sie tot ist und dass er jetzt nur noch Jerome hat. Und der sagt dann so kryptische Sachen wie das hier:

»Du hast es so gewollt, es war deine Entscheidung«, sagt er und saugt an seiner Zigarre, bis die Spitze aufglüht wie eine feurige Turbine.

Und irgendwie scheint der Ich-Erzähler nicht von ihm wegzukommen.

»Fick dich, Jerome«, sage ich leise und gehe. Er lacht mir hinterher und wir beide wissen, er wird es mir nicht übelnehmen, weil das nicht geht, weil wir uns schon sehr bald wiedersehen werden.

Und gleichzeitig scheint er mehr zu wissen:

ch sehe Jerome vor mir, er raucht im Schatten der Fabrik, sein rechter Fuß ist an die Wand gelehnt. »Du bist noch nicht dran«, sagt er und lässt die Turbine glühen.
»Nein, ich weiß …«, sage ich, zwinge mir ein Lächeln ins Gesicht und ziehe langsam meinen Blick von ihm weg. Mein Kopf ist leer, buttrige Gedankenlosigkeit, deshalb lässt er mich gehen.

Da dacht ich, dass er vielleicht sowas wie sein Überbewusst sein sein könnte oder sowas. Dass der Ich-Erzähler ihn sich nur einbildet.

Woraus ich auch nicht schlau wurde, ist die kleine Sünde:

Was er als kleine Sünde bezeichnet, ist vergleichsweise belanglos, damit ist mein Sprung von der Stadtmauer hinunter zum Hafen gemeint, in der irren Hoffnung, auf eines der Touristenboote zu gelangen. Dieses eine Mal war ich schneller als die Insel, die es versäumt hat, den Sprung zu verhindern. Weil ich getan habe, ohne zu denken. Dennoch ist es kein Wunder, dass ich nie auf dem Boden des Hafens landete, sondern mich auf dem Bistrostuhl sitzend wiederfand, an einem Tisch mit Jerome und seinem Spott. Jetzt bin ich sicher, dass die Insel mich niemals freiwillig gehen lässt.
So wie ich mir das zusammengereimt habe, mit der Sucht und dem High, wäre das ein versuchter Absprung, weg von der Insel. Vielleicht hat das dazu geführt, dass Mona sich ne Überdosis verpasst hat, aber dann wäre der Sprung nicht so belanglos. Vielleicht lese ich das alles auch ganz anders, als du dir das gedacht hast.

Ich wäre auf jeden Fall gespannt, was so deine Gedanken sind, steht ja "Seltsam" dabei, auf jeden Fall hab ich's gerne gelesen.

LG
Salatze

 
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Moin @linktofink ,

wusst ich's doch: Challenge-Time und du bist dabei.
Wie immer sind deine Geschichten, also auch diese hier, mit sehr vielen Eindrücken durchsetzt und es passiert auch immer viel darin.
Hier kommt mir der eigentliche Plot, der sich auf die Menschen bezieht, ein wenig karger als sonst vor, aber dafür lässt du umso mehr die Landschaft, also die Insel sprechen.
Da allerdings ist es mir an manchen Stellen etwas too much, da scheint es mir, dass mit dir die Pferde durchgehen, aber das zeige ich noch auf.
Natürlich ist das auch in gewisser Hinsicht reinste Geschmackssache, du musst es also keinesfalls persönlich nehmen, wenn mir hie und da etwas zu dick aufgetragen wurde.
An wiederum einigen anderen Stellen hast du Formulierungen gewählt, die ich zum Niederknien gut finde, ich wünschte, du würdest dieses Talent in dir noch deutlich intensiver ausbauen und hegen und pflegen.
Ich versuch mal, der Reihe nach vorzugehen:

die seine vorherigen Drinks auf der Marmorplatte hinterlassen haben.
Das Bild erscheint mir nicht in sich stimmig. Es ist ja nicht so, dass man stets beim Trinken Pfützen auf dem Tisch hinterlässt. Hier fehlt für mich folglich noch ein kleines erklärendes Detail.
Die Möwe fliegt weg,
Ich störe mich an dem Wort "die", würde eher "eine" wählen, weil es ja eine ganz beliebige Möwe ist.
Nachts ist die Insel beinahe tot. Dieselgeneratoren tuckern zahm vor sich hin, die Straßen gehören den Katzen, durch geschlossene Läden flimmern warme Lichtstreifen, meine Schritte hallen von kahlen Mauern zurück.
Klingt gut, gefällt mir sehr.
Unten im Hafen knarzen die Boote, wenn sie aneinander reiben.
Ich bin vermutlich hier, wie du so schön sagst, zu erbsenzählerisch, aber die Boote reiben bestimmt nicht aneinander, jeder Bootsbesitzer sorgt akribisch dafür, dass dazwischen ein paar Bojen oder andere Gegenstände genau dies verhindern, dass sie sich reiben. Aber diese über Bord hängenden Teile, @Katla weiß garantiert dazu etliche Bezeichnungen, die sind es, die knarzen können oder quietschen.
Ich weiß das nur, hören kann ich sie hier oben nicht und zum Hafen komme ich nicht.
Ich empfinde diesen Satz für überflüssig.
Eine zerbrechliche Kette aus Salzkristallen, die wie ein Collier unter seinem filzigen grauen Bart liegt.
Toll formuliert.
Die schmutzigen Zehen wachsen wie Früchte aus den rostigen Blattornamenten. Violette Trauben mit rissiger Haut und gelben Rändern.
Hier ist es mir too much der garstigen Beschreibung.

Ich schiebe die Tasse zur Seite, kann nicht trinken, nicht mit dem Gestank in der Nase und den Bildern vor Augen.
Ginge mir auch so, ob der vorherigen Beschreibung. Das ist mir alles hier zu dick drauf.
Wir beide wissen, was er mit der kleinen Sünde meint und sie ist der einzige Grund, warum ich gerade Jerome ertrage.
Hier wird es zwar spannend, aber am Ende deiner Geschichte könnte ich nicht sagen, was für eine Sünde das ist. Weiß der Autor es?
Ein jedes Boot tanzt seinen eigenen Rhythmus, schüttelt die seitlichen Netze wie lose Zöpfe, um das gleißenden Sommerlicht einzufangen, doch das Glitzern schlüpft immer wieder durch die Maschen.
Auch hier haut es mir zu fantasiereich ins Gebälk, zu dick aufgetragen.
Zu der warmen Quelle geht es drei Felsstufen hinunter, eine Terrasse wurde in den Stein gehauen, das Wasser speist ein niedriges gemauertes Bassin. Wo es überläuft, hat sich wulstiger Kalk abgelagert. Wie aufgereiht steigen kleine Luftbläschen empor, es riecht streng, erinnert an Klinik. Wir sind allein.
Mona setzt sich auf den Rand, schüttelt die Sandalen ab und schwingt die Füße ins Wasser, lacht. Sie klopft mit der Hand auf die Mauer. »Komm!«
Ich schüttele den Kopf und habe damit nicht nur Nein gesagt zu ihrer Einladung, sondern offenbar auch zu allem weiterem.
Dieser Absatz kommt bereits ein ganzes Stück weiter vorne, aber ich zitiere ihn dir hier erst jetzt, weil ich zunächst dachte, dass ich mal abwarten sollte, wann du den Faden wieder aufnimmst. Das ist mir aber zu spät erfolgt. Ich empfinde diesen gesamten Absatz komplett als Fremdkörper, kein Einschub, der eine neue Facette oder einen neuen Erzählstrang eröffnen soll.
Regelmäßig pocht der Schmerz in meiner linken Hand, Stunden und Tage zerfließen dann zu einem buttrigen Brei, die Zeit dehnt sich aus, als ob sie mir keinen eigenen Raum geben will.
Woher kommt jetzt dieser Schmerz, ich fürchte, ich hab etwas wo überlesen, aber ich weiß nicht wo? Und dann taucht dieses Wort mit der Butter insgesamt dreimal in deiner Geschichte auf und jedes Mal haut es mich raus. Kannst du vielleicht dafür etwas weniger Kalorienreiches finden? In meiner Fantasie wäre es ein Eiswürfel, der obwohl das Glas noch beschlagen ist, wie durch Zauberhand verschwindet, wenn es um Hitze geht. Ich verstehe schon, du willst etwas mit Ausdehnung darstellen.

in buttrige Tage eines ewigen Sommers.
Hier ist die zweite Verwendung des Buttrigen.
Für einen kleinen Moment bin ich der Insel und dem verrückten Erbsenzähler dafür dankbar.
Bei der zweiten Verwendung des Begriffs "verrückter Erbsenzähler" hab ich gestutzt, weil ich mich erinnerte, ihn am Anfang wo schon gelesen zu haben.
Ein der Welt entrückter Erbsenzähler?
Bei beiden Malen bin ich nicht so arg begeistert davon, meinst du Gott damit? Wenn ja, gäbe es nicht noch etwas mehr Punktgelandetes? Wobei ich mich keinesfalls an der Intention der Formulierung störe, sondern nur an dem Begriff, der noch treffender sein könnte.
Niemanden sonst erkenne ich wieder, niemand sonst ist halbwegs real außer Jerome, dem Fischer und Botschafter, geformt aus dreckiger Inselerde.
Hm...ist Jerome also Fischer? Und in welcher Weise ist er Botschafter? Das wird mir nicht so ganz klar. Welche Botschaft übermittelt er dem Protagonisten? Aber noch viel mehr irritiert mich dieses "geformt aus dreckiger Inselerde". Da bin ich inhaltlich ganz raus. An dieser Stelle fragte ich mich, ob Jerome gar nicht real ist?

Sie zwingt mich zu einem Umweg, den ich nicht zu laut denken darf, den ich im Leerlauf gehen muss als wandelnder blinder Fleck, sonst kommt die Insel mir zuvor.
Sehr kryptisch.
, buttrige Gedankenlosigkeit,
Das dritte Mal.
Mehr und mehr greifen in meine Arme, knabbern an Fingern und Ohren, ziehen Furchen durch mein Haar. Sie stimmen ein in den vielstimmigen Gesang, bevor sie mich in die Lüfte heben, ein weißgrauer Ballon mit zerfasernder Hülle aus streichelnden Federn, gelben Augen und Schweben.
»Zurück …«, flüstere ich, »… nur zurück.«
Bei dieser Szene stellt sich mir die Stirn kraus. Was passiert hier? Die Möwen, die wie bei Hitchcock eine lebende Person attackieren? Dann aber sind es streichelnde Federn? Stirbt er?
Lieber @linktofink , das waren jetzt so meine Kritikpunkte und Fragezeichen. Die Geschichte las sich sehr gut, ich mag auch diese präzsisen Beschreibungen super gern, weil sie schöne eindrückliche Bilder vor meinen Augen erzeugen. Darin bist du wirklich ein Meister.
Aber ich bin nun mal bekennende Anhängerin von klaren Texten. Ich liebe, um nur ein paar Beispiele zu nennen, die mir grad einfallen, die Geschichten von Hemingway und London und mag deren klare Strukturen. Wenn ich anfangen muss, innerhalb eines Textes zu raten, was ich da grad gelesen habe, fühle ich mich nicht so wohl wie bei den anderen Texten. Trotzdem käme mir nie in den Sinn, deswegen eine Geschichte zu verdammen.

Ich hab deine Geschichte gern gelesen, trotz allem.


Lieben Gruß

lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Aber diese über Bord hängenden Teile, @Katla weiß garantiert dazu etliche Bezeichnungen, die sind es, die knarzen können oder quietschen.
:D;) ⚓

Hehe, ja - auch @linktofink : Fender. Das unabhängig von der Größe.

Wenn die Boote / Schiffe sehr nach oben hin ausladende Seiten bzw. Handlauf haben, kann ein Gegeneinanderreiben aber durchaus passieren. (Da platzt auch flott der Lack ab und man kann am näxten Seetag streichen.) Ganz vor allem, wenn man nicht zu zweit, sondern dritt oder viert im Päckchen liegt. Entweder hängen dann die Fender zu tief, zu weit zum Bug / Heck hin (wo die Schiffsform bedingt, dass da weniger Duck oder gar kein Kontakt mehr ist); sind zu schmal, leicht defekt oder aber sie wurden zusätzlich auf Höhe des Handlaufs befestigt (an Seglern dann an den Wanten z.B.), rutschten dann durch die ständige Bewegung aber oben raus. Die kriegt kein Mensch mehr dazwischen, zumindest bei Schiffen. (Klar, eine kleinere Plastikjacht lässt sich besser schieben, kommt aber auf die Windverhältnisse / Wasserdruck gegen Land an.)

Die o.g. Szenarien wären so (sorry, hab den Text noch nicht gelesen, freue mich aber schon sehr) eher bei (Stahl-/Holz)Schiffen ab 25 m LOA aufwärts. Ist auch nicht so leicht zu beheben - v.a. bei größeren dann - weil das ggfs, ein paar Hundert Tonnen Gewicht sind und die kriegt man mit Muskelkraft nicht mehr voneinander weggedrückt. Vor allem nicht bei auflandigem Wind.

Will man das alles nicht (weil es zu viel Erklärung / Details erforderte), können aber die Festmachleinen knarren und am Rumpf des anderen Schiffes reiben (wenn die Leine vom zweiten Schiff direkt zum Land führt und nicht an einen Poller an Deck - das macht man, weil sonst alles zusammen an den Leinen des ersten Schiffes hängt), das macht richtig Krach. Auch hört man das Reiben der Schiffe oder Boote an den Fendern. Quietscht und Knirscht, also nicht so ein arg poetischer Ton.

Alles Liebe und schön, dass du wieder da bist @linktofink !
Ahoi, Katla

 

»Weißt du, kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort«, bellt er und wischt mit dem Handrücken über das nasse Kinn. Als er damit fertig ist, grinst er und zeigt auf meine Hose.

Moin, und schön, dass du wieder im Lande bist.

Ich finde den Satz etwas unpersönlich, unspezifisch. Er wischt ja über sein Kinn, oder? Als er damit fertig ist ... da bekommt das übers Kinn wischen so eine Wichtigkeit. Dann zeigt er auf meine Hose. Einfach und klar, oder?

Dort auf der Landzunge mit der ehemaligen Sardinenfabrik befindet sich eine große Möwenkolonie, die einst von den Abfällen lebte.
Sardinienfabrik, da denke ich an Steinbeck. Von was lebt die Möwenkolonie denn jetzt, aktuell, oder sind die weg?
Niemand ist mehr dort, der sie vertreiben könnte. Die neue nützliche Plage sind Tagesgäste, von kleinen bis mittleren Fähren an Land gespült.
Wo werden die Tagesgäste an Land gespült? An dem Strand der Insel wo die ehemaligen Sardinienfabrik? Geographie ist hier unklar, wer ist wo genau? Wird mir beim lesen nicht klar.

durch geschlossene Läden flimmern warme Lichtstreifen
Wie soll das gehen, wenn die Läden geschlossen sind?
Wie endlose Würmer ziehen sich die schwarzen Lücken zwischen den Häusern die Hänge hoch, verkräuseln sich jenseits der Gärten mit ersten Ausläufern des Waldes.
Muss man schnell lesen. Würmer sind schmale, lange, elastische Tiere ohne Wirbek. Die schwarzen Lücken zwischen den Häusern müssten also ähnlich schmal sein, um diese Assoziation hervorzurufen. Und dann kräuseln die sich jenseits der Gärten, die hier zum ersten Mal erwähnt werden, genau wie der Wald. Kräuseln, so wie sich Rauch kräuselt. Das krieg ich nicht zusammen. Wie weit gehen die Lücken denn hoch? Warum ist das wichtig? Wenn das eine besondere Architektur ist, die für die Story wichtig erscheint, und es sei es nur Setting, dann würde ich das gerne plausibel und exakt beschrieben haben, ich will dann die Atmo haben.
Ich weiß das nur, hören kann ich sie hier oben nicht und zum Hafen komme ich nicht.
Dann frage ich mich, warum das erwähnt wird, wenn es kein direkter sinnlicher Eindruck ist, den er selbst wahrnimmt.
Ich spüre wie es kippt. Was für ein Gott soll das sein, der Kleinigkeiten bestraft und großes Elend gleichgültig geschehen lässt? Ein der Welt entrückter Erbsenzähler?
Was genau kippt? Die Stimmung? Wird nicht so deutlich. Und dieser Einschub mit Gott ist halt 100% Autor, das passt nicht zur Figur, es wirkt so reinkonstruiert, weil es so unvermittelt kommt.
Kalt ziehen Winde durch die Gassen, ein jeder von ihnen besitzt eine eigene Flüsterstimme und jeder birgt eine andere Botschaft.
Puh, das hier auch: schwierig. Klingt etwas kitschig bzw schwurbelig.
Sie verflechten sich zu einem Bündel, zu einem pulsierenden Strom, der ein Grundrauschen erzeugt, das auch nicht aufhört, wenn ich mir die Ohren zuhalte.
Die Flüsterstimmen oder die Botschaften bündeln sich?, und dann: zu einem pulsierenden Strom, der wiederum ein Grundrauschen erzeugt: den er selbst hört, wenn er sich die Ohren zuhält. Da passt irgendwie nicht viel, finde ich. Da stellt sich auch kein Bild ein. Ich plädiere lieber für klar und deutlich.
Der Zigarrenschneider liegt vor ihm auf dem Tisch.
Cutter, oder?
Der Kellner lässt seinen Blick über die Köpfe schweifen, ich hebe die Hand, reibe Daumen und Zeigefinger aneinander. Wie jeden Tag ignoriert er mich.
Von was leben die denn, die Leute, wenn der Kellner ihn jeden Tag ignoriert?
Wir beide wissen, was er mit der kleinen Sünde meint und sie ist der einzige Grund, warum ich gerade Jerome ertrage.
Drei Absätze im Text, und ich weiß, ehrlich gesagt, immer noch nicht, was er mit der kleinen Sünde meint. Das wirkt vollkommen deplatziert hier, es gibt keine vage Andeutung, nichts. Ich weiß einfach nicht, was mir hier erzählt werden soll. Da wird viel Kulisse aufgebaut und auch ein wenig sprachlich hintergründig geraunt, aber um was es hier wirklich geht, wie die Charaktere zueinander stehen, was die da überhaupt machen - keinen Plan. Auf mich wirken die eher wie Vagabunden wie aus einer Beat-Generation Story, wie Slacker.
Mona setzt sich auf den Rand, schüttelt die Sandalen ab und schwingt die Füße ins Wasser, lacht.
Dann schon die dritte Figur im Text, ohne dass ich einen Zugriff auf die anderen beide habe.
Salzige Mittagshitze kriecht den Hügel hinauf, trägt auf ihrem Weg durch die verwinkelten Gassen den Geruch von Kakao, Chili und alten Steinen mit.
Salzige Mittagshitze bringt aber dann den Geruch von Kakao und Chili mit sich. Was denn nun? Die alte Chicken oder Pasta-Frage. Mir ist das sprachlich zu manieriert, und dann auch zu oft zu unpräzise.
Unten im sichelförmigen Hafenbecken dümpeln ausgeblichene Fischerboote, auch das von Jerome, das ich nicht betreten kann, da der ganze Hafen für mich unerreichbar bleibt. Eine Verbotszone.
Auch hier. Warum bleibt das unerreichbar? Das erzeugt eben keine Spannung, sondern Verwirrung, wie ich finde.
Seit dem ersten Tag schmeichelt die Insel mir mit berauschendem Meer und unfassbarem Licht, erfreut mich mit gutem Essen und dem Gezwitscher aus hundert Fenstern. Doch ebenso erstickt mich die Schwere der alten Mauern, die rauschende Einsamkeit der schwarzen Nächte und das konstante Signal vom Funkturm.
Hier, dieses Ausgesetztsein, dass finde ich spannend. Da würde ich noch mal einhaken, das auserzählen. Da steckt Potential, dass du einfach verschenkst: lass den Leser doch mehr Zeit mit deinem Protagonisten verbringen.
Dass ich sie nicht verlassen soll, weil es mir doch gut ergeht, dort wo ich bin, und ob denn das, was mich dort erwartet, wo ich hingehen will, tatsächlich besser sei?
Es ergeht ihm aber doch gar nicht so gut, oder? Die Schwere der alten Mauern scheint ihn zu ersticken, steht im Satz davor. Ich würde dieses Zwiespältige noch deutlicher machen, einerseits ja, aber andererseits. Auch diese Personifizierung der Insel, ich weiß nicht.
Neben Mona ist Jerome der einzige Mensch auf der Insel, der jeden Tag aufs Neue erscheint. Niemanden sonst erkenne ich wieder, niemand sonst ist halbwegs real außer Jerome, dem Fischer und Botschafter, geformt aus dreckiger Inselerde.
Klingt schwer nach Serenity, geiler Film.
Was er als kleine Sünde bezeichnet, ist vergleichsweise belanglos, damit ist mein Sprung von der Stadtmauer hinunter zum Hafen gemeint, in der irren Hoffnung, auf eines der Touristenboote zu gelangen.
Es gibt Touristen, die kommen und gehen, nur er kann das nicht. Warum? Das ist gut, das würde ich viel früher irgendwo hinsetzen, direkt an den Anfang. Da will ich wissen, wie es weitergeht, warum können die Touristen die Insel verlassen, aber er nicht? Ist er ein Geist oder tot oder sonstwas Spritistisches? Ist das alles nur eine Simulation? Da steckt was drin, ein Geheimnis.
Sie stimmen ein in den vielstimmigen Gesang, bevor sie mich in die Lüfte heben, ein weißgrauer Ballon mit zerfasernder Hülle aus streichelnden Federn, gelben Augen und Schweben.
»Zurück …«, flüstere ich, »… nur zurück.«
Das Ende, ich weiß nicht. Er wird von den Möwen hochgehoben und fortgetragen? Vielleicht stellt er sich das vor, aber ansonsten fände ich dieses Ende unbefriedigend. Ist ein tolles Setting, zwischen Hotel California, Serenity und Steinbeck, aber ich finde, du machst viel zu wenig daraus. Klar, man kann sagen, Challengetext und so, aber ich würde dir gerne mal 10 000 Wörter über die Insel folgen; und immer wieder landet er auf dem Bistrostuhl, er kann machen, was er will. Mona, Jerome, brauchst du die wirklich? Und mehr Szenen, die fehlen mir hier, das Unglaubliche so glaubhaft machen, so glaubwürdig erscheinen lassen, so lapidar, dass man erst nach einem Viertel merkt, was eigentlich läuft. Hinterlistiger sollte der Text sein, nicht alles preisgeben, nicht sofort sein Geheimnis verraten. Verrätselter, aber ohne dieses sprachliche Raunen.

Sind so meine Gedanken.

Gruss, Jimmy

 

Hallo @linktofink,

schön, wieder etwas von dir zu lesen.

»Weißt du, kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort«, bellt er und wischt mit dem Handrücken über das nasse Kinn. Als er damit fertig ist, grinst er und zeigt auf meine Hose.
Die Möwe fliegt weg, über den ausgetrockneten Springbrunnen,
Gelungene Beschreibung der 'Bekackung'* ohne sie direkt auszusprechen.

*Dieses Wort gibts wirklich, im Duden (also im Geheimarchiv, wird von Germanisten unterschlagen).

Auf dem Geländer direkt an der Rückseite der Fabrik hocken sie aufgereiht wie Perlen auf einem rostigen Draht.
Für mich ein schlechtes Bild: Perlen sitzen nicht auf einem Draht, sondern durch sie geht die Befestigung durch. Assoziiere dies eher mit Brathändln auf dem Grillspieß.

Dabei hast du durchaus interessante Bilder entwickelt:

Wie endlose Würmer ziehen sich die schwarzen Lücken zwischen den Häusern die Hänge hoch
(auch wenn die Würmer in meiner Fantasie relativ eckig ausfallen)

Die schmutzigen Zehen wachsen wie Früchte aus den rostigen Blattornamenten. Violette Trauben mit rissiger Haut und gelben Rändern.
Mal eine wirklich ungewöhnliche Beschreibung!

Hinten im Dunst lässt sich das Festland ausmachen, ein geschwungener Kohlestrich, der in der Luft hängt.
Ja, so macht der Dunst die Küste zur Kunst!

Vielleicht wäre hier und da ein Vergleich weniger nicht verkehrt. Ich habe den Eindruck, dass du dich da ausleben wolltest, ist auch okay. (Solche Einschätzungen sind halt sehr subjektiv).

Mona setzt sich auf den Rand,
Wo kommt die plötzlich her? Soll eine Rückblende sein, für die muss aber mit schriftstellerischen Mitteln der Boden vorbereitet werden.

das ich nicht betreten kann, da der ganze Hafen für mich unerreichbar bleibt. Eine Verbotszone.
Guter Satz, um Erwartungen beim Leser zu wecken. (Wie die Erwähnung der Sünden zu Beginn).

Die Pflastersteine sind dunkel vor Feuchtigkeit.
Die folgenden zwei Absätze treiben die Geschichte nicht voran.

Ja, der Schluss. Du erweckst durch die zitierten Sätze hohe Erwartungen, gerade im Genre 'Seltsam' sind die Anforderungen dann besonders hoch: Welchen Weg wählt man, ein Aha-Erlebnis, plötzliche Aufhebung des Nebels? 'Absturz' in das völlig Bodenlose ohne Logik oder Zielerreichung?

Der Schluss wirkt auf mich wie eine Verlegenheitslösung. Es muss keine 'Surprise-Ending-Story' sein, aber mehr Aussage, als 'es war halt so' erwarte ich schon.

Schade,

meint

Woltochinon Ha! Nr. 4000

 

@Salatze, @lakita, @jimmysalaryman, @Woltochinon,

vielen lieben Dank für eure Kommentare und Anregungen, hab gerade lange überarbeitet und der Story mehr Gerüst und Zusammenhalt verliehen. Ich bin zuversichtlich, dass jetzt deutlich wird, welcher Gedanke hinter dem Text steht!
Zeit für die ersten Antworten auf die Kommentare habe ich morgen Abend oder spätestens Freitag.

Danke für eure Geduld, peace, l2f

 

Hallo @linktofink
du schreibst:

Ich bin zuversichtlich, dass jetzt deutlich wird, welcher Gedanke hinter dem Text steht!
Das hat mich angelockt. Ich muss auch sagen, dass ich deine Geschichte gerne gelesen habe. Sie hat mich gut reingezogen und du hast da ein paar sehr schöne Details und stimmige Bilder drin! Leider muss ich sagen, dass zumindest mir nicht ganz klar geworden ist, welcher Gedanke hinter dem Text steht. Ich muss voranstellen, dass es mir nicht immer so leicht fällt, die tieferen Gedanken hinter Texten herauszulesen. Es mag also auch an mir liegen, dass ich nicht ganz verstanden habe, was hier passiert. Ich lasse dich mal an meinen Überlegungen teilhaben:
Es zeichnet sich für mich ab, dass der Protagonist in einer Art Vortufe zum Jenseits/ der Vorhölle gestrandet ist. Er darf die Insel nicht verlassen, hat sogar eine Art Bewacher (Jerome) an die Seite gestellt bekommen. Womöglich hat er sich etwas zu Schulden kommen lassen (kleine Sünden, große Sünden) und ist auch aus diesem Grund gefangen. Das alles hat wohl auch etwas mit Mona zu tun, die gestorben ist. Der Protagonist spricht aus, dass er sich auch in der Vergangenheit immer mal wieder etwas hat zu Schulden kommen lassen, keine sehr gute Beziehung zu Mona geführt hat und das jetzt bereut.
Die Kirche und der Funkturm scheinen zentrale Dinge auf der Insel zu sein. Die Kirche als ein Ort, der den Protagonisten beruhigt und ihm letztlich zur Flucht verhilft?
»Zurück …«, flüstere ich, »... nur zurück« und schlage seit einer Ewigkeit die Augen auf.
Das ist für mich ein Hinweis darauf, dass er (vielleicht aus einer Art Koma) erwacht? Ihm letztlich also die Flucht gelingt?
Soweit mal meine Interpretation. Ehrlich gesagt bin ich mir da sehr unsicher mit. Ich denke, dass ich deinen Text noch mal lesen muss.

Ich habe ja vorangestellt, dass es an mir liegen mag, dass ich nicht alles so nachvollziehen kann. Ich muss aber sagen, dass mir ein bisschen mehr roter Faden oder Hinweise in deinem Text gefehlt haben. Also, das ist kein Plädoyer dafür, dass du da jetzt alles übererklären sollst, aber ein klein wenig mehr das Gefühl, als Leser an die Hand genommen zu werden, hätte meinem Lesevergnügen gutgetan.
Trotzdem: Eine gut geschriebene Geschichte, die ich sicherlich auch noch mal lesen werde.

Beste Grüße
Habentus

Anmerkungen:

»Weißt du, kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort«, bellt er und wischt mit dem Handrücken über das nasse Kinn.
Nehme an, dass das so eine Art Glaubensfrage ist. Also benutze ich so Wörter wie bellen, raunen usw. oder bleibe ich beim sagen und lasse die Szene für sich sprechen. Hatte hier die Tage auch was drüber gelesen. Da wurde Stephen King erwähnt, der ja darauf besteht, man solle ausschließlich sagen benutzen. Ich für meinen Teil finde, dass durch den Aufbau klar wird, wie ich mir vorzustellen habe, wie der Typ hier spricht. Für mich bräuchte es das bellen nicht und mich reißt sowas auch immer ein wenig raus. Aber vlt. bin ich da auch einfach ein wenig eigen.

Weiter draußen sind der mit Quadern befestigten Küste Sandbänke vorgelagert. Dort auf der Landzunge mit der ehemaligen Sardinenfabrik befindet sich eine große Möwenkolonie, die einst von den Abfällen lebte
Finde ich gut. Du baust generell ganz gute Bilder, die sich auch nicht so altbekannt anfühlen, sondern für mich eigenständig klingen.

Ich weiß das nur, hören kann ich sie hier oben nicht und zum Hafen hinunter kann und darf ich nicht gehen.
Das ist mir zu sehr Geraune. Warum kann und darf der Protagonist denn nicht runter? Momentan ist mir das zu hingeworfen. Es muss nicht komplett erklärt werden, da würde was verloren gehen, aber ein wenig mehr bräuchte es hier für mich. Aber vielleicht Geschmacksfrage.

Seine fleischigen Füße hat er ins gusseiserne Tischgestell gedrückt. Die schmutzigen Zehen wachsen wie Früchte aus den rostigen Blattornamenten. Violette Trauben mit rissiger Haut und gelben Rändern.
Starke Beschreibung!

Und dann begeht er einen Fehler.
»Wenn du alles befolgst, wirst du Mona wiedersehen.«
An uns vorbei geht eine Frau, die das gleiche Sommerkleid trägt, das Mona an jenem Tag trug, Himmelblau, darauf verteilt rehbraune Jakobsmuscheln.
Ich verstehe noch nicht, worum es geht, aber hier hast du mich zumindest am Haken :)

Wir sind allein.
Mona setzt sich auf den Rand, schüttelt die Sandalen ab und schwingt die Füße ins Wasser, lacht. Sie klopft mit der Hand auf die Mauer. »Komm!«
Ich schüttele den Kopf und habe damit nicht nur Nein gesagt zu dieser Einladung, ich habe viel zu oft nein gesagt und noch öfter habe ich das bedauert.
»Du hast es so gewollt, auch das war deine Entscheidung«, sagt Jerome und saugt an seiner Zigarre, bis die Spitze aufglüht wie eine feurige Turbine.
Wie stehen immer noch voreinander, er zwischen mir und dem Hafen. Ich sehe die Wachsamkeit in seinen Augen, er ist auf dem Sprung.
Hier verwirrst du. Das ist bewusst, aber ich bin mir unsicher, ob mir das so gefallen hat, denn die Erinnerung (?) und der Ist-Zustand wechslen sich sehr schnell und unmittelbar ab. Die Verwirrung wirst du erzeugen wollen, aber wie gesagt: Bin mir unsicher, wie ich das finde. Vorausgesetzt, ich habe die Stelle richtig verstanden :)
Ergänzung: Das letzte Wie zu Wir, oder?

Ganz hinten im Dunst lässt sich das Festland ausmachen, ein geschwungener Kohlestrich, der in der Luft hängt. Was hilft es, ich kann nicht über Wasser gehen.
Schön!

pocht der Schmerz in meiner linken Hand, Stunden und Tage zerfließen danach zu einem buttrigen Sonnenbrei,
Das hast du weiter oben schon mal so benutzt. Ist die Dopplung gewollt? Denn es ist so auffällig, dass mir die Dopplung nach einmaligem Lesen aufgefallen ist. Evtl. ein anderes Wort nutzen?

Die Insel weiß jeden meiner Schritte, noch bevor ich selbst den Gedanken dazu gefasst habe.
Müsste es nicht heißen: weiß um jeden meiner Schritte? Oder: Kennt jeden meiner Schritte?

Ich steige über den kniehohen Draht und die letzten Gräser vor dem Meer und wende mich zur Schattenseite. Der salzige Geruch gewinnt an Schärfe. Meine Gedanken sind leer, kein Grund meine Schritte zu lenken.
Hat für mich alles einen leichten Hauch von Disco Elysium, falls dir das was sagt? Generell wie du die Insel baust, die Fabrik, die Möwenkolonie, die feinen Details sind für mich eine echte Stärke deiner Geschichte.

Gerne gelesen!

 

Hallo @linktofink

Noch ein sehr interessanter Challenge Beitrag. Geschrieben mit einer sehr ausgereiften, überlegten Sprache. Hat mir sehr gefallen, vor allem weil du (bewusst?) etwas rätselhaft bleibst. Nur das Ende hat mich nicht ganz überzeugt. Ich finde das könnte - müsste man sogar - anders gestalten. Mehr dazu am Ende.

hocken sie dicht an dicht, aufgereiht wie eine Perlenkette mit Federn

Das ist gleich zu Beginn einer dieser Sätze die einfach sitzen. Jeder, der schon mal im südlichen Europa Urlaub (Und das sind ja beileibe nicht wenige) gemacht hat, kann sich mit diesem Möwenbild identifizieren.

Die neue, nützliche Plage sind Tagesgäste, von kleinen bis mittleren Fähren an Land gespült

Auch das ist unglaublich gut. Die Touristen quasiden Möwen gegenüber gestellt. Ein nicht enden wollender Strom von Lebewesen, bei denen sich der Protagonist nicht sicher ist, wer mehr nervt.

Doch ebenso erstickt mich die Schwere der alten Mauern, die rauschende Einsamkeit der schwarzen Nächte und das konstante Signal vom Funkturm.

Das Bild vom Funkturm ist stark, aber du erwähnst es zu oft. Hier war ich dem zum ersten Mal überdrüssig. Das Signal ist konstant da, enervierend, habe ich verstanden. Vielleicht wolltest du aber auch den Leser genauso damit quälen, wie den armen Protagonisten?

Für einen kleinen Moment bin ich der Insel und dem verrückten Erbsenzähler dafür dankbar.

Ein ganzes theologisches Grundproblem in einem Satz beschrieben, stark! Einerseits verweigert er sich dem christlichen Glauben und versteht dessen Dilemma eines allmächtigen aber untätigen Gottes.

Andereseits ist er doch ein wenig auf einer spirituellen Suche und dankbar für den kurzen Moment des Innehaltens, den ihm ausgerechnet eine Kirche schenkt.

Damit ist mein Sprung hinunter zum Hafen gemeint. Genauer gesagt habe ich mich von der Balustrade fallen gelassen, in der irren Hoffnung, mich mit gebrochenen Beinen auf eines der Touristenboote zu schleppen.

Bis zu diesem Absatz habe ich gerätselt, um was der Plot kreisen könnte. Es wird klar, das es eine Insel ist, die täglich von Touristen besucht wird. Der Prot kann die Insel aber nicht verlassen. Scheinbar lebt er dort auch nicht freiwillig. Und er ist von Erinnerungen an eine Mona geplagt, die scheinbar gestorben ist.

Vielleicht liege ich mit meiner Interpretation total daneben, aber ich hatte spätestens ab diesem Absatz Lampedusa vor Augen. Auch Passagen davor ließen mich schon in diese Richtung denken. Diese Beschreibung der Insel als zwar schönes, aber erbarmungsloses Gefägnis, der ständige Blick aufs Festland und die Frage, ob es dort wirklich besser wäre.

Und dann hier dieser vergebliche Fluchtversuch. Nach dem erneuten Lesen würde ich den Protagonisten als Flüchtling sehen. Jerome ist an ortsansässiger Fischer, das erwähnst du ja sogar explizit. Und Mona war eventuell eine Touristin, die mit ihm ein paar Worte gewechselt hat. Oder versucht hat ihm zu helfen.

Nur warum wird dann von ihrem Tod gesprochen? Vielleicht ist sie auch nur ein Trugbild, eine schöne Phantasie, damit man die unerträglichen Zustände besser aushält. Auch diese Deutung wäre möglich. Aber da müsstest du ein bisschen mehr ausformulieren.

Das ist jetzt gar nicht negativ gemeint. Denn für mich funktioniert dieses Bild mit Mona auch so schon sehr gut. Vielleicht könnte da aber ein bisschen mehr Struktur helfen, damit man sich allgemein besser orientieren kann. Es mag auch Leser geben, die an diesem Punkt aus der Geschichte fallen.

Und dann ist da noch das Ende. Ganz verstanden habe ich es nicht. Möchtest du symbolisch bleiben, mit diesem Zerreißen durch die Vögel? Passiert es wirklich? Falls meine Annahme stimmt, finde ich es gut, dass er einen weiteren, offenbar tödlichen Fluchtversuch unternimmt. Aber dann müsstest du das ganze dramatischer aufziehen. Uns mitfühlen lassen, ohne ins moralische und kitschige zu kippen. Ziemlich schwierig zu schreiben.

Oder du bleibst bei den Traumbildern. Dann würde ich diese Diskrepanz zwischen Realität und Innenleben stärker heraus arbeiten. Das kannst du gut, schon am Anfang der Geschichte kommen ja solche Szenen:

Als ich aufwache, ist es Nacht und nachts ist die Insel beinahe tot. Dieselgeneratoren tuckern zahm vor sich hin, die Straßen gehören den Katzen, durch die schrägen Lamellen der geschlossene Läden dringen warme Lichtstreifen, meine Schritte hallen von kahlen Mauern zurück. Wie endlose Würmer...

So szenisch solltest du dann auch das Ende halten.

Aber alles nur Vorschläge von mir. Auch in der gegenwärtigen Form finde ich die Story sehr stark!

Liebe Grüße
Raibow Runner

 

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